Tag Archive | "2018-07"

Ein letztes Wort im Juli …

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Ein letztes Wort im Juli …


Herr Weil, wir sprechen heute mal darüber, ob wir über Alexander Gauland sprechen sollten, nach der Aufregung, die er neulich wieder mit seinem „Vogelschiss“ erzeugt hat.
Wollen wir dem wirklich eine Seite im Stadtkind widmen?

Genau das ist meine Frage: Bekommt Gauland zu viel Aufmerksamkeit? Und bekommen solche Leute generell zu viel Aufmerksamkeit in den Medien?
Dass darüber informiert wird, wenn Herr Gauland den Mord an Millionen Menschen infamerweise als „Vogelschiss“ bezeichnet, ist nicht zu vermeiden. Die Medien haben diese Aussage ja auch sehr kritisch thematisiert. Auch kurze scharfe Zurückweisungen derartiger Entgleisungen durch Politiker aller anderen Fraktionen sind notwendig und sinnvoll. Ansonsten aber sollen wir meines Erachtens in der Politik mehr über die Themen reden, die die Menschen in unserem Land bewegen, über die Situation von jungen Familien oder von älteren Menschen, über Veränderungen in der Arbeitswelt, aber gerne auch über all das, was in unserem Land gut läuft. Die Rechten versuchen ständig uns einzureden, wir stünden kurz vor dem Weltuntergang, sie versuchen, die Gesellschaft zu spalten.

Die Medien sind wegen ihrer Berichterstattung oft in der Kritik, wenn es um solche verbalen Entgleisungen geht. Weil man dem Theater der AfD eine Bühne gibt. Das läuft ja immer nach demselben Drehbuch.
Derartige Provokationen der AfD werden ganz bewusst gesetzt. Wir müssen alle miteinander darauf achten, ihnen nicht zu viel Aufmerksamkeit zu geben. Die Kieselsteine, die die AfD in den Teich wirft, sollten keine unverhältnismäßig hohen Wellen erzeugen.

Wie könnte man dem begegnen? Nicht mehr darüber berichten? Nicht mehr schreiben?
Es liegt mir fern, den Medien irgendwelche Tipps geben zu wollen. Ich würde ganz generell in unseren gesellschaftlichen Debatten gerne die Frage, wie es denn momentan wirklich um Deutschland bestellt ist, in den Vordergrund stellen. Wenn ich im Ausland bin, staunt man dort darüber, was für eine großartige Entwicklung Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg genommen hat. In Deutschland habe ich im Gegensatz dazu gelegentlich den Eindruck, man nehme es als völlig selbstverständlich, auf welch hohem Niveau hier viele leben. Das betrifft nicht nur die finanzielle Situation, sondern auch die Formen unseres Zusammenlebens, das Maß an Freiheit, das wir genießen können. Ich würde mich freuen, wenn auch mehr das Positive wahrgenommen würde: Deutschland ist lebens- und liebenswert und weit mehr als irgendwelche Skandale, Affären und Unzulänglichkeiten.

Zu viele schlechte Nachrichten, zu wenig gute?
Ich habe neulich eine interessante Beobachtung gemacht. Wenn ich bei meinem I-Pad auf die Übersichtsseite gehe, gibt es da einen News-Dienst. Und ich habe mich immer darüber gewundert, was dort für ein Schrott zusammengestellt wird. Da geht es fast ausschließlich um Kriminalität, um Naturkatastrophen oder um schlimme Verkehrsunfälle. Ich habe Apple angeschrieben und gefragt, wie es zu dieser Zusammenstellung kommt, die aus meiner Sicht ein ziemlich schräges Bild unserer Welt zeichnet. Die Antwort: Das besorgen die Algorithmen. Die errechnen, was momentan besonders relevant ist. Je mehr also über Verbrechen und Skandale und dergleichen berichtet wird und je mehr Menschen solche Berichte anklicken und lesen, desto mehr finden sich solche Themen in den News-Diensten. Im Ergebnis gibt’s immer mehr vom Gleichen. Auch bei Facebook wird uns die Realität, beeinflusst durch das Verhalten der skandalorientierten Nutzer, verzerrt präsentiert.

