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Der Freundeskreis im Gespräch mit Norbert Schlote, Karsten Pilz und Jürgen Maaß

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Norbert Schlote, Karsten Pilz und Jürgen Maaß


In dieser Ausgabe haben wir uns mit Norbert Schlote (Vorstand der Hannöverschen AIDS-Hilfe e.V.), Karsten Pilz (Vorstand der Hannöverschen AIDS-Hilfe e.V.) und Jürgen Maaß (Geschäftsführung, CheckPoint) getroffen. Mit ihnen haben wir über die Entwicklung der AIDS-Hilfe-Arbeit in Hannover gesprochen, über Aufklärung, Prävention, Testangebote und Antidiskriminierungsarbeit und darüber, dass Menschen mit HIV unter Therapie ein ganz normales Leben führen können.

Starten wir mit einer Vorstellungsrunde.

Norbert: Mein Name ist Norbert Schlote, ich bin seit 2019 im Vorstand der hannöverschen AIDS-Hilfe. Ich bin von Haus aus niedergelassener Urologe und betreue das Testprogramm von uns. Wir machen regelmäßige Tests auf sexuell übertragbare Infektionen.

Karsten: Ich bin Karsten Pilz. Ich bin seit vielen Jahren im Vorstand der hannöverschen AIDS-Hilfe. Ich bin der Nachfolger von Bernd Weste, unserem Ehrenvorsitzenden, der maßgeblich die hannöversche AIDS-Hilfe mit aufgebaut hat. Im Hauptberuf bin ich eigentlich Finanzbeamter.

Jürgen: Ich bin Jürgen Maas und arbeite seit 2006 für die hannöversche AIDS-Hilfe. Ich bin für das Projektmanagement zuständig und u. a. auch für die Testangebote, die sich unter dem Stichpunkt CheckPoint zusammenfügen – aber auch für die Organisation des CheckPoint untenrum, unser Gesundheitsbegegnungszentrum.

Unterscheiden sich die hannöversche AIDS-Hilfe und der CheckPoint Hannover?

Norbert: Also tendenziell firmieren wir jetzt nur noch unter dem Namen CheckPoint Hannover, beziehungsweise CheckPoint der hannöverschen AIDS-Hilfe. Wir haben den Namen hannöversche AIDS-Hilfe ein bisschen in den Hintergrund gerückt. Es ist immer noch der Name des Trägervereins, aber da klassische AIDS-Hilfe-Arbeit so – zum Glück – gar nicht mehr geleistet werden muss, ist es zum Teil auch ein bundesweiter Trend, dass sich die AIDS-Hilfen alle umbenennen.

Was ist eure Verbindung zum Freundeskreis Hannover?

Karsten: Ich bin begeistertes Mitglied im Freundeskreis und freue mich, dass es den gibt – und ich bin auch begeisterter Hannoveraner. Das ist die Verbindung.

Wie seid ihr zu euren Positionen, zu euren Tätigkeiten gekommen?

Karsten: Mein Vater war Anwalt und Bernd Weste – unser Ehrenvorsitzender – mehr oder weniger Teil unserer Familie. Ich kenne Bernd also beinahe von Kindesbeinen an. Als dann eine Stelle im Vorstand vakant wurde, hat mich Bernd gefragt, ob ich das machen möchte. Das war für mich eine willkommene Gelegenheit, mal etwas Gemeinnütziges zu machen. Ich hatte mich bisher nicht besonders sozial oder gemeinnützig engagiert und ich musste mich auch erst einmal reindenken, bin aber gerne hier.

Norbert: Ich hatte irgendwann das Gefühl, dass ich von meiner ärztlichen Expertise irgendwie ein bisschen was in die Community geben kann. Dann habe ich hier als Testarzt angefangen und bin auch von Bernd Weste irgendwann mal angesprochen worden, ob ich mir nicht vorstellen kann, mehr zu machen. 2019 bin ich dann in den Vorstand gewählt worden.

Jürgen: Ich habe schon mein ganzes Leben lang Verbindungen zur AIDS-Hilfe-Szene gehabt. Ich hatte damals mein Coming-out als schwuler Mann in Oldenburg. Als ich irgendwann mit meinem Studium fertig war, war hier eine Stelle frei und die habe ich bekommen. Am Anfang war Präventionsarbeit meine Aufgabe; das habe ich zehn Jahre lang gemacht. Dann bin ich erst stellvertretender Geschäftsführer gewesen und irgendwann in die Geschäftsführung gewechselt. Jetzt bin ich für Teamleitung, Finanzaufsicht, das Beschaffen der Gelder und das Projektmanagement zuständig.

Wie sehr sind Infektionen wie AIDS noch ein Thema – auch in Hannover?

Norbert: Die Erkrankung AIDS ist in Hannover – und ich denke mal auch in Deutschland und Europa – zum Glück nicht mehr zwingend. Das mag in anderen Ländern ganz anders sein. Wir haben hier zum Glück Zugang zu einer sehr guten Therapie, sodass wir zwar Personen haben, die HIV-infiziert sind, aber im Prinzip mit ihrer Infektion ein unproblematisches Leben führen können und unter Therapie – das ist ganz wichtig – nicht mehr infektiös sind. Daher ist AIDS nicht mehr unbedingt ein Thema – aber sexuell übertragbare Infektionen natürlich schon. Überall da, wo Menschen Sex haben, gibt es sexuell übertragbare Infektionen, und unser Ansinnen mit dem CheckPoint ist, über solche sexuell übertragbaren Infektionen zu informieren und Personen zu testen und entsprechend in Therapie zu bringen.

Wie sieht die Arbeit des CheckPoint Hannover aus?

Jürgen: Unsere Arbeit hat verschiedene Ebenen: klassische Aufklärung, z. B. durch Ehrenamtliche in Schulen – aber ohne erhobenen Zeigefinger, eher locker und positiv. Dann die Fürsorge für Menschen mit HIV. Das war früher viel Sterbebegleitung, heute ist es mehr Antidiskriminierungsarbeit, etwa durch Schulungen in Pflegeberufen oder im Justizvollzug. Öffentlichkeitsarbeit gehört ebenso dazu wie Tests, die vor allem für vulnerable Gruppen wichtig sind, weil eine HIV-Infektion, früh erkannt, gut behandelbar ist. Vor zwei Jahren haben wir uns mit dem Gesundheits- und Begegnungszentrum CheckPoint untenrum einen Traum erfüllt. Dort gibt es Beratung, Tests, kulturelle und queere Angebote sowie Diskussionsreihen, etwa für queere Geflüchtete. Es ist ein offener Ort, an dem Menschen zusammenkommen – vom Info-Café bis hin zu Talkabenden. Dadurch erreichen wir die Zielgruppen viel besser: Tests sind inzwischen Wochen im Voraus ausgebucht, und auch die Workshops laufen gut.

Gibt es ähnliche Angebote?

Jürgen: Es gibt in Hannover die Beratungsstelle für sexuelle Gesundheit der Region Hannover, die gute Arbeit leisten, da kann man nicht meckern. Aber es ist am Ende eine Behörde. Und dann gibt es noch Pro Familia, wobei die eher in Richtung Verhütung von ungewollten Schwangerschaften gehen. Prävention war von Anfang an vor allem eine Aufgabe der Zivilgesellschaft. Die AIDS-Hilfen entstanden ursprünglich als Selbsthilfe, weil irgendwie alle weggestorben sind wie die Fliegen, weil es keine Therapien gab. Unsere Stärke war der Zugang zur Szene, den Behörden nicht hatten. Deshalb bekamen wir auch Förderung und den Auftrag, zielgruppenspezifische Aufklärung zu leisten – also vor allem für Männer, die Sex mit Männern haben, aber auch für Drogengebraucher*innen, Migrant*innen und Frauen in der Sexarbeit.

Wie haben sich der Umgang mit HIV und die Behandlung in den vergangenen Jahren verändert – von den 80er-, 90er-Jahren bis heute?

Jürgen: Es gibt Medikamente, mit denen man heutzutage ganz normal mit HIV leben und alt werden kann. Norbert sagte es schon: Wenn man ein Leben lang ab Infektion oder Diagnosezeitpunkt diese Medikamente einnimmt, kann man niemanden mehr anstecken. Das heißt, das Ganze bleibt eine chronische Erkrankung. Die Medikamente sind durch mehrere Phasen gegangen. Es gab massive Nebenwirkungen: Übelkeit, Durchfall. Nächtelang. Das hörte gar nicht mehr auf. Es war wirklich massiv, lebenseinschränkend. Heute merkt man allenfalls in den ersten zwei Wochen ein Magengrummeln. Das, was bleibt, ist das Stigma. Die Leute haben immer noch panische Angst davor. Wir erleben, dass Menschen selbst in medizinischen Einrichtungen nicht oder nur unter völlig wilden Schutzmaßnahmen behandelt werden. Wir müssen das Gegenteil erzählen. Das ist schwierig.

Wie wichtig ist Aufklärungsarbeit dahingehend an Schulen?

