Nina Weymann-Schulz

Präsidentin der Hannover Speakers

Die Toastmasters sind eine 1924 in den USA gegründete Organisation zur Förderung der Kunst des öffentlichen Redens, der effektiven Kommunikation sowie der Menschenführung, die inzwischen weltweit etwa 16.400 Clubs in rund 142 Ländern hat. Der hiesige Ableger, die Hannover Speakers, hat bereits über 50 Mitglieder und ist Anfang des Jahres gerade vom FZH Vahrenwald in größere Räumlichkeiten, den GiG-Saal mit 100 Plätzen, umgezogen. Im Lokal unter dem Redesaal redet die Hannoversche Präsidentin Nina Weymann-Schulz mit dem STADTKIND über die Toastmasterei, wie sie dazu gekommen ist und wie sich der Club – speziell in den letzten Jahren – vom Image des elitären Altherrenvereins weg und zur innovativen und spaßbetonten Persönlichkeitsschmiede hin entwickelt hat.

Direkt, nachdem wir beide unseren Kakao mit Sahne vor uns hingestellt bekommen haben, an dem wir uns nach der Regenfahrradfahrt die Hände wärmen können, frage ich Nina, die auf Anhieb redesicher scheint, warum es sie anfangs zu den Toastmastern verschlagen hat. Sie nickt und erzählt – vor nicht allzu langer Zeit hatte sie zumindest mit dem Sprechen in beruflichen Zusammenhängen noch zu kämpfen: „Ich bin als Fotografin zwar größtenteils hinter der Kamera tätig, aber ich arbeite im Unternehmens- und Magazinkontext, und da ist es wichtig, mich gut zu verkaufen – oder anders formuliert: es ist sehr hinderlich, wenn du vor Aufregung zerfließt. Selbst bei Vorstellungsrunden war ich schon komplett durch und dachte ‚Bitte nicht noch mehr als zwei Sätze sagen müssen, mein Puls geht sonst durch die Decke!‘. Und da ich interessantere Jobs machen wollte, musste ich da durch und mich dieser Angst stellen. Zum Glück bin ich dann ziemlich schnell auf die Toastmasters gestoßen.“ Nachdem sie vor 3 ½ Jahren dazugekommen ist, hat sie schon viele Rede-Wettbewerbe mitgemacht und dabei bald bemerkt, dass sie, wie die meisten Frauen, aus einer anderen Motivation heraus da ist als die Männer in der Runde: „Die Frauen, die kommen, haben eine andere Mission, die brauchen mehr noch die Bestätigung und, so wie es bei mir ja auch war, die Unterstützung.

Während die Männer eher fragen, wo sie sich noch verbessern können, sind die Frauen eher aus einer Unsicherheit oder sogar Redeangst heraus da. In dieser Männerwelt bei einer Diskussion auf der Bühne zu bestehen, oder wenn ich bei der Arbeit nach einem Redebeitrag gefragt werde, da mache ich mich auch eher klein. Deshalb habe ich ein Event veranstaltet, zu dem nur Frauen kommen. Da gab es zunächst eine Menge Gegenwind, denn grundsätzlich soll die Toastmasterei für alle offen sein, aber es war mir wichtig und ich habe es durchgesetzt. Und die Atmosphäre beim ersten Event war unglaublich; was da für Themen aufkamen, die sonst nie auf den Tisch kommen! Das war richtig bewegend, alle haben da noch ewig gesessen und sich gegenseitig unterstützt. Das war so ein Punkt, an dem ich gemerkt habe; ja, ich kann die Verantwortung tragen und auch Events initiieren. Danach habe ich das Vorstandsamt der Präsidentin übernommen. Das Frauenevent mache ich nach wie vor, das nächste ist Ende Mai. Inzwischen ist es ein Alleinstellungsmerkmal von unserem Club geworden – bundesweit sind wir die einzigen mit einem reinen Frauenevent.“ Es habe auch schon Zeiten gegeben, in denen die Hannover Speakers vor sich hin gedümpelt seien, nicht viel passiert sei,  „…aber die letzten Jahre ist der Club jünger geworden, hat richtig Drive gekriegt, hat einen coolen Vorstand, der aktiv ist – da hat sich der Club quasi am eigenen Kragen rausgezogen und eine schöne Eigendynamik entstehen lassen, die Allen Spaß macht. Es ist sogar so, dass wir uns auf den Montag freuen, wie die meisten auf den Freitag (lacht). Für mich bringt der Wochenstart mit den Toastmasters richtig Energie,“ schwärmt Nina.

Wettbewerbe auf verschiedenen Ebenen bis zur Weltmeisterschaft im Reden richten die Toastmasters aus. Dass das immer mehr Menschen anspricht, ist nach Ninas Meinung auch Ausdruck der gesellschaftlichen Entwicklung: „Die Zeit, als die Toastmasters entstanden sind, war noch eine andere; da ergriffen nur Menschen das Wort, die traditionell die Macht hatten (auch die, andere zu unterdrücken, nicht zu Wort kommen zu lassen). Was für mich die neue gesellschaftliche Idee ist; dass alle mitgestalten. Und genau das ist wichtig für jeden, auch – oder vielleicht gerade für jemanden, der arbeitslos- oder arbeitssuchend ist, – ein gutes Umfeld zu haben, Kontakte zu knüpfen, wirken zu können, und nicht stumm auf irgendeinem Abstellgleis zu stehen. Dass jeder Mensch wertvoll ist, und das, was er einbringen kann. Das ist für mich voll Zeitgeist. Ich sehe das auch an den anderen Clubs deutschlandweit; dass die immer mehr junge Menschen haben, die über gesellschaftlich wichtige Themen sprechen.“ Grundsätzlich helfen die Toastmasters also, das eigene Auftreten zu verbessern, das Selbstbewusstsein zu stärken und in jeder Situation die richtigen Worte zu finden. Die 33-jährige Toastmasterin erläutert: „Mein Thema kann Persönlichkeitsentwicklung sein oder auf die Karriere bezogen, dass ich Führungskraft oder Keynote Speaker werden will oder aber, dass ich eine privat wichtige Nachricht habe, die ich irgendwie überbringen will.

