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Editorial 06-2025

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Editorial 06-2025


Liebe Leser*innen,

für diese Ausgabe habe ich mit Elke Maria van Zadel gesprochen. Sie ist seit 2019 Vorstandsvorsitzende der ÜSTRA und mir gefällt ihr Kompass. Sie hat das Thema Nachhaltigkeit zu einem ganz zentralen Bestandteil der Unternehmensstrategie gemacht. So werden beispielsweise bei dem Projekt GUW+ gebrauchte Batterien aus Elektrobussen als Zwischenspeicher für Stadtbahnstrom genutzt. Dieses Konzept wurde im vergangenen Jahr mit dem Deutschen Verkehrswendepreis ausgezeichnet. Außerdem gibt es seit 2018 die Elektrobusoffensive, um die Innenstadtlinien zu elektrifizieren und damit den CO₂-Ausstoß zu reduzieren. Nur zwei Beispiele. Man kann schon sagen, dass die ÜSTRA in Sachen Nachhaltigkeit mittlerweile prüfend jeden Winkel des Unternehmens ausleuchtet.

Die ÜSTRA ist außerdem das einzige börsennotierte Unternehmen in Deutschland mit einem rein weiblichen Vorstand. Und klar, weil das so ungewöhnlich ist, gab es dafür natürlich auch schon einen Preis. Die ÜSTRA hat 2023 den Women-on-Board-Award der Initiative FidAR erhalten. Van Zadel hat Programme wie das bereichsübergreifende Arbeitsteam „Frau in der ÜSTRA“ sowie ein Frauenforum etabliert, um die Karrierechancen von Frauen im Unternehmen zu fördern. Wir haben im Interview ab Seite 54 auch kurz über das Thema Gleichberechtigung gesprochen und im Grunde lässt sich das Fazit recht einfach zusammenfassen: Es ist schade, dass man für eine Selbstverständlichkeit immer noch kämpfen muss – aber was sein muss, muss sein.

Frau van Zadel hat noch ein bisschen mehr auf der Haben-Seite. Im Oktober 2024 wurde der flächendeckende Rollout von 294 neuen Fahrkartenautomaten abgeschlossen. Diese bieten nicht nur Echtzeit-Abfahrtsanzeigen, sondern auch die Möglichkeit, direkt am Automaten Reiseverbindungen zu planen und passende Tickets zu erwerben. Die Modernisierung des Ticketingsystems war für van Zadel ein wichtiger Schritt zur Verbesserung des Kundenservice und zur Umsetzung der digitalen Vertriebsstrategie der ÜSTRA. Und nicht zuletzt setzt sich die ÜSTRA auch noch nachdrücklich für Vielfalt, Toleranz und Demokratie ein, zum Beispiel mit der Initiative #buntfährtbesser. Die ÜSTRA organisiert in diesem Rahmen Veranstaltungen zu Themen wie Flucht, Migration und Frauenrechte.

Warum fühlt sich ein Verkehrsunternehmen in diesem Sinne verantwortlich? Für Frau van Zadel ist das gar keine Frage, sie findet, dass sich in der heutigen Zeit alle für Offenheit und demokratische Werte starkmachen sollten. Gesellschaftliches Engagement trifft technische Innovation trifft ökologische Verantwortung, das beschreibt die ÜSTRA heute tatsächlich ganz treffend. Und Frau van Zadel hat daran keinen geringen Anteil.

Mir ist besonders eine Äußerung von Frau van Zadel in Erinnerung geblieben: Ich habe sie nach Gründen gefragt, warum sie damals das Ingenieurbüro verlassen und zuerst als Verkehrsplanerin bei der Stadt Hannover und später als Leiterin des Fachbereichs Verkehr bei der Region Hannover gearbeitet hat. Sie wollte einfach in der eigenen Stadt, in der eigenen Region etwas bewegen, sich positiv einbringen, mit dem, was sie kann. Ich finde, das ist eine schöne Begründung für einen beruflichen Werdegang. Sich vor Ort engagieren, die Dinge nebenan besser machen, das ist eine Idee, der ich sehr viel abgewinnen kann. Das ist auch ein Stück weit Selbstermächtigung.

