Liebe Leser*innen,
für diese Ausgabe habe ich mit Elke Maria van Zadel gesprochen. Sie ist seit 2019 Vorstandsvorsitzende der ÜSTRA und mir gefällt ihr Kompass. Sie hat das Thema Nachhaltigkeit zu einem ganz zentralen Bestandteil der Unternehmensstrategie gemacht. So werden beispielsweise bei dem Projekt GUW+ gebrauchte Batterien aus Elektrobussen als Zwischenspeicher für Stadtbahnstrom genutzt. Dieses Konzept wurde im vergangenen Jahr mit dem Deutschen Verkehrswendepreis ausgezeichnet. Außerdem gibt es seit 2018 die Elektrobusoffensive, um die Innenstadtlinien zu elektrifizieren und damit den CO₂-Ausstoß zu reduzieren. Nur zwei Beispiele. Man kann schon sagen, dass die ÜSTRA in Sachen Nachhaltigkeit mittlerweile prüfend jeden Winkel des Unternehmens ausleuchtet.
Die ÜSTRA ist außerdem das einzige börsennotierte Unternehmen in Deutschland mit einem rein weiblichen Vorstand. Und klar, weil das so ungewöhnlich ist, gab es dafür natürlich auch schon einen Preis. Die ÜSTRA hat 2023 den Women-on-Board-Award der Initiative FidAR erhalten. Van Zadel hat Programme wie das bereichsübergreifende Arbeitsteam „Frau in der ÜSTRA“ sowie ein Frauenforum etabliert, um die Karrierechancen von Frauen im Unternehmen zu fördern. Wir haben im Interview ab Seite 54 auch kurz über das Thema Gleichberechtigung gesprochen und im Grunde lässt sich das Fazit recht einfach zusammenfassen: Es ist schade, dass man für eine Selbstverständlichkeit immer noch kämpfen muss – aber was sein muss, muss sein.
Frau van Zadel hat noch ein bisschen mehr auf der Haben-Seite. Im Oktober 2024 wurde der flächendeckende Rollout von 294 neuen Fahrkartenautomaten abgeschlossen. Diese bieten nicht nur Echtzeit-Abfahrtsanzeigen, sondern auch die Möglichkeit, direkt am Automaten Reiseverbindungen zu planen und passende Tickets zu erwerben. Die Modernisierung des Ticketingsystems war für van Zadel ein wichtiger Schritt zur Verbesserung des Kundenservice und zur Umsetzung der digitalen Vertriebsstrategie der ÜSTRA. Und nicht zuletzt setzt sich die ÜSTRA auch noch nachdrücklich für Vielfalt, Toleranz und Demokratie ein, zum Beispiel mit der Initiative #buntfährtbesser. Die ÜSTRA organisiert in diesem Rahmen Veranstaltungen zu Themen wie Flucht, Migration und Frauenrechte.
Warum fühlt sich ein Verkehrsunternehmen in diesem Sinne verantwortlich? Für Frau van Zadel ist das gar keine Frage, sie findet, dass sich in der heutigen Zeit alle für Offenheit und demokratische Werte starkmachen sollten. Gesellschaftliches Engagement trifft technische Innovation trifft ökologische Verantwortung, das beschreibt die ÜSTRA heute tatsächlich ganz treffend. Und Frau van Zadel hat daran keinen geringen Anteil.
Mir ist besonders eine Äußerung von Frau van Zadel in Erinnerung geblieben: Ich habe sie nach Gründen gefragt, warum sie damals das Ingenieurbüro verlassen und zuerst als Verkehrsplanerin bei der Stadt Hannover und später als Leiterin des Fachbereichs Verkehr bei der Region Hannover gearbeitet hat. Sie wollte einfach in der eigenen Stadt, in der eigenen Region etwas bewegen, sich positiv einbringen, mit dem, was sie kann. Ich finde, das ist eine schöne Begründung für einen beruflichen Werdegang. Sich vor Ort engagieren, die Dinge nebenan besser machen, das ist eine Idee, der ich sehr viel abgewinnen kann. Das ist auch ein Stück weit Selbstermächtigung.
Ich kann mir die große Politik ansehen und verzweifeln, ich kann über all die Versäumnisse klagen, über die Abwesenheit von Moral, über die Geldgier, über die Kurzsichtigkeit und Gleichgültigkeit, ich kann mir Sorgen darüber machen, dass unserer Gesellschaft mehr und mehr die Empathie abhandenkommt, ich kann fluchen und motzen und alles und jeden verantwortlich machen, aber das wird nichts ändern. Ändern kann ich nur etwas, wenn ich die Dinge selbst in die Hand nehme. Wenn ich aktiv werde. Wenn ich die Initiative ergreife.
Genau das habe ich neulich auch einem Leserbriefschreiber geraten, der sich bitter darüber beklagt hat, dass ich Monat für Monat meinen „links-grünen Scheiß“ auf dieser Seite verbreite und dass das eine Frechheit sei, weil er zum Beispiel nicht über diese „Macht“ verfügen würde. Ich habe ihm geantwortet, dass es ihm ja freistehe, sich ebenfalls mit einem Stadtmagazin selbstständig zu machen, um dann im Editorial monatlich seinen blau-braunen Scheiß zu verzapfen. „Spalterkind“ wäre vielleicht ein schöner Name. Ich habe keine Antwort bekommen. Vielleicht arbeitet er schon dran.
Ich habe in den vergangenen Monaten sehr viele Menschen getroffen, auch in meinen Titel-Interviews, die nicht jammern und motzen, sondern die versuchen, sich einzubringen. Die sich stark machen für eine faire Gesellschaft und für eine gute Lebensqualität in Stadt und Region, vor der eigenen Haustür. Und bei all dem, was ich im Großen fraglich und bedauerlich finde, was mir Angst macht, stimmen mich diese Begegnungen doch immer wieder auch zuversichtlich. Wir sind gar nicht so machtlos, wie wir uns manchmal fühlen.
