Franziska Haiduk, Initiatorin der Plattform Hannoverhelfen.de

Corona hat Hannover in den vergangenen Wochen fest im Griff gehabt und die Einschränkungen zur Bekämpfung der Virusausbreitung haben viele GeschäftsinhaberInnen um ihre Existenz bangen lassen. Anstatt in Schockstarre zu verharren, hat Franziska Haiduk die Flucht nach vorn und die Initiative ergriffen: Sie hat mit ihrem Bruder und der Unterstützung ihrer Eltern sowie dem Team ihres Familienunternehmens, der schlafzimmerei, „Hannoverhelfen.de“ ins Leben gerufen. Eine Plattform, die den lokalen Handel abbildet. Geschäfte und Restaurants können sich hier kostenlos registrieren. So entsteht ein geballter Überblick über alle Geschäfte in Hannover, die einen Onlineshop, Liefer- oder Abholservice anbieten oder Bestellungen für Gutscheine und Produkte via E-Mail oder Beratung über Skype ermöglichen – während des Lockdowns, aber auch darüber hinaus. Im Gespräch in der Redaktion erzählt die 29-jährige Franziska bei mitgebrachten himmlischen Elysée-Törtchen, dass sich bereits mehr als 300 Betriebe registriert haben, welche weiteren Initiativen sie selbst durch Hannoverhelfen.de kennengelernt hat und warum sie die Hannover-Community dazu animieren will, in ihrer Stadt einzukaufen.

