Tag Archive | "2021-11"

Nelly Hagen von IKJA e.V.

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Nelly Hagen von IKJA e.V.


„Think different, think one world!“ ist das Motto und zugleich Programm des Vereins. „Internationale Kulturelle Jugend-Arbeit e. V.“, so der ausgeschriebene Name, ist ein Begegnungsraum für junge Menschen mit und ohne Migrationshintergrund und macht sich für Integration, Bildung, ehrenamtliches Engagement und „eine Kultur des Miteinanders“ in Hannover stark. Von Anfang an dabei ist die zweite Vorstehende, Nelly Hagen.

Beruflich hat sie jahrelang Deutsch als Fremdsprache unterrichtet. „Das habe ich immer gern gemacht, aber irgendwann wurde mir das ein bisschen zu einseitig, ich wollte einfach mehr tun“, so die 54-Jährige. Im Rahmen eines spontan entstandenen Nachbarschaftsprojekts begegnete Hagen 2013 Alpha, einem neu angekommenen 17-jährigen Geflüchteten aus der Elfenbeinküste. „Dank meines Schulfranzösisch konnten wir uns verständigen, der Junge brauchte einfach ganz viel Unterstützung. Wir wurden seine Patenfamilie, und das war mein Einstieg in diese Arbeit. Obwohl er bei seiner Ankunft Analphabet war, hat Alpha hier den Hauptschulabschluss geschafft und ist demnächst mit seiner Ausbildung fertig“, freut sich Hagen. Durch ihren Patensohn, der heute noch in der Nachbarschaft wohnt und ganz engen Kontakt zur Familie hält, ist sie auf die großen Probleme unbegleiteter geflüchteter Jugendlicher aufmerksam geworden. „Er hat mir die Augen geöffnet und ich habe viel von ihm gelernt. Gleichzeitig habe ich entdeckt, wie wirksam ich werden kann, wenn ich mich hartnäckig einsetze“, beschreibt sie ihre Auseinandersetzungen mit so mancher Behörde. „Man kann Schicksale zum Positiven wenden und Menschen, die unglaublich viel Leid erlebt haben, ein bisschen Gerechtigkeit zurückgeben.“
Als 2015 eine große Zahl von Geflüchteten ankam, wusste Nelly Hagen, dass sehr viele von ihnen eine ähnliche Unterstützung brauchen würden wie ihr Patensohn. „Ich habe zunächst privat zwei junge afghanische Geflüchtete in Patenfamilien vermittelt. Beide waren stark traumatisiert, einer war kurz davor, sich das Leben zu nehmen. Beide haben sich innerhalb von kurzer Zeit dann ganz toll entwickelt. Es war klar, dass wir damit weitermachen mussten.“ Gemeinsam mit anderen MitstreiterInnen baute sie den Verein IKJA e.V. auf, und aus der kleinen ehrenamtlichen Paten-Initiative wurde ein umfassendes soziales Projekt.
Aber was bedeutet es eigentlich, Pate zu sein, Patin oder Patenfamilie? „So, wie jeder Mensch anders ist, ist auch jede Patenschaft individuell. Wie viel Zeit man zusammen verbringen möchte oder was man zusammen unternimmt, hängt von den Menschen ab. Mancher braucht jemanden zum Deutsch sprechen oder Nachhilfe für die Schule, während andere im Grunde eine Familie brauchen. Über die Jahre sind schon viele sehr enge Beziehungen gewachsen.“ Ein wichtiger Bestandteil der Initiative ist es, passende und tragfähige „Matches“ zwischen Geflüchteten und Paten oder Lernpaten zu finden.„Wenn schwer belastete Jugendliche einen Menschen haben, zu dem sie Vertrauen aufbauen können, der ihnen Rückhalt gibt und die Tür zu unserer Kultur öffnet, verändert das oft alles“, erklärt Hagen.
Seit der Verein über Fördermittel verfügt, konnte er professionelle Strukturen aufbauen, Mitarbeitende einstellen und Räumlichkeiten anmieten. Etwa 140 Ehrenamtliche gehören zum Netzwerk. Eine Bereicherung war es, dass man den Dolmetscher Farhad Qudrati als Mitarbeiter gewinnen konnte. Nicht nur spricht er Dari, Farsi, Paschtu und Urdu, sondern er blickt auch selbst auf eine Flucht aus Afghanistan und das Überwinden vieler Hürden bei der Integration zurück und kann so eine Brückenfunktion zwischen den Kulturen übernehmen.
IKJA ist heute nicht nur eine Schnittstelle zum Übergang in die Selbstständigkeit, sondern leistet Familien-, Bildungs- und Präventionsarbeit wie auch kulturelle Jugendarbeit mit Film- und Musikprojekten. Viele der betreuten Jugendlichen entscheiden sich für eine Ausbildung im Handwerk, der Pflege oder der Gastronomie. „Die scheuen nichts“, so Hagen. „Nur die schulischen Voraussetzungen dafür müssen sie erst einmal schaffen, und das ist oft ein Riesenproblem. Wir sind unendlich stolz darauf, dass viele trotz großer Startschwierigkeiten inzwischen eine Ausbildung abgeschlossen haben. Es macht unglaublich Freude zu sehen, wie viel man mit dieser Arbeit bewegen kann.“
● Annika Bachem

