Tonträger im März

Fette Hupe: Modern Tradition
Moderne Musik, Stücke aus der Feder verschiedener Bandmitglieder – live aufgenommen mit Hilfe eines analogen Mischpults und speziellen Mikrofonen zum Erzeugen eines „alten Sounds“ im Stil von Duke Ellington, das ist der Ansatz, des Hannoverschen Jazzorchesters Fette Hupe um den Dirigenten, Komponisten, Arrangeur und Schlagzeuger Jörn Marcussen-Wulff auf ihrem neuen Album.

 

 

 

Dan Deacon: Mystic Familiar
Der für seine interaktiven Live-Shows bekannte Komponist und Avantgarde-Musiktüftler aus Baltimore verpackt die düsteren Botschaften seines fünften Albums in psychedelische, hektisch pluckernde, regenbogenbunte, digitale Elektropop-Sphären mit Falsettgesang, die sich zwischen ziemlich eingängig, wie die Vorab-Single „Sat By A Tree“ und relativ unhörbar bewegen.

 

 

 

 

Leon Braje: Ein Blick
Sein Talent wurde dem jungen Ronnenberger schon bei einem bekannten Casting-Format attestiert. Mit seinem Debüt hat er sich Zeit gelassen, was sich gelohnt hat: Über zweieinhalb Jahre entstanden, produziert von Claudio und Christian Lanz, 12 stilistisch recht unterschiedliche Songs, die zeigen, dass der Sänger noch auf dem Weg ist, aber auf einem guten. Anspieltipp: „Manchmal alles was ich brauche“.

 

 

 

 

Noir Reva: Continuance
Kontinuität streben die vier Post-Rocker aus Koblenz an und haben ihrem Debüt-Album „Nuance“ von 2016 noch zwei Silben vorgehängt. Auf „Continuance“ fließen athmosphärisch dichte, mal schwebende, mal flirrende Shoegaze-Gitarrenarrangements, mit Schlagzeug-getriebenen, krachigeren Parts ineinander und lassen völlig vergessen, dass hier gar nicht gesungen wird.

 

 

 

 

Kvelertak: Splid
Ja, genau, die Vorband von Mastodon war das, dessen Sänger Troy Sanders auf „Crack of Doom“ sogar Gastvocals beisteuert. Früher dafür bekannt, nur auf Norwegisch zu texten, hat sich das mit dem 2018 eingestiegenen Sänger Ivar Nikolaisen geändert. Die Hardcore-Metalband gönnt uns jetzt auch den einen oder anderen psychedelischen Moment, bevor sie wieder losbrät, durchaus auch mal hymnisch.

 

 

 

Colour Haze: We Are
Die 1994 gegründete Münchner Stoner-Rockband pflegt seither ihren sehr eigenen heavy-psychedelic-Stil mit einer Prise Jazz, ein Kosmos aus fein gewebten Melodien, basslastigen Strukturen, prägenden, hippieesken Gitarrenriffs und eher zurückgenommenem Gesang. Und ja, es ist schon das 13 Album der Band, was vielleicht ein bisschen langweilig wäre – wäre „We Are“ nicht einfach klasse.

 

 

 

 

Kjellvandertonbruket: Doom Country
Für Eingeweihte schon zu erahnen, handelt es sich hier um eine Zusammenarbeit des schwedischen Songwriters Christian Kjellvander mit der Tonbruket, einem Ensemble, bestehend aus dem Bassisten Dan Berglund, dem Gitarristen Johan Lindstöm, Keyboarder Martin Hederos und Schlagzeuger Andreas Werliin. Zusammen erzeugen sie einen einzigartigen Bandsound zwischen Jazz, Psychedelic Rock und Neo-Folk.
Kjellvander ist ein Geschichtenerzähler vom Format eines sanften Nick Cave. Er schrieb die Songs oder auch nur Bauteile davon innerhalb von zwei Tagen, lud die Jungs von Tonbruket in sein Haus ein, wo innerhalb von 24 Stunden genug Material live eingespielt werden konnte, um daraus ein vierzigminütiges Album zu mixen. Das Ergebnis zeigt Kjellvanders feinen Sinn für melancholisch-knarzige Melodien, klingt im Hugo Race-Sinne australisch und schert sich wenig um Radio-kompatible Songstrukturen.

 

 

We Here Now: Chikipunk Years
In Kalkutta geboren, zog Indrayudh Shome zum Studieren in die USA, wo er heute als Musiker und Filmemacher lebt. 2018 gründete der Bassist gemeinsam mit dem brasilianischen Gitarristen Pedro „Sozinho“ Salvador und dem aus Peru stammenden Drummer Panchito El Sofista die Band We Here Now. Ihr Debütalbum überrumpelt durch einen wilden, polyrhythmischen Mix der unterschiedlichsten Strukturen und wäre dank der klassischen Gitarre-Bass-Schlagzeug-Besetzung Krautrock, würde sich nicht immer wieder südamerikanische und indische oder afrikanische Einflüsse herausschälen. Zuweilen möchte man überprüfen, ob vielleicht mit der Abspielgeschwindigkeit etwas nicht stimmt, doch alles okay, das soll so, wie der eine oder andere ruhigere, psychedelisch wabernde Part uns versichert. Aufgepeitscht von hektischen Breaks und immer wieder kurz hypnotisch eingelullt, reiben wir uns nach 10 Tracks verwundert die Ohren: Was war das denn? Verspielte, atemlose Weltmusik für Progger.

Annika Bachem


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