Karsten: Über sexuell übertragbare Krankheiten kann und sollte man immer sprechen! AIDS ist, glaube ich, aber keine Gefahr für Schüler. Da kann mich Norbert sicher korrigieren. Trotzdem: Syphilis und andere sexuell übertragbare Krankheiten gibt es noch. Und dass junge Menschen damit von Anfang an verantwortlich umgehen, halte ich für eine wichtige Botschaft. Da zeigt sich auch die Veränderung unserer Tätigkeit. AIDS gibt es nicht mehr, dafür aber immer noch sexuell übertragbare Krankheiten – und dafür öffnen wir auch unser Testangebot.

Norbert: Man muss aber auch sehen, dass wir Schüler nicht als unsere primäre Ansprechgruppe sehen. Da gibt es andere Player wie Pro Familia, andere Einrichtungen oder Vereine, die eher Aufklärung für jüngere Altersklassen machen. Die ist extrem wichtig, das muss gemacht werden. In dieser Altersgruppe ist es auch extrem wichtig, Antistigmatisierungsarbeit zu leisten, auch gegen Homosexualität insgesamt.

Jürgen: Man muss halt einfach sehen, welcher Mensch welches Risiko hat. Für heterosexuelle Schüler ist das Risiko einer Geschlechtskrankheit minimal. Das steigt eben, sobald man mehr männliche Sexualkontakte hat. Und das ist auch in Migrationskreisen sehr stark. Wir haben z. B. eine hohe Prävalenz in afrikanischen Ländern, in Russland und der Ukraine – wo viele Flüchtlinge herkommen, die dann hier getestet werden.

Beobachtet ihr eine Leichtfertigkeit unter der jüngeren Generation, was Infektionen angeht?

Norbert: Würde ich nicht sagen.

Jürgen: Ich glaube, man muss auch gucken, dass man den Leuten ihre Sorglosigkeit ein bisschen lässt. In der Schule ist zunächst wichtig, dass man das Thema Schwangerschaftsvorsorge behandelt. Da kann man Geschlechtskrankheiten mal erwähnen, muss aber gucken, dass man keine Phobien setzt. Das ist ja immer so dieser Moralhammer: „Poppt nicht durch die Gegend, sonst kriegt ihr Geschlechtskrankheiten.“ Das funktioniert so nicht. Das ist auch nicht die Realität. Man muss immer schauen, dass man den Leuten irgendwo in den Kopf pflanzt: „Passt mal auf, aber lasst euch damit nicht die Sexualität vermiesen.”

Warum sind Menschen mit Migrationshintergrund besonders betroffen?

Jürgen: In vielen Herkunftsländern, etwa in Afrika oder Asien, ist die HIV-Prävalenz deutlich höher als hier. Oft fehlen dort gute – oder überhaupt – Test- und Versorgungsstrukturen, gerade außerhalb der Städte. Auch in Ländern wie Russland oder der Ukraine ist HIV weit verbreitet; oft durch Drogengebrauch. Viele bringen die Infektion also schon mit oder erfahren erst hier davon. Dazu kommen queere Geflüchtete oder junge schwule Männer aus sehr restriktiven, homophoben Gesellschaften, die sich endlich ausleben wollen, aber null aufgeklärt sind. Weil dort, wo solch eine Moral herrscht, keine Aufklärung stattfindet. Und dann ist natürlich auch der Schutz erst einmal sekundär und HIV oder andere Infektionen treten gehäuft auf.

Mit welchen Themen oder Problemen kommen die Menschen am häufigsten zu euch?

Jürgen: Mit ganz viel Angst. Wir haben ein Beratungstelefon, bei dem Menschen am Montag nach dem Wochenende im Steintor anrufen und sagen: „Das ist passiert, kann ich mich da mit HIV infiziert haben?“ Aber es kommen auch Menschen mit HIV, die mit sozialen Problemen hierherkommen. Wir haben eine Sozialberatung. Und auch eine Migrationsberatung. Im Moment beobachten wir, dass wieder massiv Leute in ihre Herkunftsländer zurückgewiesen werden, wo es eine sehr unsichere HIV-Versorgungslage gibt. Das ist auch ein wichtiges Thema.

Wie finanziert ihr eure Arbeit und Testangebote?

Karsten: Wir leben von öffentlichen Zuwendungen der Region und des Landes. Wir haben unsere Geschäftsstelle in der Langen Laube aufgegeben und damit natürlich Mieten eingespart, die wir hier wieder einsetzen können. Und wir gehen auch sorgsam mit diesem Geld um. Die Tests kosten zum Teil etwas, aber wir verdienen dadurch nichts. Auch öffentliche Finanzierung ist wichtig und das müssen wir auch immer im Bewusstsein der Politiker halten. Daher war es auch wichtig, dass wir uns von der AIDS-Hilfe weg zum CheckPoint verändert haben und auch andere Gruppen ansprechen.

Norbert: Und die Tests werden zum Teil aus Eigenmitteln finanziert. Es kommt ein bisschen darauf an: Wir bieten zwei unterschiedliche Tests an: zum einen einen Schnelltest, der im Prinzip auf HIV und Syphilis testet. Dabei wird aus der Fingerbeere eine kleine Blutprobe entnommen und man bekommt sofort ein Ergebnis. Dieser Test ist kostenfrei.

Jürgen: Die wurden bis zum 1. Januar vom Land finanziert. Jetzt kommt die Spende von der Pharmafirma Gilead.

Norbert: Genau. Und dann gibt es ein erweitertes Testprogramm, das sich überwiegend an Männer, die Sex mit Männern haben, wendet. Aber grundsätzlich allen mit entsprechendem Risikoprofil offensteht. Dabei wird nicht nur ein Schnelltest gemacht, sondern auch Blut abgenommen. Zusätzlich prüfen wir z. B. den Hepatitis-Impfschutz oder machen Abstriche, um Erreger direkt nachzuweisen. Die Kosten liegen aktuell bei 25 Euro. Ein Teil der Tests wird zudem vom Land finanziert, indem wir sie über das Niedersächsische Landesgesundheitsamt laufen lassen, das günstiger arbeitet als private Labore. So entsteht eine Mischfinanzierung.

Jürgen: Bedürftige kriegen diesen Test auch kostenlos.

Welche Botschaft oder welchen Wunsch möchtet ihr den Menschen in Hannover in Sachen sexuelle Gesundheit mitgeben?

Norbert: Habt Sex und habt keine Angst davor! (lacht)

Jürgen: Das ist gut! Also, wir haben für den CheckPoint dieses Logo: „Eure Experten für sorgenfreien Sex“. Dabei steckt natürlich auch ein bisschen Moral mit drin, aber genau darum geht es: Je mehr Sorgen man sich macht, desto riskanter wird es, weil alles tabuisiert wird und nicht offen über Schutz gesprochen wird – auch an der Bettkante nicht. Deshalb sind wir da die Schmuddelkinder, die sagen: „Kommt, Leute, habt Spaß, redet darüber, macht es vernünftig. Und meldet euch einfach, wenn ihr Fragen habt.“

Karsten: Mir ist es wichtig, dass man die Leute so leben lässt, wie sie sind, und tolerant ist; dass man immer versucht, eigene Vorurteile, von denen man ja nie frei ist, zu überwinden.

Norbert: Ich möchte auch noch ergänzen, dass es mir ein Herzenswunsch ist, mit dieser Stigmatisierung von HIV-infizierten Personen zu brechen. Unter Therapie sind nicht infektiös und können ein ganz normales Leben führen! Leider ranken immer noch völlige Mythen um diese Infektion.

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Anika Brehme und Olaf Jähner

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Anika Brehme und Olaf Jähner


Heute haben wir mit Anika Brehme und Olaf Jähner zwei echte Ehrenamtsexpert*innen im Gespräch. Beide sind Mitglieder im Freundeskreis, im Sport ehrenamtlich engagiert und organisieren zudem beruflich das Freiwilligenmanagement. Anika Brehme ist stellvertretende Geschäftsführerin des Stadtsportbundes, Olaf Jähner Geschäftsführer des Niedersächsischen Turner-Bundes. Außerdem haben sie gemeinsam die Zukunftswerkstatt des Freundeskreises moderiert.

1. Ehrenamt = Leidenschaft – was heißt das für euch?

Olaf Jähner:
Es macht einfach viel Freude, für andere da zu sein. Ich trage in meinen Ehrenämtern dazu bei, dass das Leben für andere lebenswerter wird. Und das bereichert wiederum mein Leben – es bekommt Sinn. Genau das ist pure Leidenschaft.

Anika Brehme:
Ehrenamt ist für mich gelebte Selbstwirksamkeit. Ich freue mich, wenn meine Ideen umgesetzt werden und ich Raum zur Mitgestaltung habe. In meinem eigenen Engagement im Sport liegt mir besonders die Begleitung junger Menschen bei der Übernahme von Verantwortung am Herzen. Ich versuche, dafür gute Rahmenbedingungen zu schaffen.

2. Warum ist ehrenamtliches Engagement für unsere Gesellschaft – und für Hannover – so wichtig?

Olaf Jähner:
Unsere Stadtgesellschaft – und Gesellschaft überhaupt – wird schnell langweilig, wenn alle Aktivitäten staatlich organisiert sind. Warum? Weil es die Menschen sind, die mit Kreativität und Leidenschaft gestalten – besonders dann, wenn sie sich frei entfalten können. So entsteht eine unglaubliche Vielfalt an Aktionen, Initiativen und Projekten, die uns zusammenbringen und Gemeinschaft erlebbar machen.

