Ein letztes Wort im November …

Herr Weil, herzlichen Glückwunsch! Die SPD hat gewonnen, Sie haben gewonnen. Die Wählerinnen und Wähler haben Sie sehr deutlich im Amt bestätigt.
Herzlichen Dank! Ja, ich habe mich sehr gefreut  über den Wahlsieg, das war ein toller Abend  für die SPD in Niedersachsen, aber auch für die Bundespartei.

Trotzdem folgt jetzt eine schwierige Zeit. Wir führen unser Gespräch direkt in der Woche nach der Wahl, die Verhandlungen zur Regierungsbildung beginnen erst. 
Ja, zunächst stehen Sondierungsgespräche an, dann die eigentlichen Koalitionsverhandlungen.

Ich fasse den Stand der Dinge mal kurz zusammen, und auf meine Frage am Ende können Sie dann gerne mit „wir werden sehen“ antworten. Rot-Grün hat sehr knapp keine Mehrheit mehr, die FDP steht für eine Ampel nicht zur Verfügung, die CDU hat schon signalisiert, Regierungsverantwortung übernehmen zu wollen. Ich sehe gar keine Alternativen zu einer großen Koalition in Niedersachsen, oder?
Wir werden sehen (lacht).

Das muss ein sehr seltsames, ambivalentes Gefühl sein: Der Erfolg auf der einen Seite und  diese schwierige Situation auf der anderen Seite. Sozusagen Euphorie mit eingebauter Handbremse.

So ist das in einer Demokratie. Die Wählerinnen und Wähler bestimmen die Machtverhältnisse, die Politiker müssen verantwortungsbewusst damit umgehen. Das Wahlergebnis ist für uns trotz aller Freude darüber, dass wir die Nase vorne haben, durchaus eine Herausforderung.

Für Sie ist dieses Ergebnis sicher auch eine Genugtuung, nach den schweren Anwürfen, die Sie sich im Wahlkampf gefallen lassen mussten.

Genugtuung trifft es nicht ganz. Die fast 37 % bestätigen einen Eindruck aus den vielen Bürgerversammlungen der letzten Monate. Viele Menschen waren mit unserer Politik zufrieden und  insbesondere auch mit unserem Umgang mit der Krise bei Volkswagen. Sie haben erkannt, dass es Olaf Lies, unserem Wirtschaftsminister, und mir zwar sehr darum ging, die Dieselaffäre aufzuklären und das Unternehmen neu auszurichten, aber auch darum, den Konzern zu stabilisieren und die rund eine Viertelmillion Arbeitsplätze zu sichern.

Da war sehr viel Gift im Spiel, nicht nur im Wahlkampf, auch während der Regierungsjahre, vor allem von Seiten der CDU. Auf die Koalitionsverhandlungen wird sich das jetzt nicht unbedingt positiv auswirken. 

Wenn dieses Interview erscheint, wissen wir vielleicht schon mehr. Ich bin sicher, dass alle denkbaren Beteiligten professionell miteinander umgehen und zum Wohle des Landes verhandeln werden.

Kommen wir noch mal zu Ihnen ganz persönlich. Wie muss man sich Stephan Weil am Wahlabend vorstellen? Schwebend auf Wolke Sieben, aber ein Zipfel bereits fest am Boden angenagelt?

Na, ein bisschen war ich schon auf Wolke sieben. Glücklich und  erleichtert, denn ich hatte die bis dahin härteste Phase meines Lebens hinter mir. Die gute Laune konnte man mir – glaube ich – auch ansehen. Viele Menschen haben hinterher gesagt, ich hätte gestrahlt wie selten.

Ich kenne Sie ja nun bereits seit Ihrer Zeit als Oberbürgermeister in Hannover und entsprechend führen wir nun seit einigen Jahren dieses monatliche Interview. Und ich habe mich mit Komplimenten immer sehr zurückgehalten. Aber jetzt mache ich Ihnen mal eins: Mir gefällt, dass Sie sich in all den Jahren kaum verändert haben. Ich sitze hier immer noch mit einem Stephan Weil, der politische Pläne hat, der etwas umsetzen will. Ich muss ja nicht mit allen Plänen einverstanden sein, aber ich mag, dass Sie welche haben.

Vielen Dank, aber ist das nicht selbstverständlich? Wer keinen politischen Gestaltungswillen hat und nicht weiß, was er  umsetzen will, sollte nicht Ministerpräsident werden wollen. Sicher habe ich mich auch ein wenig verändert in den letzten Jahren, aber die Bodenhaftung ist geblieben. Dafür sorgen schon meine Frau und gute Freunde.

In der Tat scheint sich auch sonst so ganz allmählich Ihr Image zu wandeln – von der „Büroklammer“ zum „Macher“. Diese „Büroklammer“ habe ich nie so ganz verstanden. Und ich glaube, wer mit Ihnen ins Gespräch kommt, revidiert ebenfalls schnell diesen Eindruck. Was glauben Sie, warum haben manche zumindest aus der Ferne diesen Eindruck von Ihnen?   

Vielleicht, weil ich mir schon immer sehr gründlich überlege, wie sich Entscheidungen auswirken, weil ich mich als Jurist an Recht und Gesetz halte und die finanziellen Folgen stets mit berücksichtige. Aber viele unserer Aktivitäten aus der letzten Legislaturperiode waren durchaus schwungvoll und dynamisch: Nehmen Sie unseren Einsatz für eine wirklich ergebnisoffene, bundesweite Standortsuche für hoch radioaktiven Müll, die konsequente Ausrichtung auf mehr gute Ganztagsschulangebote, unsere Vorreiterrolle bei der Rückkehr zu G9 oder auch die Entscheidung für eine Grundsanierung bzw. einen De-Facto-Neubau der Universitätskliniken in Hannover und Göttingen.

War es ein Geheimnis ihres Erfolgs in Niedersachsen, dass Sie sehr viel unterwegs waren, sehr viel den persönlichen Kontakt gesucht haben?

Es hat mir geholfen, dass ich nicht nur im Wahlkampf, sondern während der ganzen Legislatur überall in Niedersachsen viel mit Bürgerinnen und Bürgern im Gespräch war und oft einen direkten Eindruck von der jeweiligen Situation vor Ort gewinnen konnte. Ich halte nichts vom Regieren vom grünen Tisch in Hannover aus. Und meine Gesprächspartner haben hoffentlich gemerkt, dass ich ihnen zuhöre und ehrlich verstehen will, was sie bewegt. Mir machen diese vielen Kontakte auch immer noch genauso viel Freude wie in den alten Rathaus-Jahren.

Ich verrate Ihnen noch etwas, was mir gefällt. Ich hatte bisher nie den Eindruck, dass es Ihnen um Macht geht. Neulich hat mich jemand gefragt, ob ich in einem Satz Stephan Weil beschreiben kann. Der mag nicht, wenn etwas nicht gut funktioniert, habe ich geantwortet. Ist da was dran?  

Schon. Und es stimmt, ich freue mich darüber, dass inzwischen vieles in Niedersachsen besser, manches bereits sehr gut funktioniert. Wir haben beispielsweise die Zahl der Krippen und Kitaplätze stark erhöhen können, das erleichtert auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und es gibt inzwischen deutlich mehr sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in Niedersachsen. Dann macht die Arbeit auch Freude, wenn man solche Ergebnisse sieht.

Beschreiben Sie mal in einem Satz Stephan Weil.

Ach wissen Sie, das sollen lieber andere machen.

Interview: Lars Kompa

Diesen Beitrag kommentieren

Stadtkind twittert