Das heißt, solche Dienste und die Medien insgesamt täten gut daran, zu prüfen, ob die Berichterstattung tatsächlich ausgewogen ist. Was ich außerdem immer wieder höre, ist die Forderung nach einem Faktencheck. Man solle dem Populismus Fakten entgegenstellen, um die einfachen Antworten so zu entzaubern. Ich habe inzwischen den Eindruck, das funktioniert nur sehr begrenzt.
So wichtig Fakten und Zahlen auch sind, damit alleine überzeugt man die Menschen nicht. Nüchterne Fakten helfen nur sehr begrenzt gegen emotional gesteuerte Kampagnen. Zu allererst brauchen wir einen starken Staat und Politiker, die sich tatkräftig um die Belange der Bürgerinnen und Bürger kümmern. Außerdem aber sollten wir alle mehr über unsere Werte sprechen, darüber, wie wir uns ein solidarisches und tolerantes Zusammenleben der Menschen in Deutschland vorstellen. Mit anschaulichen Bildern und Geschichten können Politik, Kirchen und Verbände dazu beitragen, Haltungen in unserer Gesellschaft zu verändern und damit letztlich auch gesellschaftliche Realitäten.

Wenn ich mir unsere Parteienlandschaft momentan so ansehe, dann habe ich den Eindruck, dass manche etablierte Parteien das Populismus-Spielchen ebenfalls ganz gut beherrschen, vorneweg Seehofer und Söder.
Nicht nur die AfD überzieht in ihren Situationsbeschreibungen und den daraus abgeleiteten politischen Forderungen. Dass Herr Söder von „Asyltourismus“ spricht, verhöhnt in widerlicher Weise die Menschen, die aus tiefer materieller Not oder auf der Flucht vor Gewalt und Krieg zu uns kommen. Etablierte Parteien, die versuchen, die Themen der extremen Rechten zu kapern, machen letztlich die AfD stark. Warum die Kopie wählen, wenn man auch das Original wählen kann? In Niedersachsen ist die AfD nur halb so stark wie in Bayern. Und ich sehe dafür klare Gründe. Wir werten die AfD nicht über Gebühr auf. Wir machen unser Ding, bleiben gelassen und ausgewogen. Und genau das schafft Vertrauen.

Ist Humor auch ein Mittel im Umgang mit den Populisten? Darf man sich lustig machen?
Warum nicht! Johann Saathoff, ein SPD-Abgeordneter aus Ostfriesland, hat beispielsweise kürzlich im Bundestag eine ganz bemerkenswerte Rede gehalten. Gegenstand war ein AfD-Antrag, mit dem die deutsche Sprache in den Verfassungsrang erhoben werden sollte. Saathoff hat zwar auf Deutsch darauf geantwortet, aber dennoch so, dass die große Mehrheit des Hohen Hauses nicht mehr folgen konnte, nämlich auf Plattdeutsch. Womit er ganz wunderbar zum Ausdruck gebracht hat, dass Heimat etwas absolut Vielfältiges ist. Das war eine großartige Reaktion, geistreich, überzeugend, mit der notwenigen Spur Leidenschaft und sehr humorvoll. Eine tolle Rede, ich war richtig stolz auf ihn.