IKJA e.V. ist dringend auf der Suche nach weiteren PatInnen,
Lernpaten oder Patenfamilien! www.ikja.eu

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Neu in der Stadt im November

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Neu in der Stadt im November


NaturKultur List
Gemeinschaftliches Gärtnern in der List: Unter dem Namen „NaturKultur List“ haben sich engagierte Nachbar*innen aus dem Stadtteil zusammengefunden, um einen Nachbarschaftsgarten im Stadtteil aufzubauen. Gemeinsam pflanzen, gießen, ernten, lernen, kochen – das und vieles mehr ist geplant auf der Grünfläche gegenüber der Leibnizschule (Ecke Röntgen- und Göbelstraße). Zwei Hochbeete, die vom Verein Ökostadt e.V. gespendet wurden, sind im Rahmen einer FerienCard-Aktion von zehn Kindern befüllt und bepflanzt worden. Denn nicht nur Erwachsene sollen von dem Angebot angesprochen werden: „Wir wünschen uns, dass Kinder erleben, wie Erdbeeren, Erbsen & Co. wachsen, und lernen, dass Obst und Gemüse nicht im Supermarkt entsteht“, sagen die Mitglieder von NaturKultur. In Kürze sollen im Gemeinschaftsgarten weitere Hochbeete sowie eine selbstgebaute Sitzgruppe des Lister Nachbarschaftsvereins Platz finden und somit neben der Möglichkeit für Urban Gardening auch Raum für nachbarschaftliche Begegnungen, Austausch und gemeinsame Aktivitäten entstehen. Für alle Neugierigen offene Treffen des Projekts finden immer montags ab 18.30 Uhr auf der Grünfläche an der Ecke Röntgen- und Göbelstraße statt. Mehr Infos zum Gardeningkonzept kann man per Mail an naturkultur@outlook.de erfragen.

 