Anika Brehme:
Ehrenamtliches Engagement schafft Verbindung zwischen Menschen, die sich in anderen Kontexten vielleicht nie begegnen würden. Es bringt unterschiedliche Kulturen und Generationen mit einem gemeinsamen Ziel zusammen. Hannover ist eine bunte, vielfältige Stadt – das wird über die vielen ehrenamtlichen Organisationen auch sichtbar.

3. Kennt ihr vorbildliche Projekte in Hannover?

Olaf Jähner:
Da ich aus dem Sport komme, fasziniert mich immer wieder der Verein handicap-kickers.de. Dort wird inklusiv Fußball gespielt.

Anika Brehme:
Und dort wird nicht nur Sport getrieben, sondern auch das Engagement inklusiv gedacht – bis hin zur Qualifizierung! Ja, wir durften dort lernen, was alles möglich ist, wenn ein Verein mutig Neues ausprobiert und daran glaubt, dass sich der Einsatz lohnt.

4. Wie müssen Vereine sich aufstellen, um ehrenamtliche Mitarbeitende zu finden?

Olaf Jähner:
Kurz gesagt: Vereine brauchen eine engagementfreundliche Kultur.
Sie müssen in der Lage sein, Aufgaben anzubieten, die zu den Fähigkeiten, Kompetenzen und Leidenschaften der Menschen passen. Dazu brauchen sie ein auf freiwilliges Engagement angepasstes „Personalmanagement“ – also eine Begleitung vom Einstieg bis zum Ausscheiden.

Anika Brehme:
Im Idealfall müssen Vereine gar nicht aktiv suchen, sondern zeigen, dass sie Orte sind, an denen man eigene Ideen einbringen und umsetzen kann. Dann entstehen tolle Beispiele – wie bei einem traditionellen Ruderverein, der durch eine Blühwiese mit mehreren Bienenvölkern jetzt eigenen Honig produziert. Einfach, weil es Mitglieder gab, die Lust hatten, das auszuprobieren. Diesen Mut wünsche ich vielen traditionellen Vereinen. Denn zufriedene Engagierte ziehen weitere Mitstreiter*innen an.

5. Ihr habt die Zukunftswerkstatt des Freundeskreises moderiert – was macht diesen Verein aus eurer Sicht besonders?

Olaf Jähner:
Der Freundeskreis vereint bürgerschaftliches Engagement mit gesellschaftlich relevanten Initiativen. Er stärkt die Bindung seiner Mitglieder durch exklusive Aktionen und tritt nach außen als sichtbarer Akteur der Stadtgesellschaft auf. Ein Verein, in dem es sich lohnt, Mitglied zu sein.

Anika Brehme:
Mich hat die Vielfältigkeit der Themen begeistert – und die Leidenschaft, mit der sich die Mitglieder für die Stadtgesellschaft einsetzen. Ich habe eine große und langjährige Verbundenheit erlebt. Vom Vorstand bis zur Mitgliedschaft ist spürbar: Alle eint die Liebe zu Hannover und der Wunsch, sie mit anderen zu teilen.

6. Welche Chancen hat der Freundeskreis Hannover in Zukunft?

Olaf Jähner:
Sehr gute – wenn es gelingt, die Balance zu halten: zwischen dem Nutzen für die Mitglieder und dem öffentlichen Auftreten durch gezielte Initiativen in der Stadtgesellschaft.

Anika Brehme:
Ich bin sicher, dass es dem Freundeskreis auch künftig gelingt, viele relevante Organisationen und Menschen in Hannover zusammenzubringen – und damit eine gefragte Stimme der Stadt zu bleiben. Die Demonstration auf dem Opernplatz im Januar 2024 hat gezeigt, welche Kraft in diesem Verein steckt, Menschen in Bewegung zu bringen.

7. Warum sollten sich Menschen in Hannover im Freundeskreis engagieren?

Anika Brehme:
Im Freundeskreis gibt es die unterschiedlichsten Möglichkeiten für Engagement – ob projektbezogen oder langfristig, thematisch breit gefächert. Wer Austausch und Mitgestaltung sucht für das, was Hannover lebenswert macht, ist hier genau richtig.

8. Euer Wunsch für den Freundeskreis Hannover e.V.?

Olaf Jähner:
Lasst nicht nach in eurem Tun. Ihr bereichert das Stadtleben und seid ein unverzichtbarer Teil einer lebenswerten Landeshauptstadt.

Anika Brehme:
Bitte nutzt weiterhin die Leidenschaft eurer Mitglieder, um eine starke Stimme für Hannover zu bleiben. Diese Engagementgemeinschaft aus Kultur, Politik, Sport, Wirtschaft, Wissenschaft und Religion schafft im Rahmen eines Bürgervereins einen großen Mehrwert für ein liebens- und lebenswertes Hannover.

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Sina Hensel und Andreas Burkhardt

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Sina Hensel und Andreas Burkhardt


Wer seid ihr und was macht ihr?

Sina Hensel: Ich bin Sina Hensel, 31 Jahre, und die Leitung von Musikland Niedersachsen, einer 16 Jahre alten Service- und Netzwerkstelle für das professionelle Musikleben in Niedersachsen. Wir sitzen in Hannover, sind aber natürlich für das ganze Bundesland zuständig. Ich bin seit 2019 dabei, habe mit einem Volontariat angefangen und bin nun seit zwei Jahren in der Leitung. Wir bilden seit 2019 mit der Landesmusikakademie in Wolfenbüttel eine gemeinsame Firma, unser Träger ist der Landesmusikrat. Unsere Aufgabe ist es, die professionellen Musikszenen und Akteur*innen genreübergreifend zu vernetzen, zu qualifizieren und, mit ihnen die Rahmenbedingungen für professionelles Musikschaffen zu verbessern.

Ihr unterteilt euer Angebote ja u. a. in Handlungsfelder wie Basiswissen oder kulturpolitisches Handeln. Was kann man sich darunter vorstellen?

SH: Zum Bereich Basiswissen: Gehen wir einmal vom Fall „Musiker“ aus. Das umfasst ja mehr, als nur Musik zu machen. Du hast viele andere Jobs, die vereint werden müssen. Finanzen, Social Media, Steuern, Website-Aufbau: Vieles muss aus finanziellen Gründen DIY-mäßig passieren. Wir versuchen, genau dabei zu unterstützen. Mit Workshops, mit Beratung per Telefon oder E-Mail, zu Themen wie Steuerrecht, Musikrecht, Gründung als Musiker etc. Man kann uns immer kontaktieren, wir helfen auch bei Fragen rund um GEMA, KSK, Förderung … Und zum Feld kulturpolitisches Handeln: Wir sind eine gGmbH, also erst einmal keine Interessenvertretung. Unser Träger, der Landesmusikrat, ist der Interessensverband für Musikkultur in ganz Niedersachsen. Und dann gibt es viele andere Verbände, die LAG Jazz, die LAG Rock, KlubNetz für die Clubs und Spielstätten, den Landesverband der Freien Klassik-Szene u. s. w., mit denen wir eng zusammenarbeiten, weil deren Mitglieder auch unsere Zielgruppe sind. Mit denen arbeiten wir häufig an politischen Themen.

Andreas Burkhardt: Ich bin Andreas Burkhardt, 66 Jahre alt. Ich bin 1985 für das Jazzstudium nach Hannover gekommen. Da gab es den ersten Studiengang „Jazz, Rock, Pop“ an der Musikhochschule – ganz kurzfristig aus dem Boden gestampft. Heute bin ich der Leiter der Tonhalle Hannover: ein ca. 70 m² großes musikalisches Trainingszentrum mit eigenem pädagogischen Konzept, denn ich übe gemeinsam mit den Leuten. Deswegen nenne ich es Training. Acht Gruppen, acht Kurse pro Woche, 1½ Stunden Üben unter professioneller Anleitung. Es muss diese Wiederholungsraten geben, damit man automatisiert, das ist wie beim Sport. Die Idee war auch, mit dem Verhörer zu spielen, zu dem es immer wieder kommt: Ton- und Turnhalle. Ich nenne es nicht Musikschule, weil das Konzept anders und immer noch ein Alleinstellungsmerkmal ist. Normalerweise werden ja alle alleine nach Hause geschickt – und alleine zu Hause ist doof. In der Gemeinschaft es hingegen nicht einmal ein Problem, 30-fach dasselbe zu spielen; und alle sind begeistert dabei. Und über die Jahre ergab sich, dass die Tonhalle auch noch ein Ort für modernen Jazz geworden ist. Sonntags um 18 Uhr gibt es Konzerte in der Tonhalle. Wir haben auch schon mehrfach den Spielstättenpreis Applaus für das Konzertprogramm erhalten. Das organisiert Felix Petry, der einen großartigen Job macht. Das Ganze wird getragen durch einen Verein und die Leute, die an den Kursen teilnehmen und den Mitgliedsbeitrag zahlen. Es hat sich also großartig entwickelt, ich bin heute Chef, konnte mich selber anstellen, die Dozenten verdienen da Geld, Musiker verdienen Geld …

SH: Und lustigerweise verdanke ich quasi Andreas meinen Arbeitsplatz: Ich habe mein Masterstudium in Hannover gemacht, Medien und Musikmanagement am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung. Und wir hatten 2018 bei der Jahreskonferenz von Musikland Niedersachsen im Pavillon ein Austauschformat im Rahmen eines Forschungsseminars. Es ging um Musikstädte … In dem Workshop saß auch Andreas und hinterher sagte er: „Mensch, du bist also neu in Hannover, interessierst dich offenbar für Musik und willst dich engagieren? Wir haben da so eine Arbeitsgruppe und wollen, dass in Hannover ein großes House of Music entsteht, das sich an alle Bedarfe professionellen Musikschaffens richtet.“ Das klang spannend, also haben wir uns jeden Montag in der Tonhalle getroffen und an diesem Konzept gearbeitet. Entstanden ist daraus die Rampe – und für mich auch ein großes Netzwerk an Menschen, darunter Gunnar Gessner und Arne Pünter. Über das Netzwerk bin ich dann zum Musikland gekommen.