Dennoch scheint mir, dass trotz aller klugen Ansätze zum Umgang mit den Populisten, die Populisten trotzdem immer stärker werden, in der Welt, in Europa, auch in Deutschland. In vielen Demokratien driftet die Gesellschaft momentan nach rechts. Und ich frage mich tatsächlich, ob man noch darüber berichten sollte, weil man den Trend damit womöglich verstärkt.
Ich denke, es ist tatsächlich eine Frage der Relation. Wir leben hier seit mehr als zwei Generationen in Freiheit, Frieden und mit wachsendem Wohlstand. Ich hätte Deutschland, so wie es heute aufgestellt ist, vor 25 Jahren nicht für möglich gehalten. Unsere Wirtschaft brummt, die Arbeitslosigkeit ist auf dem niedrigsten Stand seit 30 Jahren und die Beschäftigungszahlen waren noch nie so hoch, in Niedersachsen haben wir fast drei Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Ich könnte jetzt noch sehr lange so weitermachen. Dennoch leben wir auch in einer Phase wirklich grundlegender Veränderungen, gekennzeichnet durch Globalisierung, durch Digitalisierung. Und viele Leute spüren diese fast tektonischen Verschiebungen. Sie können das noch nicht richtig einordnen, letztlich können wir das alle noch nicht. Das macht Angst, bewusst oder unbewusst. In einer solchen Situation ist es die Aufgabe von Politikern, Vertrauen zu schaffen. Nicht, indem man sagt, alles ist gut, sondern indem man die Probleme und die Chancen klar benennt und genauso klar sagt, was man tun will.

Interview: Lars Kompa
Foto: Carolin Janocha

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Morgen ist Dienstag

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Morgen ist Dienstag


Weisheiten mitten aus dem Leben

Warum nimmt man ein Album mit 21 Tracks auf? Warum fährt man morgens nach Paris, trifft sich mit Rami Jaffee, dem Keyboarder der Foo Fighters, und lässt ihn mal eben ein paar Stücke einspielen? Warum leckt sich ein Hund die… ? Ganz einfach: Weil es möglich ist. Und „weil es möglich ist“, ist ein großartiger Einstieg. Es hat nämlich den Anschein, Kai und Thorsten Wingenfelder hätten bei den Aufnahmen zu ihrem neuen Album „7 Himmel hoch“ alles gemacht, wonach ihnen war. Lag der Fokus der Vorgängeralben der beiden Brüder zunächst vielleicht auf einem Post-Fury-Neubeginn, dann auf Retro- und Introspektive, präsentiert sich „7 Himmel hoch“ ganz anders. Das große und das kleine W sind mitten im Leben, wie auch eine Single ihres Albums heißt. Das bedeutet aber nicht, dass sie mahnend den Ü-50-Finger heben und uns jungen Küken die Welt erklären wollen, nein. Wie sagt man so schön: Sie geben nicht an, sie lassen nur wissen. Zweifelsohne könnten Thorsten und Kai uns erfahrungsreiche Vorträge über all die Dos und Don‘ts im Leben halten, ein paar Jahre machen sie dieses Rockstar-Ding ja schon. Aber das tun sie nicht, sie erzählen lieber. Und das tun sie auf deutsch. Nicht, weil das gerade alle machen und es hip ist und auch nicht, weil man ihnen die englische Aussprache nicht abkaufen würde. Es passt einfach wahnsinnig gut, wenn dir zwei Familienväter mit je drei Kindern aus den Boxen deiner Stereoanlage davon erzählen, wie es ist, den Töchtern beim Pubertieren zuzusehen oder selbst zu merken, dass man nur noch „Ausschussware“ (Zitat!) ist. Auf englisch würden solche Texte an Eindringlichkeit verlieren und vielleicht auch ein bisschen an Glaubwürdigkeit.