Stadtteilzentrum Stöcken
Mit der Fertigstellung des Neubaus des Stadtteilzentrums Stöcken hat die Stadtteilkultur dort ein neues Zuhause gefunden – unter einem Dach mit dem Stadtteilladen und dem Leckerhaus, einer Initiative des Vereins Soziales Netzwerk Stöcken. Am 16. September wurde das Stadtteilzentrum in Anwesenheit von Oberbürgermeister Belit Onay feierlich eröffnet. Der Neubau am Stöckener Markt soll ein Ort für kulturelle Veranstaltungen sowie eine Anlaufstelle für die Bürger*innen aus dem Stadtteil sein. So gibt es einen Veranstaltungssaal mit 170 Sitzplätzen, in dem zum Beispiel Theaterabende und Workshops stattfinden. Zum weiteren Angebot gehören Rad- und Wandertouren, kreative und naturverbundene Seminare sowie Lesecafés. In den Entstehungsprozess sind auch die Bürger*innen und Anwohner*innen miteinbezogen worden: Bei dem Architekturwettbewerb, bei dem neben der Fachjury Vertretungen der Sanierungskommission, des Bezirksrats und des Rats dabei waren, wurde ein Entwurf ausgewählt, der hochwertige Komponenten aus der Passivhausbauweise vereint, etwa die Dämmung der Außenwände sowie Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung im Bereich des Saals und der Gruppenräume. Auf dem Dach des Gebäudes soll zudem eine Photovoltaikanlage installiert werden. Außerdem wurde beim Bau auf Barrierefreiheit geachtet und beispielsweise die Akustik des Veranstaltungssaals so weit optimiert, dass auch Hörgeschädigte Vorträgen folgen können. Eichsfelder Straße 101, 30419 Hannover. Mehr Infos unter www.stz-stoecken.de. Kontakt E-Mail: stz-stoecken@hannover-stadt.de, Tel. (0511) 168 43551.

 

Pi32
Als eine fröhliche Mischung aus Bar, Eventlocation, Spa und Coachingraum präsentiert sich das Pi32, das der neue Treffpunkt für sexpositive Menschen und experimentierfreudige Kulturjunkies in Langenhagen sein möchte. Am 10. Oktober hat die „kinky Kulturstätte“ ihre Eröffnung gefeiert und damit den Startschuss für nahezu unbegrenzte Möglichkeiten gegeben: Aufgeschlossene Anfänger*innen sowie alte Szenehasen sind gleichermaßen eingeladen, in der großen Event Hall Partys namhafter Veranstalter*innen zu besuchen, sich in der stylischen Bar im Untergeschoss zu einem Drink und Plausch zurückzuziehen oder sich zusammen mit ihrer Begleitung in eine der Lovesuites zurückzuziehen. Donnerstags und freitags hat man die Möglichkeit, einen Wunschtermin im hauseigenen Spa zu buchen. Außerdem gibt es regelmäßig frivole Bühnenshows, sinnliche Filmvorführungen, Stand-Up-Comedy, Drag- und Burlesque-Performances sowie kleine Erotikmessen zu entdecken. Ebenfalls auf dem Programm stehen Vorträge von Sexual-Coaches und Workshops der SocialSanctum-Akademie, die Paare und Kleingruppen in verschiedene BDSM-Praktiken einführen. Eine schwerpunktmäßige Kernzielgruppe gibt es jedoch nicht – das Angebot ist so facettenreich aufgestellt, wie es der Vielfalt der sexuellen Strömungen entspricht! Am 6. November gastiert Andre Kramer mit seinem Soloprogramm „Zuckerbrot ist alle“ im Pi32. Beginn 20 Uhr, Einlass 19 Uhr, Aftershowparty im Anschluss. Tickets gibt es für 20 Euro zzgl. VVK-Gebühr auf www.pi32.de/tickets. Hans-Böckler-Straße 32, 30851 Langenhagen, Kontakt E-Mail: office@pi32.de, Tel. 0176 325 00 77 4.

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Kosta Yoga – Inner Circle

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Kosta Yoga – Inner Circle


Mit Corona hatte die Entscheidung der beiden Hannoveraner Kosta und Tahra nichts zu tun, die europaweit erste Online-Yogaschule ins Leben zu rufen. Und doch bewährt sich das Konzept gerade in dieser Zeit, da viele Menschen im Home Office arbeiten und über mehr Stress, Verspannungen und innere Unruhe klagen, gleichzeitig aber die Fitnessorte und Yoga-Studios lange Zeit geschlossen waren. Im „Inner Circle“ können Schüler*innen in Online-Kursen eine der ältesten und spirituellsten Yogaformen kennenlernen, die in der westlichen Kultur praktiziert wird: Beim Kundalini-Yoga geht es darum, reines Bewusstsein mit kosmischer Energie zu verbinden. Im Alltag können die Techniken helfen, zu einem inneren Gleichgewicht zu finden, negative Gefühle und Widerstände abzubauen und insgesamt entspannter, gelassener und flexibler zu werden.  