Mit der Rampe hattest du dann nicht direkt zu tun?

SH: Wir arbeiten ziemlich eng zusammen. Ich bin Vereinsmitglied in der Rampe und war von Anfang an dabei. Wir haben ähnliche Zielsetzungen und machen einigen Veranstaltungen und Projekte in Kooperation. Es gibt viele Schnittstellen.

Du hast ein Seminar über Musikstädte erwähnt. Was macht denn eine Stadt zur Musikstadt?

SH: Also es gibt tatsächlich ja diesen offiziellen Titel UNESCO City of Music (UCOM). Es gibt heute über 70 Städte weltweit, die diesen Titel tragen. Es gibt aber noch weit mehr Städte, die sich als Musikstadt bezeichnen, ohne den Titel zu tragen. Da scheint es mir auf den Moment anzukommen, in dem man erkennt, dass Musik aus ganz vielen Perspektiven für die Entwicklung einer Stadt und für das Leben in einer Stadt eine große Rolle spielt … und darauf, dass man dann auch politisch so priorisiert.

Welche Rolle spielt denn die Musik eures Erachtens für eine Gesellschaft? Ist das einfach nur Entertainment oder just for fun …

SH: Es ist nicht nur Entertainment – wobei es gerade in diesen Zeiten auch wichtig ist, dass man auch Räume hat, in denen man dem Tagesgeschehen entfliehen kann, einfach Gemeinschaft erleben und neue Energie tanken kann. Das kann Musik. Gleichzeitig kann Musik aber auch den Raum aufmachen, über aktuelle Frage zu reflektieren und sich kritisch mit ihnen auseinanderzusetzen.

In jedem Fall spielt Musik eine wichtige Rolle für Zusammenhalt und Zusammenkommen der Menschen. Wer Musik macht, lernt aufeinander zu hören, sich zu artikulieren, die eigene Stimme zu finden: eben Demokratie-Kompetenzen. Das sehe ich auch als auch Dozentin am Center for World Music in Hildesheim: Da kommen Menschen aus der ganzen Welt zusammen. Die kennen sich nicht, Musik ist der gemeinsame Nenner. Ob das gesellschaftlich so gesehen wird, ist eine andere Frage. Ich glaube, dieser Wert ist vielen Menschen kaum bewusst. Das ist etwas, woran wir mit all unseren Initiativen auch arbeiten: sichtbar zu machen, wie Musik Menschen zusammenbringen kann.

AB: Wir hatten vorhin ein Meeting in der Rampe, da habe ich jeden gefragt: Wofür ist Kultur gut? Das ist nicht so einfach zu beantworten …

SH: Ja, aber wenn sie nicht mehr da wäre, würden das alle merken.

AB: Ja. Und es gibt ja ein Bedürfnis. Es geht um das Zauberwort „Gemeinschaft“. Es gibt Studien: Wenn ein Mensch sein Leben als verbunden erlebt hat, dann hatte er mehr das Gefühl, ein erfülltes Leben zu führen.

SH: Jeder, der in einem Chor gesungen hat oder einfach auf einem Konzert in der Masse singt, kennt dieses Gefühl, wenn Stimmen zusammen klingen. Das ist eine sehr besondere Erfahrung von Gemeinschaft.

AB: Das ist entzückend menschlich. Und das fehlt: die Verbindung, sich verbunden fühlen mit was auch immer …Musik ist halt schon besonders: Kunst in der Zeit. Beim Musikmachen passiert etwas jetzt und ist dann weg. Gerade die Improvisation zeigt das. Sina hat es schon gesagt: Da stecken viele tolle Qualitäten drin, Zuhören, Reagieren … Viele Leute erzählen ja, dass Musik mit ihnen was gemacht hat: Neben dem Akustischen geht es irgendwie in die Seele rein.

Wirkung ist ja im Guten wie im Schlechten verwendbar. Weidel bringt sich beim Fotoshooting mit Musik in Stimmung, auf Sylt eignen sich Rechte Musikstücke an … Steht Musik so sehr für Demokratie ein oder kann das auch einfach von innen her zerbröseln, wenn sie durchsetzt wird von Leuten, die daran gar kein Interesse haben?

AB: Von den Menschen ist schon alles im Schlimmen benutzt worden. Das ist leider so eine „schlechte Qualität“ der Menschheit. Irgendwas ist immer zu missbrauchen für andere Zwecke …

SH: Natürlich gibt es diese Gefahr. Wir hatten neulich erst einen Workshop, in dem es darum ging, wie ich beim Booking recherchiere, welche Bands rechte Strömungen vertreten. Aber wenn man es sich historisch anguckt, ist Kultur, ist insbesondere Musik besonders häufig Teil von positiver Veränderung. Und man kann aktuell in Deutschland sehen, auch in den USA, dass es häufig kulturelle Akteure sind, die als erste – auf ihre Art und Weise – protestieren bzw. für Demokratie und Vielfalt einstehen. Es gibt immer Menschen, die Dinge auch im Negativen nutzen – aber ich glaube, die Stärke, die Musik hat, um Dinge positiv zu verändern, ist deutlich größer.

AB: Die Gefahr geht eigentlich, so finde ich, mehr von KI aus. Inzwischen ist auf der Musikebene KI so perfekt, dass man irgendwann nicht mehr unterscheiden kann, ob das von Menschen gemacht ist oder nicht. Und dann ist diese Frage irgendwann egal, dann wird da irgendwas rausgehauen und es ist völlig beliebig. Es bleibt also noch das unmittelbare Musizieren miteinander. Das ist eine Qualität, auf die man setzen muss.

Wie sieht deine Einschätzung dieser Entwicklung aus?

SH: Die Technologie entwickelt sich schneller als rechtliche Rahmenbedingungen. Da müssen wir uns gesamtgesellschaftlich und politisch so aufstellen, dass es solche Rahmenbedingungen zur KI-Nutzung gibt: In welchem Zusammenhang steht KI mit Urheberrechten? Da muss man schon hinschauen. Auf der anderen Seite muss man sich auch fragen: Ab wann fängt KI eigentlich an? Musikproduktion basiert ganz viel auf KI-basierten Technologien. Man kann also auch künstlerisch mit KI spielen. Ich glaube, es hat zwei Seiten, denn ich merke ja auch in der in der täglichen Arbeit, dass KI in Teilen eine extreme Hilfestellung ist.

AB: Den Unterschied macht der Mensch: Live ist die Antwort auf KI. Natürlich kann man auch über Produktionen noch probieren, mit Musik, sage ich mal, Geld zu verdienen. Aber das ist heute für Musiker*innen schwieriger denn je. Und jetzt wird es mit KI noch schwieriger. Also setze ich auf „Live“. Da spielen echte Menschen, die gerade in dem Moment Musik machen. Das gilt es nach vorne zu bringen.

Du hattest KI als die eigentliche Gefahr erwähnt. Man hätte da jetzt auch die Kulturkürzungen erwarten können … Wie seht ihr die?

AB: Ach, es ist immer das gleiche Spiel. Es ist zu wenig Geld da. Dann geht man zu den entsprechenden Behörden und Institutionen und kriegt einen sehr wohlwollenden Gesichtsausdruck und den Hinweis: „Ja, wir verstehen das. Das ist ja auch echt toll, was ihr macht. Aber leider ist nicht mehr Geld da.“ Was will man da machen? Dann ist das eine, zu sagen: „Ja, ich mobilisiere politische Kräfte.“ Da ist ja auch Sina immer dabei, Allianzen zu schmieden und mehr Druck auszuüben auf die Kulturpolitik. Aber es dauert meist unfassbar lange, bis dann – vielleicht – etwas passiert. Kann man also anders wirksam werden, ohne die aus der Verantwortung zu nehmen? Etwa aus einem Verbund von Leuten aus Hannover, den ganz normalen Bürgern, die für die Kultur investieren und „Das ist es mir wert“ sagen. Eine Kulturlotterie oder Kulturfonds gründen. Geld ist im Prinzip da.

Hilft der UCOM-Status, um zu argumentieren, dass man mehr Budget erzielen will?

AB: UCOM hatte nie etwas mit Geld zu tun. Das war einfach nur ein Titel, der verliehen wurde. Der Rest war dann Sache von Hannover. Dieses Label aufzufüllen mit irgendwas. Man könnte es natürlich mehr nutzen, finde ich auch. Aber die Frage ist immer: Wer gibt Geld? Wer unterstützt – nicht nur mit Geld, sondern in irgendeiner Form? Es endete immer bei dieser Frage: Wer fühlt sich dafür verantwortlich und übernimmt Verantwortung? Und da gilt es zu schauen und ein Bündnis zu bilden, von ganz verschiedenen Institutionen in Hannover bis hin zu den gängigen Firmen – was die Kulturstadt jetzt auch schon vorhat.