Wieder ein gutes Stichwort, denn „7 Himmel hoch“ ist glaubwürdig, von vorne bis hinten. Keine Songs über die ewige Liebe unter Teenagern. Frauen werden hier nicht mit Rosen oder Veilchen verglichen, sondern mit Kakteen. Was in dem Fall wirklich ein schönes Kompliment ist, weil eben nicht das liebliche Antlitz der Dame im Vordergrund steht, sondern der Weg, den zu gehen man bereit ist, um eben dieses liebliche Antlitz einmal lächeln zu sehen. Wir hören auf „7 Himmel hoch“ keine Smasher über den Tollsten aller Tage im Leben, den man mit Achterbahnfahren verbracht hat, sondern, dass ein Leben tolle Tage hat, manche aber auch zum Kotzen sind, gerade so, als wäre man zu oft Achterbahn gefahren. Dass man durchaus Erwachsen sein, trotzdem aber Spaß haben darf, dass es manchmal wichtig ist, den Stecker zu ziehen und sich selber zu finden, dass Altern dann nichts Schlimmes ist, wenn man es mit Würde tut und man grundsätzlich mal mit dem, was man hat, zufrieden sein darf. Ja, es scheint so, als hätten die beiden Brüder das alles einfach mal laut sagen müssen. Auch stilistisch ist „7 Himmel hoch“ bunt und vielfältig – was nicht bedeutet, dass es allzu heterogen ist. Aufgemacht mit einer Rocknummer, die nicht ungewohnt, aber unerwartet kommt, über tanzbare Uptempo-Songs, reggae-eske, bzw. dancehallartige Beats, zaghafte Folk-Noir-Nummern oder schnoddrige Liedermachermusik bis hin zu den zarten Balladen, für die man Wingenfelder kennt und liebt, ist alles dabei.

Die Brüder selber haben sich nach ihrem recht ereignisreichen Fury-Jahr 2017 nicht etwa Torte essend in Altersteilzeit begeben, sondern nur kurz durchgeschnauft und weitergemacht, gearbeitet, geschrieben, sich vielleicht aneinander gerieben und Meinungen kollidieren lassen. Sie haben Dinge er- und Veränderungen durchlebt (zum Beispiel zählen sowohl der Hannoveraner Tausendsassa Fabian Schulz und der Gitarrist und Keyboarder Robert Schuller neuerdings zu ihrem Kreis), Menschen getroffen, mit denen sie gemeinsam (auf der Platte zu hören sind, wie bereits erwähnt, Rami Jaffee oder auch die Schauspielerin Ann-Kathrin Kramer) ein Kaleidoskop unterschiedlicher Stimmungen und Gefühle festgehalten haben. „7 Himmel hoch“ zu hören, ist wie die Antwort auf die Frage: „Und, Wingenfelders, wie lief es bei euch in letzter Zeit?“ Es ist echt und authentisch, nicht immer so fein gedrechselt, wie es vielleicht sein könnte, dafür aber umso wahrer.

Am 5. Oktober präsentieren die beiden ehemaligen Hannoveraner ihr neues Album im Capitol. Wer noch keine Karte hat, sollte sich dringend eine besorgen (37,30 Euro) und sich einen Abend lang erzählen lassen, was für Dinge passieren können zwischen 7 Himmeln hoch und out of order.

Text: UM, Foto: Anne deWolff

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Aufstand der Träumer

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Aufstand der Träumer


Liebe Stadtkinder,

nackt in Woodstock tanzen, in Schlaghosen und Bulli durch die Welt oder singen für den Weltfrieden? Was wollten die ‘68er? Wollten die überhaupt was, außer Spaß? Den Nachlass der ‘68er beleuchtet Christian Kaiser im neuen Stadtkind und hat dann auch gleich nochmal, rein küchenpsychologisch, untersucht, wie man seinen Kontrollzwang kontrolliert. Check.

Ansonsten, wie immer, tiefgründige Beiträge:
Anne Andersch, neu im Stadtkind-Boot, bringt sich selbst das Flirten bei, Simone Niemann schreibt den Weltatlas der Vorurteile um und Martin Kontzogs Kinder werden Kapitalisten.
Weiterhin kommt das Team von „Wie es euch gefällt“ zu Wort und Illi trifft nicht Franz-Josef Wagner, um mit ihm über Aphorismen, Liebe und Anerkennung zu sprechen. Das alles gibts für schmale 2,20 Euro im neuen Stadtkind, in echt und auf Papier, jetzt am Kiosk!

Und natürlich, in gewohnter Qualität, Termine, Kulturtipps und einen dicken, fetten Veranstaltungskalender!

Also, ab zum Kiosk!

