Vera Marx

Fridays For Future Ortsgruppe Hannover
Arbeitskreisverantwortliche Aktion

Vera MarxFridays For Future, die Klimastreik-Bewegung, findet auch in Hannover immer mehr Anhänger: Auf der letzten Demo haben sich 4000 Schüler*innen, Studierende und sympathisierende Klimaaktivisten dem öffentlichen Protest für den Klimaschutz angeschlossen. Seit Ende Februar, als sich die FFF-Ortsgruppe in Hannover entwickelt hat, ist auch Vera Marx mit vollem Einsatz dabei und derzeit Ansprechpartnerin für den Arbeitskreis Aktion. Die 15-Jährige kommt nach den Sommerferien in die 10. Klasse und wohnt in Langenhagen. Sie erzählt uns im Café von der Zusammenarbeit mit den Students, Scientists und Parents For Future, den internen Debatten zur Positionierung der Ortsgruppe Hannover, von Unterstützer*innen sowie vom Umgang mit Klimaleugner*innen und dem Frustrations­potential angesichts politischer Untätigkeit.

Zuallererst fragen wir Vera, wie sich die FFF-Ortsgruppe Hannover strukturiert und mit welchem Arbeitspensum man rechnen muss, wenn man sich – wie Stadtkind-Praktikantin Carlotta – dafür interessiert, eventuell selbst mehr zu tun, als bei den Freitags-Klimademos mitzuprotestieren: „In der Ortsgruppe waren wir phasenweise fast 60 Menschen, aber als wir richtig angefangen haben zu arbeiten, sind immer mehr Menschen gegangen. Dadurch, dass es ja jetzt auch die Students for Future gibt – das sind nochmal 300-400 Menschen –, können sich einige von denen, die bei uns im Plenum waren, jetzt da einfinden. Im Moment sind wir um die 30 aktive Menschen, es kommt immer mal jemand dazu oder geht. Wie viel man tut, hängt ganz von einem selber ab und davon, wie sehr man sich reinhängt. Man kann es bei einem Plenum die Woche belassen, man kann aber auch in den Arbeitskreisen mitmachen. Da treffen wir uns schon öfter in der Woche, wenn wir konkret etwas planen. Viele waren eine Zeit lang komplett überlastet bei uns, das hat sich aber inzwischen etwas besser aufteilen können.“

Foto: Felix DresslerAn Aktionen hat die Ortsgruppe Hannover schon Verschiedenes erdacht und umgesetzt: Der alternative Stundenplan etwa hat ab 8 Uhr an einem Freitagmorgen bis zum Klimastreik am Nachmittag Aktionen wie Ampelblockaden, Flugticket-Design (mit dem Aufdruck „Oneway ticket in die Klimakrise“) und ein offenes Mikrofon mit Vorträgen und Redebeiträgen umfasst. Bei einer Kreideaktion wurde der ganze Opernplatz vollgemalt, bei den Fahrraddemos (die als normaler Demozug angemeldet und damit von der Polizei begleitet werden) wurden Klimaprotest-Schilder durch die Innenstadt gefahren. Finanziert ist das bisher noch ganz gut, sagt Vera: „Wir ,leben‘ quasi von Spenden und freuen uns auch immer über solche Unterstützung. Natürlich versuchen wir, die Ausgaben so gering wie möglich zu halten; also wenn wir Banner malen, nutzen wir erstmal alte Bettlaken, die noch jemand zu Hause hat, bevor wir Stoff kaufen u.s.w.. Wir bekommen zum Glück richtig viel Hilfe von den Parents und von Studierendenverbänden wie dem Asta zum Beispiel, andere NGOs in Hannover unterstützen uns. Was wir nicht annehmen, sind Parteispenden.“

