Ein letztes Wort im Januar

Herr Weil, wir reden heute natürlich über die SPD.
Wie jedes Mal in letzter Zeit, oder täuscht da mein Eindruck?

Na ja, beim letzten Mal haben wir unter anderem über die Oberbürger-meisterwahl in Hannover …
Okay, reden wir über die SPD.

Wie war der Parteitag aus Ihrer Sicht? Aufbruch?
Viele Delegierte sind wohl mit ungewissen Erwartungen hingefahren. Eine Woche zuvor hatte es ja den Mitgliederentscheid gegeben, mit dem Votum der Mitglieder für eine neue Parteiführung. Dass sich mit zwei neuen Führungspersonen etwas ändern würde, das war klar. Welche Signale die beiden aussenden würden, wusste keiner. Auch nicht, ob wir es schaffen würden, alles konstruktiv und sachlich miteinander hinzubekommen. Das alles stand in den Sternen – und gemessen daran war es dann im Endeffekt aus meiner Sicht ein guter Parteitag. Es wurden wichtige inhaltliche Beschlüsse gefasst, die gut sind für das Land und für die Bürgerinnen und Bürger. Der Parteitag war von dem Willen geprägt, sich gemeinsam und geschlossen an die weitere Arbeit zu machen. Dazu hat auch die neue Parteiführung beigetragen.

In den Medien wurde und wird die SPD ja schon wieder ein bisschen durch den Wolf gedreht, das neue Führungsduo habe viel versprochen und liefere nun wenig, kein Ausstieg aus der GroKo, wortbrüchig, und so weiter.
Eines der positivsten Ergebnisse des Parteitags ist, dass die Große Koalition mir nach diesem Parteitag um einiges stabiler erscheint als vor dem Parteitag. Ein Antrag auf sofortigen Austritt der SPD aus der Koalition in Berlin ist von den Delegierten mit mehr als 90 Prozent abgelehnt worden. Der Leitantrag, der dann beschlossen wurde, ist sehr zurückhaltend im Sound. Es ist nicht von Nachverhandlungen die Rede, sondern von Gesprächen. Und es gibt ganz sicher Themen, bei denen niemand bestreiten kann, dass darüber zu reden ist. Beispielsweise wie es mit den Erneuerbaren Energien weitergeht. Sie sind die Grundlage für den Klimaschutz.

Es war viel die Rede vom SPD-Establishment, das jetzt verloren habe. Sie gehören als Ministerpräsident Niedersachsens klar zu diesem Establishment. Haben Sie verloren?
Ich bin Vorsitzender der SPD-Niedersachsen und in diesem Landesverband haben wir bislang keine besondere Diskussion über oben und unten. Da bin ich natürlich befangen, aber ich bin auch sehr viel im Land und innerhalb der SPD unterwegs und spreche mit vielen Mitgliedern. Mit dem Votum für die neuen Bundesvorsitzenden ist aber in der Tat zum Ausdruck gekommen, dass viele SPD-Mitglieder unzufrieden sind. Das war ein deutliches Signal. Die SPD hat eine neue Führung gewählt und auf dem Parteitag klare Weichen gestellt, jetzt schauen wir mal, wie es weitergeht.

Sind Sie jetzt optimistisch?
Ja, unter dem Strich bin ich das. Es wird natürlich kein leichter Weg sein, aber wir können auch deutlich besser werden. Das Jahr 2019 war für die SPD das schlechteste Jahr, an das ich mich erinnern kann. Wir haben uns viel zu lange nur mit uns selbst beschäftigt und das quittieren natürlich irgendwann auch die Wählerinnen und Wähler. Wenn die SPD heute in den Umfragen noch schlechter dasteht als vor 12 Monaten, dann müssen wir die Gründe dafür bei uns selbst suchen. Wir müssen uns wieder stärker mit den Fragen der Gesellschaft und den Problemen von Bürgerinnen und Bürgern beschäftigen. Wenn wir das im nächsten Jahr glaubwürdig tun, dann wird für die SPD auch wieder eine bessere Zeit anbrechen. Das Potenzial dafür ist allemal vorhanden. Man darf ja nicht vergessen, die SPD ist nach wie vor die mitgliederstärkste Partei in Deutschland mit weit über 400.000 Mitgliedern. Wir brauchen jetzt guten Willen auf allen Seiten und müssen aufeinander zugehen.

