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Ein letztes Wort im August…

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Ein letztes Wort im August…


Herr Weil, wir haben nach der Europawahl noch gar nicht über die SPD gesprochen. Tut weh, aber nützt ja nichts … Ich lege mal kurz den Finger in die Wunde: 15 Prozent insgesamt, und in Niedersachsen waren es auch nur etwas über 20 Prozent. Ein Desaster für die Sozialdemokratie in Deutschland …

Da haben Sie leider recht. Das war ein rabenschwarzer Tag und danach ist es ja auch nicht besser geworden …

Im Anschluss dann der Rücktritt von Andrea Nahles und die Personaldebatte um eine neue Parteispitze. Die SPD ist in den Umfragen danach sogar noch heftiger abgestürzt. Wie muss es denn jetzt weitergehen mit der SPD, damit es überhaupt weitergeht mit der SPD?

Da gibt es eine ganze Reihe Baustellen, die zusammen die Situation so schwierig machen: Wir müssen natürlich unsere Parteispitze neu regeln und schon das ist nicht so ganz einfach. Wir werden im Herbst über die Perspektiven der Bundesregierung und der Koalition reden müssen, Stichwort Halbzeitbilanz. Wir müssen dringend an unserem politischen Profil arbeiten und auch an der Art und Weise, wie sich die SPD in der Gesellschaft präsentiert. Das ist schon ein anspruchsvolles Programm, das wir erledigen müssen, um die SPD wieder in die Erfolgsspur zu bringen.

Könnten Sie mal ganz konkret benennen, für was die SPD inhaltlich heute steht, so ganz ohne die üblichen Politiker-Schleifchen?

Die Kurzfassung für mich lautet: Zusammenhalt und Zukunft. In unserer Gesellschaft gibt es offenkundig einen Trend zu immer mehr Individualisierung, Vereinzelung und auch Egoismus. Ich bin absolut sicher, dass es bei vielen Menschen ein tiefes Bedürfnis nach Zusammenhalt und Gemeinschaft gibt, zum Beispiel auf dem Arbeitsplatz, in der Freizeit und ganz generell in unserer Gesellschaft. Also mehr „wir“ statt mehr „ich“.  Das ist ziemlich genau das Bild, das die SPD von einer funktionierenden Gesellschaft hat. Also kein Gegeneinander von Alt und Jung, Arbeit und Umwelt, Deutschen und Ausländern, sondern ein Ausgleich, von dem alle etwas haben. Aber das alleine reicht sicher noch nicht. Dazu kommen muss die Vorstellung von einer Zukunft, die allen Herausforderungen zum Trotz Hoffnung macht.

Gibt es bei den Sozialdemokraten auch noch so etwas wie eine verbindende Vision, so eine Art Zukunftsmodell für Deutschland, hinter das sich alle versammeln können? Oder anders gefragt, wie stellt sich ein Sozialdemokrat unsere Gesellschaft 2030, 2040 oder 2050 vor?

Da kann ich dann gleich an meiner letzten Antwort anknüpfen. In zwanzig oder dreißig Jahren soll es in Deutschland weniger Ungleichheit und mehr Chancen für alle geben. Dann soll die Technik uns helfen, aber nicht beherrschen. Deutschland soll weiter wirtschaftlich erfolgreich sein, aber auf eine umweltgerechte Art und Weise, die überall auf der Welt auch ein Beispiel setzt. Dann soll unser Land ein starker Teil eines starken Europa sein, das für Weltoffenheit und soziale Verantwortung steht, und zwar überall. Deutschland und Europa sollen der Beweis dafür sein, dass eine freiheitliche Demokratie den Vergleich mit anderen Systemen nicht scheuen muss. Kurzum: Ein Land, in dem man richtig gerne lebt.

Ich vermisse bei vielen Politikern nicht nur in den Reihen der SPD sehr oft erkennbare grundsätzliche Haltungen. Den klaren Kompass. Und wundere mich dann gar nicht, wenn all die Fähnchen in Berlin im Winde flattern …

Das nehme ich jetzt nicht persönlich. Was ich Ihnen bis jetzt gesagt habe, hätte ich Ihnen vor fünf Jahren mehr oder weniger in den gleichen Worten auch sagen können. Nur dass ehrlicherweise bei vielen Fragen die Antwort nicht „schwarz“ oder „weiß“ lauten kann, sondern es auch oft Zwischentöne gibt. Wie im Privatleben doch auch.

Ich glaube, dass sich die Leute genau das wieder wünschen, klare Linien, klare Positionen, eine klare Unterscheidbarkeit. Kein Rumeiern. Und auch eine gewisse Kompromisslosigkeit. Kompromisse sind an sich ja nicht schlecht, wenn sie aber zu groß werden, sodass sich am Ende fast gar nichts mehr bewegt, dann verfehlen sie ihr Ziel. In Sachen Energiewende scheint der Kompromiss in der GroKo ja beispielsweise ziemlich groß zu sein.

