Augsteins Chauffeur und die Geflüchteten

Augsteins Chauffeur und die Geflüchteten

Es könnte sein, dass es Nikolaus Blome gar nicht gibt. Betrachtet man die Karriere des Spiegel-Online-Kolumnisten, RTL-Politik-Ressortleiters und ehemaligen stellvertretenden BILD-Chefredakteurs könnte man vermuten, dass es ich bei ihm um einen fiktionalen Charakter handelt. Erfunden vom gelangweilten Spiegel-Erben Jakob Augstein irgendwann Ende der 80er beim nachmittäglichen Gin-Tonic.
In diesem Szenario hätte Augstein damals einen frustrierten Jungschauspieler mit dem Versprechen auf die Rolle seines Lebens aus irgendeiner Provinz-Stadttheater-Kantine herausgeholt, ihm eine lebenslange monatliche Apanage versprochen und ihn seitdem durch die deutsche Presselandschaft geistern lassen. Rollenbeschreibung: „Liberal-Konservativer Journalist“. Ziel: Ridikülisierung dieser Existenzform.
Mit zur Rollenbeschreibung gehörte dann auch, im Fernsehen als Sparringspartner Augsteins aufzutreten, um sich von diesem in gescripteten Wortgefechten vorführen zu lassen; „Blome“ dabei durchaus einigermaßen eloquent, aber doch immer leicht verkniffen wirkend, Augstein den entspannten linksliberalen Hände-in-den Hosentaschen-Lebemann gebend. Neuerdings hat Augstein dieses sadomasochistische „Master and Servant“-Setting offensichtlich noch verschärft: „Blome“ muss ihn jetzt während der Diskussion durch Berlin chauffieren. Dazu wurde die Sendung in „Gegenverkehr“ umbenannt.  Willkommen in der Wortspielhölle. Fehlt nur noch, dass „Blome“ eine Uniform tragen muss. Gelegentlich sitzt allerdings auch Augstein am Steuer, aber das wirkt dann immer als kutschiere der Fürst ausnahmsweise den Knecht durch die Gegend. Aus Spaß. Weil ihm mal wieder so schrecklich öde ist.
Aber vermutlich ist das alles Wunschdenken, vermutlich gibt es diesen „Blome“ wirklich, und vermutlich glaubt er auch ernsthaft, er sei kein Reaktionär, sondern ein rational denkender Mensch, der im Gegensatz zu den linken Träumern die Welt so sieht, wie sie eben ist. Frei von jeder Ideologie. Vor einigen Wochen schrieb Blome in seiner Spiegel-Online-Kolumne: „Natürlich gibt es keine »guten« oder »schlechten« Flüchtlinge, wenn das eine moralische Kategorisierung sein soll. Aber, face it: Im Vergleich der beiden Flüchtlingswellen stechen gruppenspezifische Merkmale und Unterschiede heraus (…) Die ukrainischen Flüchtlinge haben in Summe, ganz pauschal, mehr mit der hiesigen Mehrheitsgesellschaft gemein als die Flüchtlinge und Asylsuchenden aus dem Nahen und Mittleren Osten.“ Die Ukraine, so Blome weiter, sei nämlich Deutschland nicht nur geographisch näher als Syrien, der Irak oder Afghanistan: „Es dürfte auch etwas damit zu tun haben, dass die Ukraine und Deutschland zwei Länder sind, die jedes auf seine Art zum christlich geprägten Kulturkreis gehören …“
Und zack gibt er – selbstverständlich ganz rational und ideologiefrei – den Geflüchteten aus Syrien die Schuld dafür, dass man sie hier nicht so mag. Er raunt: „Wenn sich 2015 nicht wiederholt, dann liegt das weniger an den Deutschen als an den Flüchtlingen. Denn die Flüchtlinge sind anders (…)“ Blome packt die Gelegenheit beim Schopf und missbraucht sowohl die syrischen wie auch die ukrainischen Geflüchteten, um mal wieder das bekannte Glaubensbekenntnis der Konservativen herunterzubeten: Nicht alle Menschen sind gleich! Man hört ihn aber laut und deutlich mit den Zähnen knirschen, wenn er eingestehen muss, dass die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland das anders sehen. Dass der Rechtsstaat –zumindest in der Theorie – auf Seiten der Menschen steht, die die „migrationspolitische Vorneverteidigung“ betreiben, indem sie die Gleichheit Aller postulieren. Blome schreibt tatsächlich und allen Ernstes über diese – ihm spürbar unsympathischen – „einschlägigen Milieus“: „Kein Mensch ist illegal, heißt es dort, und ergo alle Menschen gleich. Aber das sind sie nur vor dem Gesetz.“ Nochmal, falls es grade jemand überlesen hat: Blome ist der Meinung, dass die Menschen „nur vor dem Gesetz“ gleich sind. Sonst nicht.
Diese Sätze lesend hofft man kurz noch einmal, dass dieser Mann wirklich nur ein schlechter Witz Augsteins ist. „Aber, face it“: Nikolaus Blome ist genau so echt wie Marc Felix Serrao, der Chefredakteur der deutschen Ausgabe der „Neuen Züricher Zeitung“, der im Februar in Bezug auf die ukrainischen Geflüchteten schrieb: „Diesmal sind es echte Flüchtlinge.“ Ein, angesichts des Leidens der Menschen im Irak, Syrien und Afghanistan, auch für einen „Konservativen“ wahrlich monströser Satz.   Hartmut El Kurdi


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