Was sich total sympathisch anhört, ist der demokratische Aufbau der Organisation, über den die junge Klimaaktivistin weiß: „Wir versuchen, es unhierarchisch zu halten, dennoch haben wir delegierte Menschen, die auf Bundesebene den Ortsgruppenkonsens weiter kommunizieren. Diese geben aber nur Infos und Entscheidungen aus Hannover weiter und das ist dadurch entstanden, dass das die drei ersten waren, die sich zusammengetan und die erste Demo organisiert haben. Aber alles, was es zu entscheiden gibt, wird abgestimmt. Wir sind unterteilt in Arbeitskreise, die sich mit unterschiedlichen Dingen beschäftigen. Beispielsweise Öffentlichkeitsarbeit, ein Arbeitskreis kümmert sich um die Technik für die Demos u.s.w.. Für jeden Arbeitskreis gibt es eine verantwortliche Person – das bin ich jetzt zum Beispiel für den Arbeitskreis Aktion –, aber das heißt nicht, dass wir verantwortlichen Menschen über den anderen im Arbeitskreis stehen, sondern einfach, dass wir die Ansprechpersonen sind, wenn es um bestimmte Sachen geht. Wir haben jede Woche Plenum; jede zweite Woche treffen sich vor dem Plenum die Arbeitskreise und beim Plenum selbst bleiben nur noch die Arbeitskreisverantwortlichen und tragen zusammen, was sie erarbeitet haben. In der anderen Woche ist Plenum mit allen, die Bock haben.“ An wechselnden Orten, die man über die Kontaktmöglichkeiten unten erfragen kann, kann jeder zum Plenum kommen und kann sich „dort, wo er oder sie Interesse oder Talent hat, gerne einordnen“, sagt Vera.

Carlotta hakt nach und erfährt: „Studierende aus unserer Ortsgruppe haben die Ortsgruppe der Students for Future gegründet, weil da mit mehreren Tausend Studierenden in Hannover noch viel Potenzial drin steckt. Beim ersten Plenum waren gleich 400 Menschen, die eine eigene Struktur gebildet haben, dennoch arbeiten wir zusammen. Wir haben regelmäßig Treffen mit den Studierenden und stimmen uns ab, sodass nichts unabhängig voneinander abläuft. Neulich haben die Students zum Beispiel eine Zubringerdemo organisiert, sodass die Klimaproteste der verschiedenen Altersgruppen am Ende zusammengelaufen sind.“ Manchmal bleiben die Schüler*innen, die sich in Fridays For Future organisieren, aber auch ganz gerne in ihrer Altersklasse, so wie bei der Conference for Future Anfang Juli, berichtet Vera: „Wir wollten zum einen die Chance zur Vernetzung der Ortsgruppen aus Niedersachsen nutzen, und dann wurden Workshops angeboten. Ich war in einem, der den Kapitalismus mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht hat, andere haben Workshops besucht zu dem Thema, wie man mit dem Stress umgeht, den die ganze Planung verursacht. Vor längerer Zeit hatten wir schon ein Vernetzungstreffen organisiert, wo wir mit vielen NGOs aus Hannover zusammengekommen sind, wie Greenpeace und der Naturfreundejugend, und für die Workshops konnten wir uns ganz gut an die wenden. Die haben dann ehrenamtliche MitarbeiterInnen angeboten, die Lust hatten.“