Ich kann mir die große Politik ansehen und verzweifeln, ich kann über all die Versäumnisse klagen, über die Abwesenheit von Moral, über die Geldgier, über die Kurzsichtigkeit und Gleichgültigkeit, ich kann mir Sorgen darüber machen, dass unserer Gesellschaft mehr und mehr die Empathie abhandenkommt, ich kann fluchen und motzen und alles und jeden verantwortlich machen, aber das wird nichts ändern. Ändern kann ich nur etwas, wenn ich die Dinge selbst in die Hand nehme. Wenn ich aktiv werde. Wenn ich die Initiative ergreife.

Genau das habe ich neulich auch einem Leserbriefschreiber geraten, der sich bitter darüber beklagt hat, dass ich Monat für Monat meinen „links-grünen Scheiß“ auf dieser Seite verbreite und dass das eine Frechheit sei, weil er zum Beispiel nicht über diese „Macht“ verfügen würde. Ich habe ihm geantwortet, dass es ihm ja freistehe, sich ebenfalls mit einem Stadtmagazin selbstständig zu machen, um dann im Editorial monatlich seinen blau-braunen Scheiß zu verzapfen. „Spalterkind“ wäre vielleicht ein schöner Name. Ich habe keine Antwort bekommen. Vielleicht arbeitet er schon dran.

Ich habe in den vergangenen Monaten sehr viele Menschen getroffen, auch in meinen Titel-Interviews, die nicht jammern und motzen, sondern die versuchen, sich einzubringen. Die sich stark machen für eine faire Gesellschaft und für eine gute Lebensqualität in Stadt und Region, vor der eigenen Haustür. Und bei all dem, was ich im Großen fraglich und bedauerlich finde, was mir Angst macht, stimmen mich diese Begegnungen doch immer wieder auch zuversichtlich. Wir sind gar nicht so machtlos, wie wir uns manchmal fühlen.

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Editorial 05-2025

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Editorial 05-2025


Für diese Ausgabe habe ich noch einmal Sonja Anders getroffen. Sie wechselt nach sechs Jahren Intendanz am Schauspiel Hannover zur nächsten Spielzeit zum Thalia Theater nach Hamburg. Und das ist schön für Hamburg – aber nicht so schön für Hannover. Was Sonja über unsere Stadt denkt, was sie vermissen wird, wie sie ihr Schaffen in Hannover beschreibt, was ihr hinsichtlich der Entwicklungen in unserer Gesellschaft Sorgen bereitet und was ihr außerdem noch wichtig war und ist, darüber mehr ab Seite 52.

Was mir hier an dieser Stelle wichtig ist, das sind ein paar Gedanken, auf die mich nicht zuletzt Sonja gebracht hat – übrigens immer wieder während ihrer Spielzeit. Sonja mag, glaube ich, keine großen Lobhudeleien. Aber sie kann sich ja hier nicht wehren … Was ich an ihr wirklich sehr bewundere, das ist die Klarheit, mit der sie ihre Haltung vertritt. Sie hat das, was man gemeinhin wohl als Rückgrat bezeichnet. In den vergangenen Wochen war politisch viel von Verantwortung die Rede. Sonja mach darum nicht viele Worte, sie sieht sich einfach in der Verantwortung. Sicher auch in der Rolle als Intendantin, aber darüber hinaus – und das finde ich noch viel wichtiger – einfach als Mensch. Und sie nimmt diese Verantwortung voll an. Was heißt, dass sie immer für ihre Werte eintritt, dass es kein vorsichtiges Taktieren gibt, aus Angst vor irgendwelchen Konsequenzen. Sie hat ihre Grundsätze, ihre Werte, und wer daran rütteln will, der muss sich auf Widerstand gefasst machen. Sie ist an dieser Stelle wohltuend stur.

