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Ein letztes Wort im Januar

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Ein letztes Wort im Januar


Ein letztes Wort

mit dem Ministerpräsidenten Stephan Weil

 

Herr Weil, in letzter Zeit fällt in Diskussion recht häufig der Begriff Doppelmoral – den Ansprüchen, beispielsweise bei der Einhaltung der Menschenrechte, stehen wirtschaftliche Interessen gegenüber. Müssen wir unseren Kompass generell neu ausrichten? Müssen wir umsteuern? Wie stehen Sie zu Geschäften mit Katar, mit China, mit dem Iran …

Die Welt ist heute eng vernetzt und wir können nicht einfach aussteigen. Das ist zwar eine Binsenweisheit, aber trotzdem entscheidend, wie uns zuletzt die zahlreichen Probleme mit Lieferketten etc. vor Augen geführt haben. Und zweitens sollte man sich auch darüber im Klaren sein, dass wir zu einem sehr eurozentrierten Blick neigen. Eine Mehrheit der Menschen lebt aber unter ganz anderen Bedingungen, in anderen Kulturkreisen und teilweise auch mit anderen Wertmaßstäben. Drittens müssen wir konstatieren, dass wir, wenn wir den Blick auf uns selbst richten, vielleicht auch nicht über jeden Zweifel erhaben sind. Mir ist bei der Diskussion um die schlimmen Arbeitsbedingungen von Stadionarbeiter*innen in Katar zum Beispiel wieder eingefallen, dass es bei uns erst eine Pandemie gebraucht hat, ehe wir bestimmte Beschäftigungsformen in der Fleischindustrie verboten haben. Und auch das ist erst passiert, nachdem es dort viele Infektionen gegeben hatte. Kurz gesagt:  wir haben unsere eigenen Wertmaßstäbe, zu denen müssen wir auch stehen, sollten selbst nach ihnen leben und auch dafür werben, aber wir sollten dabei den erhobenen Zeigefinger möglichst vermeiden.

Ich kann das ein Stück weit mitgehen, wahrscheinlich ist es völlig utopisch, dass wir irgendwann nur noch Geschäfte mit lupenreinen Demokratien machen, aber ich würde mir dennoch künftig eine schärfere Linie wünschen. Nehmen wir den Iran: Wir haben viele Jahre weggesehen und gute Geschäfte gemacht. Ein Verweis auf die Zustände in den Schlachthöfen bei uns reicht mir da nicht.

 Da dürfen Sie mich nicht missverstehen, mir ging es eben nur darum, dass wir nicht so tun sollten, als ob wir ohne Fehl und Tadel wären. Das sind wir nämlich definitiv nicht. Was den Iran angeht, ist die Sache für mich klar. Das brutale Vorgehen des iranischen Regimes gegen die eigenen Bürgerinnen und Bürger ist unerträglich und die EU hat deshalb auch die Sanktionen verschärft. Aber auch das ist immer ein Balanceakt – denn die Sanktionen sollen das Regime treffen und nicht die Bevölkerung.

Mir scheint es dennoch so – bei allem Verständnis für die Komplexität der Themen –, dass wir in Deutschland oft nicht laut genug für die Menschenrechte eintreten. Und das gilt auch für Europa insgesamt. Für mich sind die Menschenrechte nicht verhandelbar, man darf sich gerne klar dazu bekennen und muss den Rücken durchdrücken gegenüber jenen, die diese Rechte missachten. Ich finde, dass man es teilweise mit der Diplomatie übertreibt. Vor allem, wenn ich sehe, dass sich ja auch immer wieder Fenster öffnen. Wir haben gerade in China gesehen, dass die Menschen sich auch nicht alles gefallen lassen. Ist es nicht gut, zu zeigen, dass es alternative Systeme gibt, in denen das Zusammenleben anders geregelt ist?

Wie gesagt, für unsere Wert zu werben, ja. Bei der Form sollten wir aber auch auf die Wirkung in dem jeweiligen Land achten. Wenn es sehr harte öffentliche Kritik von außen gibt, kann das Gegenreflexe auslösen und die Nation stärker zusammenrücken lassen. Es gibt bei vielen Menschen einen ausgeprägten Nationalstolz, China ist dafür ein Beispiel. Das kann man auch in vielen muslimischen Staaten beobachten und dort, wo es eine Geschichte der Kolonisation gibt. Wenn man Menschen in anderen Staaten von außen vorschreiben möchte, wie sie zu leben haben, sind die Reaktionen in solchen Gesellschaften manchmal ausgesprochen allergisch. Beispielsweise beim Thema Klimaschutz: Wenn der reiche Westen Ländern in Afrika Klimaschutz verordnen will, dann fordert ausgerechnet der Teil der Welt, der für den Klimawandel verantwortlich ist, Maßnahmen von denjenigen, die unter den Folgen am meisten leiden. Ich halte es für wichtig, dass wir lernen, uns immer auch die Brille der anderen aufzusetzen und ihren Blick miteinbeziehen. Und das muss auch nicht immer auf offener Bühne geschehen. Nehmen wir den in der Öffentlichkeit stark kritisierten Chinabesuch des Bundeskanzlers im vergangenen November und sein Gespräch mit Präsident Xi Jinping. Am Ende hat Xi gemeinsam mit Scholz den russischen Präsidenten aufgefordert seine atomaren Drohgebärden zu unterlassen. Die viel gescholtene Hinterzimmer-Diplomatie ist häufig besser als ihr Ruf und muss beileibe nicht schwierige Themen aussparen. Wenn ich bei meinen China-Reisen Probleme angesprochen habe, dann habe ich mit meinen Gesprächspartnern durchaus vernünftig darüber reden können. Die Antworten haben mich nicht unbedingt überzeugt, aber es gab einen Austausch. Hätte ich das mit großer öffentlicher Begleitmusik gemacht, wäre das Ergebnis ein völlig anderes gewesen – und ganz sicher nicht besser. Es bleibt immer ein Balanceakt.

Aber ist das nicht einfach zu wenig und zu vorsichtig? Wenn man den Chinesen sagt, dass das, was mit den Uiguren passiert, nicht geht, beenden die ja nicht gleich alles Handelsbeziehungen mit Deutschland, oder?

Es ist ja gerade auch nicht so, dass das nicht angesprochen wird. Im Gegenteil, das geschieht immer wieder, diese Themen werden nicht ausgespart. Wobei man dann von chinesischer Seite hört, dass das alles falsch sei und nur im Westen so berichtet werde. Und man dann umgekehrt auf den Bericht der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte verweisen kann. Das ist wesentlich besser, als wenn gar kein Austausch möglich ist, finde ich.

Kommen wir noch einmal zurück zu unserem Kompass. Wandel durch Handel ist gescheitert, das kann man so feststellen, oder?

