Günter von Lonski: Der gläserne Dolch

Foto: Stadt LaatzenDeutschland während des Dreißigjährigen Krieges: Als einziger überlebt der junge Ziegenhirte Jost das Massaker, das die Landsknechtshorden in seinem Dorf angerichtet haben. Doch der Junge hat nicht lange Zeit, die Gräueltaten zu verarbeiten, schon hört er nämlich wieder den Klang der Trommeln, der die Rückkehr der mordlustigen Söldner ankündigt. Auf seiner Flucht durch die Wälder stößt er auf zwei kleinwüchsige Männer, die mit einem merkwürdigen Akzent sprechen und in der Pfalz nach Gold schürfen. Trotz anfänglichen Widerwillens nehmen sie Jost bei sich auf, er darf sie sogar in ihre Heimat begleiten – nach Venedig, genauer zu der Laguneninsel Murano, wo die Glasbläserkunst gerade ihren Höhepunkt erlebt. Für den unbedarften Jungen ist es der Beginn einer abenteuerlichen Reise, auf der er seiner großen Liebe aber auch vielen skrupellosen Verbrechern begegnet – und schließlich das Geheimnis der Glasherstellung erfährt.

Dass Günter von Lonski mit seinem neuen Buch keine leichte Bettlektüre geschaffen hat, wird schon auf den ersten Seiten klar. Auf denen trieft es nämlich nur so von Blut und grauenvollen Bildern, die auch dem Protagonisten, dem sechzehnjährigen Jost Bicker, immer wieder auf den knurrenden Magen schlagen. Hungrig und traumatisiert von dem Schrecken, den die marodierenden Heerscharen in sein Heimatdorf gebracht haben, lässt er sich gerne auf das Angebot der Mineraliensucher Rafo di Luca und Stephano Džugi ein, sie auf ihrer Heimfahrt nach Venedig zu begleiten. Den Vorschlag machen die beiden kleinen Männer aber nicht aus Nächstenliebe, sondern aus Furcht, Jost könne sie an den Amtmann oder die Söldner verraten. Denn immerhin haben sie viele Schätze und kostbare Rohstoffe bei sich, die sie an die Glashütten in Murano verkaufen wollen. Nach einer beschwerlichen Reise, auf der Jost immer wieder die Abgründe menschlicher Grausamkeit erlebt, gelangen sie pünktlich zum Karnevalsbeginn nach Italien, das dem Armut gewohnten Jungen als ein Paradies der Sinnlichkeit und des Überflusses erscheint. Besonders beeindruckend findet er das Handwerk der Glasbläser, doch er muss bald feststellen, dass nicht jeder die hohe Kunst erlernen darf. Und wem es einfällt, seine Kenntnisse im Ausland zu verkaufen, auf den wartet eine besonders heimtückische Strafe, wie sein Freund Antonio ihm erzählt: „Der Senat setzt einen Vendicatore auf die Fährte des Verräters, und der hat Geld, Beziehungen und Geduld. Wenn er dich dann endlich erwischt, stößt er dir einen gläsernen Dolch in den Hals und bricht die Klinge mit einem kurzen Knick direkt über dem Heft ab. Stirbst du nicht sofort an dem Dolchstich, verreckst du an den kleinen Glasstücken, die sich im Verletzungskanal entzünden und zu einem sehr, sehr schmerzhaften Tod führen.“
Nicht von ungefähr ist es ein ausgeklügeltes Mordinstrument, das Günter von Lonskis neuem Roman seinen Titel gegeben hat. Dem 1943 in Duisburg geborenen Autor haben es Kriminalgeschichten nämlich angetan: Allein fünf Weserbergland- und sechs Hannover-Krimis sind bisher von ihm erschienen, außerdem mehrere Detektivgeschichten für Kinder sowie der Kurzkrimi-Band „BlattSchuss – Die ungewöhnlichen Fälle des Ludger Lage“. Obwohl skurrile Verbrechen mit humorvollem Einschlag seine Spezialität sind, hat von Lonski mit „Der gläserne Dolch“ etwas gänzlich Neues probiert. Hier bedient er sich eines eher düsteren, bisweilen fiebrig-hektischen Erzähltons, der grausame Verbrechen wie Mord, Folter und Vergewaltigung genauso schonungslos beschreibt, wie der arglose Jost sie in seinem Umfeld immer wieder erlebt. Die Fakten zur historischen Glasherstellung hat von Lonski unter anderem in der Schauglasbläserei in Hameln recherchiert, wo er auch einen Glasdolch nach seinen Vorstellungen hat anfertigen lassen. Die kunstvolle Mordwaffe ziert nun das Cover des Romans, der seit Februar 2020 als Book on Demand erhältlich ist – entweder als E-Book auf Amazon oder als Printexemplar unter info@antiqua-online.com. Weitere Infos unter www.vonlonski.net. Anja Dolatta

Foto: Stadt Laatzen


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