Das Wort „Kundalini“ bedeutet so viel wie „Schlangenkraft“ oder „die Aufgerollte“. Symbolisch wird Kundalini als zusammengerollte Schlange am unteren Ende der Wirbelsäule dargestellt und steht für die schöpferische Kraft, die dem Menschen inne wohnt. Durch die Kundalini-Yoga-Asanas (Übungen) und -Kriyas (Übungsreihen) soll die Schlange erweckt werden und schließlich aufsteigen – hin zum „Prana“, der Lebenskraft.
Genau diese Lebenskraft zu aktivieren war für Kosta der ausschlaggebende Grund, vor etwa 15 Jahren einen Yoga-Kurs auszuprobieren. Es war damals auch ein Weg für ihn, mit seiner beginnenden MS-Erkrankung umzugehen, die seine Ambitionen im Leistungssport mit Anfang 20 ausgebremst hat. Seine erste Stunde bei einem Yoga-Lehrer in Hannover bescherte ihm einen heftigen Muskelkater – weckte aber auch seine Neugier, sich weiter mit den Übungen auseinanderzusetzen: „Ich habe drei Jahre fast täglich praktiziert. Mein damaliger Kundalini-Lehrer ist dann ausgewandert. Dann habe ich einen Kurs für Männer angeboten. Nach dem ersten Kurs folgte der zweite und so weiter. Die Ausbildung habe ich einige Zeit später nachgeholt, in Berlin und in Frankreich. Es war mir wichtig, dieses Fundament zu haben. Nun unterrichte ich seit zehn Jahren. Darüber hinaus habe ich auch eine Ausbildung in Gong-Meditation bei einem der großen Meister absolviert.“ Auch seine – beruflich wie private – Partnerin Tahra fand in einer für sie schwierigen Zeit zum Yoga: „Ich habe Kundalini-Yoga vor etwa sieben Jahren entdeckt, zu einer Zeit, als ich mein Leben umgekrempelt habe. Ich war Anfang 30, hatte gerade meinen Beruf aufgegeben, meine Partnerschaft beendet und spürte, dass etwas anderes, etwas Neues auf mich wartet. Zufällig kam ich in eine Kundalini-Yoga-Stunde zu Kosta. Es hat mich sofort gepackt! Von da an habe ich regelmäßig praktiziert, teilweise mehrmals pro Woche.“ Seit 2017 unterrichtet sie ebenfalls als Yoga-Lehrerin in der Kundalini-Praxis.
Nachdem die beiden zunächst ganz klassisch „offline“ ihre Workshops angeboten und auf internationalen Festivals unterwegs waren, wo sie von Teilnehmer*innen immer wieder nach Büchern und DVDs gefragt wurden, haben sie vor knapp drei Jahren den Schritt gewagt, eine Online-Yogaschule zu gründen. Auf diese Weise wollen sie Menschen, die einerseits nicht genug Zeit für einen regelmäßig stattfindenden Kurs, andererseits aber auch nicht das Geld für ein flexibles Eins-zu-Eins-Training haben, den Weg in eine Yoga-Praxis eröffnen, die sich ganz nach ihren persönlichen Lebensumständen richtet. So können die Schüler*innen den Unterricht entweder live auf Zoom verfolgen, mit den (internationalen) Lehrenden und der Community im Austausch sein und bei eingeschalteter Kamera auch Korrekturhinweise erhalten – oder sie schauen sich die aufgezeichnete Session zu einem späteren Zeitpunkt an, wenn es ihnen gerade passt.
Wer erst einmal reinschnuppern möchte, kann im Rahmen eines kostenlosen Probemonats eine „Fit in den Morgen“-Routine sowie eine „10-Minuten-Focus“-Meditation ausprobieren. Vorkenntnisse oder spezielles Equipment sind nicht nötig, nur ein PC, etwas Platz und Zeit – und natürlich Neugier! Mehr Infos gibt es auf www.kosta-yoga.com.