Das war immer eine Hoffnung, aber keine Gewähr. Aber natürlich muss uns das Verhalten Russlands eine Lehre sein. Unser Maßstab muss künftig sein, nicht zu abhängig zu werden von einzelnen Staaten – das gilt besonders für ein autokratisches Regime. Das war in der Vergangenheit ein Fehler und da müssen wir zwingend umsteuern. Die deutsche Wirtschaft ist beispielsweise immens abhängig vom Handel mit China. Das ist auch kein Wunder, denn China ist ein riesengroßer Markt. Aber dennoch ist es nicht gesund, wenn ein ausländischer Markt im Grunde bei uns über die Existenz ganzer Unternehmen entscheiden kann. Darum müssen wir noch stärker versuchen, Stück für Stück zu diversifizieren. Das ist allerdings leichter gesagt als getan, denn das ist kein Prozess, der über Nacht passiert. Das braucht viele Jahre.

Noch ein anderes Thema, auch Handel, aber anderer Handel: Wie gehen wir künftig mit Waffenlieferungen um? Wir liefern zum Beispiel immer noch an Saudi-Arabien. Wie stehen Sie dazu?

Ganz grundsätzlich sind mir Waffenlieferungen nie sympathisch. Innerhalb des Nato-Bündnisses finde ich sie aber in Ordnung, das sind mit uns verbündete Staaten. Außerhalb des Bündnisses müssen wir deutlich vorsichtiger sein. Dabei ist eine Lieferung von Defensiv-Waffen weniger problematisch als von Offensiv-Waffen, wobei das natürlich im Einzelfall immer wieder eine schwierige Unterscheidung ist.

Sind wir eigentlich auch im Krieg? Ich habe den Eindruck, dass die Autokratien näher rücken, dass der Einfluss größer wird. Dass ein hybrider Krieg längst stattfindet.

In jedem Fall müssen wir viel stärker aufpassen. Dass zum Beispiel Russland versucht, die Diskussion in Deutschland zu beeinflussen, ist offenkundig. Es gibt einen Niedersachsen, von dem der Satz stammt: „Der Friede muss bewaffnet sein“. Und das war nicht Honecker, wie viele meinen, denn dieser Satz wurde in der DDR missbraucht. Der Satz stammt von Wilhelm Busch. Der andere soll dir nichts Böses tun können, das finde ich nach wie vor eine kluge Orientierung. Einschließlich des Grundsatzes, dass man auch jenen hilft, die angegriffen werden. Aber nichts darüber hinaus. Wir – und das schließt für mich eigentlich alle Demokratien ein – müssen uns in vielerlei Hinsicht verteidigen können – militärisch, aber auch gegen Cyberangriffe und Desinformationskampagnen. Wir stehen damit auch nicht alleine, das ist jedenfalls die Erfahrung, die ich auf vielen Auslandsreisen gemacht habe: Es gibt eine große Mehrheit von Nationen, die wünscht sich eine Weltgemeinschaft, die gleichberechtigt und auf der Basis von Menschenrechten und Regeln funktioniert, in der also nicht das Recht des Stärkeren gilt. Und viele wünschen sich dabei von Europa eine Führungsrolle. Ich glaube, dass es Europa künftig darum gehen muss, in diesem Sinne Flaggschiff zu sein.

Interview: Lars Kompa

 

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Ein letztes Wort im Dezember

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Ein letztes Wort im Dezember


Ein letztes Wort

mit dem Ministerpräsidenten Stephan Weil


Herr Weil, geben Sie es zu, Frau Hamburg und Sie hatten den Koalitionsvertrag schon seit Monaten in der Schublade, oder?

Nö, so war es nicht, aber es gab zwei Wahlprogramme mit vielen vergleichbaren Zielen, das war eine gute Grundlage.

Dennoch, warum konnte das alles so schnell gehen, waren die Schnittmengen wirklich so groß?

Ja, das war das Entscheidende. Wir waren uns beispielsweise einig, dass Niedersachsen sehr schnell und ambitioniert die Erneuerbaren Energien ausbauen muss und dass die Transformation unserer Industrie in Richtung CO2- Neutralität weiter unterstützt werden muss. Wir sind uns der Krise im Energiebereich bewusst und wollen den davon besonders betroffenen Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmen und Institutionen schnell und unkompliziert helfen. Und dann gab es noch etwas: Von Anfang haben wir Kompromisse dort gesucht, wo wir uns nicht einig waren. Niemand hat da groß gepokert.

Welche Unterschiede gibt es denn zwischen der SPD und den Grünen in Niedersachsen?

Typischerweise gibt es unterschiedliche Sichtweisen, wie schnell manche Ziele zu erreichen sein werden. Zum Beispiel hat die SPD bei den anstehenden Veränderungen immer auch und gerade die Situation und die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Auge. Die Betroffenen müssen bei Veränderungen auch mitgehen können.

Was steht jetzt für Niedersachsen in den nächsten 100 Tagen auf der Agenda?

Einen ersten wichtigen Schritt haben wir bereits getan, in dem wir den Nachtragshaushalt in Höhe von fast drei Milliarden Euro auf den Weg gebracht haben. Jetzt steht die Landtagsentscheidung an und dann gilt es, den Schutzschirm tatsächlich aufzuspannen: Denjenigen, die trotz der anstehenden Entlastungen des Bundes die Preissteigerungen nicht bewältigen können, muss schnell und möglichst unbürokratisch geholfen werden. Außerdem tun wir alles in unserer Macht Stehende, damit ab Ende Dezember möglichst große Mengen Flüssiggas über die neuen Terminals in Wilhelmshaven importiert werden können. Gleichzeitig bereiten wir uns aber auch in den nächsten Wochen sicherheitshalber auf etwaige Energiemangellagen vor, von denen wir hoffen, dass sie nie eintreten werden. Und daneben gibt es einen weiteren Schwerpunkt: Zusammen mit den Kommunen muss es uns gelingen, weitere Unterbringungsplätze und Versorgungskapazitäten für die etwa 1.000 Geflüchteten zu organisieren, die jede Woche nach Niedersachsen kommen. Mit dem Winter und der Kriegsführung gegen die Zivilbevölkerung in der Ukraine könnten es sogar noch mehr werden. Das ist eine richtig schwierige Aufgabe.

Und wo sehen Sie Niedersachsen im Herbst 2027 vor den nächsten Landtagswahlen?

Bis dahin werden wir die aktuellen Krisen längst überwunden haben. Ich bin zuversichtlich, dass wir im Herbst 2027 einen deutlich höheren Anteil unserer Energie aus Erneuerbaren Quellen beziehen werden. Damit könnte in Niedersachsen der CO2 Ausstoß deutlich verringert werden. Wir wollen bis dahin das Energieland Nummer 1 in Deutschland sein. In fünf Jahren wird hoffentlich über die Terminals in Wilhelmshaven und Stade vorwiegend grüner Wasserstoff importiert werden. Und wir werden alles daransetzen, dass im Herbst 2027 der öffentliche Personennahverkehr in Niedersachsen von sehr viel mehr Menschen genutzt wird als heute. Dafür muss neben dem bundeseinheitlichen Nahverkehrsticket auch das ÖPNV-Angebot insbesondere im ländlichen Raum deutlich ausgebaut worden sein. Wir müssen bis 2027 überall in Niedersachsen eine gute und gut erreichbare ärztliche Versorgung haben. Das wird dann vielerorts über regionale Gesundheitszentren erfolgen, in denen mehrere Ärztinnen und Ärzte und andere Professionen aus dem Gesundheitssektor zusammenarbeiten. Ach ja, und wir werden 2027 in Niedersachsen hoffentlich eine deutlich bessere Unterrichtsversorgung haben, unter anderem deshalb, weil wir dann den Lehrkräften als Einstiegsgehalt in allen Schulformen A 13 zahlen.