Wie fanden Sie Kevin Kühnert und die rote Socke?
Das war rhetorisch sehr gelungen, keine Frage. Das war auch nicht einzige Höhepunkt, Hubertus Heil hat beispielsweise ebenfalls eine glänzende Rede gehalten. Und beide sind jetzt stellvertretende Parteivorsitzende, das macht ja vielleicht alles einen höheren Sinn.

Also geht man nun aufeinander zu in der SPD, die Pole kommen zueinander?
Unterschiedliche Pole sind gar kein Problem, die Frage ist, ob diese Pole es schaffen, gut und konstruktiv miteinander zu arbeiten. Die SPD ist in ihrer Geschichte eigentlich immer gut damit gefahren, dass es unterschiedliche Richtungen gab in der Partei. Das eigentliche Wesen der SPD kommt für mich in einem Ausspruch von Wilhelm Raabe zum Ausdruck, bekanntlich auch ein Niedersachse: „Blick‘ auf zu den Sternen und gib acht auf die Gassen.“ Das ist immer schon das Wesen der SPD gewesen, sich sehr grundsätzliche Gedanken darüber zu machen, wie wir eigentlich zusammenleben wollen, wie unsere Gesellschaft beschaffen sein soll, aber sich gleichzeitig sehr konkret dafür zuständig zu fühlen, im Alltag die Verhältnisse zu verbessern. Wenn es gelingt, beides in Einklang zu bringen, dann haben wir gute Chancen.

Kommen wir noch mal kurz zu einem Ergebnis des Parteitags. Die SPD will die Vermögenssteuer wieder einführen.
Ja. Das steht auch schon seit etlichen Jahren im Grundsatzprogramm der SPD.

Das wird aber mit der CDU nicht zu machen sein.
Ganz sicher nicht. Aber in der SPD ist und bleibt das ein Überzeugung. Wobei wir wissen, dass wir unsere Überzeugungen nur dann zu 100 Prozent durchsetzen können, wenn wir die absolute Mehrheit haben, nicht nur im Bundestag, sondern auch im Bundesrat. Und wie Sie wissen, sind wir davon momentan noch ein Stück weit entfernt. Das mag also wohl noch ein bisschen dauern.

Aber sie arbeiten ja intensiv dran.
Worauf Sie sich verlassen können! Und übrigens: Wer sich eine konsequent sozialdemokratische Politik wünscht, muss sie auch wählen.

Noch zuletzt, es gab auch einen Beschluss zur Windkraft. Die sogenannte Energiewende ist unterm Strich bisher ein ziemliches Trauerspiel, oder? In der Branche sind beispielsweise in den letzten Jahren mehr Jobs verlorengegangen als es in der Braunkohle überhaupt gibt. Was ist da los?
Das ist ein Thema, das mich nicht nur im Augenblick, sondern bereits seit längerem sehr umtreibt. 2019 war das Jahr des Klimaschutzes, kein anderes Thema ist mehr diskutiert worden. Und die Notwendigkeit, jetzt rasch sehr viel auf den Weg zu bringen, ist ganz offensichtlich. Wenn man nun aber am Ende des Jahres Bilanz zieht, was sich etwa bei den Erneuerbaren Energien entwickelt hat, dann müssen wir uns wirklich Sorgen machen. Man kann wunderbar über die CO2-Bepreisung diskutieren, aber ohne die erneuerbaren Energien wird man die Ziele ohnehin nicht erreichen können. Derzeit haben wir tatsächlich das Risiko, dass die Windindustrie denselben Weg nimmt wie die deutsche Solarindustrie, nämlich den Bach hinunter, und das wäre eine Katastrophe für den Klimaschutz in Deutschland. Wir brauchen dringend einen Neustart der Energiewende! Das ist eines meiner wichtigsten Ziele für 2020 und soll nicht bei Neujahrsvorsätzen bleiben.
Interview: Lars Kompa


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