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Neu in der Stadt im Juli

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Neu in der Stadt im Juli


Vallintage    
Von wegen Schnee von Gestern! In dem neuen Modeladen am Engelbosteler Damm steht das Thema Vintage hoch im Kurs. In den ehemaligen Räumen von Fernseh-Schmidt können ab sofort Schuhe, Kleidung, Handtaschen, Hüte und Accessoires aus zweiter Hand erstanden werden. Vallintage heißt das Geschäft der Jungunternehmerin Saskia Weber, das nach zweimonatigen Umbauarbeiten im März eröffnet hat. Schon die Räumlichkeiten verbreiten das typische Vintageflair: Freigelegte Stahlträger und teilweise unverputztes Backsteinmauerwerk verleihen der 150 Quadratmeter großen Ladenfläche den Reiz einer urbanen Ruine. Für die Kleiderständer wurden alte Kupferrohren umfunktioniert und auch für die Beleuchtung hat man sich etwas Besonderes einfallen lassen. Denn in die mächtigen Deckenlampen im Industrial-Stil wurden Bohrschnecken eingearbeitet, die aus einer alten Mühle stammen. Im Sortiment hingegen finden sich keine auf Alt getrimmten Neuwaren, dafür authentische Secondhand-Stücke. Um möglichst hochwertige Produkte anbieten zu können, arbeitet Weber eng mit einem zertifizierten Altkleider-Sortierbetrieb in der Region Hannover zusammen. Für Sonderwünsche macht sie sich aber auch gerne einmal persönlich auf die Suche und kauft beispielsweise gezielt aus Secondhand-Geschäften in Paris und London hinzu. Extravagante Stücke wie zum Beispiel Highheels der Nobelmarke Céline kosten dann auch mal getragen 180 Euro. Auf diese Weise kommt ein ungewöhnliches Sortiment zustande, in der sich elegante Abendgarderobe neben schrillen Einzelstücken, Retro-Artikel neben zeitloser Mode finden lassen. Zudem stehen auch viele der im Laden ausgestellten Kunstgegenstände und Kleinmöbel zum Verkauf. Engelbosteler Damm 49, 30167 Hannover. Öffnungszeiten: Mo–Sa 11–19 Uhr. Kontakt: vallintage@gmail.com oder Tel. (0511) 21 55 43 66. Einblicke unter www.instagram.com/vallintage. Foto: Vallintage

 

a mano
Wolle und Feines
Am 26. April wurde das Wollgeschäft a mano in Hannovers Altstadt eröffnet. Inhaberin Petra Könemann möchte mit ihrem Laden einen Kreativtreff für Textilschaffende etablieren, denen das Thema Nachhaltigkeit am Herzen liegt. Ihr Sortiment besteht größtenteils aus ökozertifizierten, fair gehandelten Garnen aus aller Welt. Ein Beispiel hierfür ist die handgefärbte Wolle aus Uruguay von Manos. Der Hersteller setzt sich dafür ein, Frauen in den ländlichen Regionen des Landes wirtschaftliche, soziale und persönliche Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. Einige weitere der bei a mano erhältlichen Wollmarken sind BC Garn, The Fibre Co., Karen Noe, Rosy Green Wool, Shibui und Kremke Soul Wool. Darüber hinaus möchte Könemann auch in regelmäßigen Abständen Workshops, Nähkurse und Stricktreffs anbieten. Geplant sind etwa Anfängerkurse zum Stricken von Socken, Zweifarbigem Patentmuster, Fair Isle, Granny Squares und zum Häkeln von Taschen. Wer lieber den Umgang mit Nadel und Faden erlernen möchte, kann praktische Kenntnisse im Nähen von Bademode, Slips, Hemdchen, Korsetten und kleinen Geschenken erwerben. Für die Nähkurse werden auch Materialpakete angeboten, in denen die benötigten Stoffe, Spitzen und das Nähzubehör enthalten sind. Die Termine für die Kurse werden in Bälde auf der Homepage veröffentlicht. Knochenhauerstraße 10, 30159 Hannover. Öffnungszeiten: Di–Fr 10–18 Uhr und Sa 10–16 Uhr. Kontakt: Tel. (0511) 53 07 43 09 oder info@amano-wolleundfeines.de. Weitere Infos unter www.amano-wolleundfeines.de.

