Im Gespräch mit Illi Hinzberg über ihre „schlachthofromanze“

Foto: Gero DrnekEin kleines, feines und sehr persönliches Buch über das Fury-in-the-Slaughterhouse-Fansein hat Illi Hinzberg da geschrieben. Und die gute Nachricht zuerst: Man muss Fury gar nicht mögen, um dieses Buch zu mögen. Es steckt auch so eine Menge drin. Illi Hinzberg funktioniert ganz generell wie ein Schwamm, wenn sie sich für etwas interessiert, wird alles aufgesaugt, was an Wissenswertem zur Verfügung steht. Man ist immer wieder überrascht, was sie so alles weiß. Und was sie dann daraus macht. In einem großen Kessel rührt dieser brachial-kreative Geist eigentlich permanent ein ganz eigenes Süppchen zusammen, das dann immer neu schmeckt, mal zum Lachen bringt und mal zum Grübeln, mal anrührt und traurig macht, mal erhellt und euphorisiert. Kostproben bekommt man im direkten Gespräch, da geht es je nach Tagesform auch mal im Staccato zur Sache, oder eben in kurzen oder langen Texten. Nun also dieses erste kleine Buch als Fan über das Fansein und über das Sein im Allgemeinen und Besonderen, sie hat ihren Fury-Schwamm genommen und die Essenzen in Buchform gegossen, auf ihre ganz eigene Weise. Ein Wagnis – für Fury. Denn wenn die Jungs etwas über ihre Band wissen wollen, fragen sie Illi, weil Illi alles weiß. Die Sorge erschließt sich sofort: Weiß die vielleicht zu viel? Man kann die Furys beruhigen. Völlig unbegründet! Illi ist Fan – Illi Hinzberg hält also bei aller Offenheit dicht. Jedenfalls weitgehend …

Wann ist die Idee zum Buch entstanden?
Ich habe ja 2017 begleitend zur Akustiktour einen Blog geschrieben, der ein bisschen gekürzt auch im Buch zu finden ist. Das war eigentlich Christofs Idee. Er hat mich gefragt, ob ich das machen will. Und ich wollte natürlich. Also hat er das den Furys als gute Idee verkauft, und dann durfte ich mitfahren. Ich war hellauf begeistert. Und hatte total Schiss …

Warum das?
Ich hatte Schiss, dass die Leute das scheiße finden oder mich scheiße finden. Ich hatte Shitstorm-Alpträume. Das war aber nicht so. Zum Glück. Ich habe ausnahmslos wohlwollendes Feedback bekommen, manche fanden es sogar richtig super.

Das erklärt den Blog, aber noch nicht das Buch.
Die Idee kam von meiner Freundin Cora Alexandrou, die kürzlich leider gestorben ist. Die hat gesagt: „Illi, schreib doch mal den ganzen Fury-Quatsch auf!“ Und ich so: „Blödsinn, wer soll denn das lesen wollen?“ Aber nach dem positiven Feedback zum Blog habe ich gedacht: warum eigentlich nicht. Ich mache das jetzt einfach.

Wir können die Leute beruhigen, du hast nicht alles aufgeschrieben, es sind 120 kurzweilige Seiten geworden. Aber das war nur das Manuskript. Jetzt ist es ein Buch, erschienen im Charles Verlag. Wie kam das?
Ich habe natürlich überlegt, was ich mit dem fertigen Manuskript anstelle und wollte das zuerst im Eigenverlag rausbringen. Aber dann habe ich spaßeshalber dem Manager von Fury mal eine Mail geschrieben. „Hier, ich habe da so was Kleines, eventuell ist es auch blöd. Vielleicht hast du Zeit, mal in die Probekapitel reinzulesen.“ Und ich habe eine fünfzeilige Mail zurückbekommen!

Das klingt, als wäre das etwas ganz Besonderes.
Und ob! Holger Hübner ist ein eher wortkarger Mensch. Von dem gibt es nur Nettotext, nicht mehr als unbedingt sein muss. Eine fünfzeilige Mail ist also vergleichsweise ungefähr ein Roman. Er hat gefragt, was ich brauche, was er tun kann, wie wir das Ding unter die Leute kriegen. Ich habe geantwortet, dass ich einen Verlag suche. Und er hat geantwortet, dass ich dann mal dem Björn Bedey eine Mail schreiben soll. Das habe ich gemacht. Und jetzt gibt es das Buch.

