Thommi Baake

Foto: Tschiponnique SkupinThommi Baake ist einer, der alles macht und alles kann. Und das seit 30 Jahren professionell! Als Schauspieler war der 55-Jährige schon in Rollen wie der eines Mörders im Polizeiruf 110 zu sehen, als Komiker im Quatsch Comedy Club und als Sprecher in Hörspielproduktionen und Dokumentationen zu hören, die er teils auch selbst produzierte. Mit seinen eigenen Kinderbüchern und -liedern ist er seit 2010 unterwegs, ob in Deutschland, Prag, Rumänien, Bangkok oder im Harz. Auf der Bühne steht er außerdem bei Firmenevents, Geburtstagen oder Hochzeiten, kommt inkognito als „anstrengender“ Kunde auf Messen oder als neuer Controller in die Firma, als Walking Act gibt er den Porträtzeichner in Ausbildung, den englischen Bobby oder die wandelnde Musicbox. Und bei seinen Abenden wie „Thommis Teatime“ oder der „Super 8 Show“ kann man witzigerweise neben all dem Spaß sogar etwas lernen.

Seit 30 Jahren steht Thommi Baake professionell und solo auf der Bühne. 1988 feierte er Premiere in der Werkstatt Galerie Calenberg, 1992 hat er den Köln-Comedy-Preis gewonnen. Bei einer Tasse Assam erzählt er von alten Zeiten: „Ich bin im Wandervogel groß geworden, der ältesten Jugendbewegung Deutschlands. Ohne den Wandervogel wäre ich kein Künstler geworden, da habe ich Volkstanz gemacht, (Chor-) Singen, Gitarre gelernt, habe eigene Theaterstücke geschrieben und einstudiert, Gruppen angeleitet, Sozialkompetenz gewonnen. Eine Zeit lang wollte ich wirklich berühmt werden. Und es sah auch manchmal danach aus… aber dann hat meine Tochter irgendwann gesagt: ‚Sei doch froh, dass du nicht berühmt bist, sonst wärst du ja nie zu Hause.‘ – und das war dann die Kehrtwende. Hauptsache, ich kann davon leben. Und Jahrzehnte auf eine Rolle festgelegt zu sein, das hätte mir auch überhaupt nicht gelegen. Ich möchte mich weiterentwickeln, als Mensch und als Künstler.“

Darum hat er sich irgendwann auch von der Stand-up-Comedy abgewendet. Er findet es langweilig, 90 Minuten lang auswendig gelernte Geschichten zu hören – und zu erzählen. Er improvisiert, bringt Musik mit ein, wechselt die Rollen, bringt zwischendurch vielleicht die hessische Version von einem John-Denver-Song. Thommi berichtet: „Ich wollte ernsthafter Schauspieler werden und Kabarettist. Ich habe aber gemerkt, dass ich politische Dinge – obwohl ich ein politischer Mensch bin – nicht auf der Bühne rüberbringen kann. Da würde es schnell polemisch werden. Wenn ich z.B. einen Anti-Nazi-Text machen würde, würde der eher komisch wirken. Mein erstes Lied, das ich mit 14 komponiert habe, ein Anti-AKW-Lied, das singe ich zwar hin und wieder mal, aber das ist schon sehr naiv.“ Zu seinen Hochzeiten als Schauspieler haben alle gesagt, er solle sich darauf konzentrieren – aber, so sagt er – „was bringt einem das, wenn nicht genug Geld reinkommt… Und mein größter Kampf ist: Ich möchte vielfältig sein, auch wenn einen die Leute gerne in Schubladen stecken. Da muss ich dann immer wieder herausspringen.“

Inzwischen hat er alles gemacht: Hat vor fünf Leuten eine Show gegeben, ist bei der Hockeymeisterschaften der Damen aufgetreten und hat eine Karaokeshow auf der Toshiba Fifa WM Fanmeile vor 15.000 Zuschauern moderiert, war Vorband für die Rodgau Monotones. Für seine eigenen Figuren erfindet er gerne einen ganzen Kosmos drum herum, so wie für Thommislav Baakovitsch, der aus Baktschekistan kommt, einer Fantasierepublik, die mit kulturellen Mitteln gegen die Okkupanten, die Russen, kämpft, und der dort Rebellen-Volkstanz-Gruppenführer ist. Oder er erfindet sich selbst als lebendige Musikbox neu und zieht mit Travellergitarre und Zettel auf dem Rücken los, auf dem steht, was die Leute sich alles zum (Mit-) Singen wünschen können: finnische, russische, deutsche, israelische, Kinderlieder, Volkslieder, die Beatles, Thommi kann alles. „Wenn dann so eine Traube von Leuten um mich steht, und wir singen dann meinetwegen ‚Horch, was kommt von draußen rein?‘ – das ist Glück. Klar muss ich davon leben, ich nehme auch die Gagen, aber das Beste ist, wenn ich da eintauchen kann.“

