Das Team von „Wie es euch gefällt“

(In den Noah Studios im Helmkehof empfängt das Creativteam des Shakespeare-Musicals „Wie es euch gefällt“ zum Pressetermin. Das bewährte Duo Heinz Rudolf Kunze (Text) und Heiner Lürig (Musik) ist da, Renate Rochell, die bei dessen vierter Shakespeare-Adaption Regie führt, außerdem Merle Hoch (die Besetzung der unangefochtenen Hauptrolle namens Rosalinde), und Tim Müllerder Oliver, den fiesen Bruder-Widersacher der männlichen Hauptrolle, geben wird). In entspannter Runde berichten die Fünf von den Besonderheiten der Komödie und schwärmen von den optimalen Proben- und Aufführungsbedingungen des Musicals, das vom 2.-25. August im Theater am Aegi zu sehen sein wird. Nur kurz zum Inhalt: Der ältere Herzog lebt in der Verbannung, Rosalinde, seine Tochter, wird von Herzog Frederick vom Hof gejagt und flüchtet (als Mann verkleidet) zusammen mit dessen Tochter Celia. Orlando, ein junger Edelmann, ist hoffnungslos in Rosalinde verliebt sowie im Streit mit seinem Bruder Oliver um das väterliche Erbe. Im Wald von Arden beginnt zwischen diesen und weiteren Figuren ein Verwirrspiel, eine „leichte Komödie mit einem kleinen philosophierenden Touch und dem Hauptthema Liebe.“

Renate Rochell überlegt: „Was macht man am Hof, wo Strenge, Intrige und Langeweile herrschen? Man verliebt sich eben. Das geht dann sehr schnell, und auch sehr plötzlich und heftig.“ Heinz Rudolf Kunze (Bild links) meint: „Shakespeares Komödien sind Kasperletheater für Erwachsene. Das kann man aber nur richtig verstehen, wenn man hinzufügt: Mit tiefstem Respekt vor dem Kasperletheater.“ Rochell bestätigt: „Ja, die Gefühle werden schon ernst genommen! Der Witz kommt dann aus dem Verkleidungsspiel, zum Beispiel, wenn sich Rosalinde als Mann verkleidet und Orlando der einzige im ganzen Aegi ist, der das nicht merkt.“ Kunze dazu: „Diese Doppelbödigkeit, das ist ja die Parallele zum Kasperletheater. Wenn der Kasper da steht und sagt ‚Ja, wo ist denn das Krokodil?‘, dann spielt das ja damit, dass die Kinder wissen, es ist genau hinter ihm. Und so wird in diesem Fall damit gespielt – mit dem Mitwissen der Zuschauer – dass allen klar ist, da ist ein Mensch, der verkleidet sich andersrum. Alle wissen das – und finden es trotzdem lustig.“ Das Philosophierende bringe etwa die Figur Jaques mit ein, ein Scharfgeist an der Kante des Depressiven. Für ihn seien alle Menschen Narren – und von ihm käme dann auch der Ausspruch ‚Die ganze Welt ist eine Bühne‘. Kunze wirft ein: „Für ihn eher ein Tollhaus. Man darf ja auch nicht vergessen, dass Shakespeare schon immer entzotet wurde. Shakespeare war viel schmuddeliger und obszöner als die ersten deutschen Übersetzungen, da wurde schamhaft rausradiert. Jetzt kriegt ihr den wahren Willi! Man kann aber die damaligen Witze nicht mehr wiedergeben, weil die niemand mehr zum Lachen findet, die Anspielungen versteht keiner mehr. Darum muss man das durch heutige Redewendungen ergänzen – in der Hoffnung, dass dann auch gelacht und geweint wird, wie es Willi vorgesehen hatte. Zeitbezogene Anspielungen habe ich dieses Mal aber nicht drin. Es ist ein luftiges Märchen, das in einer Nirgendzeit an einem Nirgendort passiert. Oder jederzeit an jedem Ort.“