Eine unangenehme Wahrheit ist ja, dass der Staat zwar unterstützt, aber nicht vollständig alles ausgleichen kann, was uns an Härten bevorsteht. Müsste man das nicht viel deutlicher kommunizieren, um keine falschen Erwartungen zu wecken?

Ich habe den Eindruck, dass wir den Menschen sehr klar und ehrlich sagen, was auf sie zukommt. Keiner versucht, zu verschleiern, dass der Energiepreisdeckel nicht zu den Energiepreisen führen wird, die wir früher einmal gehabt haben. Jede und jeder in Niedersachsen weiß oder kann wissen, dass es darauf ankommt, selbst Energie zu sparen, damit wir gut durch den Winter kommen und nebenbei etwas fürs Klima und für den eigenen Geldbeutel tun.

Momentan wird ja über das neue Bürgergeld diskutiert. Die CDU befeuert da aus meiner Sicht ziemlich platt eine Neiddebatte. Wie sehen Sie das?

Einige CDU-Politiker wissen nicht oder wollen nicht wissen, mit wie wenig Geld viele Menschen in Deutschland auskommen müssen. Da gibt es eine teilweise erschreckende Ignoranz und soziale Kälte. Ich hoffe, dass wir da noch zu einem vernünftigen Kompromiss kommen. 

Ich habe noch nie jemanden kennengelernt, der keine Lust hatte, arbeiten zu gehen, und stattdessen lieber staatliche Leistungen bezogen hat. Sie?

Ich erlebe eigentlich auch nur Menschen, die gerne arbeiten würden, aber aus gesundheitlichen Gründen oder mangels ausreichender Qualifikation keinen Job finden. Deswegen geht es beim neuen Bürgergeld vor allem auch um viel mehr Angebote zur Fortbildung.

Machen Sie sich Sorgen, dass die CDU/CSU abdriftet ins Populistische, ähnlich den Republikanern in Amerika? Es gab ja jetzt schon ein paar Ausfälle in der Richtung …

Ich hoffe nicht und es würde die AfD nur stärker machen. Das ist eine alte Erfahrung – am Ende wählen Bürger*innen das Original, nicht die Kopie. Gerade in einer Zeit, in der viele Bürgerinnen und Bürger erhebliche Belastungen hinnehmen müssen und wir uns gleichzeitig um zahlreiche Geflüchtete aus den Krisenherden dieser Welt kümmern müssen, ist es wichtig, für Solidarität und Zusammenhalt und auch für Einigkeit unter den Demokraten zu arbeiten.

Bei all den Scheindebatten und Nebelkerzen scheint mir manchmal das Wesentliche auf der Strecke zu bleiben. Wie gelingt uns eine vernünftige Unabhängigkeit, wie schaffen wir mehr globale Gerechtigkeit, wie schützen wir unser Klima und wie unsere Demokratie, das sind die Grundfragen, um die es aus meiner Sicht eigentlich gehen muss. Und Deutschland diskutiert über 53 Euro …

Das ist schon richtig, wir sollten uns auf die großen Linien und auf die wirklich wichtigen Themen konzentrieren, und das gelingt uns nicht immer. Insgesamt erlebe ich die Menschen in Niedersachsen als vernünftig und umsichtig. Die Landtagswahlen haben gezeigt, dass eine überwältigende Mehrheit mit denen rechtsaußen nichts am Hut hat. Diese Gemeinsamkeit müssen wir pflegen und ausbauen. Dann wären wir schon ein großes Stück weiter.

Bei den wirtschaftlichen Abhängigkeiten geht es auch um China. Und wir sind ganz schnell bei VW. Gibt es überhaupt eine Möglichkeit, die Abhängigkeit wieder zurückzufahren?

Da reden wir über den größten und am schnellsten wachsenden Automarkt der Welt. Aus meiner Sicht geht es weniger um ein Zurückfahren, sondern um eine stärkere Diversifizierung. Volkswagen muss sich bemühen, neben China auch in anderen Teilen der Welt stärker zu werden.

Zuletzt fast ganz privat, wie halten Sie es in diesem Jahr zu Hause mit der Weihnachtsbeleuchtung?

Meine Frau und ich haben zu Hause sowieso keine Lichterketten. Im Wohnzimmer wird es natürlich wieder einen Weihnachtsbaum geben, und zwar mit echten Kerzen. Das war schon immer so, aber in diesem Jahr natürlich erst recht, auch um Gas und Strom einzusparen. Ich freue mich auch schon drauf, ich bin ein echter Weihnachtsfan.

Interview: Lars Kompa

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Ein letztes Wort im November

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Ein letztes Wort im November


Ein letztes Wort

mit dem Ministerpräsidenten Stephan Weil

Herr Weil, Glückwunsch zur Wahl. Sind sie zufrieden?

Vielen Dank. Und ja, ich bin natürlich zufrieden. Sehr!

Aber mit so paar Wermutstropfen, oder?

Ja, während des Wahlkampfs habe ich viele Menschen mit großen Sorgen getroffen, das hat mich schon sehr berührt und lässt mich nicht kalt. Und wir haben leider recht starke Zuwächse der AfD. Verglichen mit den Ergebnissen der AfD im Osten relativiert sich die Zahl natürlich, aber besorgniserregend bleibt sie trotzdem. Wir leben insgesamt in sehr schwierigen Zeiten, 

Ich finde auch die Wahlbeteiligung besorgniserregend. 40 Prozent haben gar nicht gewählt.

Wobei es in Niedersachsen schon schlechtere Werte gab. Aber das ist trotzdem nicht gut, da haben Sie absolut Recht. Viele Leute sind stark verunsichert, es fehlt ihnen das Vertrauen, dass die Politik positive Veränderungen herbeiführen kann. Ich verstehe diese geringe Wahlbeteiligung darum vor allem auch als Auftrag, Klarheit zu schaffen und Vertrauen zurückzugewinnen.

Nach der Wahl ist nun so gar keine Zeit für eine Verschnaufpause, die Probleme werden nicht kleiner. Wir sehen jetzt zum Beispiel wieder stark steigende Flüchtlingszahlen aus der Ukraine. Was mich überrascht ist, dass die Politik darüber überrascht zu sein scheint. Aber dass wir im Winter sehr viele Flüchtlinge bekommen würden, für diese Prognose hätte man nicht unbedingt Prophet sein müssen. Warum hat man sich nicht schon länger darauf vorbereitet?