Völlig aufgehen kann er auch in seinen Inkognito-Rollen, für die man ihn buchen kann: „Da bin ich dann der sächsische Typ, der dumme Fragen auf einer Reifenmesse stellt, oder der neue Controller bei einer Bank, der schon mal bei der Weihnachtsfeier auftaucht. Einmal habe ich bei einem Workshop für Regionalpolitiker einen AfD-Politiker gespielt, und nach der dritten Runde hat mich eine junge Juso-Frau fast mit den Blicken getötet – da habe ich wohl überzeugt.“ Seine Spezialität ist das Verarbeiten der Infos, mit denen er vor dem Firmenjubiläum oder Hochzeit gefüttert wird. Thommi lacht herzhaft, als er seine Lieblingsepisode schildert: „Da wurde ich bei einer Mitarbeiterverabschiedung eingeschleust, mit falschem Ausweis, spreche denjenigen an und er sagt prompt: ‚Ich kenne Sie doch gar nicht.‘ Ich dann: ‚Na klar, damals haben wir doch bei Meister soundso die Lehre gemacht und dann hattest du dir im Urlaub das Bein gebrochen… u.s.w. – heute bin ich hier um dir zu sagen, dass wir uns in Wolfsburg leider verrechnet haben, du musst noch zwei Monate dranhängen…“

Foto: privatAm ergreifendsten sind für Thommi aber immer die Begegnungen mit Kindern, seien es die Reaktionen auf seine Performance auf der Bühne oder die Kontaktaufnahme nach dem Auftritt: „Seit sechs Jahren kann ich Kinderlieder schreiben, habe aus altem Material und Neueinspielungen eine CD aufgenommen, die Kinder begeistert. Bei dem Lied ‚Du hast Angst‘ frage ich die Kinder beim Auftritt, wovor sie Angst haben, und ein Junge sagte z.B. ‚im Dunkeln‘ und ein Mädchen ‚vor Annabelle‘ (der Horrorpuppe). Im Lied heißt es dann: ‚Lach‘ die Angst einfach weg‘, und das sage ich den Kleinen dann auch. Letztens habe ich ernsthaft eine Mail von der Klassenlehrerin bekommen, dass ich den beiden mit meinem Lied die Angst genommen habe. In solchen Momenten denke ich; was will ich mehr erreichen? Das ist das, was mich bewegt.“ In den Büchermarkt ist er nach seiner größten Absage gekommen, als er kurz davor stand, eine eigene Fernsehsendung zu bekommen beim NDR. Der Pilot wurde gedreht und dem Unterhaltungschef vorgelegt – der dann auch prompt das Ganze hat platzen lassen „… weil ihm meine Nase nicht gefiel. Und die Produktionsfirma ließ mich fallen wie einen ganzen Sack heiße Kartoffeln“, ärgert sich Thommi heute noch. Doch danach ist dann das erste Buch entstanden und hat ihn in eine andere Richtung gebracht; die Bücher, Lesungen, Musik, CDs und Konzerte für Kinder machen ihm einen Heidenspaß. „Kinder sind fantastisch. Seit 2010 gehe ich auf Tour und war vom Kindergarten bis zur 9. Klasse Förderschule mit meinen Kinderbüchern unterwegs. Selbst die Jugendlichen in ihren Lederklamotten haben sich amüsiert, auch das hat funktioniert. Manchmal kommen dann Kinder nach der Lesung zu mir und erzählen mir Sachen. Ich liebe diese Offenheit – auch wenn es manchmal kurz pikst. Wenn einer zum Beispiel reinruft ‚Warum hast du denn so eine große Nase?‘, dann sage ich schon auch mal ‚Weil du so große Ohren hast!‘. Ab der dritten Klasse verstehen sie Ironie. Wenn ich ankündige: ‚Jetzt lese ich eine Geschichte mit Prinzessinnen‘, und die Jungs alle ‚Ähhh, buuuuh!‘ machen, dann kommt von mir natürlich: ‚Glaubt ihr denn, dass ich, Thommi Baake, eine normale Prinzessinnengeschichte erzähle?!‘ Und dann ist es eben die Geschichte von Prinzessin Rosenkohl, die immer pupsen muss, und die dann Prinz Blumenkohl trifft, der zufälligerweise Anti-Pups-Tropfen dabei hat… Da haben sie und ich einen Riesenspaß dabei – das ist eine schöne Erfolgsgeschichte.“ Aber auch das erwachsene Publikum liebt er, betont Thommi, und beschreibt: „Auch wenn ich manchmal ein bisschen frech bin und an der Stelle rühre, an der es ein bisschen piekst, gehe ich da nie drüber, weil ich das Publikum liebe. Natürlich gibt es auch immer mal Auftritte, bei denen irgendetwas passiert, was den Abend eigentlich versauen müsste, aber da kann ich inzwischen gut improvisieren. Zum Beispiel saß da mal so ein dicker, schwitzender Typ neben seiner Freundin im Publikum, und plötzlich steht der auf und würgt sie. Panik im Saal, der Geschäftsführer hat den dann abgeführt, alle geschockt. Was macht man da? Ich habe gesagt: ‚Das war jetzt eigentlich erst für später eingeplant…‘ und hatte ein paar zögerliche Lacher, habe die Zuschauer dann wieder bekommen.“

