Mira Buß

Start with a Friend e.V.

Start with a Friend – was 2015 in Berlin als freundschaftliche Flüchtlingshilfe begann, bringt inzwischen Einheimische und aus diversen Gründen Zugezogene aus aller Welt zusammen. Auf Augenhöhe, unkompliziert und persönlich wird der Austausch zwischen Newcomern und Locals ermöglicht – und im besten Fall eine Freundschaft draus. Das SwaF-Team Hannover gründete sich erst 2018, Mira Buß ist Standortverantwortliche. Zum Gespräch im Café hat sie ein Tandem mitgebracht; den Local Cihan und Ammar, der ganz neu in Hannover ist (auf dem Foto v.l.n.r.: Cihan, Mira, Ammar).

Cihan ist 24 Jahre alt und studiert Politikwissenschaften, er ist in einem Gruppentreffen von Amnesty International auf SwaF aufmerksam geworden, auf dem Mira für die junge Organisation geworben hat – zufällig studiert nämlich auch Mira Politik- und Sozialwissenschaften und nutzt jede Gelegenheit, um für SwaF zu sprechen. Cihans Tandempartner Ammar hat gerade sein Vorbereitungsjahr an der Uni absolviert und nun ein Semester frei, bis sein Studium startet. Er ist 25 Jahre alt und hat bereits in Syrien studiert, das Studium dort jedoch nicht abschließen können. Eine Wohnung in Hannover hat er schon alleine gefunden, nun war er noch auf der Suche nach einem Buddy, einem Freund. Und hat über SwaF Cihan kennengelernt, mit dem er – so sieht es zumindest für uns aus – schon scherzt wie mit einem alten Kumpel.

Die SwaF Community, Foto: SwaFAnmelden bei Start with a Friend kann man sich generell als Newcomer oder als Local. Bei den Newcomern ist es ganz gleich, ob sie aus einem der zahlreichen Krisen- oder Kriegsgebieten dieser Erde geflüchtet oder ganz freiwillig (etwa zum Studieren) hier sind, – einzige Bedingung neben einem Mindestalter von 18 Jahren ist eine solide Basiskenntnis der deutschen Sprache. Als Local ist es nicht notwendig, ursprünglich aus Hannover zu kommen oder schon jahrelang hier zu wohnen, jedoch sollte man schon Fuß gefasst haben und sich zuhause fühlen. Für beide Gruppen gibt es unterschiedliche Infoabende, bei denen sowohl für Locals als auch für Newcomer zunächst Werte und Visionen von SwaF vermittelt werden. Auch ein Verhaltenskodex ist für alle Pflicht, um darauf aufmerksam zu machen, dass jegliche Form von Diskriminierung abgelehnt wird. Außerdem wird viel Wert darauf gelegt, dass es sich um ein Verhältnis auf freundschaftlicher Basis handelt. Mira macht klar: „Das sagen wir allerdings schon deutlich; wenn jemand eine Frau als Tandempartnerin haben möchte, weil er eine Frau fürs Leben sucht, dann geht das nicht. Dafür ist unsere Plattform nicht geeignet, es geht um Freundschaften. Auch wenn es in anderen Städten tatsächlich schon SwaF-Kinder und Hochzeiten zwischen Tandems gab (lacht).“ In späteren Einzelgesprächen werden neben der zeitlichen Verfügbarkeit auch die Interessen und die Freizeitgestaltung abgefragt, damit es möglichst viele Übereinstimmungen der zukünftigen Tandempartner gibt. Daher wird bei der Auswahl von Tandempartnern auch auf die Nähe der Wohnungen und auf ein ähnliches Alter geachtet, da dies oft der Wunsch ist. Die Newcomer sollten ein ausreichendes Deutschlevel mitbringen, damit die Kommunikation untereinander bis zu einem gewissen Grad gegeben ist. Ob man sich im Tandem dann zusätzlich noch auf Englisch oder einer dritten Sprache unterhält, ist jedem selbst überlassen. Gerade die Verbesserung der Sprache, also viel Deutsch reden zu können, ist großes Ziel der meisten Newcomer. Außerdem wird als Motivation häufig „Stadt kennenlernen“ und „neue Leute treffen“ angegeben. Eben Menschen kennenlernen, die man sonst nicht getroffen hätte.

Das erste Treffen zwischen Ammar und Cihan fand vor zwei Monaten am Küchengarten statt. Dabei haben sie sich zwei Stunden lang gegenseitig ausgefragt und von sich erzählt. Ammar erinnert sich: „Cihan mag arabisches Essen (‚Überhaupt Essen!‘ ruft Cihan rein, alle lachen) – ja, gut, egal was für Essen, und das mag ich auch. Deswegen war unser erstes Treffen gleich mit dem Essen verbunden – wir haben sofort mit dem gemeinsamen Essen angefangen. So lernt man sich am besten kennen. Ansonsten waren wir schon Fußball gucken, Fifa-Spielen bei Cihan, und haben zusammen beim Türken eingekauft. Essen natürlich“ (alle lachen wieder).