Ganz unter sich waren die jungen FFF-Menschen aber nicht, denn sie hatten – wie schon oft – unliebsamen Besuch, wie Vera sich ungern erinnert: „Am ersten Tag der Conference waren die Menschen von der Klimakontroverse am Haus der Jugend, und das ist dann schon unangenehm – nicht, weil wir nicht mit denen diskutieren wollen, sondern einfach das Gefühl, dass die hinter uns herlaufen und sich einmischen und immer versuchen, Menschen von uns abzugreifen. Bei der ersten globalen Demo am 15.3. hatte die Klimakontroverse einen Infostand in der Nähe unserer Demo, da haben eine andere und ich uns ein paar Meter weiter hingestellt und Personen, die sich dort Flyer genommen haben, angesprochen und mit Argumenten konfrontiert. Im Voraus haben wir uns mit dem, was die so behaupten, auseinandergesetzt, ich habe z.B. auch mit meinem Physiklehrer darüber gesprochen, und so konnten wir deren Diagramme richtig gut widerlegen. Das lief bestens, bis die von der Klimakontroverse uns mehr als persönlich angemacht haben. Wir wurden beschimpft, das war alles ziemlich unangenehm. Wir versuchen da jetzt noch mehr Abstand zu halten und inhaltlich muss man sich sowieso nicht ernsthaft Sorgen drum machen: Die waren zum Beispiel auch auf dem Klimaausschuss und haben in der Fragerunde gesprochen, da wurden sie kaum ernst genommen.“

Auch an den Schulen ist die Unterstützung der FFF-Aktiven nicht selbstverständlich, weiß die Leibniz-Schülerin zu berichten: „Viele Schulen sind da total offen und die Schulleitungen positionieren sich positiv dazu. Eine Schule ist ja sogar schon mal gesammelt komplett zur Demo gegangen, andere dürfen überall Plakate aufhängen … Es gibt aber auch zwei, drei Schulen in Hannover, darunter meine, die dem nicht so offen gegenüberstehen. Ich darf zwar Plakate aufhängen, aber nur zwei in der ganzen Schule, und ich muss da jedes Mal aufs Neue mit der Schulleitung diskutieren. Es liegt aber auch mit an der Schüler*innenschaft, denn es gibt vereinzelte Menschen, die sich stark und bewusst gegen FFF positionieren, die Plakate abreißen und Flyer verteilen, wo Lindner zitiert wird und wo draufsteht ,Geht nicht zu den Demos, geht zum Unterricht‘. Von meinen Klassenlehrern supportet uns einer super und bietet seine Hilfe an, aber von anderen Lehrkräften bekomme ich mit, dass die das gar nicht so cool sehen und auf jeden Fall Menschen eintragen, wenn die fehlen.“

Foto: Felix DresslerAuch wenn es dafür Kritik hagelt: Was man nicht vergessen sollte ist, dass die Schüler*innen quasi in ihrer „Arbeitszeit“ demonstrieren und damit streiken – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit haben sie das jetzt schon öfter getan, als ihre Eltern oder andere Kritiker*innen in ihrem gesamten Leben. Zusätzlich zu den Schulstreiks haben zwei Demos in den Ferien und eine nachmittags stattgefunden, sodass der Vorwurf, das Schuleschwänzen sei das Hauptmotiv der FFF-Streiks, längst an Schlagkraft verloren hat.

Vom Gegenwind lassen sich Vera und die anderen Klimaprotestierenden aber bestimmt nicht aufhalten – sie lassen sich vielmehr neben den Demos immer wieder neue Wege einfallen, um auf die Verfehlung der Klimaziele aufmerksam zu machen und ihre Forderungen zu wiederholen: Senkung der Treibhausgasemissionen in Deutschland bis 2035 auf netto null; Kohleausstieg bis 2030; 100% erneuerbare Energieversorgung bis 2035.

Darüber hinaus erzählt Vera: „Offiziell sind wir politisch neutral, vor allem ordnen wir uns keiner Partei zu – das finden wir aber auch persönlich ganz wichtig. Klar sind Menschen aus Jugendgruppen einzelner Parteien bei uns vertreten, das heißt jedoch nicht, dass das auf die Bewegung irgendeinen Einfluss nimmt. Die letzte Demo zum Beispiel war deutlicher als die davor. Es frustriert einfach total, immer mehr zu machen und keine Ergebnisse zu sehen. Und das, obwohl wir echt keine Zeit mehr haben! Da fragt man sich schon, ob sich nicht das System ändern muss. In dem jetzigen funktioniert es ja offensichtlich nicht. Gleichzeitig ist es uns natürlich super wichtig, dass alle dabei sind. FridaysForFuture ist nicht nur die Menschen, die sich in der Orga engagieren, sondern alle, die mit auf die Straße gehen. Und für die sprechen wir natürlich auch.“