Auf die Frage, ob es typische Musical-Musik gebe, antwortet Heiner Lürig heiter-entsetzt: „Ich hoffe nicht! Nein, es ist Bandmusik, ich würde sie eher als etwas zwischen Chanson, Pop und Folk bezeichnen. Mich hat inspiriert, dass es in einem französischen Wald spielt, die Assoziation zum Akkordeon passierte dann irgendwie.“ Tim Müller, der es nicht wissen, aber singen muss, sagt: „Es gibt auch eine Reggae-angehauchte Nummer, einen ganz guten, bunten Mix aus Melodien und Themen. Es macht auf jeden Fall Spaß – zum einen, das zu singen, und zum anderen finde ich, Heiner hat auch ein paar große Ohrwürmer geschaffen. Wir waren bei ihm im Studio und konnten da schon ein bisschen in die Musik eintauchen, das war ein großer Spaß.“ Lürig: „Es war eine tolle Erfahrung, mit den Schauspielern an den Songs zu arbeiten, schon bevor sie auf die Bühne gehen. Diese Sicherheit, die ich jetzt habe, zu wissen: Die Songs sind fertig und so singen sie sie dann auch, das ist großartig.“ Im Verlauf des Gesprächs lässt Heiner Lürig einige der Songs anspielen, die allesamt ins Ohr gehen und schmunzeln machen, sei es der beschwingte, märchenhafte Folkloresong „Dann wird ihr Mädchen glücklich sein“, „Die Vollkommenheit der Frau“, ein poetisches, verklärt-verliebtes Loblied, oder die Sicht von Orlando in „Liebeswahn und Liebeswut“, einem rockigen Song mit NDW-witzigem Backgroundchor. Und ja, es sind eingängige Spaßmacher dabei – auf dem Rückweg summe ich tatsächlich die eine oder andere Melodie vor mich hin…

Anfang Juli beginnt im Theater am Aegi bereits der Aufbau, neben der Regenfestigkeit einer der großen Vorteile der neuen Spielstätte. Rochell: „Wir haben von vornherein das Bühnenbild stehen, können schon in der zweiten Woche beleuchten. Die Situation ist spektakulär, die habe ich so noch nie erlebt – dass man vier Wochen lang auf der Bühne proben kann, wo man dann auch aufführt. Das ist für mich ein großes Geschenk.“ Merle Hoch (hat schon in Kunze/Lürig-Herrenhausen-Inszenierungen agiert, „bei der Motte angefangen und bei Titania aufgehört“), erzählt: „Gereizt hat mich natürlich dieses Team. Ich bin großer Fan – war z.B. mit meiner Oma auf Heinz‘ Konzert“ (alle lachen sich scheckig). Sie freut sich, dass sie eine der reizvollsten Frauenrollen von Shakespeare abbekommen hat – „Die beste, die ich bisher in den Fingern hatte“, betont Kunze, und begründet: „Die junge Frau hat den Laden im Griff, das ist die klügste Person auf der Bühne, die dynamischste Person, die das Ganze vorantreibt – mit ihr verglichen ist ihr Lover eigentlich ein Hanswurst.“ Dass es sich um eine Welturaufführung handelt, ist für alle das größte Plus an „Wie es euch gefällt“. Merle dazu: „Ich finde es für meine Rolle schön, dass es kein Vorbild gibt, denn so konnte ich die komplett selbst entwickeln und mich setzt keiner von außen da rein.“ Und auch Rochell meint: „Das ist für uns alle das Spannende: Wir können nicht googeln oder uns das Ganze in zehn verschiedenen Fassungen auf Youtube angucken, sondern wir machen unser Ding. Gerade diese Freiheit, wenn es nicht bis ins Kleinste schon Vorstellungen gibt, sondern du die gemeinsam entwickelst, das ist grandios.“ Kunze: „Im Gegensatz zu diesen beklemmenden, deckungsgleich inszenierten großen Musicalshows, die mit Theater nicht mehr viel zu tun haben. Das ist Mc-Donaldisierung der Bühne. Jetzt bekommen die Zuschauer ein Original: ein französisch-irisches Wild- und Wald­ragout.“

Eintrittskarten für die Vorstellungen vom 2. bis 25. August sind bereits im Vorverkauf unter Tel. (0511) 12123333, www.hannover-concerts.de und an den Vorverkaufsstellen erhältlich.