● Anja Dolatta

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Alle Räder stehen still, wenn Boris‘ starker Arm es will

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Alle Räder stehen still, wenn Boris‘ starker Arm es will


Während sich in Deutschland eine Koalition anbahnt, die ganz dringend – also demnächst, eventuell, vielleicht, wenn es denn niemandem weh tut, mal gucken – etwas gegen den Klimawandel unternehmen will, zieht Boris Johnson im Vereinigten Königreich die Sache einfach durch. Ein Clown muss tun, was ein Clown eben tun muss.
Schon bei Corona bewies er, wozu ein einzelner Mann mit reichen Eltern, Elite-Schul-Bildung und bizarrer Frisur fähig ist. Im Alleingang versuchte er, Großbritannien in die Herdenimmunität zu führen. Indem er das Virus erst mal viele Alte und Schwache töten ließ, sich sogar selbst infizierte, dann dem Rest Europas den Impfstoff wegkaufte, gegen jeden wissenschaftlichen Rat EM-Spiele in vollgepackten Stadien zuließ, um schließlich am „Freedom Day“ alle Maßnahmen aufzuheben. Das funktionierte so mittel. Also eher gar nicht. Aber er war zufrieden mit sich. Und darum geht es ja beim Regieren: Wie soll man sein Volk lieben, wenn man sich selbst nicht liebt?
Nun also wendet er sich dem Klima zu: Unbemerkt von Greenpeace, Greta Thunberg und „Extinction Rebellion“ hat „Boris the Menace“ einen Plan entwickelt, den Verbrennungsmotor endgültig abzuschaffen. Doch statt diesen einfach zu verbieten, wie es die Ökostalinisten allerorten verlangen, sorgt er mit einem raffinierten Dreischlag von Brexit, katastrophaler Corona-Politik und schlechten Arbeitsbedingungen dafür, dass die Verbrenner einfach nicht mehr verbrennen können.
Wie fast überall fehlen in Großbritannien Lastwagenfahrer. 50.000 waren es schon vor Brexit und Corona. Inzwischen sind es dort aber 100.000 – und das Land bricht zusammen. Viele der „lorry drivers“ kamen aus Osteuropa und mussten die Insel aufgrund der neuen Immigrationsgesetze verlassen. Oder die verhassten Ausländer fanden es einfach nicht mehr attraktiv, sich im UK zu verdingen. Die Arbeitsbedingungen in dieser Branche sind zwar überall in Europa gleich beschissen, aber aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahre fragten sich viele der im Johnson-Reich tätigen Fahrer: Wenn ich schon einen harten, schlechtbezahlten Job mache, warum dann ausgerechnet in einem Land, indem ich auch noch unerwünscht bin, beschimpft werde und das Bier schaumlos und warm ist? Die den hohen Corona-Inzidenzen geschuldeten zusätzlichen Einreisebeschränkungen taten ihr Übriges.
Also stehen die Diesel nun still, was wiederum bedeutet, dass auch alle Benziner stillstehen. Weil keine Tankwagen das Benzin mehr zu den Tankstellen transportieren. Die BBC berichtet, dass bis zu 90 Prozent der „petrol stations“ auf dem Trockenen sitzen. Aber auch in den Supermärkten ist der Notstand ausgebrochen. Immer öfter sieht man dort leere Regale. Was könnten hier osteuropäische Fachkräfte leisten, die in 40 Jahren hinter dem Eisernen Vorhang gelernt haben, die wenigen volkseigenen Waren ästhetisch ansprechend in den meist zu großen Verkaufsstellen zu dekorieren? Wenn die Polen und Rumäninnen denn in England arbeiten dürften …
Fassen wir zusammen: Im UK schafft ein rechtspopulistischer, egomaner Kasper das, was deutsche Grüne und Linke sich noch nicht mal mehr zu fordern trauen: Ab sofort wird der Konsum radikal eingeschränkt und kein Benzin mehr verbrannt. Und er tut das ohne jede Umwelt-Agenda. Einfach so aus Dummheit, Arroganz und Empathielosigkeit. Respekt!