Das sehe ich ganz anders. Von Helmut Schmidt gibt es den Satz „Wer zum Kompromiss nicht fähig ist, taugt nicht für die Demokratie“, und der trifft es ziemlich genau. Wie sollen wir denn sonst auch zu Mehrheiten kommen in einem Land, in dem absolute Mehrheiten immer seltener werden? Und wer kann eigentlich behaupten, im Besitz der alleinseligmachenden Wahrheit zu sein? Man muss nur einen großen Unterschied machen zwischen einem ehrlichen Kompromiss, einem faulen Kompromiss und Nichtstun. In Sachen Klimaschutz und Energiewende gibt es in der Berliner Koalitionsvereinbarung ein strammes Programm, das bis jetzt von den Ministern Altmaier und Scheuer ausgesessen worden ist. Das muss sich tatsächlich dringend ändern, hat aber nichts mit zu vielen Kompromissen zu tun.

Ich würde mir jemanden wünschen an der Spitze der SPD, der jetzt klar das Heft in die Hand nimmt, der die Ärmel hochkrempelt und mit einem erkennbaren Kompass und deutlich formulierten Zielen die Richtung vorgibt.

Wir stehen jetzt vor einem spannenden Wettbewerb, an dessen Ende die mehr als vierhunderttausend SPD-Mitglieder die neue Parteispitze bestimmen werden. Dabei wird auch die Richtung bestimmt werden und das auf eine urdemokratische Art und Weise. Ich bin guter Dinge, dass es am Ende Personen sein werden, die ihrem Wunsch entsprechen. Wahrscheinlich werden wir darüber noch reden, wie ich Sie kenne.

Mir fällt in den Reihen der SPD aber ehrlich gesagt fast niemand ein, der das mitbringt und nicht schon abgewunken hat. Fällt Ihnen jemand ein, Herr Weil?

Abwarten. Bis zum 1. September können sich Teams für eine Doppelspitze und auch Einzelkandidaten bewerben. Um Franz Beckenbauer zu zitieren: „Schaun mer mal, dann sehn mers schon!“

Dann zitiere ich zum Abschluss mal Molière. Und überlasse Ihnen, ob Sie das kommentieren: „Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“

Na, für diese Frage müssen Sie jetzt aber fünf Euro ins Phrasenschwein stecken!

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Renate Klöppel

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Renate Klöppel


In „Ein anderes Leben findest du allemal“ folgt der Leser der Protagonistin Lisa auf den Spuren eines Hannovers der 70er-Jahre. Renate Klöppel erzählt in ihrem Roman von dem Ringen einer Generation zwischen Nachkriegs-Kindheit und Wirtschaftswunder-Jugend nach eigenen, neuen Werten.

Foto: Renate KlöppelSo sehr sie Freiburg liebe, Hannover sei immer ihre alte Heimat geblieben – Renate Klöppel kehrt heute gern an die Orte ihrer Kindheit zurück, sei es zu einem einsamen Ausflug in den Berggarten oder einem Besuch des Maschsees an einem warmen Sommertag. Mit dem Schreiben hat die in Hannover geborene Autorin spät angefangen, denn obwohl sie ihre Leidenschaft dafür schon im Grundschulalter entdeckte, war es für sie immer eine Qual, mit der Hand zu schreiben. Klöppel studierte lieber Medizin und später Musik und kann heute auf vielfältige Berufserfahrungen zurückblicken: als Ärztin für Kinderheilkunde, als Mitarbeiterin einer Erziehungsberatungsstelle, als Dozentin an einer Musikhochschule. Mit der Anschaffung eines Computers im Jahr 1990 ging es für sie dann mit dem Schreiben richtig los. Zunächst schrieb Klöppel Sachbücher, die sich an der Schnittstelle von Musikpädagogik und Medizin bewegen. Mit ihrer bereits sieben Bände umfassenden Krimi-Reihe (mit dem Freiburger Genetik-Professor Alexander Kilian in der Hauptrolle) ist sie als Schriftstellerin bekannt geworden. Insbesondere manchen HannoveranerInnen mag auch ihr ab Mai 2002 als Komplettabdruck in der HAZ erschienene Roman „Der Pass“ bekannt sein. Mittlerweile zählt Klöppel das Schreiben neben dem Musizieren zu ihrer wichtigsten Tätigkeit.

In Klöppels drittem belletristischen Roman „Ein anders Leben findest du allemal“ folgt der Leser der Protagonistin Lisa, die für einen Tag nach Hannover – die Stadt ihrer Kindheit und Jugend – zurückkehrt. Auf Lisas Streifzügen durch Hainholz mit seinem alten Bahnhof bis in das noble Kirchrode, von den Herrenhäuser Gärten bis zum Stöckener Friedhof, wird das Hannover der 70er-Jahre lebendig. Daneben erinnert Lisa sich an ihr eigenes Aufwachsen: Der Vater ist meistens abwesend; die Mutter ertränkt ihre Sorgen in Alkohol; das Klima in der Familie ist von Gewalt und gegenseitigem Misstrauen geprägt. Sicher fühlt sich die junge Lisa nur bei ihrem Bruder Rudi, der jedoch nach immer heftigeren Streits mit den Eltern eines Tages von zu Hause abhaut. Dass Rudi aus politischer Überzeugung in die DDR gegangen ist, erfährt Lisa erst dreizehn Jahre später, als ihr Bruder plötzlich vor ihrer Berliner Wohnung auftaucht. Rudi, als Dissident verfolgt, hat mehrere Jahre Stasi-Gefängnis durchlebt und sucht Schutz bei Lisa, die ihn bei der Aufarbeitung seiner traumatischen Erfahrungen unterstützt, bevor sie selbst in einem einsam gelegenen Schwarzwaldhaus die Ruhe und die Kraft findet, sich der eigenen Familiengeschichte zu stellen und ihre Reise nach Hannover anzubrechen. Neben Lisas Ringen nach Freiheit und einem selbstbestimmten Leben wird somit auch das prototypische Schicksal eines DDR-Dissidenten erzählt. Für die Recherche zu der Figur Rudi hat Klöppel zahlreiche Interviews mit ehemaligen politischen Häftlingen in Stasi-Gefängnissen geführt, deren Schilderungen sich in erstaunlichem Maße geglichen hätten.

