Hart unterwegs mit Kerstin Klatschmeier

Der Klatschmeier ihr halbwegs geheimes Weintagebuch

In ihrem weitgehend geheimen Weintagebuch sinniert die passionierte Schnapsdrossel Kerstin Klatschmeier über die nackte Kreatur und das große Tanztheater drumherum: Ihre „Causa Bouteille de pleurer et chopiner“ ist ein Buch mit sieben Siegeln, so endgültig wie ein vorwitziges Satiremagazin, so kanarienvogelgelb verpackt wie Jörg Schmadtke, wenn der seine Tage hat, und so fermentiert wie ein ungewaschener Käsefuß, der gerade aus dem Dschungel tapert.

Casual Friday, 20 Uhr Jetzt ein edler Tropfen! Lasse mir das zartprickelnde Rosé-Vergnügen aus einem provenzialischen Familienweingut auf der Zunge zergehen. Hach! Home Sweet Home! Meine Heimat ist ein französischer Weinberg. Lange musste ich leiden, bis ich ihn erklimmen konnte. Doch nun, nach fünf Tagen, ist es geschafft. Feierabend! Sonnenschein! Haha! Vorhin noch mäandernde Stadtkind-Themenkonferenz. Auf die zentrale Frage von El Cheffe („Was interessiert unsere Leser?“) habe ich mit der zentralen Gegenfrage geantwortet: Was interessiert es uns, was unsere Leser interessiert? Großes Schweigen im Wald … Bis der Herausgeber (wie immer) das Wort an sich reißt und über Gonzo-Journalismus referiert (eine Halbzeit lang). Wenn er könnte, würde er jeden Tag den Freuden des Gonzo-Journalismus frönen und irgendwo zwischen New York und Tokio in einem anderen Hotelbett aufwachen, sagt El Cheffe. Einziges Hindernis: die fehlenden Lappen, Groschen, Taler, Moneten, Piepen, Mäuse und Kröten. Ohne den schnöden Mammon, ohne Kies, Schotter, Zaster, Kohle und Knete könne man halt keine Luftsprünge machen. Mit anderen Worten: Ohne Moos nix los. El Cheffe so: Auch ohne Penunsen für gründliche Recherche etc., müsse jetzt endlich der „Wind of Change“ durch unser renommiertes Verlagshaus wehen. Frische Ideen seien so notwendig „wie unser tägliches Brot“, um auch morgen noch „kraftvoll zubeißen“ zu können und zu den „Medienmachern de Jour“ zu zählen. Habe also folgenden Vorschlag gemacht: Wir erfinden ein neues Genre, den Hausfrauenjournalismus, und machen so unsere Schwäche zu unserer Stärke! Die Vorteile: geringer Aufwand, wenig Ausgaben. „Hausfrauen sind billig, sie verursachen kaum Dreck, Heizkosten oder Gestank. Und sie erledigen ihren Job von zu Hause aus“, habe ich gesagt und gleich den dazu passenden Claim kreiert: „HausFrauen@HomeOffice“. Hausfrauenjournalistinnen (HFJ) schreiben über Themen, die jeden interessieren: Helene Fischer, Helene Fischers Frisur, Helene Fischers Style, Helene Fischers Sternzeichen, Helene Fischers Mann, Helene Fischers bestes Backrezept und so weiter. HFJ müssen nicht recherchieren, sie schreiben einfach auf, was ihnen gerade so in den Kopp kommt. Und das Gute: Hausfrauenthemen sind total im Kommen. Das Leid in der Welt will eh keiner sehen, habe ich gesagt, und ein Leuchten in den Augen von El Cheffe gesehen … Wie gesagt: Heute sitze ich ganz oben auf dem Weinberg und schaue nach unten ins Tal. Hach! Darauf schleuder ich mir gleich noch einen rein. Haha!

Divine Saturday, 21.40 Uhr Nachmittags im Café Gespräch der Nebenmänner belauscht. Die beiden haben um 15.30 Uhr eine große Karaffe Wein bestellt und waren um 16.30 Uhr vollbreit. Haha! Dann ging es philosophisch ans Eingemachte mit Themen wie der Mensch als Jäger und Sammler … Fast hätte ich mich eingemischt und mitgetrunken, aber vor 18 Uhr rühre ich keinen Alkohol an – eiserne Regel für einen Wirkungstrinker wie mich. Also wirklich, wo gibt es denn so was, das jemand am helllichten Tag in einem öffentlichen Café derartig rumsumpft, statt sich dafür standesgemäß in ein dunkles Loch namens Club zu verkriechen? Wir sind doch nicht bei den Hottentotten, und der „Internationale Frühschoppen“ mit Werner Höfer und seinen Saufkumpanen wurde 1987 eingestellt!