Mira erläutert: „Ein Tandem wird sechs Monate lang betreut. Während dieser Zeit fragen wir regelmäßig nach und sind immer Ansprechpartner für den Fall, dass es nicht läuft, man Fragen hat oder sich unsicher ist. Wir geben am Anfang auch immer gerne Tipps; wo man sich am besten treffen kann, was man unternehmen kann, worüber man so reden könnte. Im Vermittlungsprozess schlagen wir jemanden vor, beschreiben, was derjenige mag und macht, ob der oder diejenige in der Nähe wohnt, was ja auch wichtig ist. An der Stelle kann man schon sagen, ob einem das passt oder nicht. Und wenn einem später auffällt, dass es nicht passt, dann schlagen wir auch nochmal wen anderes vor, also man hat nicht nur eine Chance. Falls es mal Probleme gibt, die in die Tiefe gehen, z.B. auch wegen Fluchterfahrungen oder psychischen Belastungen hier vor Ort, dann gibt es einen Sozialpsychologen als Standort-Springer, den wir bei Bedarf anfordern können. Die Kontaktadresse geben wir auch immer mit.“

Ammar und Cihan sind quasi Nachbarn, wohnen nur eine Straße voneinander entfernt, sodass  spontane Treffen wie zum Fußballgucken möglich sind. Da Cihan auch noch in anderen Organisationen und Initiativen tätig ist, hat er einen großen Bekanntenkreis, an dem Ammar anknüpfen und an seinem eigenen Netzwerk stricken kann. Denn, und da sind sich beide einig: Der erste Schritt ist der schwerste, alleine auf Veranstaltungen zu gehen erfordert viel Mut. Cihan gibt ein Beispiel: „Ich hatte einen Projekttag mit meiner Klasse, da waren noch ein paar andere Studenten da und Leute von meiner Arbeit, da hat mich Ammar begleitet. Und war echt die ganzen zwei Stunden da, das hat mich total gewundert und gefreut. Ich bin momentan sehr eingespannt, weil ich meine Bachelorarbeit vorbereite und noch bei drei, vier anderen Projekten mitmache, aber wenn Luft ist, kann man was machen. Und ich finde es auch wichtig zu wissen: Wenn was ist, kann man ja schreiben. Das gibt einem ein schönes Gefühl, zu wissen, ich kann ja einfach mal fragen.“ „Und auch das Schreiben trainiert ja die Sprache,“ wirft jemand ein, wozu Ammar nickt und bestätigt: „Ja klar, wir chatten auch ganz locker, wie Freunde,“ und Cihan prustet: „Du schreibst viel besser, richtiges Hochdeutsch!“ – woraufhin Ammar lacht: „Ich korrigier’ ihn manchmal…“ und sich alle herzhaft amüsieren.

