Alle Räder stehen still, wenn Boris‘ starker Arm es will

Während sich in Deutschland eine Koalition anbahnt, die ganz dringend – also demnächst, eventuell, vielleicht, wenn es denn niemandem weh tut, mal gucken – etwas gegen den Klimawandel unternehmen will, zieht Boris Johnson im Vereinigten Königreich die Sache einfach durch. Ein Clown muss tun, was ein Clown eben tun muss.
Schon bei Corona bewies er, wozu ein einzelner Mann mit reichen Eltern, Elite-Schul-Bildung und bizarrer Frisur fähig ist. Im Alleingang versuchte er, Großbritannien in die Herdenimmunität zu führen. Indem er das Virus erst mal viele Alte und Schwache töten ließ, sich sogar selbst infizierte, dann dem Rest Europas den Impfstoff wegkaufte, gegen jeden wissenschaftlichen Rat EM-Spiele in vollgepackten Stadien zuließ, um schließlich am „Freedom Day“ alle Maßnahmen aufzuheben. Das funktionierte so mittel. Also eher gar nicht. Aber er war zufrieden mit sich. Und darum geht es ja beim Regieren: Wie soll man sein Volk lieben, wenn man sich selbst nicht liebt?
Nun also wendet er sich dem Klima zu: Unbemerkt von Greenpeace, Greta Thunberg und „Extinction Rebellion“ hat „Boris the Menace“ einen Plan entwickelt, den Verbrennungsmotor endgültig abzuschaffen. Doch statt diesen einfach zu verbieten, wie es die Ökostalinisten allerorten verlangen, sorgt er mit einem raffinierten Dreischlag von Brexit, katastrophaler Corona-Politik und schlechten Arbeitsbedingungen dafür, dass die Verbrenner einfach nicht mehr verbrennen können.
Wie fast überall fehlen in Großbritannien Lastwagenfahrer. 50.000 waren es schon vor Brexit und Corona. Inzwischen sind es dort aber 100.000 – und das Land bricht zusammen. Viele der „lorry drivers“ kamen aus Osteuropa und mussten die Insel aufgrund der neuen Immigrationsgesetze verlassen. Oder die verhassten Ausländer fanden es einfach nicht mehr attraktiv, sich im UK zu verdingen. Die Arbeitsbedingungen in dieser Branche sind zwar überall in Europa gleich beschissen, aber aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahre fragten sich viele der im Johnson-Reich tätigen Fahrer: Wenn ich schon einen harten, schlechtbezahlten Job mache, warum dann ausgerechnet in einem Land, indem ich auch noch unerwünscht bin, beschimpft werde und das Bier schaumlos und warm ist? Die den hohen Corona-Inzidenzen geschuldeten zusätzlichen Einreisebeschränkungen taten ihr Übriges.
Also stehen die Diesel nun still, was wiederum bedeutet, dass auch alle Benziner stillstehen. Weil keine Tankwagen das Benzin mehr zu den Tankstellen transportieren. Die BBC berichtet, dass bis zu 90 Prozent der „petrol stations“ auf dem Trockenen sitzen. Aber auch in den Supermärkten ist der Notstand ausgebrochen. Immer öfter sieht man dort leere Regale. Was könnten hier osteuropäische Fachkräfte leisten, die in 40 Jahren hinter dem Eisernen Vorhang gelernt haben, die wenigen volkseigenen Waren ästhetisch ansprechend in den meist zu großen Verkaufsstellen zu dekorieren? Wenn die Polen und Rumäninnen denn in England arbeiten dürften …
Fassen wir zusammen: Im UK schafft ein rechtspopulistischer, egomaner Kasper das, was deutsche Grüne und Linke sich noch nicht mal mehr zu fordern trauen: Ab sofort wird der Konsum radikal eingeschränkt und kein Benzin mehr verbrannt. Und er tut das ohne jede Umwelt-Agenda. Einfach so aus Dummheit, Arroganz und Empathielosigkeit. Respekt!

PS: Zum Schein tut Johnson übrigens so, als würde er etwas gegen den Notstand unternehmen. Wobei er sich große Mühe gibt, nur Maßnahmen zu ergreifen, die komplett sinnlos und/oder albern sind. So sollen nun doch Arbeitsvisa für Ausländer erteilt werden. Und zwar 10.500. Davon 5.000 für LKW-Fahrer, also exakt 95.000 zu wenig. Der Mann hat einfach Humor. Und die Visa sollen auch nur bis Heiligabend gelten. Das ist genau das Richtige für Menschen, die in einem fremden Land eine Perspektive brauchen.
PPS: Die irrste Idee aber betrifft in Großbritannien lebende Bundesbürger: Zehntausende Deutsche, die einen vor 1999 ausgestellten Führerschein der Klasse 3 besitzen, wurden – unabhängig davon, welchen Beruf sie gerade ausüben – von der britischen Regierung angeschrieben, ob sie nicht in Zukunft ihr Geld als LKW-Fahrer verdienen wollten. Weil diese alten deutschen Führerscheine es ihren Besitzern erlauben, einen 7,5-Tonner zu fahren. Auch der in Wales lebende Übersetzer meiner Theaterstücke bekam zum Beispiel einen solchen Brief. Er bedankte sich herzlich bei den Behörden, ließ sie aber wissen, dass er vorerst doch lieber Universitätsdozent bleiben wolle.
 ● Hartmut El Kurdi


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