Text: Jette Groß

Ein anderes Leben
findest du allemal

Renate Klöppel
Wellhöfer Verlag
2018

352 Seiten
14,95 Euro

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Vera Marx

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Vera Marx


Fridays For Future Ortsgruppe Hannover
Arbeitskreisverantwortliche Aktion

Vera MarxFridays For Future, die Klimastreik-Bewegung, findet auch in Hannover immer mehr Anhänger: Auf der letzten Demo haben sich 4000 Schüler*innen, Studierende und sympathisierende Klimaaktivisten dem öffentlichen Protest für den Klimaschutz angeschlossen. Seit Ende Februar, als sich die FFF-Ortsgruppe in Hannover entwickelt hat, ist auch Vera Marx mit vollem Einsatz dabei und derzeit Ansprechpartnerin für den Arbeitskreis Aktion. Die 15-Jährige kommt nach den Sommerferien in die 10. Klasse und wohnt in Langenhagen. Sie erzählt uns im Café von der Zusammenarbeit mit den Students, Scientists und Parents For Future, den internen Debatten zur Positionierung der Ortsgruppe Hannover, von Unterstützer*innen sowie vom Umgang mit Klimaleugner*innen und dem Frustrations­potential angesichts politischer Untätigkeit.

Zuallererst fragen wir Vera, wie sich die FFF-Ortsgruppe Hannover strukturiert und mit welchem Arbeitspensum man rechnen muss, wenn man sich – wie Stadtkind-Praktikantin Carlotta – dafür interessiert, eventuell selbst mehr zu tun, als bei den Freitags-Klimademos mitzuprotestieren: „In der Ortsgruppe waren wir phasenweise fast 60 Menschen, aber als wir richtig angefangen haben zu arbeiten, sind immer mehr Menschen gegangen. Dadurch, dass es ja jetzt auch die Students for Future gibt – das sind nochmal 300-400 Menschen –, können sich einige von denen, die bei uns im Plenum waren, jetzt da einfinden. Im Moment sind wir um die 30 aktive Menschen, es kommt immer mal jemand dazu oder geht. Wie viel man tut, hängt ganz von einem selber ab und davon, wie sehr man sich reinhängt. Man kann es bei einem Plenum die Woche belassen, man kann aber auch in den Arbeitskreisen mitmachen. Da treffen wir uns schon öfter in der Woche, wenn wir konkret etwas planen. Viele waren eine Zeit lang komplett überlastet bei uns, das hat sich aber inzwischen etwas besser aufteilen können.“

Foto: Felix DresslerAn Aktionen hat die Ortsgruppe Hannover schon Verschiedenes erdacht und umgesetzt: Der alternative Stundenplan etwa hat ab 8 Uhr an einem Freitagmorgen bis zum Klimastreik am Nachmittag Aktionen wie Ampelblockaden, Flugticket-Design (mit dem Aufdruck „Oneway ticket in die Klimakrise“) und ein offenes Mikrofon mit Vorträgen und Redebeiträgen umfasst. Bei einer Kreideaktion wurde der ganze Opernplatz vollgemalt, bei den Fahrraddemos (die als normaler Demozug angemeldet und damit von der Polizei begleitet werden) wurden Klimaprotest-Schilder durch die Innenstadt gefahren. Finanziert ist das bisher noch ganz gut, sagt Vera: „Wir ,leben‘ quasi von Spenden und freuen uns auch immer über solche Unterstützung. Natürlich versuchen wir, die Ausgaben so gering wie möglich zu halten; also wenn wir Banner malen, nutzen wir erstmal alte Bettlaken, die noch jemand zu Hause hat, bevor wir Stoff kaufen u.s.w.. Wir bekommen zum Glück richtig viel Hilfe von den Parents und von Studierendenverbänden wie dem Asta zum Beispiel, andere NGOs in Hannover unterstützen uns. Was wir nicht annehmen, sind Parteispenden.“

