Renate Klöppel

In „Ein anderes Leben findest du allemal“ folgt der Leser der Protagonistin Lisa auf den Spuren eines Hannovers der 70er-Jahre. Renate Klöppel erzählt in ihrem Roman von dem Ringen einer Generation zwischen Nachkriegs-Kindheit und Wirtschaftswunder-Jugend nach eigenen, neuen Werten.

Foto: Renate KlöppelSo sehr sie Freiburg liebe, Hannover sei immer ihre alte Heimat geblieben – Renate Klöppel kehrt heute gern an die Orte ihrer Kindheit zurück, sei es zu einem einsamen Ausflug in den Berggarten oder einem Besuch des Maschsees an einem warmen Sommertag. Mit dem Schreiben hat die in Hannover geborene Autorin spät angefangen, denn obwohl sie ihre Leidenschaft dafür schon im Grundschulalter entdeckte, war es für sie immer eine Qual, mit der Hand zu schreiben. Klöppel studierte lieber Medizin und später Musik und kann heute auf vielfältige Berufserfahrungen zurückblicken: als Ärztin für Kinderheilkunde, als Mitarbeiterin einer Erziehungsberatungsstelle, als Dozentin an einer Musikhochschule. Mit der Anschaffung eines Computers im Jahr 1990 ging es für sie dann mit dem Schreiben richtig los. Zunächst schrieb Klöppel Sachbücher, die sich an der Schnittstelle von Musikpädagogik und Medizin bewegen. Mit ihrer bereits sieben Bände umfassenden Krimi-Reihe (mit dem Freiburger Genetik-Professor Alexander Kilian in der Hauptrolle) ist sie als Schriftstellerin bekannt geworden. Insbesondere manchen HannoveranerInnen mag auch ihr ab Mai 2002 als Komplettabdruck in der HAZ erschienene Roman „Der Pass“ bekannt sein. Mittlerweile zählt Klöppel das Schreiben neben dem Musizieren zu ihrer wichtigsten Tätigkeit.

In Klöppels drittem belletristischen Roman „Ein anders Leben findest du allemal“ folgt der Leser der Protagonistin Lisa, die für einen Tag nach Hannover – die Stadt ihrer Kindheit und Jugend – zurückkehrt. Auf Lisas Streifzügen durch Hainholz mit seinem alten Bahnhof bis in das noble Kirchrode, von den Herrenhäuser Gärten bis zum Stöckener Friedhof, wird das Hannover der 70er-Jahre lebendig. Daneben erinnert Lisa sich an ihr eigenes Aufwachsen: Der Vater ist meistens abwesend; die Mutter ertränkt ihre Sorgen in Alkohol; das Klima in der Familie ist von Gewalt und gegenseitigem Misstrauen geprägt. Sicher fühlt sich die junge Lisa nur bei ihrem Bruder Rudi, der jedoch nach immer heftigeren Streits mit den Eltern eines Tages von zu Hause abhaut. Dass Rudi aus politischer Überzeugung in die DDR gegangen ist, erfährt Lisa erst dreizehn Jahre später, als ihr Bruder plötzlich vor ihrer Berliner Wohnung auftaucht. Rudi, als Dissident verfolgt, hat mehrere Jahre Stasi-Gefängnis durchlebt und sucht Schutz bei Lisa, die ihn bei der Aufarbeitung seiner traumatischen Erfahrungen unterstützt, bevor sie selbst in einem einsam gelegenen Schwarzwaldhaus die Ruhe und die Kraft findet, sich der eigenen Familiengeschichte zu stellen und ihre Reise nach Hannover anzubrechen. Neben Lisas Ringen nach Freiheit und einem selbstbestimmten Leben wird somit auch das prototypische Schicksal eines DDR-Dissidenten erzählt. Für die Recherche zu der Figur Rudi hat Klöppel zahlreiche Interviews mit ehemaligen politischen Häftlingen in Stasi-Gefängnissen geführt, deren Schilderungen sich in erstaunlichem Maße geglichen hätten.

Text: Jette Groß

Ein anderes Leben
findest du allemal

Renate Klöppel
Wellhöfer Verlag
2018

352 Seiten
14,95 Euro


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