Und, um das nochmal klarzustellen: „Das mit dem ,Wir streiken bis ihr handelt‘ ist schon ernst gemeint. Die bundesweiten Forderungen beziehen sich hauptsächlich auf große Kohlekraftwerke, CO2-Steuer und sowas, das braucht man ja auf Hannover bezogen nicht nochmal zu erwähnen. Wir sind gerade dabei, ein Forderungspapier auszuarbeiten mit Forderungen, die sich speziell auf Hannover beziehen. Wir haben die Scientist For Future in Hannover, zu denen wir regelmäßig Kontakt haben, die helfen uns aktuell auch beim Formulieren der Hannover-Forderungen. Und wir haben viele Studierende, die sich wissenschaftlich mit dem Thema befassen, denen wir vertrauen. Ansonsten sind wir auch landesweit und bundesweit gut vernetzt.“

Carlotta will noch wissen, ob Vera viel an ihrem eigenen Verhalten geändert habe, seitdem sie bei Fridays For Future ist, und bekommt zur Antwort: „Vegan ernährt habe ich mich schon vor FFF, aber es ist schon so, dass man immer wieder auf Ideen gebracht wird, wie man den eigenen Alltag noch nachhaltiger gestalten kann. Und durch den Austausch mit neuen Menschen lernt man auch neue Produkte kennen. Ich kenne keinen Menschen, die*der sich bei uns engagiert und nicht selbst darauf achtet, so nachhaltig wie möglich zu leben. Die Botschaften, die wir ständig rüberbringen, sind ja zum einen, dass sich jede*r einzelne mit ihrem*seinem Leben auseinandersetzen sollte, nochmal gucken, wo kann ich noch was besser machen – aber vor allem auf den Demos geht es schon um das Handeln der Politik.“ Gerade die Auseinandersetzung mit den persönlichen Anteilen am großen Ganzen im Freund*innenkreis ist manchmal mühsam, räumt sie ein: „Ich stoße immer auf Einsicht, aber nie auf Handlungen. Viele Menschen, mit denen ich mich unterhalte, sagen, wie gut sie das finden, was ich mache und wie Recht ich habe, – aber für sie selbst wäre das zu anstrengend. Bei oder nach den Demos, wenn ich zum Beispiel mit einer Warnweste am Rand stehe, kommen aber auch viele Menschen auf mich zu und sagen dann so Sachen wie ,FFF hat mich politisiert, seitdem beschäftige ich mich total viel mit Nachhaltigkeit,‘ – das freut mich und uns natürlich richtig.“ Insgesamt ist es also mit der Klimabewegung so wie mit allen Bewegungen: Was es braucht, um die Politik zum Handeln zu bewegen, ist ein verdammt langer Atem. So fasst Vera schließlich zusammen: „Wir sind alle motiviert, etwas zu ändern, wir packen ja auch selbst an, aber nach Gesprächen – zum Beispiel neulich mit dem Oberbürgermeister – sind wir oft auch richtig frustriert, weil irgendwie nie was dabei rumkommt. Wir streiken jetzt schon ein halbes Jahr, und es ist immer noch nicht viel passiert. Aber das heißt nicht, dass wir denken, das bringt dann auch in Zukunft nichts, im Gegenteil: Wir werden immer weiter machen, bis sich endlich etwas ändert. Uns ist klar, dass nächstes Schuljahr nicht alle Menschen jeden Freitag mitstreiken werden – aber genauso klar ist, dass es in drei Jahren immer noch mehr als tausend Menschen sein werden, die mitstreiken, und dass das Thema den Kindern und Jugendlichen weiter wichtig sein wird.“

Interview: Anke Wittkopp und Carlotta Jarchow, Fotos: Felix Dressler

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