SH: Ob der UCOM-Titel der hilft: Ich glaube, das ist genau das, was jetzt gerade mit dem Jubiläum versucht wird, das ja u. a. mit dem Musik Kiosk sehr präsent ist. Nicht ohne Grund lautet das Motto „Gesellschaftlicher Zusammenhalt durch Musik“: Man versucht deutlich zu machen, welche Relevanz Musik für eine Stadtgesellschaft hat. Die Stadt plant ja, das Thema weiterzuentwickeln, um diesen Titel dann wieder mit mehr Geld unterfüttern zu können. Man muss das Thema halt erst einmal politisch bespielen – dann kann dieser Titel perspektivisch schon auch ein Hebel sein. Je nachdem, wie Politik am Ende priorisiert. Da sind wir gerade in einer schwierigen Situation. Es wurde schon immer gesagt, dass es kein Geld gibt. Gerade scheint die Situation aber besonders schwierig zu sein. Eine Möglichkeit, damit umzugehen, ist, wie Andreas sagte, irgendwie zu gucken, dass wir andere Allianzen und Wege finden, Mittel für Kultur zu akquirieren – und zu derdeutlichen, wofür Kultur relevant ist. Ich würde aber immer sagen: Man darf trotzdem die politische Ebene nicht aus der Pflicht nehmen.

Was unterscheidet eine Hannover von von anderen Städten?

SH: Also aus so einer Innenperspektive der Musikszene in Hannover würde ich betonen, dass Hannover musikalisch irgendwie Raum für alle bietet. Es gibt für alles irgendwie so eine Nische und das zeichnet Hannover aus. Und Hannover hat im Gegensatz zu Berlin oder Hamburg sehr kurze Wege. Also wenn man einmal drin ist in dieser Szene, dann lernt man sehr schnell viele andere Leute kennen und begegnet sich immer wieder. Und gerade erlebe ich, dass immer mehr Verbindungen entstehen, auch über Genres hinweg, weil viele Menschen besorgniserregenden Kulturkürzungen irgendwie entgegentreten wollen. Das kann nicht jeder für sich machen.

AB: Da kann ich absolut beipflichten. Hannover ist gefühlt sehr familiär, sehr unterstützend, wenig Konkurrenz oder Neid … Und Hannover hat ja zum Teil den Titel bekommen, weil eine Studie zeigte, dass prozentual die meisten Leute von Musik leben. Ich weiß aber nicht, ob auch die Musikindustrie einbezogen wurde …

SH: Hannover hat natürlich musikwirtschaftsmäßig gesehen tatsächlich eine spannende Vergangenheit

AB: Alle Audio-Erfindungen wurden in Hannover gemacht oder umgesetzt. Hannover wird da immer unterschätzt …

Der Schallplattenspieler …?

SH: Das MP3 auch …

AB: Die ersten CDs wurden auch hier in Langenhagen gefertigt.

Noch ein Abschlusswort?

SH: Auf Konzerte gehen …?

AB: Ja. Lokal Leute unterstützen, Neues ausprobieren, gucken, wer in Hannover unterwegs ist, und die noch mehr nach vorne bringen … Denn es gibt jede Menge tolle Leute in Hannover; eine grandiose Vielfalt von Musik! CK

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Der Freundeskreis im Gespräch

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Der Freundeskreis im Gespräch



Im Theater „die hinterbuehne“ treffen an diesem Abend Thommi Baake, Cody Stone, Maria vom ZauberSalon und Julia und Christina vom Verein Flunderboll e.V. aufeinander. Sie alle eint das Leben im Theater und die Liebe zur Bühne – vor allem zur hinterbuehne.

Stellt euch alle einmal vor – wer seid ihr und was macht ihr so?

die hinterbuehne: Wir sind Julia und Christina. Wir sind Teil der hinterbuehne auf der Hildesheimer Straße – ein Veranstaltungsort für regionale und überregionale kleinere Theaterbesetzungen, Comedy, Zauberei. Alles, was auf die Bühne möchte, kann sich hier bei uns versuchen. Getragen wird das Ganze von dem von uns personenidentisch geführten Verein Flunderboll e. V. 2005 haben wir uns entschlossen ein eigenes Haus zu gründen und 2006 haben wir das Ganze fertiggestellt. Früher war das hier eine alte Lichtpausfabrik, die wir umgebaut haben …

Tommi Baake: … Die ihr selbst umgebaut habt …

HB: … die wir selbst komplett in Eigenarbeit umgebaut haben. Zu einer Bühne, die komplett unabhängig und frei ist. Wir nehmen keinerlei öffentliche Gelder in Anspruch und alle Arbeiten werden ehrenamtlich übernommen. Nur die Künstler bekommen eine Gage. Deswegen sind wir auch immer darauf angewiesen, dass sich neue Leute für uns interessieren und Lust haben, Hand anzulegen – was auch immer im Verlauf daraus wird. Das Ganze läuft sehr auf einer Vertrauens- und freundschaftlichen Basis. Wir sind ein 85-Plätze-Theater und in der Theatersaison finden bei uns 2-3 Vorstellungen in der Woche statt, es können auch mal vier sein. Wir haben hier komplett wechselnde Programme und bewährte Darsteller. Wir freuen uns über die gute Zusammenarbeit, gerade mit denen, die uns schon jahrelang begleiten – wie Cody mit seiner Zaubershow, Thommi und der ZauberSalon im Zwo, unserer zweiten Bühne.

Cody Stone: Mein Name ist Cody Stone und ich bin Zauberkünstler. Die hinterbuehne ist quasi mein zweites Zuhause. Schon seit 2005 bin ich mit Flunderboll verbunden. Bei der Eröffnungsshow 2006 bin ich auch gleich dabei gewesen. Und dann ging das so weiter. Inzwischen habe ich hier sogar mein eigenes Lager, um Requisiten parken zu können.

HB: „Stonehenge.“ (Lacht.)

CS: Genau. Hier habe ich über die Jahre hinweg immer wieder diverse Shows präsentiert. Seit 2021 präsentiere ich hier meine monatliche Show immer donnerstags, und seit 2024 donnerstags und freitags. Mein zweites Zuhause, denn wenn ich nicht gerade eine Show präsentiere, dann bin ich hier am Proben. Ich bin hier wirklich ständig, alle paar Tage. Ich fühle mich hier einfach sehr wohl – das höre ich auch immer von meinen Zuschauern: was das für eine schöne Atmosphäre hier sei, wie familiär und gemütlich es sei. Man merkt von vorne bis hinten, wie liebevoll das hier alles gestaltet ist. Man hat mir in den letzten Jahren hier so viel anvertraut, ich habe einen eigenen Schlüssel und darf hier immer rein. Das ist echt großartig, als Künstler sowas zu haben. Also das ist fast wie ein Sechser im Lotto. Die hinterbuehne ist bei mir im Leben ein sehr wesentlicher Anlaufpunkt, neben meinem Zuhause.

Maria vom ZauberSalon: Ich bin Maria, eine von drei Orga-Personen aus dem ZauberSalon, der eigentlich nicht in der hinterbuehne stattfindet, sondern im Béi Chéz Heinz. Wir sind eine Ausprobierbühne für alle möglichen Zauberkünstler, von Hobby bis super professionell hat man da alles. Jeder darf gerne kommen und sich bei uns auf die Bühne stellen.Und wir haben ebeneine Kooperation mit der hinterbuehne seit 2016 und machen dort die Close-Up-Lounge im Zwo, die Heiko Wiese hier eröffnet hat. Das ist ein ganz kleines Theater, 25-30 Plätze – man sitzt also ganz nah am Zauberkünstler und kann dem die ganze Zeit auf die Finger gucken. Die Art Theater gibt es – ich habe mir das hoffentlich richtig gemerkt – nur acht Mal in Deutschland. Es ist sehr, sehr selten. Im Zwo findet das einmal im Monat statt. Und auch bei uns läuft alles ehrenamtlich, nur die Zauberkünstler in der Close-Up-Lounge erhalten eine Gage.

TB: Ichbin Thommi Baake und auch einmal im Monat hier mit der„Super 8 Show.“ Dafür habe ich zwei alte Projektoren, die ich hier auch abstellen darf – aber zu einem eigenen Schlüssel hat es nicht gereicht (lacht). Mit zwei alten Projektoren zeige ich fünf Kurzfilme auf altem Filmmaterial – skurril, trashig, schön, aus den 50er- bis 70er-Jahren. Dazu mache ich Kleinkunst. Also sprich, ich schreibe intellektuelle Filmkritiken zu Filmen, die heißen: „Udo bekommt einen neuen Anorak“ oder singe Beatles auf Niederländisch zu Beatles-Filmen. Diese Show mache ich seit 2001 mit bundesweit 340 Vorstellungen. Ich habe wirklich viele Theater durch – Haus der Jugend, Theater in der List, das Künstlerhaus. Die anderen Orte waren auch sehr schön, allerdings ist es hier wie ein zweites Zuhause. Nun wohne ich ja in der Südstadt und kann fast hierher laufen. Würde ich nicht als Künstler so unheimlich viel damit zu tun haben, zu überleben, dann würde ich hier wahrscheinlich auch ehrenamtlich arbeiten. Es ist ein wunderschöner Ort. Die Leute, die hier schon mal waren, kommen im Durchschnitt auch wieder, weil das einfach so ein warmer, schöner Ort ist.