 

Cerez
Nüsse und Trockenfrüchte sind nicht nur gut für‘s Hirn, sondern auch noch gesund. In dem frisch eröffneten Laden Cerez an der Königsworther Straße hat es die in Fülle, dazu türkische Knabbereien auf Feinkostniveau. Geführt wird das Geschäft von Olcay und Doğukan, die außerdem türkischen Mokka und verschiedene Sorten Lokum, auch bekannt als „türkischer Honig“, im Angebot haben. Lokum ist eine der populärsten Süßigkeiten aus der Türkei und wurde bereits im 15. Jahrhundert von den Sultanen des Osmanischen Reichs genossen. Der Name stammt aus dem Arabischen: „Rahat al-hulqum“ bedeutet so viel wie „dem Hals wohl tuend“ und bezieht sich auf die frühere Verwendung der Speise als Halsmittel. Im Cerez gibt es eine ganze Palette an Möglichkeiten, die traditionelle Konfekt-Masse zu kosten, zum Beispiel mit Vollmilch Schokolade oder in Rosenblätter gehüllt. Wer auf Verpackungsmüll verzichten möchte, kann gerne seine eigenen Tupperdosen oder Weckgläser mitbringen. Königsworther Str. 7, 30167 Hannover. Öffnungszeiten: Mo–Fr 8.30–20 Uhr, Sa 9–23 Uhr. Kontakt: info@cerezz.de oder Tel. (0175) 19 80 78 2. Weitere Infos unter www.cerezz.de. Foto: Cerez

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Wie man seinen Kontrollzwang kontrolliert

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Wie man seinen Kontrollzwang kontrolliert


Aus der Rubrik „Küchenpsychologie“

15 Minuten vor dem Verlassen der Wohnung: Fenster zu, Fenster auf, Fenster zu, Fenster auf, Fenster zu, Fenster auf, Fenster zu. Steckdosen überprüfen und ggf. Kabel ziehen. Herd in Augenschein nehmen und ggf. ausschalten. Fenster auf, Fenster zu. Steckdosen prüfen. Herd betrachten, Steckdose betrachten, Fenster betrachten. Wohnungstür öffnen. Fenster, Steckdosen, Herd betrachten. Durchatmen. Raus aus der Wohnung, rein in die Wohnung, raus, rein, raus, Wohnungstür schließen. Abschließen, aufschließen, abschließen, aufschließen, rein in die Wohnung, raus aus der Wohnung. Abschließen, aufschließen, abschließen. An der Tür rütteln. Zum Beginn der Treppe gehen, zurückkehren, Wohnungstür anschauen. Durchatmen, innehalten – und endlich fortgehen… (Wer jetzt den Regenschirm vergessen hat, ist angeschmiert.)

Klingt anstrengend, ist es auch. Der Zwängler leidet – ganz besonders, wenn der Zwang so ausgeprägt ist, dass er das Haus gar nicht mehr verlassen kann. Wer gar nichts besitzt, ist womöglich glücklicher: Dann kann die Wohnung ruhig abfackeln oder geflutet werden. Wer jedoch liebgewonnene Haustiere, Fabergé-Eier oder Nachwuchs zurücklässt, der bangt halt. Was tun? Gesprächstherapie? Damit einem jemand, der keinen Kontrollzwang hat, erklärt, dass man einfach mit der Angst zu leben lernen müsse. Leicht gesagt: Ist ja im Zweifelsfall auch nicht sein Nachwuchs, der da abfackeln würde. Davon abgesehen, kommt jeder Idiot auch selbst auf solch eine Antwort. Wenn gar nichts mehr geht, mag eine Gesprächstherapie unumgänglich sein. Ansonsten führt man die erst einmal selbst bei sich durch. Zwängler, die zugleich Selbstgespräche führen, sind klar im Vorteil!