Lass uns mal über dich als Fan sprechen. Du zitierst ziemlich zu Beginn Christof, der dein Fan-Dasein in seiner typisch-charmanten Art kommentiert: „Ja, Illi, das ist aber auch, weil du völlig bescheuert bist!“
Ja. Wunderschön auf den Punkt gebracht, oder? Ich habe 23 Jahre damit zugebracht, dieser Band hinterher zu reisen und deren Platten und T-Shirts zu kaufen. Schon irre.

Dieser Sound zieht sich so ein bisschen durch das ganze Buch. Du versuchst niemanden zu missionieren und hältst keine Vorträge. Du magst, du liebst Fury. Niemand sonst muss das. Es ist deine persönliche Geschichte. Und das Buch ist darum stellenweise sehr persönlich.
Ja, es steckt sehr viel Persönliches drin, was nicht nur lustig ist. Da ist zum Beispiel Nikos Tod.

Ein ganz enger Freund, der nach schwerer Krankheit in deinen Armen gestorben ist.
Ja. Das war sehr schwer. Und das gehört jetzt zu mir wie das Fan-Ding. Darum steht es auch im Buch.

Du versuchst ja zum Einstieg zu klären, warum du ausgerechnet bei Fury gelandet bist und nicht zum Beispiel bei Bad Religion. Und da gibt es diesen Live-Moment bei Fury. Der hat dich gepackt.
Das ist wirklich ganz schwer zu greifen. Die machen da auf der Bühne irgendwas, das mich total einfängt. Ich bin ja immer sehr nah dran, früher in der ersten Reihe, heute meist oben an der Seite. Und ich finde es unglaublich schön, in den Gesichtern zu sehen, wie die sich immer noch freuen, wie überrascht und begeistert die manchmal sind über die Reaktionen des Publikums. Mindestens genauso begeistert wie das Publikum selbst. Das macht wahnsinnigen Spaß, denen dabei zuzusehen. Insbesondere in den Gesichtern von Christof und Thorsten spiegelt sich das. Und Fury ist einfach auch ganz anders als andere Bands. Andere Bands sind immer gleich gut. Fury nicht, die greifen auch mal daneben. Und genau das macht es so nahbar und für mich einzigartig.

Sie sind also auch nach alle den Jahren noch zugewandt und ziehen nicht einfach nur ihre Show durch.
Natürlich ziehen sie ihre Show durch, aber eben bei jedem Konzert eine etwas andere Show. Und die entsteht gemeinsam mit dem Publikum. Wenn Thorsten sich über das Publikum freut, dreht der richtig auf. Und wenn Gero in Mönchengladbach vor 15.000 Leuten sein Mandolinen-Solo bei „When I’m Dead and Gone“ spielt, und wirklich alle mit den Armen wedeln, dann kommt das ganz direkt auf der Bühne an. Die nehmen das noch wahr und freuen sich darüber, das ist für sie einfach keine Selbstverständlichkeit. Und man schaukelt sich dann so gemeinsam hoch, das Publikum und die Band. Und alle sind hinterher schlagkaputt, das Publikum und natürlich die Band.

Das Fury-Publikum ist aus deiner Sicht auch ein besonderes Publikum. Lauter freundliche Menschen …
Ja, auf den Konzerten herrscht immer eine sehr liebevolle Atmosphäre. Inzwischen kenne ich natürlich viele Fans. Da gibt es zum Beispiel so ein Ehepaar aus Lübeck, die sind überall dabei. Herrlich zurückgenommen, die turnen auch manchmal Backstage rum und freuen sich einfach, dass sie da sein können. Und so sind eigentlich die meisten. Alle sind sehr warm miteinander. Und auch wenn man sich nicht so besonders gut kennt, werden dann manchmal kurzfristige Allianzen geschlossen. Wie kann man helfen, dass jemand zum Konzert kommen kann? Da wird einfach schnell eine Fahrgemeinschaft organisiert. Das ist die Fury-Gemeinschaft.

Triffst du eigentlich oft Leute, die Fury hören und den Kopf schütteln. Und sich fragen, was mit dir nicht stimmt?
Ja, zum Beispiel Christof und Gero. Aber sie sind sich immerhin einig, dass es schlimmer hätte kommen können: „Hauptsache nicht Wishbone Ash!“ Klar, es gibt natürlich nicht wenige, die dieses Fan-Ding seltsam finden. Aber weil ich niemanden bekehren will, gibt es nur selten Reibungspunkte. Andere haben darüber ihre Meinung. Sie dürfen sie behalten. Ich mache einfach mein Ding. Benjamin von Stuckrad-Barre hat mal über das Fansein geschrieben, dass das Schöne daran ist, dass man himmelschreiend euphorisch und dumm sein darf und niemand einem das verübeln kann. Das trifft es eigentlich ganz gut.