Ich finde das beispielhaft. Und ich würde mir wünschen, dass viel mehr Menschen bei uns in Deutschland in dieser Weise Verantwortung übernehmen würden, nicht nur im Kulturbetrieb. Wenn ich mich umschaue und umhöre in diesen schwierigen Zeiten, dann fehlen mir die klaren Stimmen, die Farbe bekennen, die widersprechen, die laut und deutlich auf unsere Werte pochen, aus der Kultur, aus den Kirchen, aus der Wissenschaft. Zum Beispiel, wenn es aktuell darum geht, Menschen auf Afghanistan aufzunehmen. Die Diskussionen um diese Aufnahme, auch angestoßen von der CDU/CSU waren schlicht unwürdig. Ich habe mich wirklich geschämt. Was für Gefühle will man mit solchen Aktionen in der Bevölkerung eigentlich bedienen? Und was ist noch der Unterschied zu den Stimmen, die wir von der AfD hören? Ich bin in den vergangenen Wochen immer wieder darüber erschrocken, in was für eine platte Sprücheklopferei die Politik teilweise abrutscht. Markus Söder natürlich vorneweg, aber der Rest unseres politischen Führungspersonals gibt sich ebenfalls alle Mühe. Ich denke da zum Beispiel an Jens Spahn – der es partout nicht lassen konnte, kurz nach dem Sturz Assads alle Syrer aufzufordern, jetzt doch bitte umgehend Deutschland wieder zu verlassen und zurückzukehren in das wieder „sichere“ Heimatland. Während natürlich alle, die sich auch nur ein bisschen mit der Situation vor Ort auskennen, die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben. Was einen Jens Spahn allerdings nicht weiter zu stören scheint. Er macht auf mich schon lange den Eindruck, gegen Beratung ausgesprochen resistent zu sein. Ich frage mich wirklich, wie wir mit solchen Persönlichkeiten einen Wandel in Deutschland hinbekommen wollen. Billiger Populismus hat jedenfalls noch nie irgendwelche Probleme gelöst. Ich hoffe sehr, dass sich unsere demnächst neue Regierung das immer wieder in Erinnerung ruft. Und dass man sich zwischendurch gemeinsam daran erinnert, für welche Werte wir uns in unseren Breitengeraden eigentlich so stolz auf die Schultern klopfen … Wenn beispielsweise mal wieder von „den Syrern“ oder „den Afghanen“ die Rede ist. Das sind verdammt noch mal Menschen! Ich habe den Eindruck, dass genau das sehr oft vergessen wird. Auch bei der „illegalen Migration“ geht es nicht um irgendwelche abstrakten Monster, sondern um Menschen, die alle einen sehr guten Grund haben, sich auf den Weg zu machen – bittere Armut, Verfolgung, Krieg. Würden wir unsere Maßstäbe nicht scheinheilig, sondern ehrlich anlegen, würden wir nicht über 138 debattieren, sondern überlegen, wie wir möglichst viele Frauen aus Afghanistan nach Deutschland ausfliegen.

Aber das diskutieren wir nicht. Schon gar nicht, weil solche Gedanken natürlich alles andere als populistisch sind. Mit Nachdenklichkeit gewinnt man heute keinen Blumentopf mehr. Was es braucht, sind kurze Kernbotschaften, die den richtigen Nerv treffen. Und entsprechend gereizt ist inzwischen der „Volks-Nerv“, entsprechend wund ist unsere Gesellschaft. Ich finde, es ist jetzt wirklich allerhöchste Zeit, der Verflachung zu widerstehen und sich zu besinnen. Es geht auch anders. Man kann Politik ohne diese permanenten lauten Töne machen, ernsthaft und faktenbasiert. Man kann sich dabei sogar unterstützen lassen. Wir haben in Deutschland noch eine relativ freie Wissenschaft, die gerne berät, ohne dass irgendwelche Lobbygruppen im Hintergrund die Fäden ziehen.

Leider ist momentan die Wissenschaft aber ebenfalls eher leise unterwegs. Unsere Akademikerinnen und Akademiker schweigen um die Wette. Ja, es gibt ein paar Ausnahmen, aber ich sage es mal so: Ein Harald Lesch macht noch keinen Sommer. Wo bleibt eigentlich der kollektive Aufschrei aus den Geisteswissenschaften, angesichts einer immer rechteren Stimmung im Land? Warum mischen die sich alle politisch nicht viel mehr ein? Und kämpfen beispielsweise dafür, dass bei uns die Bildung in der Agenda allmählich mal wieder nach oben rutscht? Oder schlicht für eine andere Debattenkultur? Um es auf den Punkt zu bringen: Wir brauchen viel mehr Sonja Anders und viel weniger Markus Söder in Deutschland. Dringend!

