Nelly Hagen von IKJA e.V.

„Think different, think one world!“ ist das Motto und zugleich Programm des Vereins. „Internationale Kulturelle Jugend-Arbeit e. V.“, so der ausgeschriebene Name, ist ein Begegnungsraum für junge Menschen mit und ohne Migrationshintergrund und macht sich für Integration, Bildung, ehrenamtliches Engagement und „eine Kultur des Miteinanders“ in Hannover stark. Von Anfang an dabei ist die zweite Vorstehende, Nelly Hagen.

Beruflich hat sie jahrelang Deutsch als Fremdsprache unterrichtet. „Das habe ich immer gern gemacht, aber irgendwann wurde mir das ein bisschen zu einseitig, ich wollte einfach mehr tun“, so die 54-Jährige. Im Rahmen eines spontan entstandenen Nachbarschaftsprojekts begegnete Hagen 2013 Alpha, einem neu angekommenen 17-jährigen Geflüchteten aus der Elfenbeinküste. „Dank meines Schulfranzösisch konnten wir uns verständigen, der Junge brauchte einfach ganz viel Unterstützung. Wir wurden seine Patenfamilie, und das war mein Einstieg in diese Arbeit. Obwohl er bei seiner Ankunft Analphabet war, hat Alpha hier den Hauptschulabschluss geschafft und ist demnächst mit seiner Ausbildung fertig“, freut sich Hagen. Durch ihren Patensohn, der heute noch in der Nachbarschaft wohnt und ganz engen Kontakt zur Familie hält, ist sie auf die großen Probleme unbegleiteter geflüchteter Jugendlicher aufmerksam geworden. „Er hat mir die Augen geöffnet und ich habe viel von ihm gelernt. Gleichzeitig habe ich entdeckt, wie wirksam ich werden kann, wenn ich mich hartnäckig einsetze“, beschreibt sie ihre Auseinandersetzungen mit so mancher Behörde. „Man kann Schicksale zum Positiven wenden und Menschen, die unglaublich viel Leid erlebt haben, ein bisschen Gerechtigkeit zurückgeben.“
Als 2015 eine große Zahl von Geflüchteten ankam, wusste Nelly Hagen, dass sehr viele von ihnen eine ähnliche Unterstützung brauchen würden wie ihr Patensohn. „Ich habe zunächst privat zwei junge afghanische Geflüchtete in Patenfamilien vermittelt. Beide waren stark traumatisiert, einer war kurz davor, sich das Leben zu nehmen. Beide haben sich innerhalb von kurzer Zeit dann ganz toll entwickelt. Es war klar, dass wir damit weitermachen mussten.“ Gemeinsam mit anderen MitstreiterInnen baute sie den Verein IKJA e.V. auf, und aus der kleinen ehrenamtlichen Paten-Initiative wurde ein umfassendes soziales Projekt.
Aber was bedeutet es eigentlich, Pate zu sein, Patin oder Patenfamilie? „So, wie jeder Mensch anders ist, ist auch jede Patenschaft individuell. Wie viel Zeit man zusammen verbringen möchte oder was man zusammen unternimmt, hängt von den Menschen ab. Mancher braucht jemanden zum Deutsch sprechen oder Nachhilfe für die Schule, während andere im Grunde eine Familie brauchen. Über die Jahre sind schon viele sehr enge Beziehungen gewachsen.“ Ein wichtiger Bestandteil der Initiative ist es, passende und tragfähige „Matches“ zwischen Geflüchteten und Paten oder Lernpaten zu finden.„Wenn schwer belastete Jugendliche einen Menschen haben, zu dem sie Vertrauen aufbauen können, der ihnen Rückhalt gibt und die Tür zu unserer Kultur öffnet, verändert das oft alles“, erklärt Hagen.
Seit der Verein über Fördermittel verfügt, konnte er professionelle Strukturen aufbauen, Mitarbeitende einstellen und Räumlichkeiten anmieten. Etwa 140 Ehrenamtliche gehören zum Netzwerk. Eine Bereicherung war es, dass man den Dolmetscher Farhad Qudrati als Mitarbeiter gewinnen konnte. Nicht nur spricht er Dari, Farsi, Paschtu und Urdu, sondern er blickt auch selbst auf eine Flucht aus Afghanistan und das Überwinden vieler Hürden bei der Integration zurück und kann so eine Brückenfunktion zwischen den Kulturen übernehmen.
IKJA ist heute nicht nur eine Schnittstelle zum Übergang in die Selbstständigkeit, sondern leistet Familien-, Bildungs- und Präventionsarbeit wie auch kulturelle Jugendarbeit mit Film- und Musikprojekten. Viele der betreuten Jugendlichen entscheiden sich für eine Ausbildung im Handwerk, der Pflege oder der Gastronomie. „Die scheuen nichts“, so Hagen. „Nur die schulischen Voraussetzungen dafür müssen sie erst einmal schaffen, und das ist oft ein Riesenproblem. Wir sind unendlich stolz darauf, dass viele trotz großer Startschwierigkeiten inzwischen eine Ausbildung abgeschlossen haben. Es macht unglaublich Freude zu sehen, wie viel man mit dieser Arbeit bewegen kann.“
● Annika Bachem

IKJA e.V. ist dringend auf der Suche nach weiteren PatInnen,
Lernpaten oder Patenfamilien! www.ikja.eu


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