22.11 Uhr Der einzige Ort, wo öffentliches Saufen heutzutage vor 18 Uhr noch kein Tabu ist, ist das Fußballstadion … Habe neulich nach dem Spiel gegen Möchengladbach zwei Borussen bei Rossmann belauscht: Zeigt der eine auf zwölf Budweiser-Halbe im Pack und fragt den anderen: „Meinst du, das reicht für die Zugfahrt?“ „Ja, eine halbe Stunde lang“, sagt sein Kumpel und wankt vollbreit zur Seite … Boah, immer diese Säufer! Können an nichts anderes denken als an ihre Druckbetankung. Na ja, vielleicht haben diese Borussen auch sonst nichts, auf das sie sich freuen können, da sollte man Milde vor Recht walten lassen. „Jeder ist seines Glückes Schornsteinfeger“, hat meine Oma immer gesagt, bevor sie den Obstler aufgeschraubt hat. So will ich es auch halten. Mhm, dieser schmelzige rote Cuvée aus Norditalien punktet mit intensiver Frucht. Und er haut rein. Verdammte Axt!

2.05 Uhr Auch Älche saufen ja görn mal einen über den Dörst. In Schwedee sinde betrunkene Älche jädenfalls köne Seltenhei. Die fresse vergorenes Obste, törkeln vollebreit durch die Stadtee und schlafen ihren Rauschi uffe Straße auus. Wie bei ihren nahen Verwandten, den Münschen, kanne das schon mal ins Auge gehee, is klar. *Hicks* Alköhl kann zum Tüd führen, auch Älche sind nich dagege gefeit. „Nicht nur Mönschen stolpern über Maulwurfshügele, auch Viecher sollten sich imma vorher überlege, wo die nächste Tretmine liegt“, würde Inspektor Clouseau, der beste Mann bei Interpöl … –….Muh! tüttütt! TRÖTI-TRÖT BUMS__  :-)))

Creepy Monday, 20.15 Uhr Habe Stippen am Hals. Ist womöglich eine Art Wein-Allergie, eine Histamin-Intoleranz, weshalb ich heute mal die Finger von der großen Verkostungskiste lasse, die Else mir zum Geburtstag geschenkt hat. Bio-Bier zum Abendbrot tut es auch! Das Techtelmechtel zwischen Else und Holgi ist übrigens schon wieder Schnee von gestern. Originalzitat Else: „Eine ernsthafte erotische Beziehung zu einem Mann aufzubauen, der schwäbisch spricht, ist ungefähr so, als würde man freiwillig eine Amnesty-International-Dependance in Nordkorea eröffnen.“

Delicious Thursday, 19.39 Uhr Der Donnerstag ist der kleine Freitag, sagt Else immer. Zur Feier des Tages steht ein finessenreicher Goldmedaillen-Bordeaux auf dem Tisch. Dazu mache mir ein paar Gedanken über die Fauna. In Chile haben Genforscher ein Babyhuhn mit einem Dinosaurierbein erschaffen. Wozu das gut sein soll, weiß kein Schwein. Was soll so ein kleines Embryohühnchen denn mit so einem großen Dinobeinchen? Da kann es sich ja gleich umbringen – das ist doch alles pervers! Warum nähen die Forscher ihm nicht den ausgeleierten Tennisarm von Boris Becker an, das wäre wenigstens lustig (Twipsy reloaded). – Na, man steckt nicht drin, in diesen Forscherhirnen … Und das ist auch gut so! Mhm, dieser Bordeaux aus einem Petit Château an der Loire ist köstlich. Ein echter Franzose. Das merkt man doch gleich.

Freaky Friday, 21 Uhr Vorhin große Operation im Badezimmer: Abflussrohr verstopft! Beim Gedanken an den Schmadder und Morast der letzten 100 Jahre, der da unten im Rohr auf mich lauert, ist mir schlecht geworden. (Liegt’s am Qualitätswein von gestern?) Dann endlich beherzt zugegriffen und das neue Motivationshörbuch von Jürgen Höller in den Player geschoben („Alles ist möglich“, fünf Audio-CDs). Hat aber nix genützt, weil: keine Zange im Haus. Pech gehabt, Not-OP verschoben! Der Schmadder der letzten 100 Jahre muss nun weiter vor sich hin modern. Kann man nix machen, da hilft auch kein Höller.

Honky-Tonk-Thursday, 19 Uhr Die Weltpolitik zu Gast in Hannover – und ich bin nicht dabei! Zuerst habe ich Varoufakis verpasst, der mit seinen Kumpels von der Champagnersozialisten-Fraktion eine neue Internationale am Steintor ausgerufen hat. Und jetzt sind auch noch alle Gullideckel zu, und ich kann mir keine Schneise durch die Kanalisation schlagen, um Obama und Co. Guten Tag zu sagen. Merde! Während der Präsi in intimem Rahmen mit 1000-köpfiger Delegation durch den Großen Garten stapft und dort mit Angie einen auf Leibniz und Kurfürstin Sophie macht, muss ich mich am Wochenende mit Arbeit rumschlagen. Boah! Trinke jetzt erst mal einen feurigen Rioja und klage dann jeden Einzelnen an, bevor ich alle zusammen in einem Schmähgedicht in Grund und Boden beleidige. Das Leben ist wie ein Lagenriesling, der immer mehr verspricht, als er halten kann.

KK


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