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Editorial 04-2025

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Editorial 04-2025


Für diese April-Ausgabe habe ich mich mit Christian Katz unterhalten, neuer
Chef der Hannover Marketing und Tourismus GmbH, der künftig neben
Hans Nolte dafür sorgen wird, Hannover „zu verkaufen“. Und bei Cristian
ist mir wieder das passiert, was ich während unserer 20 Jahre Stadtkind (Ja,
wir haben unseren Geburtstag vergessen. Kann ja mal passieren. Wir feiern
nach, wenn wir 25 werden. Versprochen!) schon sehr oft erlebt habe. Ich
spreche mit jemandem, der nicht aus Hannover kommt, und Hannover ist
ganz klar die schönste Stadt Deutschlands. So viel Grün, so kurze Wege, so
viel Kultur, so nette Menschen. Während alle, die in Hannover geboren sind,
für ihre Stadt oft nur ein Schulterzucken übrighaben. Bloß keine Superlative,
lieber den Ball flachhalten. Größter Stadtwald Europas? „Komm, es ist
einfach ein Wald, zufällig mitten in der Stadt.“ Das ist dieses typische Understatement.
Und auch den Grund, warum Zugezogene so schwärmen, haben
mir gebürtige Hannoveranerinnen bereits verraten: „Die Neuen müssen sich den ganzen Mist hier ja irgendwie schönreden.“ Klar. Das leuchtet ein. Christian Katz will nichts schönreden. Auf leere Flaschen wahnsinnig bunte Etiketten kleben, um sie besser zu verkaufen, das klingt für ihn eher nach einer fragwürdigen Strategie. Er setzt lieber auf das, was da ist. Und das ist ja tatsächlich eine ganze Menge. Hannover braucht nur ein bisschen Zeit. Man muss sich unsere Stadt sozusagen erobern. Die Türen gehen stellenweise nicht von allein auf. Vielleicht müsste mal jemand eine Art Bedienungsanleitung schreiben. Das Gespräch mit Christian beginnt auf Seite 54. Und noch schnell ein paar Worte zur Wahl. Wobei, nein, erst ein paar Worte für alle netten Nachrichtenschreiberinnen, die sich darüber beklagen,
dass ich ahnungsloses Schlafschaf die Frechheit besitze, hier auf der
Seite 3 ständig meinen linksgrünen Mist zu verzapfen. Immer wieder gerne!
Euer „Lob“ ist mein Antrieb. Es macht mir wirklich viel Freude. Also, die
Wahl. Ist wie erwartet ausgegangen. Ich hatte die CDU/CSU ein bisschen
über der 30 gesehen, aber klar, wer im Bundestag mit den Rechten spielt,
muss sich vielleicht nicht wundern, wenn manche lieber das Original bevorzugen.
Ich hatte, wie wohl alle, die Linken nicht ganz so stark geschätzt.
Beim Rest lag ich ziemlich richtig. Und ein paar Hoffnungen sind auch in
Erfüllung gegangen. Wobei, meine Gedanken zum BSW und zur FDP verrate
ich nicht. Ich will mich nicht auf södersches Nachtretniveau begeben.
Jetzt haben wir also nach der Wahl zuerst alle gemeinsam herausgefunden,
dass die CDU/CSU vor der Wahl ein bisschen geflunkert hat, um es
mal charmant auszudrücken. Und wir haben herausgefunden, dass plötzlich
viele Milliarden da sind, die vorher anscheinend nicht da waren. Und jetzt
bekommen wir demnächst wieder eine „Große (und sehr reiche) Koalition“,
die gar keine mehr ist, weil die SPD ja nur auf Platz 3 gelandet ist. Ich hoffe
wirklich sehr, dass die Verantwortlichen dieses Geld klug ausgeben. Und
vor allem, dass sie ihre Hausaufgaben machen, bevor sie es ausgeben. Erst
die Bürokratie, dann der Rest. Ansonsten versickern die Milliarden, weil
irgendwelche Faxe nicht rechtzeitig ankommen. Bitte versaut es nicht. Es
ist nicht euer Geld, es sind die Schulden unserer Kinder, also gebt euch verdammt
noch mal Mühe.