Cody, wie kommt man denn auf die Idee, mit dem Zaubern Geld zu verdienen?

CS: Am Anfang war es nicht das Geld verdienen als solches, sondern einfach, dass aus meinem Hobby eine Leidenschaft wurde. Ich habe angefangen mit dem Zauberkasten, den ich zu Weihnachten bekommen habe, da war ich sechs Jahre alt. Dann habe ich die ganzen großen Magier im Fernsehen gesehen – Siegfried und Roy, David Copperfield und so weiter, die in Las Vegas und sonst wo aufgetreten sind. Ich erfülle mir jetzt mehr und mehr diese ganzen Träume, die dieser Junge, der Sechsjährige, hatte, weil er die großen Magier gesehen hat. Der sich sagte: Okay, sowas will ich auch mal machen. Das war dann auch immer das große Thema zwischen meinen Eltern und mir. Die Eltern, die sagen, du sollst erstmal was Vernünftiges lernen. Und dann der kleine Bub, der Zauberkünstler werden will. Ich wollte schon immer einen Beruf, der mir Spaß macht. Das Schöne ist einfach, wenn man dann damit auch noch Geld verdienen kann. Das ist natürlich großartig. Ich kann mir nichts anderes vorstellen.

Zauberei spielt ja auch bei dir, Maria, eine große Rolle. Wie bist du zum ZauberSalon gekommen?

MZS: Ich bin selber hobbymäßig Zauberkünstlerin. Ich habe nicht mit sechs, sondern irgendwie mit Ende zwanzig damit angefangen. Als ich 2012 nach Hannover gezogen bin, bin ich durch einen Zufall tatsächlich direkt zum ZauberSalon gekommen. Mich hat jemand mitgenommen, der meinte: Du zauberst doch selber, hier gibt es so eine coole Veranstaltung. Lustigerweise stand ich doof am Tresen rum und Heiko Wiese, der Gründer vom ZauberSalon hat mich angesprochen: Mensch, ich habe dich noch gar nicht hier gesehen, zauberst du eigentlich auch? Dann hat sich das sehr schnell ergeben, dass Heiko mich zum Ortszirkel vom Magischen Zirkel von Deutschland mitgenommen hat. So war ich dann in der Zauberszene. Als Heiko vor zwei Jahren meinte, er möchte nur noch die Close-Up-Lounge machen und mit dem ZauberSalon aufhören, habe ich gesagt: Das geht nicht! Das ist meine Stammbühne. Dann habe ich zum Glück noch zwei Mitstreiter*innen gefunden, die gar nichts mit Zauberei am Hut haben. Seitdem übernehmen wir das zu Dritt. Vorletztes Jahr im Oktober konnten wir im Béi Chéz Heinz den ZauberSalon nicht machen und dann haben wir mit Utz gesprochen und der hat uns ermöglicht, die Show hier auf der Bühne zu veranstalten. Oder in Corona haben wir hier Shows aufgezeichnet. Von daher ist Utz ein wichtiger Name, weil er eigentlich immer der Ansprechpartner ist.

HB: Im organisatorischen Zentrum, der Künstlerauswahl, die Kulissen, das Licht – Utz Rathmann ist hier ein Name, der fallen muss.

TB: Wir segnen ihn. Der Mann, der alles möglich macht.

HB: Das ist der, der den Laden hier zusammenhält. Wir sind heute nur hier, damit Utz endlich mal einen freien Abend hat.

Thommi, du hast mit der Zauberkunst erstmal nichts zu tun – nur in der Sesamstraße hast du einmal einen Zauberer gespielt – worin liegt der Zauber in deinen Shows?

TB: Ich habe mal ein Riesenkompliment bekommen von Wolfgang Grieger, der gesagt hat: Das Spiel mit dem Publikum, die Improvisation, hätte ich zur Perfektion getrieben. Und das ist das, was mich unter anderem ausmacht. Daneben spreche ich vier, fünf Dialekte, schlüpfe in verschiedene Rollen. Wenn keiner was reinruft, bin ich unglücklich. Das Spiel mit dem Publikum reizt mich total. Und das ist so über die Jahre entstanden. Ich gehe jetzt mal einen Schritt zurück: Ich war beim Wandervogel, der ältesten Jugendbewegung Deutschlands. Und da habe ich zum ersten Mal Theater gespielt. Dann wollte ich Schauspieler werden, habe mich zehnmal an der Schauspielschule beworben – und wurde zehnmal abgelehnt. Seitdem habe ich x Soloprogramme gespielt, habe mit anderen Leuten zusammengearbeitet – Thema ist immer Improvisation, Musik, Singen, Quiz, alles Mögliche. Es ist immer ganz vielfältig. Was mein größtes Pfund ist, ist auch meine größte Tragik. Ich mache alles bis auf Ballett und bildende Kunst. Ich bin aber nicht greifbar. Ich mache Walk-Acts, schreibe Kinderbücher, lese in Grundschulen, mache Theater, Comedy, Musik, Filme seit neustem. Es macht so einen Riesenspaß, so viel zu machen.

Euch alle eint dieser Ort, die hinterbuehne und das ZWO. Was ist das besondere an diesem Theater?

HB: Als sich die Athanasius Gemeinde veränderte – dort in der Kirche hatten wir vorher veranstaltet –, gingen wir mit dem Theater raus. Ich denke, es färbt bis heute auf die hinterbuehne ab, dass wir dann mit sieben, acht Leuten bei uns im Wohnzimmer gesessen haben und gesagt haben: Was machen wir denn jetzt? Weil wir eigentlich ein freies Theater waren und insofern aus der Rolle fielen, dass wir nicht die klassischen Stücke gespielt haben. Unsere Autor*innen leben noch alle. Es war unheimlich viel Kunst dabei, und die Leute gingen raus, waren immer etwas verwirrt, aber doch kulturell bereichert. Was können wir jetzt Blödsinniges machen? Das Blödsinnigste, das uns einfiel, war: Wir wissen zwar nicht, wie das geht, wir machen jetzt mal ein eigenes Haus! Das hier ist unser Baby, keine Konzeptgestalt, die irgendwo durchgeprüft wurde. Wir staunen immer noch, dass das geklappt hat und ich staune noch mehr, dass wir nächstes Jahr 20 mit der hinterbuehne werden. Wir möchten, dass dieses Staunen weitergeht – auch deswegen brauchen wir weiter Hilfe. Wir müssen uns, wenn man uns ansieht, verjüngen (lacht).

TB: Man fühlt, dass das hier wirklich eine Herzenssache ist. Ich trete jetzt seit 1988 bundesweit auf – was für Gurken ich schon erlebt habe. Keine Anlage, kein Licht, unfreundliche Typen. Aber hier: ich sag’ einfach nur mal das Wort „Wärme“. Die Wärme, das Menschliche. Gerade erlebe ich schon viele Oberflächlichkeiten. Und hier kommst du her, kriegst immer eine Umarmung, professionelle Technik. Alles super!

CS: Alles herzlich! Und das merkt man von vorneherein. Das hat einen ganz tollen Flair! Wie gesagt, das höre ich auch immer wieder von meinen Zuschauern: Wie gemütlich es hier einfach ist, wie ein zweites Wohnzimmer. Das macht sehr viel aus!

HB: Und die sensationellen Preise an der Bar …

TB: Tee ein Euro, hallo?

HB: Was wirnatürlich auch nur dadurch halten können, dass wir mit Ehrenamtlichen arbeiten.

MSZ: Aber genau das ist ja auch ein Wohlfühlfaktor! Dass Zuschauer keine 50 Euro für drei Getränke ausgeben müssen. Das macht einfach ein gutes Gefühl, wenn ich weiß, ich habe einen schönen Abend und habe noch drei Euro mehr im Portemonnaie. Hier geht es, gerade weil hier viel Ehrenamt dahintersteckt, immer um die Kunst. Es geht nicht darum, ganz viel Geld zu verdienen und sich daran zu bereichern, sondern eben darum, vielseitige, coole Kunst anzubieten.

HB: Außer den Künstlern verdient hier keiner was.

TB: Und wir müssen …

Maria: Ja, klar! Aber das macht es aus. Der Fokus liegt hier wirklich auf der Kunst und eben auch auf Kunstformen, die oft gar nicht so super präsent sind in der Gesellschaft. Und auch bei den Zuschauern liegt der Fokus nicht auf dem Geld. Klar, die wissen, dass die Künstler damit was verdienen und trotzdem habe ich das Gefühl, dass die Leute das nicht so empfinden, als wäre das hier ein steifer Opernabend. Die Zuschauer empfinde ich hier als deutlich lockerer als bei vielen anderen Bühnen, weil sich das natürlich überträgt.