Wir haben in Niedersachsen momentan etwa 130.000 Geflüchtete, davon rund 100.000 aus der Ukraine, der Rest stammt aus anderen Ländern. Das bekommen wir bis jetzt vielleicht noch hin. Ich befürchte aber, dass wir bald auch wieder diese teilweise improvisierten Sammelzentren errichten müssen, die wir aus 2015/16 in Erinnerung haben. Wir sind zwar besser vorbereitet auf die großen Flüchtlingszahlen als damals, aber es bleibt eine sehr große Herausforderung. Wir haben in diesem Jahr in Niedersachsen ungefähr so viele Menschen aufgenommen wie Göttingen Einwohner*innen hat. Aber da wir im kommenden Winter noch mit mehr Menschen rechnen müssen, die in ihrer Not nach Deutschland kommen, müssen wir wohl leider wieder Messehallen öffnen und andere große Unterkünfte schaffen. Vermeiden würde ich so gut wie möglich, dass wir wieder vielerorts Turnhallen nutzen müssen. Kinder und Jugendliche mussten während der Pandemie schon auf genug verzichten, der Sportunterricht sollte möglichst nicht mehr ausfallen. Aber wir sind davon abhängig, was jetzt weiter in der Ukraine passieren wird und momentan betreibt Putin puren Terrorismus gegen die Zivilbevölkerung.

Er macht die Städte unbewohnbar …

Er zerstört die Energieversorgung und wenn es kalt wird, werden noch mehr Menschen aus der Ukraine bei uns Hilfe suchen. Und das wiederum – so hofft jedenfalls Putin – wird für Instabilität in der deutschen Gesellschaft sorgen. Eine widerliche Strategie.

Noch einmal kurz zur Unterbringung. Aus meiner Sicht sind die Hallen und Kasernen und Hotels, diese Sammelunterkünfte, immer nur die zweitbeste Lösung. Viel besser wäre doch die private Unterbringung. Größere Städte wie Hannover vermitteln aber keinen privaten Wohnraum. Momentan gibt es auf hannover.de bei diesem Stichwort sogar nur einen Link auf „Elinor Network“, was schlicht Unsinn ist. Es gibt dort nichts, wo ich Wohnraum angeben könnte. In kleineren Gemeinden funktioniert die direkte Vermittlung. Warum nicht beispielsweise in Hannover?

Ich bitte um Verständnis, aber ich finde, ich sollte mich als ehemaliger Oberbürgermeister mit Ratschlägen oder Kommentaren zurückhalten. Aber natürlich sind private Unterkünfte eine sehr gute Lösung. Und das passiert glücklicherweise ja auch schon vielfach. Eine große Zahl Menschen sind in Niedersachsen privat untergekommen – auf einem ganz anderen Niveau als 2015/16. Das liegt zum Teil daran, dass es viele private Kontakte in die Ukraine gab und gibt und dass wir mit der ukrainischen Gemeinde in Niedersachsen viele Übersetzer und Botschafter haben. Aber diese Form der Unterbringung ist natürlich auch eine echte Herausforderung für alle Beteiligten. Und keiner kann sagen, wie lange die Hilfe noch nötig sein wird. Das gehört auch zur Wahrheit.

Aber es geht ja im Augenblick zuallererst darum, den Menschen über die kalte Jahreszeit zu helfen.

Das steht absolut im Mittelpunkt. Wir müssen alle gemeinsam verhindern, dass Menschen in der kalten Jahreszeit obdachlos werden.

Ich weiß, dass in vielen niedersächsischen Dörfern sehr viele ältere Menschen ganz allein in sehr großen Häusern wohnen. Eine Person, 250 Quadratmeter Wohnraum. Müsste es nicht Scouts geben, die hier gezielt nach Möglichkeiten suchen. Oder eine Kampagne, mit der Möglichkeit, sich zu melden. Ich könnte mir vorstellen, wenn man die Menschen ein bisschen abholt, gäbe es durchaus sehr viel Bereitschaft. Gibt es schon solche Initiativen?

Solche durchaus sinnvollen Initiativen gibt es in einzelnen Kommunen, aber leider noch nicht flächendeckend. Eine solche Lösung kann für beide Seiten hilfreich sein, die Ukrainerinnen und Ukrainer bringen Leben ins Haus und sie könnten helfen bei täglichen Verrichtungen.

Kommen wir noch einmal zurück zur Strategie Putins. Was mir momentan fehlt, ist in der politischen Diskussion der klare Hinweis, dass jeder bei uns gut untergebrachte Mensch aus der Ukraine ein Stück weit die Strategie Putins zunichtemacht. Stattdessen ist viel von Spaltung die Rede und ein Friedrich Merz spricht von Flüchtlingstouristen. Statt um Solidarität und Menschlichkeit geht es ihm vor allem um unseren Wohlstand.

Da sprechen Sie insofern mit dem Falschen, weil ich genau das in den vergangenen Monaten immer wieder gesagt habe, in vielen Diskussionsveranstaltungen und Bürgerversammlungen. Im Wahlkampf ging es sehr oft um das Thema Energie. Und ich habe immer wieder deutlich gesagt, dass trotz aller Schwierigkeiten klar sein muss, dass wir Deutsche uns nicht mit den Tätern arrangieren, sondern mit den Opfern solidarisieren. Dafür gab es immer viel Beifall und ich bin nach wie vor überzeugt, dass eine große Mehrheit bei uns in Niedersachsen das so sieht. Es gibt natürlich auch diejenigen, die sagen, dass uns dieser Krieg nichts angehe, aber das ist zum Glück eine Minderheit. Und ich hoffe sehr, dass das so bleibt, trotz der steigenden Energiekosten. Aber auch deshalb ist es wichtig, jetzt sehr schnell die staatlichen Entlastungen umzusetzen. Wir müssen den Menschen die Angst nehmen, Angst ist bekanntlich keine gute Ratgeberin. Zumal es stimmt, dass die Herausforderung in den kommenden Monaten mit der kalten Jahreszeit größer werden wird. Die demokratischen Parteien in Deutschland müssen insgesamt ihre Kommunikation in Richtung Solidarität und Menschlichkeit verstärken. In Niedersachsen werden wir das Bündnis „Niedersachsen packt an“ im kommenden Winter wieder reaktivieren. Es gibt noch überall die Strukturen, die wir 2015/16 aufgebaut haben. Wir sind das einzige von 16 Bundesländern, das so ein Dach geschaffen hat. Das ist ein Pfund.

Mir fällt manchmal auf, dass eher abstrakt über die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine und auch aus anderen Ländern gesprochen wird. Dass dort tatsächlich ganz real Familien obdachlos werden, dass Kinder getötet werden, jeden Tag, das wird ausgeklammert, das wird gerne verdrängt. Und dann kommt auch noch ein Friedrich Merz um die Ecke …

Merz bleibt sich eben treu. Er war immer ein Rechtsausleger und ich bin der festen Überzeugung, das wird er auch bleiben. Mehr kann man dazu eigentlich nicht sagen. Und wenn er sich dann hinterher hinstellt und sein Bedauern bekundet, dass er für Missverständnisse Anlass gegeben hätte, dann mag das glauben, wer will. Was ich aber viel wichtiger finde als alle Diskussionen um Friedrich Merz, ist ein konsequentes und schnelles gemeinsames Vorgehen der Vernünftigen im politischen Raum. Wir haben mehrere Krisen, die sich überlagern. Was die Bürger momentan am meisten verunsichert, das sind die Themen Energieversorgung und Energiepreise. Viele befürchten, ihre Rechnungen nicht bezahlen zu können. Die Krisen in den letzten Jahren haben uns gelehrt, wie wichtig es ist, schnell Klarheit zu schaffen. Klarheit aber gibt es nur mit eindeutigen, transparenten Entscheidungen und einer guten Kommunikation. Momentan haben wir an einigen Stellen einen Entscheidungsstau. Diesen Stau müssen wir auflösen, und zwar schnell. Das ist die Hauptaufgabe für die nächsten Wochen.