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Editorial 03-2025

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Editorial 03-2025


in dieser Ausgabe habe ich mit Aurélie Alemany gesprochen. Sie ist seit dem 1.
Juli 2024 CEO von enercity. Mich hat vor allem interessiert, wie weit wir eigentlich
mit der Energiewende sind, insgesamt und in Hannover und Region. Liegen
wir gut im Rennen? Welche Ziele hat sich unser kommunaler Energiedienstleister
gesetzt? Getroffen habe ich eine sehr sympathische und humorvolle, aber vor
allem sehr kompetente Frau. Aurélie Alemany weiß genau, wovon sie spricht, sie
drückt sich nicht um Antworten, sie hat eine klare Meinung und eine ebensolche
Haltung. Und sie hat über ihr Unternehmen hinaus auch Hannover im Blick. Wie
geht es dem Standort, wie ist es um Hannovers Image bestellt, wie um die Kultur
und die Lebensqualität? enercity will ein Teil der Antwort sein und entsprechend
engagiert man sich beispielsweise in der Kultur. Mehr dazu ab Seite 54.
Und nun natürlich zur Wahl. Die für mich noch ein paar Tage in der Zukunft
liegt. Und wenn diese März-Ausgabe erscheint, schon ein paar Tage Vergangenheit
sein wird. Ich habe bereits einige Wahlen hinter mir, aber ich war selten so
verunsichert und ratlos wie vor dieser Wahl. Ich mache mir Sorgen um unsere
Demokratie. Mir ist das alles inzwischen zu flach. Populismus ist eher die Regel
als die Ausnahme. Ich kann die politischen Debatten kaum noch ertragen.
Werden diese Leute es demnächst richten in Deutschland? Ich habe durchaus
begründete Zweifel.
Aber ich mache mir nicht allein Sorgen um Deutschland. Ich mache mir darüber
hinaus ganz allgemein Sorgen, in welche Richtung sich unsere Welt mit Trump,
Putin und Jinping drehen wird. Mir schwant nichts Gutes. Wir sehen einen Präsidenten
in Amerika, der mit atemberaubender Geschwindigkeit die Demokratie
im eigenen Land schleift und alte Freundschaften aufkündigt. Der Begriff „Disruption“
umschreibt recht genau, was Donald Trump gemeinsam mit Elon Musk
veranstaltet. Man steht schon jetzt fassungslos vor einem riesigen Scherbenhaufen.
Und ist sich allgemein recht einig: Dieser Typ ist total irre. Aber ist er das
wirklich? Oder folgt er nur seiner ganz eigenen Agenda, jenseits aller Menschlichkeit?
Was Trump momentan tut, das hat er lange angekündigt. Überrascht
sein darf wirklich niemand.
Doch in Europa und Deutschland war und ist man offensichtlich überrascht.
Und weiter uneinig. Das kann und darf so nicht weitergehen. Deutschland hat
nur in dieser Gemeinschaft eine Chance, die kommenden Jahre unbeschadet zu
überstehen. Es braucht ein geeintes und entschlossenes Europa, das dem Recht
des Stärkeren etwas entgegensetzt. Das die Menschenrechte verteidigt. Und das
auch beim Klima weiter auf Kurs bleibt. Möglich wäre so ein starkes Europa.
Man bräuchte dazu allerdings in den Ländern echte Europäer. Schade, dass wir
so einen Europäer in Deutschland nicht hatten während der vergangenen Ampel-
Jahre. Ich glaube, dass die Kanzlerschaft von Olaf Scholz in den Geschichtsbüchern
vor allem mit zwei katastrophalen, historischen Fehlern verbunden sein
wird. Der erste Fehler: Die zögerliche Unterstützung der Ukraine mit Waffen.
Der zweite Fehler: Europa vernachlässigt zu haben. Obwohl die Wahrscheinlichkeit
auf eine zweite Amtszeit Trumps relativ groß war. Olaf Scholz hat Emmanuel
Macron wiederholt auflaufen lassen. Dass man die vergangenen Jahre
nicht genutzt hat, um sich in Europa gemeinsam auf das Worst-Case-Szenario
namens Trump vorzubereiten, das ist ein Versäumnis, dass sich sehr wahrscheinlich
noch bitter rächen wird.
Gibt es Hoffnung, dass sich das angemessen schnell ändern wird in nächster Zeit?
Nein, denn die Länder in Europa denken momentan eher wieder in nationalen
Grenzen, was sich mit einem Kanzler Friedrich Merz wahrscheinlich auch bei uns
nicht ändern wird. Aber gut, es ist
jetzt, wie es ist. Wohin wird uns diese
Wahl bringen? „Schaun mer mal,
dann sehn mer scho“, hat der Kaiser
gesagt. Ja, was bleibt uns übrig …

