Thorsten Wingenfelder

Die richtig guten Geschichten, sagt man, passieren immer denjenigen, die sie auch erzählen können.  Und erzählen, das kann Thorsten Wingenfelder. Anders als im Zusammenspiel mit seinen Fury-Kollegen oder seinem Bruder Kai in der Brüder-Band „Wingenfelder“, liegt der Fokus bei Thorsten Wingenfelders Soloprogramm durchweg auf dem Erzählen. Leise tut er das, fast vertraulich, und mehr noch: Er illustriert. Zeichnet Bilder von Situationen und Momenten, so realistisch, dass das Publikum sie vorm inneren Auge sehen kann. Alltagsmomente, schöne, hässliche, banale – der jüngste der drei Wingenfelder-Brüder arbeitet auch erfolgreich als Fotograf und weiß daher ganz genau, was auf einem Bild zu sehen sein muss, damit es wirkt. In seinen Liedern setzt er dieses Wissen geschickt um. Gelernt hat er das von einem seiner großen Vorbilder, Bruce Springsteen. Der habe in einem Interview in den frühen Neunzigern einmal gesagt, die ehrlichsten und auch glaubhaftesten Songs, die man schreiben könne, müssten aus der eigenen Westentasche kommen. Und jetzt, fast dreißig Jahre später, steht Thorsten Wingenfelder alleine auf der Bühne, leert nämliche Westentaschen und lässt die Hosen runter. Denn seit der Boss durch einen amerikanischen Hotelfernseher zu ihm sprach, ist viel passiert. Unausgesprochen: „Ich erhebe keinen Anspruch auf Richtigkeit, aber so habe ich das erlebt.“ Und los geht die musikalische Diaschau. Der Künstler selbst scheint sich nicht dafür zu schämen, dass er auf einigen seiner Bilder nicht gar so strahlend gut aussieht – „Unperfekt“ ist sein Credo. Das Publikum begleitet ihn durch die Anfangszeit seiner Karriere, die mit der Schülerband „All my colours“ am Gymnasium Foto: Olaf GebertGroßburgwedel begann und mit Fury in the Slaughterhouse durch die Decke ging. Die Zuhörer sind mit auf Reisen, wenn Thorsten und seine Frau Urlaub unter Palmen machen, was aber auch eine Bushaltestelle in Empelde sein könnte, Hauptsache, zusammen. Man hat Wingenfelders ältesten Sohn vor Augen, wie er als kleiner Junge in die weite Welt gehen wollte und heute, als Achtzehnjährigen mit Führerschein, der genau das tun wird. Völlig unprätentiös zeigt Thorsten Wingenfelder einen Querschnitt seines Lebens und seines musikalischen Schaffens, Erfolge und Scheitern inklusive. Er selber muss, angesichts der Geschichten, die er erzählt, hin und wieder schlucken, während das Publikum weint, staunt und sich irgendwo zwischen „Ich weiß genau, was du meinst!“ und „Ja, und wie ging‘s dann weiter?“ befindet. Wingenfelder gibt sich – introspektiv und fast selbstvergessen – seinen Liedern und somit seinen Erinnerungen hin und scheint gelegentlich fast überrascht, dass da Leute sitzen und ihm zuhören.

Thorsten Wingenfelders Solo-Show hat einen langen Nachhall, wie ein Gespräch mit einem guten Freund – „Komm rein, aber ich hab nicht aufgeräumt“. Den großen Gestus seiner Rockstarhelden hat „das kleine W“ gar nicht nötig, vielleicht ist er sogar der leiseste Entertainer der Welt. Aber ein verdammt guter. Dahingehend scheint Einigkeit zu herrschen – nach dem überaus erfolgreichen Konzert in der Marlene vergangenen Pfingstmontag, hat man sich bereits für die nächsten beiden Jahre an Pfingsten fest verabredet, unnütz zu erwähnen, dass die Karten für 2020 bereits knapp werden.

Text: UM

Foto: Olaf Gebert

Am 06. September diesen Jahres spielt Thorsten Wingenfelder aber erst noch mal gemeinsam mit Purple Schulz und Jon Flemming Olsen auf der Insel Wilhelmstein im Steinhuder Meer. Der Abend trägt den schlüssigen Namen „Singer, Songs & Storytellers“. Tickets sind ab 59,60 Euro zu haben, weitere Informationen unter www.blockmusik.de.


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