Spannend ist ja, dass du viele Jahre Fan warst, und jetzt mit Gero zusammen bist. Band-intern nennen sie das Spielerfrau, oder? Wie kam das?
Ja, Spielerfrau. Und das ist einfach so passiert. Ich war ja nie Groupie, ich war immer Fan der Band und vor allem der Musik. Wenn der letzte Song, „Seconds to fall“, vorbei war, bin ich glücklich und beseelt nach Hause gelatscht. Und dann gab es mal einen Abend, da habe ich nach einem Streit mit meinem damaligen Freund abends zufällig Gero getroffen. Eine Freundin hatte versucht, mich abzulenken, die war dabei. Gero hat gesehen, dass es mir nicht sehr gut ging und hat gefragt, ob man mich irgendwie aufmuntern könnte. Und dann sind wir zu dritt zu ihm und hatten einen sehr lustigen Abend. In der Folge haben wir dann ab und zu mal füreinander gekocht, das ist so ein gemeinsames Hobby. Aber da war nie was. Obwohl das vielleicht nach außen schon anders aussah. Thorsten hat mal nachgefragt bei den Konzerten in der TUI-Arena. „Was ist denn das eigentlich mit euch?“ Nichts, natürlich. Nur gute Freunde. Und dann war da irgendwann doch was. Wenn du eigentlich nur Fan bist, tust du dir mit so einer Geschichte keinen Gefallen. Du hast etwas von weiter weg toll gefunden, dann lernst du das noch mal ganz anders und barrierefrei kennen – das ist nicht automatisch eine Verbesserung. Das ist so ein bisschen wie ein Gemälde angucken. Von weiter weg sieht es vielleicht aus wie ein Norman Rockwell, und wenn man dann näher dran geht, ist es doch Hieronymus Bosch. Ist nicht immer schön. Der Trick ist zu lernen, dass einem ein Gemälde von Hieronymus Bosch vielleicht auch gefallen kann.

Also schon eine Fan-Bewährungsprobe, wenn man so will. Hat dein Fansein gewackelt?
Das ist wie mit so einer langjährigen Ehe. Kurz vor der Silberhochzeit hat man noch mal eine richtige Krise. Dann ruht die Liebe vorübergehend, ehe es dann doch gemeinsam in den Endspurt geht.

kartoniertes Buch 120 Seiten, 13,00 Euro Infos unter www.charlesverlag.de/schlachthofromanze

Wie lange hat es geruht bei dir?
Drei Tage. Vielleicht vier (lacht).

Du bist und bleibst Fury-Fan.
Ja, da ist nichts zu machen. Mit Haut und Haaren.

Du hast geschrieben, du springst an Konzert-Tagen entgegen aller Gewohnheiten vorfreudig aus dem Bett.
Das ist sonst wirklich gar nicht meine Art. Ich bin vor den Konzerten auch immer total nervös. Und das geht nicht weg. Bei der Akustik-Tour wusste ich ja nach dem dritten Abend ziemlich genau, was kommen würde – nervös war ich trotzdem. Und wenn es dann losgeht und alles klappt und der Strom nicht ausfällt zwischendurch, bin ich erleichtert und glücklich.

Fühlt sich das an wie ein eigener Auftritt?
Nein. Dann wäre es für mich auch nicht schön. Ich habe fürchterliches Lampenfieber. Das ist wirklich ganz schlimm bei mir. Ich verzichte mal auf nähere Beschreibungen.

Spannend fand ich auch, dass du geschrieben hast, dass es kaum einen Ort gibt, an dem du dich sicherer fühlst als bei einem Fury-Konzert in der ersten Reihe – mit 15.000 Menschen im Rücken.
Schlechte Menschen kennen keine guten Lieder. Und wenn es doch mal Getrampel und Gerangel gibt, dann dreht sich die erste Reihe kurz geschlossen um und hebt mal die Augenbraue. Dann ist Ruhe. Fury-Fans passen sehr aufeinander auf. Niemand möchte da irgendwelche Geschichten erleben, alle wollen gemeinsam, dass es möglichst schön wird. Inzwischen ist das alles für mich auch immer wieder aufs Neue eine ganz emotionale Zeitreise.

Bei der manchmal die Tränen in Strömen fließen …
Ja, ich bin bei manchen Stücken sehr nah am Wasser gebaut.