Interview: Lars Kompa

 

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Ein letztes Wort im Oktober

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Ein letztes Wort im Oktober


Ein letztes Wort

mit dem Ministerpräsidenten Stephan Weil

 

Herr Weil, los geht’s, keine Zeit für Sprüche, wir sprechen Mitte September, wie läuft der Wahlkampf?

Es ist natürlich eine ausgesprochene Stresszeit, aber ich bin ja sehr gerne unterwegs und unter Leuten. Allerdings habe ich noch nie so einen Wahlkampf erlebt wie jetzt. Die Besorgnis vieler Bürgerinnen und Bürger ist überall mit den Händen zu greifen und das prägt natürlich auch die Stimmung.

Sie sagen ja momentan sehr viel, was sich gut anhört: Entlasten, entlasten, entlasten. Aber wie wird das alles am Ende bezahlt?

Ich habe dazu eine ganz klare Haltung, der Staat muss in so einer Krise alles tun, was er kann, einschließlich Kreditaufnahmen. Das ist auch nichts Neues, das haben wir 2010 gemacht in der Bankenkrise und wir haben es während der Pandemie gemacht. Die Schuldenbremse ist in diesem Fall besser als ihr Ruf, denn sie sieht in Notlagen die Möglichkeit von Kreditaufnahmen vor. Und wann hatten wir je eine Notlage, wenn nicht jetzt? Und zur Frage, wie diese Kredite bezahlt werden sollen, stelle ich eine einfache Gegenfrage: Was kostet es, wenn wir das nicht machen? Wenn zum Beispiel Unternehmen aufgeben müssen, dann werden keine Gehälter, keine Sozialversicherungsbeiträge, keine Steuern mehr gezahlt, die Beschäftigten verlieren ihre Jobs, zahlen keine Steuern, keine Sozialversicherungsbeiträge mehr und die Kaufkraft verringert sich. Das ist gleichzeitig einschneidend für die Betroffenen, extrem schlecht für die öffentlichen Kassen und insgesamt Gift für die Volkswirtschaft. Das wäre die deutlich teurere Tasse Tee, davon bin ich überzeugt.

Julia Willie Hamburg findet Sie eher so mittelmäßig – freuen Sie sich auf die Koalition?

Die Grünen sind in der Opposition und es ist Wahlkampf, da wundere ich mich nicht über abfällige Bemerkungen. Wenn sich der Wahlkampf-Rauch verzogen hat, erwarte ich, dass wir mit den Grünen eine sehr vernünftige Zusammenarbeit hinbekommen können. Wir haben das ja schon einmal von 2013 bis 2017 gemacht und das hat gut funktioniert.

Würde ich jedes Wort im Wahlkampf auf die Goldwaage legen, kämen wir zu nichts.

Wie steht es um die alte Rivalität zwischen CDU und SPD? Wird es da noch ein bisschen mehr krachen?

Da haben die fünf Jahre Zusammenarbeit tatsächlich geholfen, dass wir uns jetzt nicht mehr nur mit der ‚Dachlatte‘ begegnen wie vorher. Aber in der Sache gibt es große Gegensätze.

Das ist ja beruhigend, dass die Dachlatten ausgedient haben. Aber die FDP teilt ganz gut aus, mit Birkner an der Spitze.

Ja, was sollen sie auch sonst machen?

Aber Birkner und Co. haben auch ein paar Punkte: Die Schulpolitik scheint mir tatsächlich ein ziemliches Desaster zu sein.

Kein Desaster, es gibt Probleme, genau wie in allen anderen Bundesländern. Aber man kann die Ursachen deutlich benennen. Wir haben so viele Lehrkräfte wie noch nie in Niedersachsen, aber die Lage ist differenziert. Der Mangel besteht vornehmlich in bestimmten Schulformen, Haupt, Real- und Oberschulen und damit auch in Gesamtschulen. Und weil wir dort Lücken zu füllen haben, müssen wir von anderen Schulformen Lehrkräfte abordnen. Wir wissen aber auch, was zu tun ist, um die Arbeit an diesen Schulen attraktiver zu machen. Insbesondere müssen wir die unterschiedliche Besoldung zwischen den Schulformen beenden. Alle Lehrkräfte sollen künftig zum Einstieg das gleiche Geld bekommen, nämlich im Beamtenbesoldungsrecht gesprochen A13. Ich hätte das gerne schon früher gemacht, aber leider hat die CDU auf der Bremse gestanden und in einer Koalition geht so etwas nun einmal nur gemeinsam.

Ich hoffe, dass wir nach der Wahl die einheitliche Bezahlung schnell umsetzen können und dann auch mehr junge Leute für die genannten Schulformen begeistern können. Es wurde aber bereits eine Menge auf den Weg gebracht: Wir haben etwa 3000 zusätzliche Lehrkräfte netto. Und wir entlasten die Lehrerinnen und Lehrer durch zusätzliches Personal, also zum Beispiel Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter.

In dieser Berufsgruppe haben wir deutliche Steigerungen. Eine Schwierigkeit ist in den vergangenen Jahren übrigens noch hinzugekommen. Ein immer größerer Teil von Schülerinnen und Schülern hat einen „erhöhten Förderbedarf“, auch das bindet Lehrerstunden. Deshalb kommt nicht alles, was wir an zusätzlichen Stunden haben, direkt im Unterricht an. Aber das Hauptproblem bleibt natürlich der Fachkräftemangel.

Was ist mit den Quereinsteiger*innen? Mehr davon? Gute Idee?

Ja, das ist eine Möglichkeit und wir setzen auch verstärkt darauf, aber das hat seine Grenzen. Nicht alle, die gerne Lehrerin oder Lehrer werden wollen, sind auch dafür geeignet.

Anderes Thema, das aber auch die Schulen betrifft: Wie geht es voran mit der Digitalisierung?

Da gibt es deutliche Fortschritte, aber natürlich sind wir noch nicht am Ende der Fahnenstange. Es gibt dabei vor allem ein Thema, das mich stört. Wir haben 2019 den sogenannten Digitalpakt zwischen Bund und Ländern geschlossen. Der sieht für Niedersachsen mehr als eine halbe Milliarde Euro für Investitionen zur Digitalisierung an den Schulen vor, insbesondere für WLAN, Whitboardanschlüsse etc. Und drei Jahre später ist davon nur die Hälfte abgerufen worden. Es gibt anscheinend Schulträger, die nicht das notwendige Tempo vorlegen und das muss sich ändern.  

Woran liegt das? Vielleicht an der Bürokratie?

Vieles, was ich an Einwänden höre, überzeugt mich nicht. Oft wird behauptet, das sei viel zu kompliziert. Aber andere – darunter auch kleine Kommunen mit kleiner Verwaltung – haben die Mittel längst abgerufen, wie haben die das geschafft? Es scheint also eine lösbare Aufgabe zu sein. Ich akzeptiere den Hinweis, dass Corona sehr viel Kraft und Energie gebunden hat. Und ja, wir haben auch noch Lieferkettenschwierigkeiten. Aber dass nach drei Jahren nur die Hälfte des Geldes abgerufen wurde, und gleichzeitig von manchen die mangelnde Hilfe des Landes beklagt wird, dafür fehlt mir das Verständnis.