HB: Die dürfen auch die Gläser mit reinnehmen. Und die Jacken. Ich denke schon, dass es diese Mischung ist. Es ist professionell, die Künstler sollen und müssen was verdienen. Aber den ganzen Rest, das wollen wir bereitstellen. Das ist einfach unser Ding. Das leisten wir uns.

MSZ: Ja, und das funktioniert nur, weil ihr daran Spaß habt.

Warum ist ein Ort wieder dieser, gerade aktuell, so wichtig?

CS: Heutzutage werden die Leute bombardiert mit negativen Nachrichten überall, ob Social Media, Fernsehen oder sonst wo. Da ist ein Ort gut, wo man die Menschen abholen und ablenken kann, damit die das andere auch mal ausblenden. Und wenn es dann auch noch so liebevoll ist … Ich merke das, wenn ich dann hier nach der Show stehe und die Leute mit einem so positiven Gefühl und Lächeln rausgehen – was will man denn mehr?

MZS: Auch, dass man zusammenkommt, das ist total wichtig. Wie viele Leute vereinsamen heute? Gerade im Zwo, weil das so klein ist, kommen die Leute super schnell ins Gespräch, quatschen in der Pause miteinander. Es ist ja auch ein Begegnungsort – und zwar nicht nur mit dem Künstler auf der Bühne, sondern auch die Zuschauer begegnen sich, die Leute am Tresen, man unterhält sich. Das hat durchaus einen Einfluss auf die Menschen, die vielleicht sonst nicht so viel Sozialleben haben. Das ist ganz wichtig: Dieses Eintauchen in eine komplett andere Welt, die Realität einmal ausblenden für zwei Stunden und einfach mal genießen – ohne an irgendwas anderes denken zu müssen.

Jule Merx

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Fenja Ruhmann und Carolin Stolle

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Fenja Ruhmann und Carolin Stolle



Diesen Monat waren wir im Gespräch mit Fenja Ruhmann vom Jugendblasorchester Seelze und Carolin Stolle vom Hannoverschen Oratorienchor. Gesprochen haben wir über das Jahresprogramm, aber auch über Anforderungen an die Mitglieder, die Resonanz beim Publikum und – nicht bloß finanzielle – Hürden …

Stellt euch doch einmal vor …
Fenja Ruhmann: Ich bin Fenja Ruhmann vom Jugendblasorchester Seelze. Der Name ist etwas irreführend, denn so jugendlich sind wir nur noch in Teilen. Aber wie das so ist: Bei der Namensfindung hat man damals nicht darüber nachgedacht, dass man vielleicht länger zusammenbleibt. Und „damals“
heißt: 1994. Da suchte eine Gruppe von Abiturientinnen eine neue musikalische Heimat, nachdem sie ihr Abitur am Georg-Büchner-Gymnasium in Seelze/Letter gemacht hatten und damit aus dem Schulorchester ausgeschieden waren. Deshalb haben sie in der Konsequenz das Jugendblasorchester Seelze gegründet; damals noch als kleinen Verein mit nur einem Orchester. 2024 haben wir nun 30-jähriges Jubiläum gefeiert, zählen mittlerweile 230 Mitglieder und bestehen aus vier Orchestern: Keines heißt Jugendblasorchester Seelze, das ist unser Verein als gemeinsamer Rahmen. Zum einen gibt es das Modern Sound[s] Orchestra (MSO), ein großes sinfonisches Blasorchester. Das besteht ungefähr aus 65 Musizierenden. Zudem gibt es die YoungStars. Das sind um die 35 Jugendliche und jung gebliebene Erwachsene. Die Unterscheidung der zwei Orchester ist keineswegs hierarchisch, vielmehr handelt es sich um alternative Orchester mit leicht unterschiedlicher Ausrichtung. Es gibt auch Leute, die in beiden Orchestern spielen. Und dann haben wir noch einen großen Ausbildungsbereich: die Bläserakademie. Mit dem Projekt „Musik macht stark“, das inzwischen im zwölften Durchgang ist, geben wir Kindern und Jugendlichen unabhängig von der finanziellen Situation ihrer Eltern die Möglichkeit, ein Instrument zu erlernen. Das sind im Schnitt rund 30 Kinder, die pro Jahr starten, zunächst die Instrumente kennenlernen und sich dann überlegen, welches sie gerne spielen würden. Wir kooperieren da mit den Grundschulen vor Ort. Und wenn die Kinder dann weitermachen wollen, dann bieten wir ihnen auch nach dem Projekt in unserer Bläserakademie die Möglichkeit, weiterhin Unterricht zu nehmen und Orchestererfahrung zu sammeln – durch Zuschüsse des Vereins vergünstigt. Zudem bieten wir die Instrumente zur Miete oder als Mietkauf an. Somit versuchen wir, die musikalische Ausbildung möglichst unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten in der Familie zur Verfügung zu stellen. Im Orchesterbereich der Bläserakademie haben wir eine Junior-Band für die Jüngeren und ein Jugendorchester für die schon etwas Fortgeschrittenen. Bei entsprechender Motivation und Spielpraxis rücken sie dann im besten Fall nach und nach in die zwei großen Orchester auf.

Carolin Stolle: Das hätte ich jetzt gar nicht gedacht, interessant … denn unter dem Namen stelle ich mir ehrlicherweise eher eine „Blaskapelle“ vor…

FR: Ja! Und es hat auch eigentlich nichts mit Marsch oder Polka zu tun. Ganz selten spielen wir mal einen Konzertmarsch, aber eigentlich geht es vor allem um Originalkompositionen für sinfonisches Blasorchester, ergänzt um Musical-, Rock- und Pop-Arrangements sowie Transkriptionen „klassischer“ Werke, die ursprünglich für Sinfonieorchester komponiert worden sind

… Also weit entfernt von dem, was man sich klassisch unter einer Blaskapelle vorstellt. Es ist doch relativ anders … Und du bist dort …

FR: … für die Kommunikation im Verein zuständig: Referentin Kommunikation heißt das bei uns im Vorstand. Im MSO spiele ist selbst auch Klarinette und habe früher auch bei den YoungStars mitgewirkt. Ich bin schon seit 2002 dabei und habe damals mit dem Klarinettelernen im Verein angefangen. Das war noch vor „Musik macht stark“, aber zu dem Zeitpunkt begannen die ersten Überlegungen zum Aufbau einer eigenen Ausbildungsarbeit, um langfristig Nachwuchs sicherzustellen. Seitdem bin ich immer engagiert im Verein gewesen, habe dann „offiziell“ für den Vorstand kandidiert und bin jetzt schon ziemlich lange gemeinsam mit einem Team für die Kommunikation zuständig: intern – also Newsletter u. s. w. – und extern, insbesondere für die Pressearbeit in Bezug auf Vor- und Nachberichterstattung von Konzerten und Projekten.

Kommen wir zu dir …

CS: Ich bin Carolin Stolle und schon seit 2011 Vorstandsvorsitzende des Hannoverschen Oratorienchors. Wir sind einer der traditionsreichsten gemischten Konzertchöre hier in Hannover – und vermutlich sogar in ganz Deutschland. Unsere erste Aufführung reicht ins Jahr 1802 zurück, noch unter dem Namen „Singakademie“. Ein paar Namenswechsel und Jahrhunderte später sind wir ein eingetragener Verein, der alles selbst organisiert und finanziert, d. h. von der Raummiete für unsere Proberäume über das Honorar für unseren Dirigenten bis hin zu unseren Konzerten. Wir sind etwa 80 Mitglieder und fest im hannoverschen Konzertleben verankert. Vom Repertoire her decken wir – wie der Name sagt – das groß besetzte romantische Werk ab, aber auch das schlank geführte barocke Oratorium, sowie die moderne A-cappella-Chorimprovisation. Wir sind immer sehr daran interessiert, spannungsreich das Alte mit dem Neuen zu verbinden. An neuen Kompositionen haben wir auch schon das ein oder andere uraufgeführt. Und 2026 werden wir – und da freuen wir uns bereits ganz besonders darauf – ein für uns exklusiv von Oliver Gies komponiertes klassisches Werk uraufführen. Gies ist der Kopf von Maybebop und sehr erfolgreicher Komponist und Arrangeur in der Chorlandschaft. Wir sind schon sehr gespannt – weil das ja einfach etwas ganz anderes wird als so ein Brahms oder ein Händel.

Plant ihr denn in zwei Jahren irgendwas? Jubiläumsmäßig?

CS: 2026 haben wir jetzt fertig geplant und demnächst gehen wir 2027 an. Was bereits fest steht ist ein erneuter Choraustausch mit der Bristol Choral Society – Bristol ist ja die Partnerstadt von Hannover – 2022 haben wir hier in Hannover gemeinsam „Ein deutsches Requiem“ von Brahms aufgeführt. Von der Größe und vom Repertoire her ist das ein Chor wie unserer. Im letzten Jahr gab es den Gegenbesuch mit gemeinsamen Konzert in Bristol. Und 2027 – das ist gesetzt – kommen sie wieder zu uns – und wir werden dann sicherlich unser 225.Jubiläum ordentlich feiern. Welches Stück wir uns gönnen ist noch nicht final geklärt, da gehen wir jetzt in die Planung.

Was muss man denn mitbringen, wenn man bei euch mitmachen möchte?

