Ein offener Brief … an Papst Leo XIV.

Heiligkeit, zunächst einmal: Glückwunsch zur Wahl! Es soll ja kein ganz einfacher Job sein, aber immerhin gibt es eine goldene Badewanne, ein päpstliches X-Konto und jeden Sonntag hunderttausende Leute, die dir zuhören müssen, egal wie lang die Predigt ist. Davon träumen andere!

Doch leider liegt ein dunkler Schatten des Weihrauchs über deiner Inthronisierung: Der plötzliche Tod deines Vorgängers wirft Fragen auf. Nicht zuletzt deshalb, weil sein letzter offizieller Besucher kein geringerer war als der amerikanische Vizepräsident J.D. Vance. Der Hillbilly-Elegie-Typ aus dem Rostgürtel. Man fragt sich: Was haben die beiden wohl besprochen? Einen Generalsegen für Ohio? Den Bau einer neuen Tesla-Arche für rechte Kulturkämpfer? Oder hat J.D. dem alten Papst einfach seine Weltanschauung erklärt und der hat sich dann gedacht: „Ich habe zwei Jahrtausende Kirchengeschichte überlebt, aber das ist nun wirklich zu viel!“

Ganz ehrlich: Der Umstand, dass der Pontifex kurz nach dem Besuch eines Mannes ablebte, der sich als spiritueller Erbe Ciceros und gleichzeitig als Bodyguard des Trumpismus sieht, ist doch mindestens auffällig! Sollte da nicht wenigstens eine vatikanische Kommission tagen? Oder vielleicht mal ein Exorzist die Bude durchkärchern? Sicher ist sicher, oder?

Doch wenden wir uns lieber der Zukunft zu – also dir. Und damit der ironischen Komik unserer Zeit: Denn jetzt sitzt du dort auf dem Stuhl Petri, dessen rechtes hinteres Stuhlbein allein älter ist als jeder Nationalstaat. Deine Vorfahren haben irgendwann einmal unseren Kontinent der Kathedralen verlassen, um woanders eine neue, viel bessere Welt zu basteln. Gut, eine, in der man glaubt, Dinosaurier seien deswegen ausgestorben, weil sie das Ablegen der Arche Noah verpasst haben, aber sei’s drum. Jetzt kommst du zurück, dahin, wo die Beichtstühle, die Heiligenverehrung, der Gregorianische Kalender und der ganze andere heiße Scheiß erfunden wurde. Wie fühlt sich das so an? Und was wir uns auch fragen: Seit wann trägt der Neue Westen die Werte der Alten Welt wie eine Monstranz vor sich her? Was ist das für eine drollige messianische Umkehrung?

Heiligkeit, du übernimmst das Papstamt in einer seltsamen Zeit. Die alten Weltreiche sind lange zerfallen, aber auf TikTok geht das Abendland täglich mindestens dreimal unter. Der Katholizismus hat Influencer, die vom Zölibat so viel halten wie von der Erdrotation, und gleichzeitig feiern konservative US-Politiker das Tridentinische Messbuch wie eine patriotische Verfassung.

Die Neue Welt tut so, als hätte sie das Alte Rom erfunden. Das, mit Verlaub, tun US-Amerikaner oft: So tun, als hätten sie irgendwas erfunden, was aber andernorts schon seit 3.000 Jahren existiert. Deshalb rollen ja auch immer alle mit den Augen, wenn die Amis mal wieder das Rad neu erfunden haben wollen.

Vielleicht ist jetzt aber genau das deine große Chance! Wer, wenn nicht du, könnte dem moralisch enthemmten Neokonservatismus das Weihwasser reichen? Wer sonst könnte der religiösen Nostalgie des amerikanischen Kulturkampfes den Spiegel vorhalten? Wer anders kann noch ein kleines bisschen Einfluss nehmen auf den Wahnsinn, der sich in Übersee abspielt? Sag denen da drüben doch mal, dass Gott das nicht gut findet, was Trump so verzapft. Dass das Himmelreich auf Erden ohne Trump zwar nicht automatisch kommt, aber doch zumindest etwas greifbarer wird. Uns glaubt das ja keiner, dir aber vielleicht schon. Du könntest die Welt retten!

Dafür, Heiliger Vater, wünschen wir dir Kraft. Humor auch. Und vielleicht eine gewisse Resistenz gegenüber amerikanischem Pathos. Der Papst ist tot – lang lebe der Papst. Möge dein Pontifikat klug, freundlich und möglichst unbesucht von US-Senatoren sein. Mit frevelhaftem Respekt und einer Prise Weihrauch grüßt ein Stadtkind der alten Welt.

MB


Schlagwörter: , , ,

Kommentare sind geschlossen.

Partner