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Editorial 02-2025

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Editorial 02-2025


Liebe Leser*innen,

in dieser Ausgabe habe ich mit Vanessa Erstmann gesprochen, die man in Hannover vor allem als Vorsitzende des Jazz Clubs kennt. Darüber haben wir auch gesprochen, aber nicht nur. Denn sie hat ein wirklich lesenswertes Buch geschrieben. „Reden wir von Hannover – das wird genügend harmlos sein“, so der Titel. Ein Zitat von Lessing, der Hannover ganz gerne mal aufs Korn genommen hat. Wir wissen, er hatte bis heute zahlreiche Nachahmer. „Eine Stadt auf der Suche nach ihrem Image“, so lautet der Untertitel. Und das stimmt. Hannover sucht seit Jahren. Ob man inzwischen fündig geworden ist oder zumindest weiß, woran es hapert, dazu mehr ab Seite 54.

Deutschland arbeitet momentan ebenfalls an seinem Image. Aber ob das in die richtige Richtung geht, wage ich doch sehr zu bezweifeln. Ganz ehrlich, wenn ich mir das Schauspiel ansehe, was da gerade unter dem Titel „Wahlkampf“ aufgeführt wird, dann wird mir angst und bange. Es ist eine Tragödie und stellenweise gar nicht mehr auszuhalten. Das populistische Getöse von allen Seiten macht mich einigermaßen ratlos. Was ist das für ein Niveau? Ich hätte gerne wieder faktenbasierte und sachorientierte Debatten um echte Lösungen für tatsächliche Probleme. Ist das zu viel verlangt? Ein bisschen weniger Sandkasten? Ich möchte, dass wir darüber sprechen, in was für einem Land wir eigentlich leben wollen. „Mehr Milei oder Musk wagen“, hat Christian Lindner neulich vorgeschlagen. Ernsthaft? Braucht Deutschland wirklich Disruption? Ich denke eher, Deutschland braucht endlich mal wieder eine kluge, zukunftsorientierte Strategie. Vielleicht auch eine Vision. Oder ein paar mehr Visionen.

Es gibt eine Partei, die hat ganz offensichtlich eine Strategie, das ist die AfD. Und leider scheint diese Strategie immer mehr aufzugehen. Mittlerweile haben sich fast alle vor ihren Karren spannen lassen. Wenn man beispielsweise Friedrich Merz in diesen Tagen so zuhört, darf der sich über Beifall von ganz rechts überhaupt nicht wundern. Wobei ich einen ähnlichen Trend durchaus auch bei den anderen Parteien sehe. Der Wind weht zunehmend ausländerfeindlicher in Deutschland. Und alle hängen brav ihr Fähnchen in den Wind, um es sich ja nicht mit den besorgten Bürgerinnen und Bürgern zu verscherzen. Geht’s noch?

Ich frage mich die ganze Zeit, wo der empörte Aufschrei aus der Mitte unserer Gesellschaft bleibt. Oder ist das jetzt das neue Deutschland? Egoistisch, hart, inhuman, destruktiv? In letzter Zeit erzählen mir mehr und mehr gute Freunde mit und ohne Zuwanderungsgeschichte, dass sie darüber nachdenken, Deutschland zu verlassen. Ich kann das inzwischen sehr gut nachvollziehen. Aber wohin? Das ist die große Frage. Wir sehen diese Tendenz ja überall. Und ich will auch gar nicht gehen. Ich will den Alice Weidels dieser Welt nicht das Land überlassen. Ich will in die andere, in die entgegengesetzte Richtung. Und ja, darum werde ich am 23. Februar zur Wahl gehen. Und eine demokratische Partei wählen. In der Hoffnung, dass die demokratischen Parteien nach der Wahl vielleicht wieder zur Vernunft kommen. Und die echten Probleme angehen. Bitte keine Scheindebatten und Nebelkerzen mehr, bitte keine großen Versprechungen mehr, bitte einfach mal die Schnauze halten, die Ärmel hochkrempeln und abliefern. Das würde ich mir wünschen.

