Sascha Z.

Foto: A. BüschlebIn seiner Autobiografie „… Immer mitten in die Fresse rein“ schreibt Sascha Z. über seine Drogensucht, Hannovers Subkulturen in den 80er-Jahren, seine kriminelle Laufbahn und seinen Kampf gegen die Dämonen der Vergangenheit.

Typische Stichworte einer verkorksten Jugend: tablettenabhängige Mutter, gewalttätiger Vater, ungewolltes Kind, hyperaktive Anwandlungen, schlaflose Nächte. Mit 12 Alkohol, mit 14 Punk, mit 17 von zu Hause rausgeflogen, mit 18 kriminell, drogensüchtig, obdachlos und mehr tot als lebendig … Saschas Geschichte gleicht einem Roadtrip zur Hölle. Auf halber Strecke gab es für ihn allerdings unverhofft eine Ausfahrt – und eine Vollbremsung bei voller Geschwindigkeit katapultierte ihn auf eine neue Bahn. Der Titel seiner Autobiografie ist einem Lied der Ärzte entliehen, die Anfang der 80er-Jahre auch in der Indie- und Underground-Szene Hannovers sehr beliebt waren. Das Credo „Immer mitten in die Fresse rein“ war für Sascha Programm, nachdem er als schmächtiger Punk krankenhausreif geschlagen wurde und wochenlang im Clementinenhaus verbringen musste. „Damals habe ich beschlossen, mir die Gewalt nicht mehr gefallen zu lassen – genau wie in dem Song.“ Bis er allerdings den Kraft- und Kampfsport für sich entdeckte, verstrichen noch einige Jahre. „Mit 14 fing ich damit an, Ephedrin einzuwerfen. Das Zeug war damals noch frei in Apotheken zu haben. Also verkaufte ich die Tabletten auch mit ordentlicher Marge in meinem Bekanntenkreis.“ Mit 15 dealte er mit Haschisch, kiffte und ging regelmäßig in die Korn, Glocksee und die Rote Kuh – später auch ins Musiktheater BAD, Soxs und Sub. Ob Amphetamine, Codein, Schmerzmittel, Benzodiazepine, LSD oder Pilzgifte – in den folgenden Jahren waren Drogen Saschas liebste Gefährten. „Ich habe mir alles reingezogen, was ich kriegen konnte. Zum Schluss habe ich regelmäßig Heroin und auch mal Kokain gedrückt.“ Ein Dreivierteljahr lang war er obdachlos und campierte zuletzt oft in den höheren Geschossen des Treppenaufgangs im Brederohochhaus, bevor der Arzt bei ihm eine akute Hepatitis diagnostizierte. Damals war er 19 Jahre alt und wog bei einer Größe über 1,81 Meter gerade noch 50 Kilogramm. „Der Doktor sagte mir, dass ich sterben würde, wenn ich das Ruder nicht rumreiße.“ Bekehrt habe ihn jedoch weniger der schockierende Befund als vielmehr die Zuwendung einer jungen Frau. „Sie hat mir den Antrieb geliefert, mein Leben gründlich aufzuräumen.“ Aber auch seine Ikone Bruce Lee, der Kampfsport und das Autoschrauben hätten ihn gerettet. „Ich habe die Leere, die die Drogensucht hinterlässt, intuitiv mit neuen Inhalten gefüllt, die mir sehr viel bedeuten. Und ich habe vielen Leuten den Rücken gekehrt. Als Junkie hat man keine Freunde, sondern Leidensgenossen. Will man sein Leid hinter sich lassen, gilt das auch für die Genossen.“

In seiner Autobiografie berichtet der 52-Jährige von seinem Vater, der vor 13 Jahren an Krebs starb, und von seiner Mutter, mit der er keinen Kontakt mehr hat. Er berichtet über seine Zeit in Houston, Texas, wo er als Mittzwanziger illegal für eine Autowerkstatt tätig war und sein erstes US-Car, einen 73er-Ford-Gran-Torino, kaufte. Er erzählt von seiner Passion für amerikanische Automobile, seinem Job als Türsteher in Clubs wie dem Heartbreak Hotel und Hardcore- und Rockabilly-Konzerten in Hamburg und im Ruhrpott. 2009 saß der Hannoveraner in der JVA Sehnde ein. Er war wegen Falschaussagen eines Kronzeugen in Untersuchungshaft gelandet – die Polizei ermittelte in einem Fall von Drogenkriminalität am Steintor. Die Zeit im Knast, die für ihn mit dem Freispruch endete, brachte ihn auf die Idee, seine Autobiografie zu verfassen. Das Schreiben habe für ihn einen „autotherapeutischen Wert“. Weil er seit seiner Jugend an Schlafstörungen leide, sei die Tätigkeit auch eine willkommene Abwechslung für ihn: „Einen Großteil habe ich nachts geschrieben, während meine Familie friedlich schlief.“ „Niemals aufgeben“ ist die Message seines Buches, das seiner Tochter aus erster Ehe gewidmet ist. Auch Saschas martialische Tätowierungen sind ein Ausdruck für diese Botschaft. Mit 17 ließ es sich das erste Tattoo stechen, als man mit Tinte in der Haut noch einen gewissen Outlaw-Status genoss. „Das Monster auf meiner rechten Schulter ist das Beast On My Back, angelehnt an einen Song der Hardcore-Band Crumbsuckers. Es reitet auf meinem Rücken, und ich werde es mein Leben lang mit mir rumschleppen.“ Inzwischen sei das Monster allerdings ruhiger geworden, sagt der gelernte Mediendesigner, der in den 90er-Jahren für ein hannoversches Erotikmagazin tätig war. Mittlerweile betreibt Sascha eine kleine Werbeagentur sowie zusammen mit einem Freund ein Muay-Thai-Studio auf gemeinnütziger Vereinsbasis. „Ich bin heute ein glücklich verheirateter Familienvater und lebe mit vielen Tieren auf dem friedlichen Land im Speckgürtel von Hannover.“ Ende gut, alles gut – ein Roadtrip zur Hölle mit Happy End!

Text: Simone Niemann
Foto: A. Büschleb 

06.12., 19.30 Uhr
Lesung mit Sascha Z., Subkultur

…IMMER MITTEN
IN DIE FRESSE REIN
Sascha Z.,
380 Seiten,
Paperback,
14,80 Euro,
Verlag Perishing Pencil
Publishing,
ISBN 978-3-947763-00-9


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