Den Zwängler bedroht nur die Gefahr, dass die Zwangshandlung – statt Sicherheit zu schenken – zum puren Automatismus verkommt und dann keine Sicherheit mehr bietet. (Dieses Sicherheitsbedürfnis ist ja verständlich: Wer bei einem Wohnungsbrand den Nachwuchs verloren hat, wird ein Lied davon singen können.) Wichtig wäre also das Wahren des gesunden Maßes. Ein Ritual muss her, das dem Automatismus vorbeugt: Prüfen, Schließen und Ausschalten benötigen einen Rhythmus in der Bewegung – und vorzugsweise auch im Ton! Das Fenster mit einem gewissen Elan geschlossen, dabei laut geschnalzt und geschnipst – das vergisst man nicht so leicht. Im Anfangsstadium hilft das Ritual. Doch verkommt es seinerseits bald zum Automatismus und muss dann variiert werden. Der Rhythmus wird komplexer, Schnalzen und Schnipsen werden zum Happening, zur Performance. Zwängler haben meist eine künstlerische Ader! (Andere installieren daheim eine Kamera und kontrollieren unterwegs per Handy – was das Problem aber bloß verlagert: Tasche auf, Handy raus, Wohnung anschauen, Handy rein, Tasche zu, auf, raus, anschauen, rein, zu, auf, raus…)

Jetzt beginnt das wahre Zeitproblem: Irgendwann muss die Performance minimalistischer werden, sonst hält einen der Zwang fest in den Klauen und raubt einem die Zeit. Wie gelangt man zur Reduktion des eigenen Zwangsneurosen-Erste-Hilfe-Rituals? Besonnenheit heißt die Antwort; oder Achtsamkeit. Man muss seiner Gegenwärtigkeit entkommen und ins reine Dauern fliehen: nicht im Jetzt das Zuvor erinnern, sondern bewusst die Dauer des Dazwischens leben. Man entschlackt sein Ritual, durchfühlt aber seine komplette Durchführung so bewusst wie möglich: Durchfühlung quasi. (Nicht verstanden? Macht nichts, solange Sie kein Zwängler sind.) So hat man sich im Griff. So kann man sich auf der Straße bewegen – und die wirklich ordentlich geschlossene Haustür ist nicht mehr bloß etwas Abgeschnitten-Vergangenes und nur noch Erinnertes, sondern Teil kontinuierlich bewusst durchlebter Dauer. Das hilft! Wer jetzt allerdings noch an möglichen Wahrnehmungsstörungen verzweifelt und sich daher schon direkt vor der fest geschlossenen Tür ihrer Geschlossenheit nicht sicher ist, dem ist wahrlich nicht zu helfen.

Alle anderen müssen bloß ihren Kontrollzwang kontrollieren lernen, um seiner Ausartung ins Ungesunde vorzubeugen. Ist ganz einfach! Und keine Kontrolle wäre auch keine Antwort. (Groß-/Kleinschreibung korrekt? Groß-/Kleinschreibung korrekt! Interpunktion korrekt? Interpunktion korrekt! Ausdruck geprüft? Geprüft! Abgespeichert? Abgespeichert! Leerzeichen eingefügt, nochmals abgespeichert! Leerzeichen entfernt, abgespeichert; eingefügt, abgespeichert, entfernt, abgespeichert, ent-, ab-, ein-, ab-, e-, a-, e-, a-… Fertig!)

Christian Kaiser

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Vince – Vinoteca & Ristorante

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Vince – Vinoteca & Ristorante


Im schmucken Gebäude der ehemaligen Bankfiliale der Dresdner Bank hinter der Oper speist man jetzt im umgebauten Tresorraum: Das Vince ist ein Restaurant mit dem Charakter einer Vinothek – mit einem Weintresor wird dem Rechnung getragen. Um die alten Schließfächer wurde ein temperierter Weinschrank gebaut, in den Weinliebhaber ihre edlen Tropfen einlagern können. Ausgeschenkt werden natürlich nicht diese privaten Schätzchen, sondern eine erlesene Auswahl an Weinen aus italienischen und deutschen Anbaugebieten sowie Champagner, den man glasweise probieren darf. Dazu bieten sich mit der Original-Berkel-Schneidemaschine von 1946 frisch geschnittener San Daniele Schinken, feine Käsevariationen, Tramezzini und andere Köstlichkeiten der italienischen Küche an.