Zu der hinter SwaF steckenden Arbeit weiß Mira: „Wir sind ein kleines Team aus Ehrenamtlichen, die entweder noch studieren oder größtenteils schon erwerbstätig sind und alles für SwaF nach 18 Uhr in ihrer Freizeit machen. Damit sich die Arbeit auf mehr Schultern verteilt und wir wieder mehr Locals erreichen und mehr Tandempartnerschaften stiften können, müssen wir auf jeden Fall bekannter werden, das heißt die Pressearbeit ist wichtig, die Internetauftritte bei Instagram und Facebook und so. Dann organisieren wir regelmäßige Veranstaltungen, um präsent zu sein (jetzt am Wochenende waren wir auf dem CSD – an Ammar gewandt: ‚da hast du ja auch fleißig mitgeholfen, das war richtig cool’ –, das macht das PR-Team. Das Communityteam ist für die internen Treffen der Community, also von allen Angemeldeten und Interessierten, zuständig, und dann braucht es ein Vermittlungsteam. Das heißt, wir können es uns weder vom Zeit- noch vom finanziellen Budget her leisten, eine bürokratische Beratung oder Unterstützung bei Behördengängen etc. zu gewährleisten. Dafür gibt es aber zum Glück auch andere Anlaufstellen (wie den Unterstützerkreis Flüchtlingshilfe). Unser Ansatz ist es vielmehr, dass man nicht guckt, wer braucht jetzt Hilfe, sondern dass man Bock hat, neue Leute und Kulturen kennenzulernen. Wenn ich zum Beispiel total auf syrische Küche stehe und das Kochen super gerne mal mit jemand zusammen ausprobieren würde. Wenn aus gemeinsamen Aktionen dann eine Freundschaft entsteht, kann das natürlich dazu führen, dass man sich auch gegenseitig hilft, aber es geht um das Miteinander und voneinander zu lernen – und nicht darum, dass der eine nur dem anderen hilft.“ Cihan sagt zum Thema Hilfestellungen: „Da gehört einfach auch das ganz normale Fingerspitzengefühl dazu, denke ich. Wenn ich jetzt merke, Ammar würde bei einem Thema immer ins Stottern kommen, dann würde ich doch irgendwann fragen, ob er da Hilfe gebrauchen kann. Aber das ist bei Freunden nun mal so, da setze ich mir ja nicht den Hut auf und kann irgendwas beurteilen, weil ich länger hier wohne – das hängt ja völlig von der Situation ab. Nur bei alltäglichen Fragen kann ich natürlich Auskunft geben; wo gehe ich hin wenn ich was mit der Haut habe – erstmal zum Hausarzt wegen der Überweisung – und solche Sachen halt.“ Ammar führt aus: „Es ist auch nicht nur das Tandem, das was einbringt, auch die Versammlungen mit der Community, wo man die anderen kennenlernen kann. In letzter Zeit habe ich mich ein bisschen mehr im Team engagiert, aber auch im Allgemeinen sind die gemeinsamen Aktionen gut, z.B. die Stammtische.“ Und auch Cihan ist der Meinung: „Die Stammtischabende sind außerdem ganz cool für die Tandems; dass die einen Space haben, wo sie sich untereinander austauschen können. Da lernen die Locals noch mehr neue Leute kennen und die Newcomer können auch mal miteinander quatschen: Woher kommst du, wie funktioniert das und das bei euch u.s.w. Vor allem ist es was Sicheres, ein monatliches, safes Ritual, auch wenn ich jetzt mal keine Zeit habe, kann Ammar da trotzdem hingehen und ist nicht allein.“ Da auch Newcomer, die bisher ohne Tandempartner sind, dort hinkommen, können so auch außerhalb der Plattform Freundschaften entstehen – ganz normal am Billardtisch oder bei einem Glas Wein, wie sonst auch. Das Gleiche gilt für die weiteren Aktionen wie Grillabende oder Zusammenkünfte auf Festen, zu denen das SwaF-Team einlädt, auf denen man ganz locker neue Leute und Neuhannoveraner kennenlernen kann.

Die aktiven Teammitglieder sind unter anderem über Trello vernetzt, wo sich die Ehrenamtlichen zudem auch weiterbilden können (über Webinare etwa zum Asylrecht, Teamwork, Pressearbeit) und Unterstützung vor Ort bekommen können. Es gibt ein Bundestreffen im Jahr, zu dem zwei Leute pro Standort (egal ob aktives oder ehrenamtliches Mitglied oder Tandem) fahren können, um SwaF-Spirit zu schnuppern, und auch ein SwaF-Norddeutschland-Treffen ist geplant. Am Wochenende nach unserem Gespräch ist ein Grillen im Georgengarten angesetzt, zu dem wir beim herzlichen Abschied direkt eingeladen werden – aus Fremden können schließlich immer Freunde werden, wie das Motto von SwaF so schön sagt. Und – das haben wir ja gerade gelernt – das geht immer noch am besten beim Essen.

Start with a Friend Hannover
• Gesucht werden Locals, die Lust haben ein Tandem zu bilden (auch als Paar, Geschwisterpärchen
oder als ganze Familie).
• Momentan ist die Liste für Newcomer leider voll, bis wieder mehr Locals für Tandems offen sind.
• Wer nicht unbedingt ein Tandem bilden möchte, aber sich ehrenamtlich einbringen mag, kann über die
facebook-Seite von SwaF Hannover eine Anfrage schicken, über die generelle Webseite gehen oder sich beim Team Hannover melden. Auch auf Events wie dem SNNTG-Festival (vom 26.-28.7. in Wehmingen bei Sehnde) ist das Hannover-Team vertreten und freut sich, wenn man einfach mal Hallo sagt, und über Hilfsangebote sowieso.
• Der offene Stammtisch findet an jedem letzten Mittwoch des Monats ab 20 Uhr im Havana Club Linden
(Elisenstraße 27) statt, wo man die ganze Community und das Team treffen kann.
• SwaF Hannover braucht dringend neue Teammitglieder, weil manche von den „alten Hasen“ bald am Ende des Studiums sind und wegziehen – so wie auch Mira wahrscheinlich, die deshalb zu August aufhört und unbedingt noch eine/n Nachfolger/in als Standortverantwortliche/n einarbeiten möchte. Wer sich also engagieren und dabei auf studentischer Hilfskraft-Basis etwas fürs Portemonnaie tun möchte, bitte melden!

Kontakt: hannover@start-with-a-friend.de
www.start-with-a-friend.de

Interview: Anke Wittkopp und Theresa Steffens, Foto SwaF Community: SwaF


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