Ein letztes Wort im Juni …

Herr Weil, Sie haben in unserem letzten Gespräch gesagt, dass die politische Gesprächskultur in Deutschland kein gutes Beispiel abgibt.
Woanders mag sie schlechter sein, aber in Deutschland ist die Gesprächskultur definitiv verbesserungswürdig.

Was kritisieren Sie an der Auseinandersetzung?
Es wird – jedenfalls dann, wenn die Mikrofone offen sind – viel leeres Stroh gedroschen. Nichtigkeiten werden zu Sensationen aufgepumpt, und gleichzeitig werden die echten Probleme häufig bagatellisiert. Es ist relativ selten so, dass ein Gesprächspartner völlig daneben liegt und der andere völlig richtig. Dieser Eindruck wird jedoch gerne vermittelt in öffentlichen Debatten. Dass man sich wirklich ernsthaft miteinander austauscht und gemeinsam abwägt, geschieht zu selten. Dabei sollte das der Sinn eines guten Gesprächs sein.

Also zu viel Show.
Vor laufender Kamera findet schon auch Show statt. Mitunter ändert sich das, nachdem die Mikrofone ausgeschaltet worden sind. Dann unterhalten sich diejenigen, die vorher so taten, als wollten sie sich am liebsten die Augen auskratzen, ganz vernünftig miteinander. Und manchmal stellt man sogar fest, dass man gar nicht so weit voneinander entfernt ist.

Wie steht es um die Gesprächskultur im Landtag?
Mir ist es, das ist kein Geheimnis, zu Beginn meiner Amtszeit nicht leicht gefallen, mich auf die Diskussionskultur im Landtag einzustellen. Ich kannte das aus dem hannoverschen Rathaus, dass man nicht unbedingt mit Wattebäuschen wirft und sich auch gut streiten konnte. Im Landtag ist die Auseinandersetzung sehr viel heftiger und nicht immer konstruktiv. Und ehrlich gesagt habe ich mich bis heute nicht wirklich daran gewöhnt.

Wenn es um die Sache geht, ist es ja in Ordnung, aber wenn es persönlich wird, hat das schon eine andere Ebene.
Der Ton macht die Musik. Man sollte in der Lage sein, bei allen Themen seine Meinung sachlich darzustellen, ohne dass das Gegenüber sich angefasst fühlen muss.

Wechseln wir mal von der Politik in die Gesellschaft. Ich habe den Eindruck, dass sehr viele Menschen politische Auseinandersetzung und Diskussion gar nicht mehr so richtig können oder wollen.
Das sehe ich anders. Ich erlebe durchaus auch immer wieder sehr ernsthafte und ergiebige politische Diskussionen in Veranstaltungen oder auch im privaten Bereich.

Für mich gehört zur Gesprächskultur, den Gegenüber ausreden zu lassen, ihm zuzuhören, zu versuchen, seine Argumente zu verstehen. Wenn das erledigt ist, fängt die Diskussion um die besseren Ideen und Argumente ja eigentlich erst an, oder?
Wichtig ist vor allem, auf die Argumente des anderen einzugehen. Wenn ein Gespräch dazu auch noch unterhaltsam ist, wenn es interessant ist, gerne humorvoll, ohne dass man dem anderen persönlich zu sehr aufs Fell rückt, dann freut mich das.

In der Gesellschaft beobachte ich momentan, dass Diskussionen sehr oft eskalieren, dass einfach ein Standpunkt gegen einen anderen gestellt wird und man sich dann schweigend und unversöhnlich gegenübersteht. Und sich im Zweifel sogar voneinander abwendet und sich anfeindet. Facebook ist da nur ein Beispiel. Wir erleben das Gegenteil von Gesprächskultur.
Im Internet eine gute Diskussionskultur zu entwickeln ist nicht einfach. Denn die Situation ist eine ganz andere als bei einem Gespräch, bei dem sich Menschen direkt gegenübersitzen. Dazu kommt: Was man schriftlich sagt, das bleibt. Das kann man nicht so einfach wieder aus der Welt schaffen. Was in einem Gespräch gesagt wird, kann man dagegen weitaus besser reparieren.

Ich wundere mich immer über die Abwesenheit von Gelassenheit. Nehmen wir einmal an, wir hätten einen handfesten Streitpunkt, dann wären wir geteilter Meinung, Sie würden versuchen, mich zu überzeugen und das nicht schaffen, umgekehrt genauso. Wären Sie sauer auf mich, wenn ich mich nicht eines Besseren belehren lasse?
Ich will das gar nicht ausschließen, dass ich dann nach dem Gespräch sage: ‚Also, der Herr Kompa begreift es einfach nicht. Dass der meine guten Argumente nicht versteht, ist mir unerklärlich.‘ Es bleibt dann aber höchstens das Bedauern, dass ein auf den ersten Blick intelligenter und verständiger Mensch irgendwie fehlgeleitet zu sein scheint. Aber wir Sozialdemokraten geben ja keine Seele verloren. Nein, Spaß beiseite, natürlich kann man auch mal gelassen geteilter Meinung sein und sich trotzdem weiter gut verstehen.

Interview: Lars Kompa


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