Stadtkinder bewältigen den Alltag

Chill mal!

Was in den vergangenen Sommern kaum eine Erwähnung wert gewesen wäre, spielt jetzt in der „Oh echt? Wie war’s denn?”-Liga: Also jetzt festhalten – ich war im Schwimmbad. Ein Teil der städtischen Freibäder ist schon seit dem 29. Mai wieder geöffnet, unter Pandemiebedingungen. Hygienekonzept, Abstandsregeln und Zeitkorridor sind dabei Begriffe, die definitiv nicht nach Spaß klingen und mich sofort neugierig gemacht haben. Ein Nebeneffekt für Eltern ist, dass Kinder unter 14 Jahren nur in Begleitung von Erwachsenen ins Bad dürfen. So kommt man mal wieder dazu, Mini-Teenie-Kinder zu begleiten, die eigentlich längst allein gehen würden. Da kann man sich drüber ärgern –
ich finde es großartig. Endlich geht mal wieder jemand mit mir schwimmen.
Der Tag war eher so bewölkt. Schon Wochen zuvor hatte ich mich nebst eigenem und geliehenem Kind unter https://hannover.baeder-suite.de registriert. Drei Tage im Voraus ist es möglich, einen sogenannten Schwimm-Slot zu buchen, es geht aber auch spontan. Die Zeitfenster, die man sich aussuchen kann, sind recht groß, je nach Bad wird so etwas wie 7 bis 10 oder 11 bis 17 Uhr angeboten. Man muss dann auch nicht pünktlich da sein, nur spätestens bis eine Stunde vor Ende der gebuchten Zeit.
Das Schwimmerbecken war durch Ketten in Bahnen geteilt, in denen ein paar einsame Gewohnheitsschwimmer – nun ja, ihre Bahnen zogen. Viel verlockender war da das riesige, menschenleere Nichtschwimmerbecken, das von zwei Bademeistern beaufsichtigt wurde. Ich muss sagen, dass ich zu Bademeistern ein etwas unentspanntes Verhältnis habe, seit ich in den späten Siebzigerjahren Schwimmunterricht bei Herrn Nego hatte.
Herr Nego war Schwimmlehrer in einem rumänischen Badeort, den meine Eltern für einen, sagen wir mal, sehr preisbewussten Familienurlaub ausgewählt hatten. Er trug sein blondes Haar schulterlang und ich habe ihn als eine Art braungebrannten, sehnig-muskulösen Otto Waalkes in Erinnerung. Rückblickend denke ich, dass er eine coole Sau und Frauenschwarm war, aber dafür war mein fünfjähriges Ich noch völlig unempfänglich. Das pädagogische Konzept von Herrn Nego bestand darin, seine Schützlinge, also auch mich und meine Brüder, nach ein paar unbequemen Trockenübungen, die bäuchlings auf sonnenwarmen Betonbänken ausgeführt wurden, einfach ins Wasser zu werfen. Meine Eltern registrierten das Ganze etwas irritiert, waren aber begeistert von unseren schnellen Lernerfolgen. Ich nehme an, dass Herr Nego uns notfalls gerettet hätte.
Schwimmlehrer und Bademeister, die ich dazu zähle, betrachte ich seither lieber aus der Distanz, bin aber trotzdem immer gern baden gegangen. Ich finde zum Beispiel, dass Freibad-Lärm, also diese Mischung aus Kindergeschrei, Geplansche und Arschbombengeräuschen total einschläfernd ist, viel besser als jede Meditationsmusik! Daher nutze ich den Freibadbesuch immer gerne für ein Nickerchen, erst recht, nachdem ich drei, vier Bahnen geschwommen bin (sportlich sollte man es hier auf keinen Fall übertreiben, finde ich).
Aber zurück nach Hannover und rein ins Nichtschwimmerbecken. Hier mussten lediglich die Eingangsregeln beachtet werden. Man darf nur an einer Ecke rein, damit die Bademeister den Überblick behalten. Heute war das nicht schwer, denn wir waren vier. Ein Gewohnheitsschwimmer hatte sich verirrt, oder im Schwimmerbecken keine freie Bahn mehr vorgefunden. Aber da er auch hier brav in Bahnen pflügte, nahm er nicht viel Platz weg. Reinspringen und Rutschen ist grad verboten, aber das sonstige Badevergnügen war ungetrübt wie selten. Bei dem herrschenden Betreuungsschlüssel von einem Bademeister pro zwei Kinder beschloss ich, meiner Aufsichtspflicht genüge getan zu haben, um nun meiner eigentlichen Lieblingsbeschäftigung nachzugehen: Abschimmeln auf der Liegewiese!
Hier die sehr gut ausgeschilderten Abstandsregeln einzuhalten, war nicht wirklich ein Problem –
ich war dort die einzige. Die übrigen Badegäste hatte sich im Mallorca-Style Liegestühle mit Handtüchern reserviert. Die Sonne schien ein bisschen durch die Wolken und alles war gut. Irgendwann kamen die Kinder mit Pommes (alles funktioniert!). „Na, Mama, chillst du ein bisschen?” Das klang gleich viel besser als „herumliegen” und ich beschloss, das in meinen Wortschatz zu übernehmen.
Geschlafen habe ich übrigens nicht mehr. Vielleicht war es einfach zu ruhig.
 Annika Bachem


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