PS: Zum Schein tut Johnson übrigens so, als würde er etwas gegen den Notstand unternehmen. Wobei er sich große Mühe gibt, nur Maßnahmen zu ergreifen, die komplett sinnlos und/oder albern sind. So sollen nun doch Arbeitsvisa für Ausländer erteilt werden. Und zwar 10.500. Davon 5.000 für LKW-Fahrer, also exakt 95.000 zu wenig. Der Mann hat einfach Humor. Und die Visa sollen auch nur bis Heiligabend gelten. Das ist genau das Richtige für Menschen, die in einem fremden Land eine Perspektive brauchen.
PPS: Die irrste Idee aber betrifft in Großbritannien lebende Bundesbürger: Zehntausende Deutsche, die einen vor 1999 ausgestellten Führerschein der Klasse 3 besitzen, wurden – unabhängig davon, welchen Beruf sie gerade ausüben – von der britischen Regierung angeschrieben, ob sie nicht in Zukunft ihr Geld als LKW-Fahrer verdienen wollten. Weil diese alten deutschen Führerscheine es ihren Besitzern erlauben, einen 7,5-Tonner zu fahren. Auch der in Wales lebende Übersetzer meiner Theaterstücke bekam zum Beispiel einen solchen Brief. Er bedankte sich herzlich bei den Behörden, ließ sie aber wissen, dass er vorerst doch lieber Universitätsdozent bleiben wolle.
 ● Hartmut El Kurdi

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Über Verantwortung

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Über Verantwortung


Liebe Leserinnen und Leser,

in dieser Ausgabe geht es im „Titelgespräch“ mit Hauke Jagau um Verantwortung. Auch so ein großes Wort. Verantwortung hat Gewicht. Man übernimmt sie, man trägt sie. Und manchmal trägt man schwer daran. Vor allem dann, wenn man verantwortungsvoll mit der Verantwortung umgehen will, wenn man entsprechende Ansprüche an sich selbst hat. Hauke Jagau hat 15 Jahre als Regionspräsident und davor 10 Jahre als Bürgermeister von Laatzen Verantwortung getragen. Und er hat immer viel gewollt und manches umgesetzt, auch gegen Widerstände. Jetzt hört er auf. Einfach so. Niemand hat ihn zu diesem Schritt drängen müssen – er geht freiwillig und ohne Kampf und Krampf. Auch keine Selbstverständlichkeit in diesen Zeiten, andere Berufspolitiker tun sich da bekanntlich deutlich schwerer … Er geht, weil es Zeit sei, so sagt er, und weil er den Job verantwortungsvoll übergeben möchte. Respekt!

Wenn man Hauke Jagau zuhört, dann wird sehr schnell klar, welche Motivation ihn ursprünglich zur Politik gebracht hat und welche Ideen und Ideale ihn bis heute begleiten. Er ist einer mit Werten und Überzeugungen im Gepäck. Er ist damals angetreten, um etwas zu gestalten und positiv zu verändern. Und sein Selbsttest, um noch immer zufrieden in den Spiegel blicken zu können nach all den Jahren in der Politik, hat mich beeindruckt: Er macht nichts, was er nicht im Nachhinein seinen Söhnen erklären kann. Das ist sein Maßstab.

Wir hoffen sehr, dass auch die neue Riege in Berlin sich Transparenz und Ehrlichkeit auf die Fahnen schreibt. Nur so entsteht langfristig wieder Vertrauen, nur so können Politikerinnen und Politiker zu guten Vorbildern werden, nur so erhalten sie jene Achtung zurück, die sie in der Mehrheit sicherlich verdienen. Und nur so werden sich wieder mehr junge Menschen für die politische Arbeit interessieren, für das Gestalten der Gesellschaft. Das ist uns allen sehr zu wünschen!

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