Seit siebzehn Jahren macht Thommi die „Super 8 Show“, eine Mischung aus Puschenkino, Zeitreisen-Ästhetik und Kleinkunst, außerdem „Thommis Teatime“, bei der er kuriose, wahre und geflunkerte Geschichten über Tee aus der ganzen Welt mit Teeliedern untermalt. Beide Programme sind im November zu sehen, außerdem kommen im Oktober „Thommi Baakes Fantastiolisch-Verrücktische Märchen“ mit 22 Illustrationen von Sohn Tim Jähngen in den Buchhandel; wie gewohnt absurd, fantastisch, märchenhaft und humorvoll.

Interview: Anke Wittkopp
Fotos: Tschiponnique Skupin, privat

Super 8 Show
in der Hinterbuehne am 01.11. und 29.11. ab 20 Uhr
im KulturKaffee in Isernhagen am 02.11. ab 20 Uhr
im Medienhaus Hannover am 05.12. ab 20 Uhr
www.diesuper8show.de

Thommis Tea Time
im Nachbarschaftstreff Am Mittelfelde 104 am 30.11. ab 17 Uhr
www.thommisteatime.de

Thommi Baakes Fantastiolisch-Verrücktische Märchen
ab Oktober im Buchhandel
www.thommiskinderkiste.de

 

Foto: privatKurz nachgefragt:

Dein Lieblingskomiker in Kindertagen und heute? Heinz Erhardt, Loriot, Steve Martin, Billy Chrystal.

Wie viele Charaktere/ Dialekte hast du im Repertoire? Hessisch, Bayrisch, Berlinerisch, Sächsisch, Deutsch-Russisch, -Tschechisch, -Französisch, -Italienisch. So fünfzehn Charaktere auf der Bühne und dann die Rollen von Mörder über Spurensicherer bis zum Polizisten. Nur den schmucken Prinzen hab ich nie gespielt.

Warst du jemals sprachlos? Auf der Bühne nie wirklich, wenn dann nur kurz. Aber es fällt mir immer etwas ein.

Wer sind die spaßigeren Zuschauer – Kinder oder Erwachsene? Kinder sind begeisterungsfähiger. Da kommen dann schon nach einem Lied die „Zugabe!“-Rufe.

Bist du zu Hause auch der Spaßvogel? Ich kann definitiv auch ernst sein, muss nicht immer krampfhaft lustig sein, aber ich mache auch gerne meine Späße.

Worüber kannst du nicht lachen? Über menschenverachtende Menschen. Und überhaupt nicht mehr lachen kann ich über die Sprüche von Fleischessern über Vegetarier.

Wen findest du unfreiwillig komisch? Die meisten Politiker. Beide deutsche Staaten, DDR und BRD, hatten so unglaublich lustige Erscheinungen an der Spitze, die man echt schwer ernst nehmen kann. Und vieles im Fernsehen.

Deine bitterernste Lebensphilosophie? Liebt euch, alle Waffen weg, habt endlich Respekt vor Tieren und vor allen Lebewesen!


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