Wenn es in populären Filmen oder Serien um Theater geht, wird es meistens komplett albern. Letztlich ist das auch vollkommen okay. Whatever gets you through the night – it’s alright. Und doch überrascht es mich immer wieder.
Theater kommt in amerikanischen Komödien gerne als Schultheater-Aufführung vor. In verschiedenen Varianten. Besteht das dramatische Personal aus Jugendlichen, proben diese in der Regel ein aktuelles Musical. Eingebettet sind diese Proben meist in eine Handlung, die vor allem Liebeskummer, hormonbedingte Zusammenbrüche und einen unbeholfenen Alkohol-Missbrauch thematisiert. Bei Kindern im Grundschulalter sehen wir oft eine Thanksgiving-Show oder ein singendes Gemüse-Ballett. Es gibt allerdings auch Kombinationen von Thanksgiving- und Veggie-Shows: Erst zeigt man eine Szene, in denen die frisch in Amerika angekommenen Pilgerväter auf die „Wampanoag“ treffen, ein an der Ostküste lebendes indigenes Volk; beide Gruppen tauschen dann – historisch nur bedingt korrekt – Geschenke aus, plaudern angenehm und sind anderweitig nett zueinander. Anschließend lässt man, passend zum Erntedankfest-Thema, die Früchte des Bodens sprechen. Beziehungsweise singen und steppen. Eine große Rolle spielen dabei meist auch die Ganzkörper-Gemüse-Kostüme der Kinder, die von deren genervten Müttern in aufwendigen Handarbeits-Sessions hergestellt werden müssen.
Zunehmend äußert sich das Bühnen-Gemüse auch zu gesundheitlichen und nährstoff-assoziierten Themen. Zum ersten Mal nahm ich eine solche pädagogisch-theatrale Nahrungsmittel-Darstellung bewusst in der ALF-Folge „It isn’t easy being green“ wahr, in der Brian, der putzige achtjährige Sohn der Tanners, und sein Klassenkamerad Spencer als singende Spargelspitzen auftreten müssen. Die Schulshow trägt den schönen, wortspieligen Titel: „The Nutrition Follies“. In der deutschen Synchronisation singen Brian und Spencer auf der Bühne Zeilen wie: „Wir Spargel sind so grün und lang und schmecken ja so gut/ Wir machen euch ganz fit und schlank. Ihr wisst wie gut das tut.“ Oder: „Spargel, grüner Spargel, der will euch Gesundheit geben / Spargel, grüner Spargel, der verlängert euer Leben“. Das ist Gemüse-Agit-Pop vom Feinsten! Ballaststoff-Indoktrination deluxe!
Kommen in Filmen allerdings Theateraufführungen für Erwachsene vor, sehen wir selten didaktische Singspiele, sondern mitunter raffinierte, oft aber auch sehr schlichte satirische Zuspitzungen von Bühnenkunst aus der Wichtig-wichtig-popichtich-Abteilung. Meist wird dabei vermittelt: Theater ist wahnsinnig anstrengend, öde und bedient sich völlig veralteter und peinlicher Ästhetiken. Die Aufführungsorte sind vornehmlich kleine Kellerbühnen, von deren 50 Sitzplätzen grade mal sieben mit nahen Verwandten oder engen Freunden der Darsteller*innen besetzt sind. Die Schauspieler*innen treten ständig an die Rampe und deklamieren wahlweise nihilistische oder gesellschaftlich anklagende Sätze. Mit der kompromisslosen Inbrunst von Old-School-Lyriklesungen. Oder mit einer existentialistischen 50er-Jahre-Schwarzer-Rollkragenpulli-Haltung. Passend dazu läuft im Hintergrund auch mal Free-Jazz oder Zwölftonmusik. Diese Art von Klischee-Theater hat zwar nichts mit realem zeitgenössischen Schauspiel zu tun, ist aber trotzdem (oder grade deswegen) manchmal sehr komisch.
Meisterhaft und fast paradigmatisch habe ich das zuletzt in der Mini-Serie „Four Seasons“ gesehen. Eine studentische Tochter verwandelt ihren Schmerz über das Auseinanderbrechen der Ehe ihrer Eltern in ein Theaterstück. Sie beginnt den Abend mit dem vom Bühnenrand aus aggressiv-pathetisch und mit starrem Blick ins Publikum geschleuderten Satz: „Vor einiger Zeit zerstörte mein Vater unsere Familie und fing an, eine dumme Schlampe zu daten!“ Logischerweise sitzen der familienflüchtige Vater und seine neue Freundin – die auf der Bühne durch eine Aufblas-Sexpuppe repräsentiert wird – dabei im Publikum. Die beiden schwanken angesichts des Bühnengeschehens zwischen peinlich berührt sein und Wut und Trauer über die Denunziation. Zwischendurch verteidigt der Bühnen-Vater seinen Auszug aus der ehelichen Wohnung mit einem erbärmlichen traurig-trotzigen: „Der Penis will, was der Penis will.“ Im Finale des Familienelend-Stückes wird die Handlung, das Leben und der ganze Rest in einem chorisch gesprochenen Satz zusammengefasst, der gleichzeitig der wahrste Satz des ganzen Films ist: „Wir werden alleine geboren, wir sterben alleine, und zwischendurch lügen wir uns gegenseitig an!“ Black. Vorhang.