Die demokratischen Parteien haben aus meiner Sicht nur noch diese eine Chance. Wenn sie es in den kommenden vier Jahren nicht hinbekommen, den Populismus zu überwinden, idealistische Gräben zuzuschütten und konstruktiv miteinander zu arbeiten, dann werden wir 2029 die Quittung bekommen. Und das kann, das darf nicht sein!

Editorial 02-2025

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Editorial 2024-10

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Editorial 2024-10


Liebe Leserinnen und Leser,

mir drückt der vergangene Wahl-September leider noch immer sehr aufs Gemüt. Was da passiert ist, entsetzt mich und macht mich gleichermaßen traurig und ratlos. Und ich weiß, während ich das schreibe, dass schon wieder einige an hübschen Leserbriefen feilen (Frauen aus der rechten Ecke schreiben mir nur ganz selten, darum hier „Leserbriefe“), um mir mitzuteilen, dass es nun sicher nicht mehr lange dauern wird bis zur „Machtergreifung“, und dass ich mit meinem linksgrün-versifften Blättchen dann einpacken kann. Und danach Arbeitslager oder Schlimmeres, die ganze alte Geschichte. Ich bin traurig, ratlos und entsetzt über die Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, weil mir alle Reportagen aus diesen Ländern Menschen gezeigt haben, die mit einer krassen Dämlichkeit gesegnet sind und sich bei politischen Fragen durch infantilste Unkenntnis hervortun (so ähnlich wie die Leserbriefschreiber aus der rechten Ecke). Ich meine das gar nicht beleidigend. Es ist einfach eine Beschreibung dessen, was ich gesehen habe. Nur ab und an war mal jemand dazwischen, der nicht der Meinung war, dass man die Grünen aus dem Land jagen sollte, zusammen mit allen Menschen, die irgendwie „fremd“ aussehen.

Wisst ihr was? Schluss damit! Ich mag mich mit diesem (Entschuldigung) Scheiß nicht mehr beschäftigen. Für mich habt ihr sie nicht mehr alle. Wenn es euch gefällt, gemeinsam zu marschieren, gemeinsam andere Menschen zu hassen, wenn ihr euch nach Führung sehnt, dann ist es vielleicht einfach höchste Zeit, sich einen guten Therapeuten zu suchen. Aber an den Urnen habt ihr echt nichts verloren.

So, das musste ich kurz loswerden, bevor ich zum Titelinterview in dieser Ausgabe komme. Ich habe mit André Lawiszus gesprochen, dem neuen Geschäftsführer bei der Hannover Veranstaltungs GmbH, Nachfolger von Hans Nolte, der im vergangenen Monat den Staffelstab übergeben hat. André ist jetzt unter anderem hauptverantwortlich für das Maschseefest. Und mir ist während des Gesprächs mit ihm mal wieder eines sehr klar geworden, nämlich wie wichtig die Kultur in Gänze ist. Manche finden ja, so ein Maschseefest, das sei nicht wirklich Kultur. Dass sei einfach „nur“ Party. Ich sehe das anders. Wenn Menschen sich begegnen, wenn Menschen friedlich miteinander feiern, dann ist das Kultur. Eine sehr schöne Kultur. Hannover ist eine Stadt mit unglaublich vielen Veranstaltungen, großen und kleinen, wir haben sehr viele Orte der Begegnung. Wir haben die großen Leuchttürme und die vielen kleinen Laternen. Kulturell leuchtet Hannover in der Fläche angenehm hell.

Darüber dürfen wir uns ruhig freuen. Denn unsere Kultur macht uns ziemlich widerstandsfähig gegen rechte Tendenzen. Einen Erfolg der AfD wird es in Hannover jedenfalls nicht so schnell geben, da bin ich mir einigermaßen sicher. Und das verdanken wir auch den vielen großen und kleinen Festen, die wir fast jeden Tag in Hannover feiern. Das Interview mit André beginnt auf Seite 52.
Viel Spaß mit dieser Ausgabe!

● Lars Kompa
Herausgeber
Stadtkind

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