Was sich total sympathisch anhört, ist der demokratische Aufbau der Organisation, über den die junge Klimaaktivistin weiß: „Wir versuchen, es unhierarchisch zu halten, dennoch haben wir delegierte Menschen, die auf Bundesebene den Ortsgruppenkonsens weiter kommunizieren. Diese geben aber nur Infos und Entscheidungen aus Hannover weiter und das ist dadurch entstanden, dass das die drei ersten waren, die sich zusammengetan und die erste Demo organisiert haben. Aber alles, was es zu entscheiden gibt, wird abgestimmt. Wir sind unterteilt in Arbeitskreise, die sich mit unterschiedlichen Dingen beschäftigen. Beispielsweise Öffentlichkeitsarbeit, ein Arbeitskreis kümmert sich um die Technik für die Demos u.s.w.. Für jeden Arbeitskreis gibt es eine verantwortliche Person – das bin ich jetzt zum Beispiel für den Arbeitskreis Aktion –, aber das heißt nicht, dass wir verantwortlichen Menschen über den anderen im Arbeitskreis stehen, sondern einfach, dass wir die Ansprechpersonen sind, wenn es um bestimmte Sachen geht. Wir haben jede Woche Plenum; jede zweite Woche treffen sich vor dem Plenum die Arbeitskreise und beim Plenum selbst bleiben nur noch die Arbeitskreisverantwortlichen und tragen zusammen, was sie erarbeitet haben. In der anderen Woche ist Plenum mit allen, die Bock haben.“ An wechselnden Orten, die man über die Kontaktmöglichkeiten unten erfragen kann, kann jeder zum Plenum kommen und kann sich „dort, wo er oder sie Interesse oder Talent hat, gerne einordnen“, sagt Vera.

Carlotta hakt nach und erfährt: „Studierende aus unserer Ortsgruppe haben die Ortsgruppe der Students for Future gegründet, weil da mit mehreren Tausend Studierenden in Hannover noch viel Potenzial drin steckt. Beim ersten Plenum waren gleich 400 Menschen, die eine eigene Struktur gebildet haben, dennoch arbeiten wir zusammen. Wir haben regelmäßig Treffen mit den Studierenden und stimmen uns ab, sodass nichts unabhängig voneinander abläuft. Neulich haben die Students zum Beispiel eine Zubringerdemo organisiert, sodass die Klimaproteste der verschiedenen Altersgruppen am Ende zusammengelaufen sind.“ Manchmal bleiben die Schüler*innen, die sich in Fridays For Future organisieren, aber auch ganz gerne in ihrer Altersklasse, so wie bei der Conference for Future Anfang Juli, berichtet Vera: „Wir wollten zum einen die Chance zur Vernetzung der Ortsgruppen aus Niedersachsen nutzen, und dann wurden Workshops angeboten. Ich war in einem, der den Kapitalismus mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht hat, andere haben Workshops besucht zu dem Thema, wie man mit dem Stress umgeht, den die ganze Planung verursacht. Vor längerer Zeit hatten wir schon ein Vernetzungstreffen organisiert, wo wir mit vielen NGOs aus Hannover zusammengekommen sind, wie Greenpeace und der Naturfreundejugend, und für die Workshops konnten wir uns ganz gut an die wenden. Die haben dann ehrenamtliche MitarbeiterInnen angeboten, die Lust hatten.“

Ganz unter sich waren die jungen FFF-Menschen aber nicht, denn sie hatten – wie schon oft – unliebsamen Besuch, wie Vera sich ungern erinnert: „Am ersten Tag der Conference waren die Menschen von der Klimakontroverse am Haus der Jugend, und das ist dann schon unangenehm – nicht, weil wir nicht mit denen diskutieren wollen, sondern einfach das Gefühl, dass die hinter uns herlaufen und sich einmischen und immer versuchen, Menschen von uns abzugreifen. Bei der ersten globalen Demo am 15.3. hatte die Klimakontroverse einen Infostand in der Nähe unserer Demo, da haben eine andere und ich uns ein paar Meter weiter hingestellt und Personen, die sich dort Flyer genommen haben, angesprochen und mit Argumenten konfrontiert. Im Voraus haben wir uns mit dem, was die so behaupten, auseinandergesetzt, ich habe z.B. auch mit meinem Physiklehrer darüber gesprochen, und so konnten wir deren Diagramme richtig gut widerlegen. Das lief bestens, bis die von der Klimakontroverse uns mehr als persönlich angemacht haben. Wir wurden beschimpft, das war alles ziemlich unangenehm. Wir versuchen da jetzt noch mehr Abstand zu halten und inhaltlich muss man sich sowieso nicht ernsthaft Sorgen drum machen: Die waren zum Beispiel auch auf dem Klimaausschuss und haben in der Fragerunde gesprochen, da wurden sie kaum ernst genommen.“

Auch an den Schulen ist die Unterstützung der FFF-Aktiven nicht selbstverständlich, weiß die Leibniz-Schülerin zu berichten: „Viele Schulen sind da total offen und die Schulleitungen positionieren sich positiv dazu. Eine Schule ist ja sogar schon mal gesammelt komplett zur Demo gegangen, andere dürfen überall Plakate aufhängen … Es gibt aber auch zwei, drei Schulen in Hannover, darunter meine, die dem nicht so offen gegenüberstehen. Ich darf zwar Plakate aufhängen, aber nur zwei in der ganzen Schule, und ich muss da jedes Mal aufs Neue mit der Schulleitung diskutieren. Es liegt aber auch mit an der Schüler*innenschaft, denn es gibt vereinzelte Menschen, die sich stark und bewusst gegen FFF positionieren, die Plakate abreißen und Flyer verteilen, wo Lindner zitiert wird und wo draufsteht ,Geht nicht zu den Demos, geht zum Unterricht‘. Von meinen Klassenlehrern supportet uns einer super und bietet seine Hilfe an, aber von anderen Lehrkräften bekomme ich mit, dass die das gar nicht so cool sehen und auf jeden Fall Menschen eintragen, wenn die fehlen.“

Foto: Felix DresslerAuch wenn es dafür Kritik hagelt: Was man nicht vergessen sollte ist, dass die Schüler*innen quasi in ihrer „Arbeitszeit“ demonstrieren und damit streiken – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit haben sie das jetzt schon öfter getan, als ihre Eltern oder andere Kritiker*innen in ihrem gesamten Leben. Zusätzlich zu den Schulstreiks haben zwei Demos in den Ferien und eine nachmittags stattgefunden, sodass der Vorwurf, das Schuleschwänzen sei das Hauptmotiv der FFF-Streiks, längst an Schlagkraft verloren hat.

