Editorial 07-2025

Liebe Leserinnen und Leser,

diese Juli-Ausgabe ist für mich eine ganz besondere Ausgabe. Ich habe mich zum Titel-Interview mit Erwin Schütterle getroffen. Viele werden Erwin kennen als Kanapee-Gründer und Freundeskreis-Geschäftsführer. Ich habe ihn 2007 kennengelernt. Und das war damals für mich zuerst ziemlich skurril. Ich bekam nämlich einen kurzen Anruf im Büro und mir wurde gesagt, dass ich in ein paar Minuten einen Termin hätte. Am anderen Ende ein Mann, dessen Name mir auf die Schnelle gar nichts sagte. Aber es klang wichtig und irgendwie auch unausweichlich. Und dann saß auch schon Erwin bei mir im Büro und ich war ein bisschen misstrauisch. Wenn man so ein Stadtmagazin gründet (im März 2005 ist die erste Ausgabe erschienen), und stellenweise noch ziemlich ahnungslos ist, dann sitzen relativ häufig Menschen mit einer „sehr guten Idee“ vor einem im Büro – und diese Ideen kosten dann meistens eine Menge Geld. Also bleibt man freundlich distanziert, faltet die Hände und wartet ab.

Der sympathische und sehr freundliche Mann mit Schnurrbart und Brille, den ich für mich in die Schublade „Künstler oder irgendwas mit Kultur“ steckte, erzählte mir dann etwas von einem Bürgerverein namens Freundeskreis. Und klar, was mir im Kopf herumspukte während der ersten Minuten: Okay, ich muss jetzt also mal wieder irgendwo Mitglied werden – mal sehen, was der Spaß kosten soll. Dann aber nahm das Gespräch eine ganz andere Wendung. Während ich noch damit beschäftigt war, mir eine höfliche Ausrede zurechtzulegen, hörte ich etwas von einem Preis, den dieser Verein mir verleihen wollte. Ich war natürlich trotzdem weiter vorsichtig. Was für ein Preis? Für was? Und was würde ich für diesen Preis am Ende bezahlen müssen? Fragen über Fragen. Erwin ließ sich nicht davon beirren, dass bei mir nicht gleich Begeisterungsstürme ausbrachen. Für mein Stadtkind sollte ich den Preis bekommen. Wo war der Haken? Und gab es da nicht noch ein paar andere Stadtmagazine, viel länger am Markt, die bereits weitaus mehr für die Kultur in der Stadt geleistet hatten? Warum ich, warum nicht beispielsweise ein Reinhard Stroetmann? Es sei ihnen wichtig, die jüngste Pflanze zu gießen. Okay, gut, ehe ich mich schlagen lasse … Ich würde also demnächst einen Stadtkulturpreis bekommen. Als Erwin schon fast aus der Tür war, drehte er sich noch einmal um: „Ach ja, fast vergessen, der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert“, sagte er. „Aber das Geld ist nicht die Hauptsache, das wirst du noch sehen.“ Und dann war er draußen. Und ich habe ziemlich sprachlos „Stadtkulturpreis“ und „Freundeskreis“ gegoogelt.

Etwas später bekam ich dann tatsächlich diesen Preis verliehen, nach einer Laudatio von Erwin, während der ich ein paar Köpfe größer wurde. Und ich durfte dann sogar selbst ein paar Worte sagen vor der versammelten Stadtgesellschaft – mit arg begrenzter Redezeit. Ich vermute, man hatte damals doch gewisse Befürchtungen, dass ich mich politisch zu weit aus dem Fenster lehnen könnte. Immerhin war ich noch nicht so lange im Geschäft und darum auch noch nicht so richtig „auszurechnen“. Ich habe damals etwas zur Kulturlandschaft gesagt, was ich heute noch denke und was mich auch immer mal wieder umtreibt. „Kultur“, das meint in einer Stadt nicht nur die sogenannten Leuchttürme, die natürlich wichtig sind und darum gerne an die erste Stelle gestellt werden, unter Kultur summiert sich für mich eigentlich alles, was für Begegnung sorgt. Und da haben wir glücklicherweise in Hannover sehr viele kleine, strahlende Laternen, fast ein Lichtermeer. Wer das nicht glaubt, der kann gerne mal in unserem Online-Kalender (www.stadtkind-kalender.de) stöbern. Ich glaube, wir müssen heute mehr denn je darauf achten, diese vielen kleinen Laternen zu schützen und vor allem zu achten. Sie machen eine Stadt erst so richtig lebenswert. Und sie sind eine Basis unserer Demokratie.

Aber zurück zu Erwin und zum Stadtkulturpreis. Erwin hat absolut Recht gehabt. „Aber das Geld ist nicht die Hauptsache, das wirst du noch sehen.“ Nein, das Geld war nicht die Hauptsache. Ich bin noch heute Erwin und dem gesamten Freundeskreis zutiefst dankbar. Dieser Preis hat mir sehr viele Türen geöffnet. Das Stadtkind hat quasi über Nacht ungemein an Reputation gewonnen. Was auch daran lag, dass viele zum ersten Mal nicht nur kurz geblättert, sondern tatsächlich gelesen haben. Und dabei festgestellt haben, dass das Stadtkind gar kein Magazin für Kinder ist … Ich weiß gar nicht, ob dem Freundeskreis, diesem Bürgerverein, bei dem ich seit 2007 gerne Mitglied bin, eigentlich bewusst ist, was für großartige Impulse er bereits in die Stadt gesendet hat – und noch senden kann. Ich hoffe sehr, dass da noch ganz viel kommt. Schade, dass Barbara Sommer als Geschäftsführerin nach ganz großartiger Arbeit schon wieder aufgehört hat. Ein großes Dankeschön an dieser Stelle!

Zurück zu Erwin. Er ist für mich nicht nur ein Wegbegleiter, er ist inzwischen ein sehr wichtiger Freund und Vertrauter. Und immer wieder auch ein harter Kritiker. Dafür muss ich mich wahrscheinlich am meisten bedanken. Echte Freunde sprechen aus, was andere nur denken, aber niemals direkt sagen. Das ist das Gegenteil von Erwin. Er trägt das Herz auf der Zunge. Und das schätze ich sehr. „Lars, alles gut, aber der offene Brief auf Seite 12, das war scheiße, das kannst du so nicht machen …!“

Erwin ist jemand, der durchaus auch polarisiert. Und der „nervt“, mit immer neuen Ideen (insbesondere Menschen, die selbst keine besonders spannenden Ideen haben). Erwin kann wunderbar wütend und laut werden, wenn ihm etwas nicht gefällt, aber vor allem, wenn er etwas ungerecht findet. Man kann sehr gut mit ihm streiten. Man kann sich mit ihm auch sehr gut wieder vertragen. Erwin kann außerdem herrlich schwärmen. Und er kann – was ich am meisten schätze – unfassbar ausufernd ins Träumen geraten. Ich würde sehr viel dafür geben, auch nur einen Tag in einer Stadt leben zu dürfen, wie Erwin sie sich erträumt. Wie wichtig Menschen wie Erwin für eine Stadt sind, für unsere Gesellschaft, das kann man gar nicht genug herausstellen und wertschätzen. Mein Freund Erwin Schütterle wird am 17. Juli 81 Jahre alt und ich Wünsche ihm von Herzen alles Gute. Und ich wünsche ihm und uns, dass er noch viele Jahre hat, um all die Ideen umzusetzen, die noch unerledigt sind. Das wäre ein Geschenk für Hannover! Danke Erwin!


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