Was sind Ihre wichtigsten Themen für Niedersachsen für die nächsten fünf Jahre, vorausgesetzt Sie bleiben in der Verantwortung?

Aktuell geht es vor allem darum, dass wir die durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelöste Energiekrise und Preiswelle in den Griff bekommen. Die derzeitige Koalition hat bereits einen 100 Millionen Euro Hilfsfonds zugesagt, vor allem zur Unterstützung kommunaler Härtefallfonds.
Die Zuschüsse für die Tafeln und Schuldnerberatungen wurden bereits erhöht. Wir müssen aber noch mehr machen.
Im Falle eines Wahlsieges plane ich ein Hilfsprogramm von rund einer Milliarde Euro – damit wir u.a. kleine und mittlere Betriebe unterstützen können, die Kultur- und Veranstaltungsbranche, Sportvereine, Krankenhäuser und soziale Einrichtungen.
Auch dabei wird es aber voraussichtlich nicht bleiben können, wir werden eine große gemeinsame Kraftanstrengung von Bund und Länder
n benötigen, einschließlich auch einer notwendigen Kreditaufnahme. Das sagt in Niedersachsen übrigens mittlerweile sogar die FDP.
Darüber hinaus kommt Niedersachsen bei der Energieversorgung eine Schlüsselrolle zu. Mit großem Tempo bauen wir LNG-Terminals für Flüssiggas als Alternative für russisches Erdgas. Über diese Häfen soll dann später grüner Wasserstoff importiert werden. Und auch wenn ich mir das früher und ohne diesen Anlass gewünscht hätte: durch die Krise nimmt der Ausbau von Windenergie endlich an Fahrt auf. Ich möchte, dass wir das Bundesland sind, das am meisten erneuerbare Energien produziert, insbesondere Solar- und Windstrom, vor allem im Offshore-Bereich.
Niedersachsen soll als Energieland Nr.
1 gestärkt aus der Krise hervorgehen. Denn es gilt der Leitsatz: Industrie folgt Energie. Wir wollen den Klimaschutz vorantreiben und gleichzeitig die Wirtschaftskraft in unserem Land stärken. 

Müssen wir uns in Deutschland nicht auch endlich von unseren vier großen Energiekonzernen unabhängiger machen? Stichwort: Dezentralisierung.

Da hat sich schon sehr viel geändert und es wird in Zukunft noch wesentlich dezentraler werden. Mit der Energiewende wird die Energiewirtschaft entschieden vielfältiger als vorher.

Ich hätte mir sehr gewünscht, dass die Politik schon viel eher die Warnungen aus der Wissenschaft ernst genommen und die Energiewende weitaus entschiedener angegangen wäre, dann hätten wir längst eine neue Energiewelt.

Wenn Ihre Kritik ist, dass die Klimaschutzpolitik zu lange viel zu zögerlich beschritten worden ist, dann ist diese Kritik absolut berechtigt. Es gab aber nicht wirklich ein Erkenntnisdefizit, sondern ein Handlungsdefizit.

Wie Sie aus vielen unserer Gespräche wissen, setze ich mich seit langem für den Ausbau der Erneuerbaren – insbesondere der Windkraft – ein. Es rächt sich, dass die CDU in dieser Frage so lange blockiert hat.

Interview: Lars Kompa

 

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Ein letztes Wort im August

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Ein letztes Wort im August


Ein letztes Wort

mit dem Ministerpräsidenten

Stephan Weil



Herr Weil, wir sprechen Mitte Juli. Urlaubszeit, auch Sie waren ein paar Tage wandern, ehe es in den kommenden Tagen dann direkt in den Wahlkampf geht. Und die CDU holt gerade auf. Das wird kein Spaziergang, oder?

Beim Wahlkampf liegt die Betonung immer auf der zweiten Silbe, gerade in Niedersachsen. Von einem Spaziergang kann also wirklich nicht die Rede sein. Aber mir macht eine solche Auseinandersetzung Spaß und deswegen gehe ich frohgemut auf die Zielgerade.

Wenn man sich anschaut, welche politischen Probleme in Niedersachsen bei den Leuten auf der Agenda stehen, dann rangieren die Themen Bildung, Schule und Ausbildung sehr weit oben. Finden Sie, da hat sich genug getan in den vergangenen Jahren während Ihrer Amtszeit?

Im Moment dominieren die Sorgen wegen der Energiepreise und der Versorgung, aber natürlich geht es auch immer um Bildung. Passiert ist sehr viel und zwar positiv und negativ. Positiv: Wir haben die Kita-Beiträge abgeschafft, das war eine enorme Entlastung, gerade für viele Alleinerziehende mit kleinem oder mittlerem Einkommen. Die Ausbildungszahlen für Erzieherinnen und Erzieher sind stark gestiegen und wir hatten noch nie so viele Lehrkräfte in Niedersachsen. Das sind nur einige Beispiele. Aber die Belastungen sind auch gestiegen: Corona hat die Schulen enorm gestresst und wir haben heute 35.000 Kinder und Jugendliche mehr an den Schulen als vor einem Jahr, viele davon aus der Ukraine.

Die Unterrichtsversorgung ist so schlecht wie nie, bei der Digitalisierung läuft es eher zäh und das Corona-Management von Minister Tonne wird beispielweise von den Lehrerverbänden massiv kritisiert. Hat die Landesregierung wirklich ihre Hausaufgaben gemacht?

Bei der Unterrichtsversorgung werden oft Äpfel mit Birnen verwechselt. Durch den zusätzlichen Förderbedarf bei immer mehr Kindern stehen leider nicht alle Lehrerstunden auch im Unterricht zur Verfügung. Die Schüler-Lehrer-Relation in Niedersachsen ist dennoch im Bundesvergleich gut. Aber unbestritten brauchen wir mehr junge Leute, die als Lehrkräfte vor allem an Haupt- und Realschulen gehen wollen. Das ist der Hauptgrund, warum ich diese Lehrerinnen und Lehrer, und die an den Grundschulen, künftig genauso bezahlen will wie Gymnasialkräfte. Dieser Unterschied ist ein alter Zopf, der endlich weg muss. Und was die Kommunikation während der Pandemie gegenüber den Schulen anbelangt: Da habe ich bei meinen Schulbesuchen viel Positives beispielsweise über die Briefe gehört, mit denen Grant Hendrik Tonne regelmäßig über die nächsten Schritte berichtet hat. Das sehen Verbände vielleicht manchmal anders als die Basis.

Ganz oben auf der Agenda stehen auch die Themen Energiepolitik und Energiewende. Sie haben in Niedersachsen große Pläne … 

Ja, Niedersachsen soll 2040 klimaneutral sein und wir wollen das Energieland Nummer eins in Deutschland werden.

Aber wie kann man das realisieren, wenn in der Koalition im Bund die FDP ständig auf die Bremse tritt?