Vom Gegenwind lassen sich Vera und die anderen Klimaprotestierenden aber bestimmt nicht aufhalten – sie lassen sich vielmehr neben den Demos immer wieder neue Wege einfallen, um auf die Verfehlung der Klimaziele aufmerksam zu machen und ihre Forderungen zu wiederholen: Senkung der Treibhausgasemissionen in Deutschland bis 2035 auf netto null; Kohleausstieg bis 2030; 100% erneuerbare Energieversorgung bis 2035.

Darüber hinaus erzählt Vera: „Offiziell sind wir politisch neutral, vor allem ordnen wir uns keiner Partei zu – das finden wir aber auch persönlich ganz wichtig. Klar sind Menschen aus Jugendgruppen einzelner Parteien bei uns vertreten, das heißt jedoch nicht, dass das auf die Bewegung irgendeinen Einfluss nimmt. Die letzte Demo zum Beispiel war deutlicher als die davor. Es frustriert einfach total, immer mehr zu machen und keine Ergebnisse zu sehen. Und das, obwohl wir echt keine Zeit mehr haben! Da fragt man sich schon, ob sich nicht das System ändern muss. In dem jetzigen funktioniert es ja offensichtlich nicht. Gleichzeitig ist es uns natürlich super wichtig, dass alle dabei sind. FridaysForFuture ist nicht nur die Menschen, die sich in der Orga engagieren, sondern alle, die mit auf die Straße gehen. Und für die sprechen wir natürlich auch.“

Und, um das nochmal klarzustellen: „Das mit dem ,Wir streiken bis ihr handelt‘ ist schon ernst gemeint. Die bundesweiten Forderungen beziehen sich hauptsächlich auf große Kohlekraftwerke, CO2-Steuer und sowas, das braucht man ja auf Hannover bezogen nicht nochmal zu erwähnen. Wir sind gerade dabei, ein Forderungspapier auszuarbeiten mit Forderungen, die sich speziell auf Hannover beziehen. Wir haben die Scientist For Future in Hannover, zu denen wir regelmäßig Kontakt haben, die helfen uns aktuell auch beim Formulieren der Hannover-Forderungen. Und wir haben viele Studierende, die sich wissenschaftlich mit dem Thema befassen, denen wir vertrauen. Ansonsten sind wir auch landesweit und bundesweit gut vernetzt.“

Carlotta will noch wissen, ob Vera viel an ihrem eigenen Verhalten geändert habe, seitdem sie bei Fridays For Future ist, und bekommt zur Antwort: „Vegan ernährt habe ich mich schon vor FFF, aber es ist schon so, dass man immer wieder auf Ideen gebracht wird, wie man den eigenen Alltag noch nachhaltiger gestalten kann. Und durch den Austausch mit neuen Menschen lernt man auch neue Produkte kennen. Ich kenne keinen Menschen, die*der sich bei uns engagiert und nicht selbst darauf achtet, so nachhaltig wie möglich zu leben. Die Botschaften, die wir ständig rüberbringen, sind ja zum einen, dass sich jede*r einzelne mit ihrem*seinem Leben auseinandersetzen sollte, nochmal gucken, wo kann ich noch was besser machen – aber vor allem auf den Demos geht es schon um das Handeln der Politik.“ Gerade die Auseinandersetzung mit den persönlichen Anteilen am großen Ganzen im Freund*innenkreis ist manchmal mühsam, räumt sie ein: „Ich stoße immer auf Einsicht, aber nie auf Handlungen. Viele Menschen, mit denen ich mich unterhalte, sagen, wie gut sie das finden, was ich mache und wie Recht ich habe, – aber für sie selbst wäre das zu anstrengend. Bei oder nach den Demos, wenn ich zum Beispiel mit einer Warnweste am Rand stehe, kommen aber auch viele Menschen auf mich zu und sagen dann so Sachen wie ,FFF hat mich politisiert, seitdem beschäftige ich mich total viel mit Nachhaltigkeit,‘ – das freut mich und uns natürlich richtig.“ Insgesamt ist es also mit der Klimabewegung so wie mit allen Bewegungen: Was es braucht, um die Politik zum Handeln zu bewegen, ist ein verdammt langer Atem. So fasst Vera schließlich zusammen: „Wir sind alle motiviert, etwas zu ändern, wir packen ja auch selbst an, aber nach Gesprächen – zum Beispiel neulich mit dem Oberbürgermeister – sind wir oft auch richtig frustriert, weil irgendwie nie was dabei rumkommt. Wir streiken jetzt schon ein halbes Jahr, und es ist immer noch nicht viel passiert. Aber das heißt nicht, dass wir denken, das bringt dann auch in Zukunft nichts, im Gegenteil: Wir werden immer weiter machen, bis sich endlich etwas ändert. Uns ist klar, dass nächstes Schuljahr nicht alle Menschen jeden Freitag mitstreiken werden – aber genauso klar ist, dass es in drei Jahren immer noch mehr als tausend Menschen sein werden, die mitstreiken, und dass das Thema den Kindern und Jugendlichen weiter wichtig sein wird.“