 

Sechs Fragen an Heiner Lürig

Es ist eure vierte Shakespeare-Adaption: Macht das noch Spaß – oder jetzt erst recht? Jetzt erst recht! Für das erste Musical „Ein Sommernachtstraum“ wurde ich ja damals quasi über Nacht zum Musicalkomponisten, obwohl ich das nie sein wollte. Ich hab einfach das gemacht, was ich kann: Songs schreiben. Und ich mache heute auch immer noch nichts anderes. Ich versuche, passende Songs für Situationen zu schreiben, ich gucke mir an, welche Figur agiert. Was passiert da gerade, was für eine Atmosphäre wird das Ganze haben. Und das fällt mir jetzt, im vierten Stück, viel leichter als noch im ersten.

Du bekommst von Heinz Rudolf Kunze zuerst die fertigen Texte und schreibst dazu die Songs, oder wie ist die Reihenfolge? Ich habe früher in unserer Zusammenarbeit Heinz gerne Songs angeboten, die komplett fertig waren, und sozusagen nur noch auf die richtigen Worte an den verschiedenen Stellen gewartet haben. Beim Musical kann man aber nur andersherum arbeiten: Man bekommt den Text und komponiert die Musik dazu. Da habe ich dieses Mal besonderes Glück gehabt, weil Heinz mir den kompletten Text auf einmal gegeben hat. Das entspricht meiner Arbeitsweise, denn ich picke mir gerne von Tag zu Tag etwas raus, je nach Stimmung. An manchem Tag bin ich eher für eine Ballade, an einem anderen möchte ich lieber eine kleine, besondere Nummer machen – und da konnte ich mich so schön bedienen an allem, dass ich in einen richtigen Rausch geraten bin.

Seit wann arbeitest du schon an dem Musical? Die Songs habe ich im Januar 2017 geschrieben, kenne es also schon relativ lange. Jetzt allmählich freue ich mich, wenn die Figuren richtig besetzt sind, dass das Ganze anfängt zu leben.

Gibt es für dich eine Lieblingsszene, einen Lieblingssong? Oder sind die alle ‚gleichberechtigt‘? Nein, das wäre wohl kokett zu sagen, dass sie mir sind alle gleich lieb sind, das stimmt auch nicht. Es gibt ein paar Songs, die mir von der Situation oder von der Besetzung oder wie sie gesungen werden, besonders lieb sind. Das sind ungefähr die Hälfte – aber das wechselt dann auch mal.

Vielleicht wechselt es auch noch mal, wenn sie jetzt auf die Bühne kommen – wo du ja als Gitarrist der Band selbst dabei sein wirst. Genau, ich werde das dieses Mal als Bühnenbeteiligter miterleben. Bisher saß ich ja immer als Zuhörer am Mischpult und konnte erst hinterher was dazu sagen. Es ist schön, wenn man Dinge selber noch mit in der Hand hat und formen kann – das kenne ich als Musiker. Das ist das Tollste, wenn man auf der Bühne sitzt und es selbst spielen kann.

Gibt es im Stück die eine oder andere Figur, für die du lieber komponiert hast? Die eine Figur, bei der ich mir erlaubt habe, etwas bodenständigere Polkamusik zu komponieren. Die Figur heißt ‚Prüfstein‘, ist ein etwas derberer Typ, und der kriegt darum eben solche Musiken. Das hat Spaß gemacht. Nicht, dass ich das jetzt dauerhaft machen will, aber so als kleiner Gegenpol zu der sonstigen Schönheit und den anspruchsvollen Dingen, finde ich das ganz gut.

 

Text und Interview: Anke Wittkopp, Foto Kunze: © Jim Rakete


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