Wenn jemand mal beim Poetry Slam lesen oder Stand up Comedian werden will, dann gibt es auch bestimmte Ausbildungspfade, die sich speziell auf Humor oder Storytelling beziehen, das kann also durchaus auch helfen. Am Anfang eines typischen Abends kommen erstmal die Stehgreif-Reden, bei denen es ohne Vorbereitung darum geht, sich zu üben, nicht wortlos zu bleiben. Danach halten diejenigen, die sich dafür angemeldet haben, ihre vorbereiteten Reden zu Themen ihrer Wahl. Körpersprache, Blickkontakt, Stimmvariationen – da gibt es dann einiges, was man nach und nach ausprobiert und gezielt ansteuert. Nach dem Beitrag folgt die Kritik im Sinne von Verbesserungsvorschlägen. Dadurch habe ich einmal gelernt, das auszuhalten, Kritik anzunehmen oder auch für mich einzuordnen, und außerdem, Kritik auszusprechen.  Man bekommt ja nicht immer nur Lob, sondern auch Kritik. Bei den Toastmasters wird das irgendwann etwas ganz Normales. Zusätzlich gibt jeder im Raum noch auf Zettelchen ein ganz kurzes konstruktives Feedback, vor allem zu dem Punkt ‚wie wurde ich wahrgenommen‘, und das ist häufig zur Überraschung der RednerInnen meistens gar nicht so schlimm, wie man sich fühlte. Wir haben mittlerweile unsere eigene Bar mit Getränken, da bleiben wir dann nach den zwei Stunden auch gerne noch mal zusammen, gerade wenn es inhaltlich spannende Themen gab. Privat kommt man sich dadurch automatisch schnell näher, außerdem entsteht ein total cooles Netzwerk.“ Bevor Nina nach oben in den Saal geht, um den Montagabend mit den anderen Hannover Speakers zu verbringen, frage ich sie noch nach ihrer professionellen Einschätzung als geübte Toastmasterin: Kommt jetzt, wo in der (öffentlichen/ medialen) Kommunikation immer mehr mit Bildern und immer weniger mit Text gearbeitet wird, das „Zeitalter der Redner“? Sie überlegt nur kurz und antwortet fast philosophisch mit der Feststellung: „Wenn du nicht mit einem Computer redest, sondern vor einem Publikum, kreiert das ganz andere Stimmungen im Raum – die wirklichen Reaktionen sind Erfahrungsdimensionen, die sich auf dich zurückwirken. Ich würde sagen, der echte Mensch ist wertvoller geworden, die echte Erfahrung als Gegenpol zur Digitalisierung.“

Und die suchen und finden zum Glück offenbar immer mehr Menschen, auch bei den Toastmasters.

Interview und Text: Anke Wittkopp

Hannover Speakers Treffen
Mo 19-21 Uhr
jeden 3. Montag in Englisch
im GiG-Saal (1. Stock)
Lindener Marktplatz 1
30449 Hannover
www.hannover-speakers.de

Frau dich! Hannovers Rhetorikevent nur für Frauen
am 29. Mai, ab 19 Uhr, im Hafven, Kopernikusstraße 14

 

Kurz gefragt

Warst du Klassensprecherin in der Schule?
Sogar Schülersprecherin auf Landesebene. Dann gab es verschiedene Erlebnisse, die mich vom öffentlich Reden abgebracht haben, und jetzt musste ich es wieder trainieren.

Bei welchem Thema wirst du rot?
Rotwerden, Aufregung, das gehört dazu – auch, das wahrzunehmen. Es wäre schlimm, wenn wir keine Emotionen hätten beim Reden.

Wir sollten alle viel mehr sprechen über…
… was das Leben lebenswert macht.

Also bist du Optimistin?
Ja!

Hast du RednerInnen-Idole?
Um eine Frau zu nennen: Sabine Asgodom, eine sehr gute Storytellerin, kann gut Geschichten erzählen und steht mit einem tollen Charme und Echtheit zu sich.

Musst du auf jeder Feier eine Rede halten?
Ja, mache ich gerne (lacht). Also wenn ich gefragt werde, z.B. beim Presseclub in Braunschweig bin ich als Rednerin angefragt worden, dann sage ich zu.

… oder fragen deine Mitmenschen nach Redehilfe?
Manchmal schon, es kommt dann aber darauf an, ob das zum Background passt. In den meisten Unternehmen werden Präsentationen noch mit textreichen Powerpoints gemacht, das würde ich aber niemandem empfehlen – das muss sich dann jemand erstmal trauen, darauf zu verzichten oder die auf vier Bild-Folien zu reduzieren, wenn er das nicht dementsprechend geübt hat.

Was ist die Hauptmotivation, zu euch zu kommen?
Im Grunde, was zu verändern, was zu verbessern. Jeder bringt ja seine Persönlichkeit und das, was ihm wichtig ist, wo er oder sie dran ist, mit – und wird dann unterstützt.

Lieblingswort?
Endoplasmatisches Retikulum, das mochte ich immer gerne.

Haben deine anderen Hobbys auch alle mit reden zu tun?
Ich mache seit Neuestem Impro-Theater, durch die Toastmasters habe ich auch angefangen zu schreiben und vorzulesen.


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