Interview: Anke Wittkopp und Carlotta Jarchow, Fotos: Felix Dressler

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Thorsten Wingenfelder

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Thorsten Wingenfelder


Die richtig guten Geschichten, sagt man, passieren immer denjenigen, die sie auch erzählen können.  Und erzählen, das kann Thorsten Wingenfelder. Anders als im Zusammenspiel mit seinen Fury-Kollegen oder seinem Bruder Kai in der Brüder-Band „Wingenfelder“, liegt der Fokus bei Thorsten Wingenfelders Soloprogramm durchweg auf dem Erzählen. Leise tut er das, fast vertraulich, und mehr noch: Er illustriert. Zeichnet Bilder von Situationen und Momenten, so realistisch, dass das Publikum sie vorm inneren Auge sehen kann. Alltagsmomente, schöne, hässliche, banale – der jüngste der drei Wingenfelder-Brüder arbeitet auch erfolgreich als Fotograf und weiß daher ganz genau, was auf einem Bild zu sehen sein muss, damit es wirkt. In seinen Liedern setzt er dieses Wissen geschickt um. Gelernt hat er das von einem seiner großen Vorbilder, Bruce Springsteen. Der habe in einem Interview in den frühen Neunzigern einmal gesagt, die ehrlichsten und auch glaubhaftesten Songs, die man schreiben könne, müssten aus der eigenen Westentasche kommen. Und jetzt, fast dreißig Jahre später, steht Thorsten Wingenfelder alleine auf der Bühne, leert nämliche Westentaschen und lässt die Hosen runter. Denn seit der Boss durch einen amerikanischen Hotelfernseher zu ihm sprach, ist viel passiert. Unausgesprochen: „Ich erhebe keinen Anspruch auf Richtigkeit, aber so habe ich das erlebt.“ Und los geht die musikalische Diaschau. Der Künstler selbst scheint sich nicht dafür zu schämen, dass er auf einigen seiner Bilder nicht gar so strahlend gut aussieht – „Unperfekt“ ist sein Credo. Das Publikum begleitet ihn durch die Anfangszeit seiner Karriere, die mit der Schülerband „All my colours“ am Gymnasium Foto: Olaf GebertGroßburgwedel begann und mit Fury in the Slaughterhouse durch die Decke ging. Die Zuhörer sind mit auf Reisen, wenn Thorsten und seine Frau Urlaub unter Palmen machen, was aber auch eine Bushaltestelle in Empelde sein könnte, Hauptsache, zusammen. Man hat Wingenfelders ältesten Sohn vor Augen, wie er als kleiner Junge in die weite Welt gehen wollte und heute, als Achtzehnjährigen mit Führerschein, der genau das tun wird. Völlig unprätentiös zeigt Thorsten Wingenfelder einen Querschnitt seines Lebens und seines musikalischen Schaffens, Erfolge und Scheitern inklusive. Er selber muss, angesichts der Geschichten, die er erzählt, hin und wieder schlucken, während das Publikum weint, staunt und sich irgendwo zwischen „Ich weiß genau, was du meinst!“ und „Ja, und wie ging‘s dann weiter?“ befindet. Wingenfelder gibt sich – introspektiv und fast selbstvergessen – seinen Liedern und somit seinen Erinnerungen hin und scheint gelegentlich fast überrascht, dass da Leute sitzen und ihm zuhören.

Thorsten Wingenfelders Solo-Show hat einen langen Nachhall, wie ein Gespräch mit einem guten Freund – „Komm rein, aber ich hab nicht aufgeräumt“. Den großen Gestus seiner Rockstarhelden hat „das kleine W“ gar nicht nötig, vielleicht ist er sogar der leiseste Entertainer der Welt. Aber ein verdammt guter. Dahingehend scheint Einigkeit zu herrschen – nach dem überaus erfolgreichen Konzert in der Marlene vergangenen Pfingstmontag, hat man sich bereits für die nächsten beiden Jahre an Pfingsten fest verabredet, unnütz zu erwähnen, dass die Karten für 2020 bereits knapp werden.

Text: UM

Foto: Olaf Gebert

Am 06. September diesen Jahres spielt Thorsten Wingenfelder aber erst noch mal gemeinsam mit Purple Schulz und Jon Flemming Olsen auf der Insel Wilhelmstein im Steinhuder Meer. Der Abend trägt den schlüssigen Namen „Singer, Songs & Storytellers“. Tickets sind ab 59,60 Euro zu haben, weitere Informationen unter www.blockmusik.de.

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Bar Añejo

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Bar Añejo


In der Bar Añejo wird von gut gelaunten Menschen Barfood mit lateinamerikanischem Einschlag serviert – ob die gute Laune an der heiteren Karibik-Hintergrundmusik liegt, an den rund 50 Rumsorten, die hier mit eigens hergestellten Sirups zu köstlichen Cocktails gemixt werden, oder an den bunten Kreationen der karibischen Küche, ist dabei zweitrangig. Ansteckend ist sie allemal. Wer mit schlechter Laune kommt, wird die schnell los – und bekommt stattdessen zum idealen Sommerdrink innovatives Fingerfood und andere tropisch-leichte, auch vegane und vegetarische Gerichte.