Den starken Ausbau der Erneuerbaren Energien hat sich die ganze Bundesregierung vorgenommen, auch die FDP. Und nach meinem Eindruck hat auch sie inzwischen begriffen, dass darin die Zukunft unserer Energieversorgung liegt. Die Erneuerbaren sind nicht nur klimaschonender, sondern auch wirtschaftlicher. Jetzt wünsche ich mir, dass wirklich alle Menschen das auch einsehen und wir schnell viele Windanlagen realisieren können. Diejenigen, die in der Nähe solcher Anlagen leben, sollen dann davon auch finanziell profitieren. 


Die Themen Klimawandel und Umweltschutz sind eng mit der Energieproblematik verknüpft. Momentan richten sich alle Blicke auf die LNG-Terminals, aber wie steht es denn in Niedersachsen bislang wirklich um den Ausbau der Wind- und Solarenergie?

Wir produzieren mit Abstand am meisten Windenergie in Deutschland. Aber auch wir sind in den letzten Jahren nicht so weit gekommen, wie wir das eigentlich wollten. Insbesondere der frühere CDU-Wirtschaftsminister Altmaier stand permanent auf der Bremse. Inzwischen hat die Ampel für neue gesetzliche Regelungen auf Bundesebene gesorgt. Darin wird der Klimaschutz höherwertiger eingestuft als andere Belange. Damit werden auch viele noch offene verwaltungsgerichtliche Verfahren jetzt endlich zugunsten des Klimaschutzes entschieden werden können. Um Klimaneutralität zu erreichen, müssen wir die Photovoltaik um weitere 65 Gigawatt ausbauen, die Windenergie um 30 Gigawatt an Land und um 70 Gigawatt auf See.

Mobilität und Verkehr sind ebenfalls wichtige Themen für viele Menschen in Niedersachsen. Mittlerweise sind Sie auch für ein Tempolimit. Ein Sinneswandel, oder?

Der ist jetzt auch schon wieder locker zwei oder drei Jahre alt. De facto kann man doch schon lange auf den Autobahnen kaum mehr als 130 km/h fahren. Das reicht doch auch.

Was tut Niedersachsen konkret für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, wie unterstützt das Land die Kommunen?

Das Land Niedersachsen fördert den Ausbau und die Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs in diesem Jahr mit mehr als 100 Millionen Euro. Darunter sind inzwischen vor allem auch Rufbusse, die in Regionen mit geringerer Bevölkerungsdichte individuell auf die Bedarfe der Fahrgäste eingehen. Das finde ich eine richtig gute Perspektive in unserem Flächenland.

Anderes Thema, die Gründung einer Landeswohungsbaugesellschaft ist ein wichtiges Vorhaben in ihrem Wahlprogram zur kommenden Landtagswahl. Auch ein Sinneswandel, die Forderung hat es viele Jahre nicht auf die Agenda geschafft. Warum ist so eine Gesellschaft jetzt eine gute Idee? 

Von mir aus hätten wir diese Gesellschaft schon längst. Beim Bau von neuen Wohnungen zu bezahlbaren Preisen klemmt es schon länger. Nach meiner tiefen Überzeugung muss auch die öffentliche Hand selbst mit dafür sorgen, dass es in Niedersachsen genug bezahlbaren Wohnraum gibt. Das können wir nicht nur dem Markt überlassen.


Kommen wir zuletzt noch einmal zur aktuellen Situation, die steigenden Energiepreise und die Inflation setzten die Menschen zunehmend unter Druck. Wie können und sollten Bund und Land das abfedern? 

Wir werden die drohende Energieknappheit und die steigenden Preise nur gemeinsam in den Griff bekommen. Gemeinsam bedeutet auch mit den Bürgerinnen und Bürgern, die durch kleine, freiwillige Energiesparmaßnahmen unsere Gasvorräte und ihren eigenen Geldbeutel schonen. Besondere soziale Härten müssen abgefedert werden. Da ist zuallererst die Bundesebene gefragt, die auch schon vieles geleistet hat. Es muss aber weitere Entlastungspakete geben, insbesondere für Rentnerinnen und Rentner und andere Bevölkerungsgruppen mit kleinem Einkommen. Und es ist richtig, dass Bundesarbeitsminister Hubertus Heil die Grundsicherung anheben möchte – wenn es nach mir ginge, lieber sofort und nicht erst Anfang nächsten Jahres. Das Land tut, was es kann. Wir sind in intensiven Gesprächen mit den hiesigen Energieunternehmen, Wohnungsbaugesellschaften, mit den Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften, den Sozialverbänden und den Kirchen. Wir wollen mit Moratorien und mit Härtefallfonds gemeinsam verhindern, dass Menschen in Niedersachsen ihre Wohnung verlieren, die Energie abgeschaltet bekommen oder sich nicht mehr genug zu essen kaufen können. 

 

Ich würde mir für jene Menschen, die nun tatsächlich in Existenznöte geraten, die gleiche Bazooka wünschen, die man während der Pandemie für die Wirtschaft parat hatte. Sie auch?

Ja, und ich hoffe sehr, dass das auch die FDP in der Ampelregierung im Bund einsehen wird. Für viele Menschen, die noch nie einen Cent öffentliche Unterstützung gebraucht haben, geht es jetzt bei der Energiepreisexplosion ans Eingemachte. Dass Friedrich Merz in einer solchen Situation vor neuen sozialen Wohltaten und damit verbundenen höheren Schulden warnt, ist perfide. Wer so redet, lebt offenbar in einer ganz anderen Welt und kann sich finanzielle Not gar nicht mehr vorstellen. 

Interview: Lars Kompa

 

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Ein letztes Wort im Mai

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Ein letztes Wort im Mai


Wir müssen leider wieder und weiter über die Ukraine sprechen. Auch über das, was in Butscha passiert ist. Was ist ihr Eindruck, wie weit geht Putin noch?
Wir sprechen Mitte April und ich sehe derzeit leider nicht das geringste Anzeichen einer Deeskalation. Russland ist bislang mit dem ersten Kriegsziel, Kiew einzunehmen, gescheitert. Zwischenzeitlich schien es, als würde Putin sich darauf konzentrieren, die Ostukraine vollständig zu besetzen. Dann gab es jedoch auch auf Kiew und andere Städte im Westen des Landes wieder Raketenangriffe. Ich habe die große Befürchtung, dass dieser Krieg noch lange dauern und viele Menschenleben kosten wird. Es tut mir leid, ich würde lieber etwas mehr Optimismus verbreiten.

Optimismus ist angesichts der Bilder aus Butscha nicht wirklich denkbar. Was wird noch folgen, der Einsatz von Chemiewaffen, Vakuumbomben, Streubomben?
Ausschließen kann man leider nichts, vereinzelt gab es schon Hinweise auf den Einsatz dieser perfiden Waffen. Wenn so etwas tatsächlich geschehen sollte, muss eines klar sein: Verbrechen gegen die Menschlichkeit müssen mit allen verfügbaren Mitteln verfolgt und bestraft werden. Auch dafür gibt es inzwischen zum Glück Beispiele.