Trotz der Lage im Souterrain des Baus aus dem Jahre 1906 ist die Vinoteca nicht dunkel, dank großer Fenster und zahlreicher goldener Lampen. Gastronom Vassilios Vassiliou (aus dem Ristorante Castello im Herzog Ferdinand bekannt) hat beim Einrichten Wert auf ein klares, minimalistisches Ambiente gelegt, das sich an das Bankenthema anlehnt. Die alte Tresortür ist erhalten geblieben, geheime (Bank-) Geschäfte können in einem separaten Raum mit Extra-Eingang besprochen werden; per Knopfdruck geht dort eine Milchglasscheibe herunter und man hat seine Ruhe, auch wenn das Vince voll besetzt ist. Geschäftsleute aus den umliegenden Büros, aber auch alle anderen Spuntini-Fans können beim Cappuccino italienisches süßes Gebäck frühstücken und sich an einer Vitrine mit frisch produzierten Take-away-Speisen für den Bürotag wappnen. Küchenchef Marko Dordevic und sein Team kochen modern italienisch, komponieren die Speisekarte der Saison entsprechend regelmäßig neu. Auszüge aus der Abendkarte bieten sie mittags zu kleineren Preisen an, alternativ kann man frisch getoastete Tramezzini genießen.

Zu den Vorspeisen gehören aktuell etwa gratinierter Spargel mit Schinken und Parmesan oder Tatar vom US-Rind mit Wachtelei. Wir testen den Klassiker, Vitello Tonnato (für 10,50 Euro), und sind positiv überrascht, als dieser so gar nicht ordinär, sondern in Form einer leichten, kreativen, optisch wie geschmacklich absolut überzeugenden Variation daherkommt. Bestes Fleisch wird von himmlischem Olivenöl, Thunfischcreme, Tomaten, Kapern und roten Zwiebelringlein sowie Rucola und Kräutern garniert und damit nicht ertränkt, sondern trefflich hervorgehoben. Die Pasta gibt es mit diversen Meerestier-, Fleisch- und Gemüsevariationen, wir wählen die Vince Pasta (ob als Vorspeisenportion für 12,50 Euro oder als Hauptgang für 16,50 Euro, bleibt hier ganz dem Gast überlassen), und ergötzen uns an den saftig unter den perfekten Spaghettini verteilten Rinderfiletspitzen mit Trüffelcreme, Pinienkernen und Parmesan.

Das ebenfalls in zwei Größen erhältliche Risotto Mare vereint zarten Lachs, rosémelierten Thunfisch, kräftige Muscheln, intensiv leckere Garnelen und exzellenten Octopus mit schön schlotzigem Riso und Zucchini al dente zu einer durchweg runden Sache. Beim Tellergericht mit dem Star des Menüs, dem kross auf der Haut gebratenen Branzino (Wolfsbarsch für 24 Euro), stört den tadellosen Auftritt nur das nicht optimal geglückte, etwas fahl zwischen Bitterkeit und Säure schwankende Oliven-Kartoffelpüree – der vollmundige Spinat, die fein-würzige schwarze Oliventapenade und der Pfifferlingschaum verbinden sich aber zu einem trotzdem genussvollen Gaumenschmaus. Der findet mit den Dessertkreationen, nämlich Schokolade pur (70-prozentiger von Valrhona als Kuchen, Mousse und Perlen) nebst Beeren-Deko und -Sorbet sowie dem hausgemachten Vanilleeis und den fruchtigen Sorbetnocken mit schönem Schmelz, eine Fortsetzung und einen krönenden Abschluss.

An der Börse 4 , 30159 Hannover
Tel.: (0511) 89 73 44 33
www.vince-hannover.de
Öffnungszeiten: Mo-Sa 10-23 Uhr,
Küchenschluss 22 Uhr, danach noch Snacks

 

Anke Wittkopp

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