Im schlichten, aber nett und für Linden ruhig gelegenen Außenbereich sitzt man bequem und kann sich der umfangreichen Getränkekarte widmen, die mit außergewöhnlichen Drinks überrascht. Zum Beispiel mit dem Santico, der dank gutem Ron Barcelo Gran Anejo, Honig, Limette und Soda dem Gaumen schmeichelt. Oder dem Fiero Highball, einem flammend roten Martini-fiero-, Gin-, Tonicwater- Mix, der seine interessante Note Rosmarin und Orange verdankt. Ausgewählte Highballs kosten von 18 bis 22 Uhr nur 5,50 Euro, sodass man auch mal den einen oder anderen der wechselnden Añejo-Drinks probieren kann – was sehr zu empfehlen ist! Die 44 Rum- plus vier Rumlikör-Sorten kann man besser in einem der regelmäßig stattfindenden Tasting kennenlernen.

Als Grundlage für die gefährlich leckeren flüssigen Versuchungen bieten sich Yuca (für 5,90 Euro) an, Maniokwurzeln in Form frittierter Sticks, eine – weder faserige noch holzige, vielmehr innen weiche und außen krosse – tolle Konkurrenz zu fettigen Pommes. Geschmack erhalten sie durch eine milde Gausa-Sauce (wie sämtliche Saucen, Cremes und Pasten selbstgemacht) und den zum Überbacken verwendeten Gouda. Sie werden auch nach 22 Uhr noch angeboten, ebenso Empanadas mit verschiedenen Füllungen zu je 3,50 Euro. Angenehm am Sommerabend ist auch der Ensalada de la casa (für 8,90 Euro); ein lockerer Salat mit Ziegenkäse, Papaya und Tomaten sowie freudig-schockierend süßem Honig-Apfel-Essig-Dressing. Die mitgegebenen Maistaler saugen, goldig knusprig und glutenfrei, den großzügigen Rest vom fast ahornsaftigen Nass zum In-den-Mund-Transportieren auf.

Den venezolanischen Newcomer Arépa (Teigtaschen aus Mais, die je nach Geschmack individuell befüllt werden) oder die Ceviche (Fischgerichte der peruanischen Küche), schaffen wir nicht auch noch, sondern wenden uns den Patacones zu: Wie ein Burger sieht so ein Patacon aus (vegetarisch für 7,50 Euro), als Burgerbrötchen-Hälften dienen allerdings zwei doppelt gebratene und dadurch chips-krosse Kochbananenscheiben, zwischen denen sich frische Avocado, Paprika und Tomate mit einheimischen Pilzen und Möhren sowie saucigen Salat- und Käsehobeln mischen. Rindfleisch (8,90 Euro) oder gegrillte Hähnchenbrust (7,90 Euro) können das Ganze nach Wunsch zum fleischigen Burgerersatz machen.

Unbestrittener Star für Fleischfreunde ist der Pabellon (für 12,50 Euro), ein traditionelles venezolanisches Gericht aus Pulled Beef (Geschnetzeltem vom Schmorbraten), das von nun gekochten Kochbananen, Paprika und Zwiebeln sowie schwarzen Bohnen mit Fetakrümeln, Korianderstippe und Basmatireis umrahmt wird – im Gegensatz zum feurigen mexikanischen Essen mit seinem intensiven Geschmack ist diese Variante eher auf Leichtigkeit um die fruchtigen Aromen herumkomponiert, was den stärkehaltigen Produkten sehr gut steht. So schmeckt der Sommer – nicht nur rund um das karibische Meer sondern, egal zu welcher Jahreszeit, auch in der Bar Añejo!

Text: Anke Wittkopp

Elisenstraße 22, 30451 Hannover
Tel. (0511) 49 53 72 41
www.bar-anejo.de

Öffnungszeiten:
Di – Sa 18-2 Uhr,
So 15:30-22 Uhr

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Katherina Campe

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Katherina Campe


von Ingenieure ohne Grenzen e.V.

Foto: Frank RohneOhne den Beitrag von ehrenamtlich Engagierten wäre unsere Gesellschaft um einiges ärmer. Neben den freiwilligen Helfern, die unsere Gesellschaft hier vor Ort bereichern, gibt es auch einige, die sich für Menschen andernorts einsetzen. Katherina Campe engagiert sich unter anderem bei Ingenieure ohne Grenzen für ein Projekt, das sauberes Wasser in einem ugandischen Dorf ermöglichen möchte.

Katherina Campe (33) arbeitet seit 2012 bei der Stadt Hannover. Nachdem sie 2013 im Anschluss an ihr Architekturstudium noch ein nebenberufliches Masterstudium abgeschlossen hatte, startete sie zusammen mit einem Freund eine Reise nach Afrika: In einer Zehntagestour entdeckten sie die Landschaften von Kenia und Tansania, auf dem Weg von Nairobi nach Sansibar. Auch lange nach ihrer Rückkehr ließen sie die Eindrücke nicht mehr los. Vor allem die teils desolaten Lebensumstände in den Dörfern, die sie unterwegs gesehen hatten, regten Katherina zum Nachdenken über ihr eigenes Leben in der Konsumgesellschaft im Kontrast zu den Verhältnissen vor Ort an. Ein Auslöser, der sie dazu bewegte, ihr Leben neben ihrer Arbeit durch ehrenamtliches Engagement mit etwas Sinnvollem zu bereichern.