Wie gefährlich ist es, wenn jemand wie Putin derart in die Enge getrieben wird?
Es ist gefährlich. Aber was wäre die Alternative? Haben wir in der momentanen Situation eine Wahl? Russland hat sich getäuscht, der Westen ist geeinter und die Ukraine weitaus stärker als Russland gedacht hat. Es mag mit Risiken verbunden sein, Russland so hart und entschlossen entgegenzutreten, aber alle anderen Wege sind auf längere Sicht noch viel gefährlicher. Gegenüber einer solchen Aggression braucht es ein klares Stopp-Signal.

Wenn man beispielsweise nach Syrien blickt, sich anschaut, was dort passiert ist und passiert, dann überrascht nicht, was wir nun in Butscha und anderen Orten in der Ukraine sehen. Putin verheert die Ukraine, er führt diesen Krieg ganz bewusst auch gegen die Zivilbevölkerung. Er will terrorisieren und traumatisieren, Angst und Schrecken verbreiten, das ist bekannt aus anderen Ländern …
Das ist jedenfalls das, was aus Syrien berichtet wurde und wird, und was wir davor aus Tschetschenien erfahren haben. Und Putin wird weiter eskalieren. Wobei ihm klar sein muss, dass auch der Westen noch weitere Mittel hat. Der Preis für Russland wird immer höher. Für die innere Entwicklung Russlands und die dort lebenden Menschen ist dieser Krieg schon jetzt auf viele, viele Jahre eine Katastrophe. Und diejenigen, die der Staatspropaganda nicht glauben und sich anderweitig informieren, verzweifeln an der Situation. Immer mehr aufgeklärte Russinnen und Russen verlassen ihr Land.

Putin handelt offensichtlich nicht rational. Was halten Sie denn von der Geschichte, dass er falsch informiert ist?
Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Vielleicht erfährt er nicht alles von seinen Generälen, aber viele westliche Staatsoberhäupter suchen bewusst nach wie vor das Gespräch mit ihm. Und in diesen Telefonaten berichten sie ihm sicher auch regelmäßig von dem wahren Fortgang des Krieges. Und wenn Putin von den eigenen Leuten nicht richtig informiert wird, muss man fragen, warum nicht? Weil er offenbar von Menschen umgeben ist, die Angst davor haben, ihm die Wahrheit zu sagen. Das fällt wiederum auf ihn zurück.

Jetzt wird gerade vehement weiter und immer dringlicher die große Frage diskutiert: Wir finanzieren Putins Krieg, müssen wir das nicht sofort stoppen? Darüber haben wir ebenfalls schon in der letzten Ausgabe gesprochen.

Ja, wir zahlen viel Geld für Gas aus Russland, das ist so, daran gibt es gar nichts zu deuteln. Damit wird sicher auch das russische Militär bezahlt und das ist derzeit ohne Frage beschämend. Darum müssen wir so schnell wie möglich raus aus der Abhängigkeit. Aber was heißt so schnell wie möglich? Sofort? Nächste Woche? Ich verstehe die Motivation Ihrer Frage und die so oft eingeforderte Konsequenz. Aber wir müssen uns umgekehrt auch die Folgen eines Energieimportstopps klarmachen. Und die wären, gerade für Deutschland, wirklich sehr hart und tiefgreifend. Das würde unsere Gesellschaft und unsere industriellen Strukturen nachhaltig verändern. Erhebliche Teile unserer Industrie sind bis zu 60 Prozent abhängig von Erdgas. Wenn die nicht mehr weitermachen könnten, hätte das nicht nur Konsequenzen für die jeweils betroffenen Unternehmen. Wir würden dann Domino-Effekte sehen, Lieferanten und Abnehmer in zweiter und dritter Ordnung wären betroffen. Wirtschaftlich wäre das ein Desaster, und zwar auf lange Zeit. Darum bin ich in dieser Frage wirklich extrem vorsichtig.

Diese Vorsicht kann ich einerseits verstehen. Und ich frage mich trotzdem, ob wir angesichts einer verheerten Ukraine noch an unsere Wirtschaft und unseren Wohlstand denken dürfen. Ein moralisches Dilemma. Oder, um es mal hart und mit Brecht zu sagen: „Erst kommt das Fressen, dann die Moral.“
Es gibt nicht die perfekte Antwort auf dieses Dilemma. Ein Energie-Embargo würde uns im Zweifel härter treffen als Russland. Wir müssen das sorgfältig durchdenken. Mir wäre es wesentlich lieber, wir könnten andere, klarere Antworten geben, und in diesem Dilemma kommen ja auch Versäumnisse in der deutschen Politik in den letzten Jahren zum Ausdruck. Aber aus dieser Vorgeschichte und den Fehlern können wir jetzt nicht einfach aussteigen.

Dass der Strafende sich nicht selbst härter treffen darf als jenen, den er bestraft, das habe ich in den vergangenen Tagen oft gehört. Aber ist es nicht so, dass man Putin damit letztlich seine Machtbasis entziehen würde? Würden solche ganz harten Sanktionen für drei, vier, fünf Wochen den Druck auf Russland nicht so groß werden lassen, dass möglicherweise die Oligarchen eingreifen würden?
Darauf können wir leider nicht wetten. Russland sucht schon jetzt nach neuen Absatzmärkten in Asien. Und ein Diktator, der komplett in die Enge gedrückt wird, wird im Zweifel nicht kleinbeigeben, sondern im Gegenteil womöglich noch einen Gang höher schalten. Es ist alles sehr komplex, einfache Antworten gibt es nicht, darum tun sich im Moment alle Verantwortlichen ausgesprochen schwer mit der Embargofrage. Es ist gar kein Wunder, dass zum Beispiel der grüne Wirtschaftsminister an dieser Stelle etwa das gleiche sagt wie die Industrievertreter. Da schwingt immer ein Bedauern mit, bei mir auch, aber wir müssen trotzdem abwägen, was wir tun. Es geht um sehr viel.

Befürchtet wird eine weitere Eskalation. Worüber sprechen wir? Über kleine Atomraketen?

Ich bin kein Militärexperte, aber ich weiß, dass die Waffentechnologie irrsinnige Fortschritte gemacht hat. Es muss darum gar nicht der große nukleare Krieg sein, der droht. Auch sogenannte konventionellen Waffen können verheerendere Folgen haben. Und es gibt vieles, an das man gar nicht denken mag, chemische und biologische Waffen gehören dazu, Vakuumbomben, Phosphorbomben, wirklich hochentwickelte Perversionen. Und Russland verfügt über all diese Waffen.

Hoffnung gibt vor allem weiterhin die Stärke des ukrainischen Volkes, oder?
Ja, die Ukrainer zeigten eine bewundernswerte Stärke und Entschlossenheit. Und Hoffnung macht mir auch die Wirkung, die die Maßnahmen des Westens entfalten. Wir haben gezeigt, dass kein Land die Regeln des internationalen Zusammenlebens brechen kann, ohne wirklich harte Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Ich bin sehr sicher, dass Russland diese harten Folgen für das eigene Land in seiner Abwägung über Krieg und Frieden nicht wirklich bedacht hat. Und das ist noch nicht das Ende, viele Sanktionen greifen ja erst mit der Zeit so richtig. Am Ende wird Russland diesen Krieg nicht gewinnen können, da bin ich sicher.

● Interview: Lars Kompa

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