Der Fury-Dolchstoß ins Herz. Und dann wird das Messer gedreht.
Aber auf die gute Art. Das ist mehr so Akupunktur. Die Musik macht was mit mir. Sie macht mir aber vor allem auch gute Laune. Wenn ich einen schlechten Tag habe, mache ich mir die eine spezielle Platte von Fury an – perfekt.

Beschreib doch mal die Furys jeweils mit ein paar Sätzen. Gero zum Schluss.
Dann fang ich mit Christof an. Ein wirklich schöner Mensch, auch so innendrin. Ich mag, dass er sehr demütig mit seiner Kunst umgeht und total dankbar ist, dass er das alles machen darf. Das macht ihn zu einem sehr angenehmen Zeitgenossen. Und er hat so einen ganz besonderen Gitarrensound. Rainer ist immer interessiert und zugewandt. Und ständig mit irgendwas beschäftigt. Der netzwerkt total viel. Was ich bemerkenswert finde, ist, dass er gerne Musik machen möchte, die Sinn ergibt, die über die Musik hinaus funktioniert. Ist ein sehr schöner Ansatz. Christian ist ein unfassbar guter Musiker und er hat einen sehr speziellen Humor. Ein extrem wortwitziger Mensch. Der übrigens echt gut singen kann. Ich würde mir wünschen, dass sie ihn mal lassen. Toll Klavier spielen kann er auch. Thorsten ist unheimlich fleißig, ein Arbeitstier. Der produziert. Und er ist sehr um das Publikum bemüht, das habe ich ja schon erzählt. Und dann Kai, manche nennen ihn Gott. Er hat mal so eine Fan-Mail bekommen mit dem Vorschlag, er möge doch bitte das Telefonbuch als Hörbuch einsprechen, weil das garantiert wunderschön wäre. Und ja, ich würde mir das kaufen. Mit Kai kann man unter vier Augen ganz fantastische Gespräche führen. Er kommt auf den ersten Blick so ein bisschen polterig rüber und ist einfach auch diese schillernde Frontgestalt, aber er ist tatsächlich ein absolut liebenswerter, aufgeschlossener, ganz offener Mensch, der viele Fragen stellt. Er weiß gerne, mit wem er es zu tun hat.

Und jetzt Gero.
Da bin ich natürlich befangen. Gero kann immer alles. Ein Instrument, das der nicht spielen kann, muss erst noch jemand erfinden. Schon so ein bisschen ein Genie. Was es aber manchmal auch nicht leicht macht für die Mitmusiker. Ich glaube, er wäre oft sehr gerne viel sanftmütiger. Das gelingt ihm aber nur sehr schlecht (lacht).

Du willst ja nicht missionieren, aber versuch mal trotzdem, mich zum Fury-Fan zu bekehren.
Das kann ich nicht. Du müsstest einfach mitkommen auf ein Konzert. Ich kenne sehr viele Leute, bei denen das so entstanden ist. Und dann hört man hinterher natürlich auch die Platten ganz anders, weil die Stücke mit diesem Live-Gefühl verbunden bleiben. Ganz am Ende ist es vielleicht gar nicht so sehr die Musik, ich bin vielmehr Fan von dem Gefühl, das die Musik in mir hervorruft. Ich mag ja auch viele andere Bands, aber dieses spezielle Gefühl habe ich nur bei Fury. Fury ist also das Mittel meiner Wahl und hilft gegen alles.

Wie hast du dich gefühlt, als damals Schluss war bei Fury?
Das Loch war tief. Und der Termin der Bekanntgabe, „okay, noch diese Tour, dann ist Schluss“, und meine Hochzeit fielen auch noch ausgerechnet auf einen Tag. Das war ein scheiß Timing. Und es war schlimm, ganz offen und ehrlich, nach dem letzten Konzert am  30. August 2008 bin ich in ein tiefes, tiefes Loch gefallen. Eine Weile habe ich dann versucht, alles blöd zu finden, was mit Fury zu tun hatte, die Musik, alles. Ich wollte damit dieser ganzen Fury-Zeit die Bedeutung entziehen, damit es nicht mehr so weh tut. Kennt man ja von Trennungen. Klappt meistens nicht. Ich habe dann in den folgenden Jahren aber immer gedacht, dass die Enden noch zu lose sind, dass das noch nicht auserzählt ist, dass es das noch nicht war. Dann kam 2013 und danach 2017 die große Runde. Und in der Zwischenzeit gab es die Wohnraumhelden und die D ’Drnek Brothers und Wingenfelder und Rainer Schumann hat eine Soloplatte gemacht. Und ganz am Ende gibt es ja auch noch Bad Religion (lacht).        ● Lak


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