Knapp eineinhalb Jahre später setzte sie sich mit der ihr damals schon bekannten Organisation Ingenieure ohne Grenzen in Verbindung und stieg als Mitglied der Regionalgruppe Hannover ein. Zeitgleich kam eine Projektanfrage der ugandischen, christlich-gemeinnützigen Organisation Celebrate Hope Ministries. Mit deren Vision, mehr Menschen im Südwesten des Landes den Zugang zu sauberem Wasser zu ermöglichen, entstand das Projekt „Sauberes Wasser für den Distrikt Rakai“, das 2015 mit ersten Schritten auf den Weg gebracht wurde.

Das Projekt zielt auf eine Verbesserung der Wasserversorgung im Dorf Minziiro. Für das auf einem Hügel gelegene Oberdorf steht nur verdrecktes Oberflächenwasser aus weit entfernten, im Unterdorf gelegenen Wasserstellen zur Verfügung. Damit es in Zukunft eine verlässliche Versorgung mit sauberem Wasser gibt, soll ein Brunnen am Fuße des Hügels gebohrt werden. Das Wasser kann dann vom Brunnen aus durch eine solarangetriebene Pumpe in einen Tank in der Nähe der Schule im Oberdorf gefördert werden.

Die erste Erkundung im Dorf wurde 2016 von Katherina und einem Mitfreiwilligen in Kooperation mit der Partnerorganisation CHM durchgeführt. CHM fungiert auch als Dolmetscher vor Ort und unterstützt beim Kontakt zu Spezialfirmen in Uganda für die Brunnenbohrung. Sie stellen außerdem den Kontakt zu den Dorfbewohnern her. Für Katherina spielt dieser persönliche Kontakt eine ganz wichtige Rolle. „Wir wollen nicht wie eine Organisation auftreten, die sagt: Wir kommen, wir machen was und dann sind wir wieder weg.“ Stattdessen soll das Projekt gemeinsam mit den Dorfbewohnern auf Augenhöhe umgesetzt werden.

Das scheint gut anzukommen, denn die beiden wurden herzlich im Dorf empfangen, das natürlich im Projekt involviert ist. So wurde Anfang 2018 beispielsweise ein Wasserkomitee mit mehreren Dorfbewohnern gegründet, die sich künftig um das System kümmern sollen. Am Ende werden die Menschen einen geringen, auf ihre Kaufkraft abgestimmten Betrag für das Wasser zahlen, sodass der Betrieb und die Wartung des Systems gewährleistet werden können. Wie mit dem Tank und den Wasserkanistern umzugehen ist, das wird Ingenieure ohne Grenzen den SchülerInnen während der Implementierung mittels sogenannten WASH-Schulungen (Water, Sanitation, Hygiene) näher bringen. Diese Schulungen werden in Zusammenarbeit mit der Partnerorganisation zuerst an der Schule durchgeführt, um so auch einen Wissenstransfer in die Familien zu erhalten. Ebenfalls sollen Handwerker für das Projekt ausgebildet werden, die sich um die Wartung des Systems kümmern können. Langfris­tiges Ziel ist dabei natürlich, das Dorf in die Lage zu versetzen, das Sys­tem selbstständig zu warten und zu pflegen und kleinere Probleme selbst beheben zu können.

Momentan steht die Brunnenbohrung an. Sie startet, sobald das letzte Drittel an Spendengeldern geflossen ist. Und Spender sind natürlich immer gerne gesehen. Oftmals gestaltet sich das Spendensammeln schwierig. Viele große Unternehmen in und um Hannover unterstützen bereits regionale Projekte, sodass oft kein Interesse besteht ein zusätzliches Projekt im Ausland zu unterstützen. Jetzt wird versucht, mit größeren Stiftungen in Kontakt zu treten.

Überhaupt ist Kommunikation das A und O ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit und nimmt den Großteil der Zeit ein. Zahlreiche Treffen und die Arbeit mit CHM müssen koordiniert werden. Neben ihrem Job sei das alles aber ganz gut machbar, erzählt Katherina. Inzwischen teilt sie sich neben der Projektleitung (seit 2015) zusätzlich mit einer Freundin das Amt als Ansprechpartnerin. Doch damit ist ihr ehrenamtliches Engagement noch nicht zu Ende. Denn während einer weiteren viermonatigen Afrikareise hat Katherina 2017 ein Kinderheim in Tansania kennengelernt und die Idee entwickelt, mit einem Verein dieses Heim finanziell und die Kinder mit Paten zu unterstützen, unter anderem damit sie zur Schule gehen können. So entstand mit einigen MitstreiterInnen der eingetragene Verein Giving Smiles (givingsmiles.org). Und Katherina und ihre zwei Freundinnen geben als Vorstandstrio ihr Bestes, um noch mehr Menschen ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern! Beispielhaft!

Text : Carlotta Jarchow
Foto: Frank Rohne

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