Die Initiative ,Hannoverhelfen.de’ habe ich aus einem Impuls heraus gestartet, als ich mich mit meinem Bruder darüber austauschte, dass wir irgendwas machen müssen,“ beginnt Franziska und wird genauer: „Das ist ja nicht wirklich was, was ich mir alleine ausgedacht habe, so ein Branchenverzeichnis gibt es ja schon. Konkret gesehen habe ich etwas Vergleichbares bei der Wirtschaftskammer Kärnten, dem Pendant zur IHK. Die machen unglaublich viel für den Einzelhandel. Da dachte ich mir: ich bau’ jetzt einfach mal so eine Seite, denn das hilft echt!“
Im Austausch mit ihrem Bruder hat sie noch in derselben Nacht die Seite aufgesetzt, ab dem nächsten Morgen wurde zusammen mit den Eltern weiter überlegt, das Gerüst erweitert und Hannoverhelfen.de live geschaltet. Franziska kümmert sich im Familiengeschäft um das Technische, den Onlineshop und gemeinsam mit ihrem Bruder Marcel um das Marketing. Marcel macht jetzt viel für Hannoverhelfen auf Instagram.
„Wir sind immer abwechselnd im Laden und teilen die Aufgaben dort ganz gut auf, aber zwei Wochen lang war ich auf jeden Fall durchgehend mit der Seite beschäftigt. Denn gelernt habe ich ursprünglich etwas anderes. Ich habe Psychologie in Österreich studiert und vier Jahre in Klagenfurt gelebt, wo, wie gesagt, sehr viel für den lokalen Einzelhandel gemacht wird. Die unterstützen sich dort unheimlich gegenseitig und diese Einkaufen-nebenan-Mentalität ist eine ganz andere als in Deutschland. Das habe ich über die sehr professionelle Wirtschaftskammer immer weiter mitverfolgt. Für Medien habe ich mich auch schon immer interessiert. Ich finde es total spannend, wie technisch etwas entsteht und mag es, wenn man direkt ein Ergebnis sieht. Beim Coding ist das ähnlich, dazu habe ich mal ein Seminar gemacht und den Geek in mir entdeckt. Die Seite ist zwar ein Baukastensystem und nicht perfekt durchcodiert, was man auch sieht, aber der Zweck heiligt die Mittel! Die Seite muss nicht perfekt sein, denn das wäre sehr teuer – und die Idee dahinter ist nun mal: es ist frei zugänglich für alle und ist und bleibt kostenlos. Da die Plattform viel Zeit in Anspruch nimmt, haben unsere Kollegen und Freunde uns sofort unterstützt, denn sie haben schnell den Mehrwert darin gesehen. Es war wichtig, dass für den lokalen Handel jetzt etwas passiert. Und in unserer Familie haben wir schon immer großen Wert auf lokale Qualitätsprodukte gelegt. Es gibt einfach so wahnsinnig viele coole Läden, die nicht verschwinden sollen – da konnten wir jetzt nicht ohnmächtig dasitzen und in die passive Opferrolle gehen, sondern mussten eben schauen, wie es weitergehen kann.“
Hannoverhelfen.de hilft unter anderem über die Steigerung der Reichweite: Jeder, der eine Website oder einen Google-Eintrag hat, wird gepusht, denn über die vielen Verlinkungen freut sich jede Suchmaschine. Ein klarer Benefit! Über Social Media werden zusätzlich wertvolle Reichweiten erzielt. Ein weiterer Vorteil ist, dass man als Besucher der Seite durch die Clusterung nach Branchen und momentanen Einkaufsmöglichkeiten viele Läden auf einen Blick versammelt hat, die man sonst vielleicht noch gar nicht kennt.
Franziska erinnert sich an einen Aha-Moment vor nicht allzu langer Zeit: „Da habe ich mich selbst erwischt, als ich mit meiner Mama letztes Jahr in Freiburg war und wir ganz viele tolle Lädchen entdeckt haben. Da habe ich zu ihr gesagt; wie schade, dass es bei uns nicht solche schönen Concept Stores gibt. Dabei gibt es die! Ich habe durch die Initiative so viele Läden kennengelernt, da sind richtig viele coole dabei. Man ist in seiner Heimatstadt oft ein bisschen träge, zirkuliert im eigenen Viertel. Im Urlaub dagegen sucht man eigentlich immer nach den kleinen Läden, du willst eben nicht die Mainstreamsachen haben, die alle gleich sind. Und mit diesem Blick mal durch Hannover zu gehen und zu sehen, wow, es gibt so viele tolle Läden – die Leute ein bisschen dazu animieren, das ist unsere Mission.“
Dem selben Ansatz folgt die ebenfalls ehrenamtliche Initiative „Support your locals“ von acht hannoverschen EinzelhändlerInnen: Luise von OhMyGoddess hat den Account bei Instagram gegründet, wo Läden und Produkte vorgestellt werden. Franziska schwärmt: „Wir waren von Anfang an im Austausch und ergänzen uns total super. Support your locals läuft über Instagram und Facebook, – sie haben eine größere Reichweite mit doppelt so vielen Followern – und stellen da eher Produkte vor, die du direkt anfragen kannst. Hannoverhelfen.de zeigt eher die Läden bzw. die Personen, Services und bietet allgemeine Infos. Da wollen wir nochmal schauen, wie wir diese Ergänzung noch weiter ausbauen können. Wir sind fast täglich im Kontakt, damit wir nicht dasselbe teilen und es für die Interessenten nicht langweilig wird. Und natürlich um zu schauen, wie es weitergeht, wenn die Läden wieder offen haben, denn der Support-your-locals-Gedanke ist ein dauerhaftes Thema.“
Apropos helfen, da steht natürlich die Frage im Raum, ob die Fördergelder vom Bund und Land eigentlich bei den kleinen Läden und damit da ankommen, wo sie gebraucht werden? Franzi ist sich da noch nicht so sicher: „Es gibt Geschäfte, die sind der Situation jetzt auf Gedeih und Verderb ausgeliefert und von finanzieller Hilfe abhängig. Es gibt welche, die haben schon was bekommen und sind wenigstens für den Moment sicher. Es gibt aber auch Fälle, in denen sogar Gründerzuschüsse verweigert wurden. Und da frage ich mich wirklich, warum?! Die Zeit rennt. Manche schaffen einen Monat ohne Einkommen, andere vielleicht nur zwei Wochen. Das ist leider die traurige Wahrheit. Zumal jetzt die Banken noch nicht einmal mehr Kredite rausgeben. Das ist meiner Meinung nach ein riesiges Problem: Die Leute sind dazu bereit, Kredite aufzunehmen, und das, obwohl es eine unverschuldete Situation ist, bekommen dann aber keine. Ich finde, da müssen die Banken in die Pflicht genommen werden! Die Steuerzahler haben die Banken schon x-mal mit Milliarden gerettet, da wurde nicht lange gefragt, ob das in Ordnung ist, sondern einfach gemacht. Jetzt muss das andersrum auch mal funktionieren, zumal wir ja sowieso dafür haften. Wenn 60 Prozent der Arbeitsplätze und 80 Prozent aller Ausbildungsplätze der Mittelstand stellt, und davon bricht nur ein Viertel weg, dann ist das für die Menschen und die Wirtschaft eine Katastrophe. Also da sollten wir und vor allem die Politik schleunigst was tun.“
„Was tun!“, das schien vor der Öffnung auch die Devise des lokalen Einzelhandels gewesen zu sein, es gab manch kluge Idee, wie Franziska weiß: „Das Süß, ein kleiner Concept Store rund um Brautmode, hatte sich etwa reelles Window Shopping ausgedacht: Ans Schausfenster waren Kästchen gemalt, darin jeweils ein Produkt mit einem Preisschild. Von außen waren dann Post-its dran, und die hat man als Bestellung durch den Briefschlitz mit dem Geld geworfen – die Inhaberin hat das Gekaufte dann zurückgeschoben.“ Andere Geschäfte, wie z.B. NoaNoa oder Second Date, hatten Produkte vor ihre Geschäfte gestellt und daneben eine Vertrauenskasse, in die man das Geld für das ausgewählte Produkt hereinlegen konnte.
Da sie kein Geschäft auf Hannoverhelfen eintragen kann, dessen InhaberIn das ggf. gar nicht möchte, und da die Zeit für die Recherche fehlt, bittet Franziska: „Wenn euer Lieblingsladen fehlt, sprecht deren GeschäftsführerInnen an, damit sie sich registrieren. Dadurch wird das Informationsangebot noch größer. Ganz allgemein und grundsätzlich: Folgt euren Lieblingsläden online! Je größer die Fanbase, desto größer die Reichweite, desto bekannter wird ein Geschäft. Einfach mal einen Beitrag liken, kommentieren, etwas verlinken, teilen. Das hilft, auch wenn es indirekt ist. Vor allem auch anderen Interessenten, denn euch kann man mehr glauben als irgendwelchen fremden Influencern, die was weiß ich für einen Scheiß vermarkten. Und natürlich: Kauft lokal! Ich will da gar nicht dogmatisch sein, aber vielleicht wird einigen durch die Krise wieder bewusster, dass ein vielfältiger und gutgehender Handel gut für uns alle ist. Denn wir leben alle in derselben Stadt. Wer lokal einkauft, sichert Arbeitsplätze und unterstützt Einzelhändler, die wiederum ebenso ihren Umsatz z.B. in Form von Steuern und Einkäufen wieder lokal in den Umlauf bringen. Zu guter Letzt: Traut euch! Verliert die Hemmungen, Fragen zu stellen, wenn ihr etwas Bestimmtes sucht. Denn man muss nichts kaufen, nur weil man eine Antwort bekommen hat.“

 Interview und Text: Anke Wittkopp


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