Stadtkinder kochen diesen Monat nicht

Diesen Monat bleibt die STADTKIND-Küche kalt. Wer sich also erhofft hat, auf dieser Seite Inspiration für ein formidables Weihnachtsmenü zu finden, hat leider Pech gehabt. Das heißt aber nicht, dass es hier nichts gibt. Denn für alle, die „wenigstens eine Kleinigkeit, damit man nicht mit leeren Händen dasteht“ suchen, wenn man überraschenderweise doch was geschenkt kriegt, obwohl das eigentlich gar nicht so vereinbart war: I got you.

Geschenke aus der Küche sind in solchen Fällen eine feine Sache. Sofern sie gut gemacht sind. Meine Oma hat früher zu Weihnachten immer Honigkuchen gebacken und verteilt. Zu Ostern konnte man den prima essen, weil er dann endlich weich genug zum Kauen war. Jemandem, der nicht gerne kocht, ein selbstgemischtes Gewürzöl anzudrehen, ist auch großer Quatsch, aber davon rede ich nicht. Nein, in aller Deutlichkeit: Es geht um Alkohol. Als ich vor 20 Jahren auf Abifahrt in Venedig war, nannten meine Mitschüler*innen mich „Queen Mom“, weil ich Gin trank. Natürlich nur wegen der Mücken, die keinen Wacholder mögen, nicht zum Spaß, wirklich. Dann kam aber der Hype und plötzlich trank jeder Gin und zwar gänzlich ohne insektizide Bedrohung. Jede Rockband, die was auf sich hält und sogar einige Podcaster bringen eigene Gin-Editionen heraus! Da bleibt die Frage: Warum nicht ich? Nicht du? Nicht wir alle? Kann ja so schwer nicht sein. Nach kurzer Recherche stellte sich heraus: Ist es auch nicht. Genaugenommen ist es so einfach, dass man sich auch gar nicht mehr wundert, dass jeder Dulli das macht.

Man braucht so gut wie nichts dafür, also kein schweres Gerät wie etwa eine Destillierbrücke, Bunsenbrenner oder solchen Quatsch. Zunächst einmal natürlich Alkohol. Und zwar neutralen, hochwertigen wie etwa einen guten Wodka oder Doppelkorn. Da wir ab jetzt Wissenschaftler sind, nennen wir den nicht mehr einfach Schnaps, nein, es ist unser Menstruum. Als Menstruum bezeichnet man eine Substanz, die als Lösungs- oder Extraktionsmittel verwendet wird. Für unser Rezept legen wir einen Liter zugrunde. Auf diesen Liter kommen nun 15g Wacholderbeeren. Wer den Gin trockener und intensiver bevorzugt, mörsert die Wacholderbeeren ein bisschen, um sie aufzubrechen. Ich persönlich mag es etwas milder, weshalb die Beeren bei mir ganz bleiben. Die kommen jetzt zusammen mit dem Alkohol in ein blickdichtes Gefäß (einen Kochtopf zum Beispiel), wo sie 24 Stunden lang – Achtung, neues Fachwort – mazerieren. Der Begriff kommt vom lateinischen Verb macerare, was „Auslaugen“ bedeutet (und übrigens auch „Quälen“. Lustig!). Nun können wir uns überlegen, welche weiteren Aromageber, oder, wie man auf schlau sagt, „Botanicals“ wir verwenden möchten. Da geht alles, was Spaß macht: Tiefgefrorene Beeren, Ingwer, Koriandersaat, Zimt, Fenchel, Lavendel, Rosmarinzweige, Kardamom, Pfeffer… ganz, wie man möchte. Werden getrocknete Kräuter und Samen verwendet, gilt die Faustregel: Ein großzügiger Teelöffel voll pro Liter und ein bisschen mörsern, damit das Menstruum es leichter hat, an den Geschmack des Gewürzes zu kommen.

Für unser Experiment entscheide ich mich aber für ein bisschen was Frisches: Einige Blätter Basilikum (die knülle ich einmal ordentlich zusammen, um die Blattstruktur zu brechen und so das Aroma zu intensivieren), dazu noch die Schale von je einer Zitrone, Grapefruit und Orange, in ordentliche Streifchen geschnitten. Hier achte ich darauf, dass ich von der Schale nur das Bunte und nicht das Weiße erwische, das ja bekanntlich bitter ist. Mit einem Sparschäler klappt das recht gut. Da ich aber zusätzlich zum Geschmack auch die Fruchtsäure haben möchte, gebe ich außerdem einen guten Esslöffel des jeweiligen Fruchtfleischs dazu. Das alles kommt jetzt für einen weiteren Tag in den Alkohol. Dann gießen wir die Mischung erst durch ein Sieb ab und filtern sie danach. Das geht mit einem Kaffeefilter, ich selbst bevorzuge aber das Bein einer Feinstrumpfhose (von echten Moonshinern gelernt – dankt mir später). Jetzt nur in hübsche Flaschen füllen, etikettieren und vor dem Verzehr noch eine Woche lichtgeschützt ruhen lassen. Fertig – wohl bekomm’s!

IH


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