CS: Wenn man mitsingen möchte, muss man auf jeden Fall Zeit mitbringen. Wir proben einmal die Woche außerhalb der Schulferien. Allerdings gibt es auch Probewochenenden. Notenkenntnisse sind wichtig und eine gewisse stimmliche Qualität.

FR: Ist das dann ein richtiges Probesingen?

CS: Ja, es gibt ein richtiges Vorsingen, mit Vorbereitung eines Stücks. Und da sind alle Stimmenkoordinatorinnen, Chorleiter und Stimmbildnerin mit dabei. Aber trotzdem sollte man keine Sorge haben, wir suchen da nicht „Deutschlands nächsten Superstar“. Wir wollen allerdings eine gewisse
Qualität sicherstellen.


FR:
Bei uns sind es der Spaß an der Musik und das entsprechend passende Instrument: alle Blasinstrumente und vor allem auch Schlagwerk. Wirsind ja ein sinfonisches Blasorchester, das heißt Querflöten, Klarinetten, Fagotte, Oboen, Saxofone, Trompeten, Hörner, Posaunen, Euphonien,
Tuben u. s. w. Einen Kontrabassisten und einen Pianisten findet man auch in unseren Reihen. Zudem gibt es viel Schlagwerk. Insbesondere hier, aber auch grundsätzlich in vielen anderen Registern freuen wir uns immer wieder über Neuzugänge. Bei Interesse genügt eine kurze E-Mail an vorstand@jbo-seelze.de. Wir haben durch unsere verschiedenen Orchester auch verschiedene Ausbildungs- oder Anspruchsstufen und bieten so für viele Leute eine musikalische Heimat. Und dann schnuppert man in ein paar Proben
rein, spricht mit dem Dirigenten oder der Dirigentin und schaut, ob es von beiden Seiten passt … Und wenn es in dem konkreten Orchester dann nicht passen sollte, finden wir meist eine Alternative.


Vielleicht könnt ihr mal umreißen, was einen bei euch 2025 so erwartet?


FR: Mit dem Modern Sound[s] Orchestra haben wir gerade erfolgreich unsere Neujahrskonzerte im Theater am Aegi in Hannover und in der Alten Exerzierhalle in Celle gespielt. Im Mai steht dann ein Konzert mit dem Gastdirigenten Miguel Etchegoncelay auf dem Plan: ein gebürtiger Argentinier,
der in Straßburg lehrt. Da freuen wir uns schon richtig drauf. Das machen wir alle paar Jahre immer mal wieder, dass man zusätzliche Impulse von jemand anderem bekommt. Die Stückauswahl steht noch nicht ganz fest, aber es wird voraussichtlich viel Lateinamerikanisches geben. Dann
sind wir auch bei den Kunstfestspielen Herrenhausen dabei. Am Himmelfahrtswochenende
sind wir eines von vier Orchestern, die gemeinsam die „Parkmusik“ des österreichischen Komponisten Georg Friedrich Haas in den Herrenhäuser Gärten aufführen – das wird die deutsche Uraufführung
dieses Werkes sein. Und im September haben wir eine Kooperation mit dem Sinfonieorchester musica assoluta: Die kam witzigerweise im Ursprung über ein ebensolches Stadtkind-Interview wie dieses hier zustande. Damals war mein Gesprächspartner Thorsten Encke, der Leiter von musica assoluta,
und der Kontakt ist erfreulicherweise geblieben. Und jetzt passt es, dass wir etwas zusammen machen. Zudem waren wir im November mit dem MSO im Tonstudio und haben vier Stücke aufgenommen, die auch bei unseren Neujahrskonzerten zu hören waren. Seitdem kann man die Aufnahmen auch
als neue CD – inklusive Downloadlink für alle ohne CD-Player – käuflich erwerben. Die YoungStars haben auch zwei große Konzerte; eins im Juni und eins im November. Und unsere Ausbildungsorchester haben ebenfalls ein Sommerkonzert im Juni und ein Weihnachtskonzert.


CS: Ich rolle unser Programm mal von hinten auf: Wir geben unser traditionelles Adventskonzert in der Gartenkirche am 2. Advent. Dieses Mal wird eine Messe von Marc Antoine Charpentier aufgeführt: eine Messe, die zurückgreift auf weihnachtliche Volkslieder. Wir ergänzen diese mit alten französischen Weihnachtsliedern. Der Eintritt ist wie immer frei, um auch Menschen ein Konzerterlebnis zu ermöglichen, die sich sonst so etwas vielleicht nicht leisten können. Darüber hinaus nehmen wir in diesem
Jahr vor allem an Gemeinschaftsprojekten teil: Wir werden im Juni bei The Public Domain von David Lang auf dem Opernplatz mitmachen: Am 1. Mai findet im NDR Sendesaal ein Konzertprojekt mit hannoverschen Chören im Rahmen des Kirchentages statt, „Stabat Mater“ von Antonin Dvořák.
Am 24. Februar werden wir wieder, ebenfalls mit hannoverschen Chören, beim Benefizkonzert für die Ukraine in der Marktkirche dabei sein. Und parallel fangen wir auch schon an, für 2026 zu proben. Und dann ist das Jahr auch schon rum …


FR:
Wir hatten vor knapp drei Jahren auch eine Uraufführung von einem Auftragswerk. Das ist immer sehr spannend.


CS: Ja, total. Oft ist es ja so, dass man während der Probephase ein Stück anhört, um die Architektur schneller zu verstehen. Aber bei Uraufführungen kann man das nicht, manchmal müht man sich ab und ist dann ganz überrascht, wie toll es am Ende wird.

FR: Wir waren beim Entstehungsprozess genau in der Corona-Zeit, hatten dann aber mit dem Komponisten Bert Appermont – einem Belgier, der in der sinfonischen Blasorchester-Szene ein sehr bekannter Komponist und Dirigent ist – tatsächlich auch eine Online-Session: Er saß am Klavier und
hat uns erste Fragmente vorgespielt. Dabei erklärte er seine Ideen, die ihn inspiriert hatten. Das war wirklich schön, dass man so ein bisschen diesen Entstehungsprozess mitbegleiten konnte.


Corona liegt ja mittlerweile schon ein bisschen zurück: Hat sich das eigentlich
wieder gefangen, was die Resonanz betrifft, die man erhält?


CS: Naja, wir haben das Jahr danach die Auswirkungen immer noch gespürt. Die Nachfrage der Konzerte, wenn man nur den halben Saal voll bekommt, wirkt sich massiv auf die Finanzierung aus. Das hat sich jetzt aber wieder normalisiert.


FR: Ich würde auch sagen, dass man das am Anfang gemerkt hat. Jetzt hat es sich wieder normalisiert und es ist uns da eigentlich nichts weggebrochen, wie man es ja von Sportvereinen oft gehört hat. Wir haben es aber im Kinder- und Jugendbereich ein bisschen gemerkt, was das Strukturieren der Zeit betrifft: Gerade in den Anfängen, wenn sie noch an der Grundschule sind, ist tatsächlich so ein bisschen zu merken, dass es nicht so dieses Gefühl für die Verpflichtung gibt, die man letztlich auch eingeht.


Gibt es denn irgendwas, das ihr euch wünschen würdet für die Zukunft? Irgendeine
Art von Verbesserung, Unterstützung, von der ihr denkt, das wäre eigentlich
mal angebracht?


FR: Also die Finanzen fallen einem einfach als erstes ein, weil man ja als Verein, der alles selbst trägt, zusehen muss, dass finanziell alles im Rahmen bleibt. Da ist es schon so, dass es manchmal eine Herausforderung ist, hier in Hannover und der Region Konzertsäle zu finden, die genug Platz für
Mitspielende und Instrumentarium auf der Bühne sowie für das Publikum vor der Bühne bieten. Wir brauchen eine passende Akustik und am Schluss muss es für einen Verein bezahlbar sein. Es gibt zwar teilweise Säle, die für gemeinnützige Vereine etwas günstiger sind, aber es ist trotzdem unsere
härteste Rechnung: Wie voll kriegen wir den Saal? Wie hoch müssten die Kartenpreise sein, die wir auch nicht immer höher ziehen wollen?


CS: Ja, da stimme ich dir vollkommen zu. Aber trotzdem möchte ich einmal lobend die Zusammenarbeit mit der Stadt und insbesondere mit dem Kulturbüro erwähnen. Das ist ein toller Ansprechpartner für uns Kulturinstitutionen. Daran merkt man, dass Hannover UNESCO City of Music ist, weil wirkliches Interesse vorhanden ist. Außerdem wünsche ich mir mehr mutige Männer. So ein Verein lebt vor allem von seinen Mitgliedern und da würde ich mir mehr Zuwachs, eben insbesondere bei den Männerstimmen
wünschen. Im Moment sind wir gut aufgestellt, aber es könnte mehr nachkommen. CK

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Barbara Sommer und Amanda Reich

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Barbara Sommer und Amanda Reich


Diesen Monat waren wir im Gespräch mit Barbara Sommer, der neuen Geschäftsführerin vom Freundeskreis Hannover, und Amanda Reich, Werkstudentin und Projektkoordinatorin. Gesprochen haben wir über den Umschwung beim Freundeskreis und auch über den kürzlich verliehenen Stadtkulturpreis.

Stellt euch doch zu Beginn einmal vor …

Amanda Reich: Ich bin Amanda Reich, gebürtige, stolze Hannoveranerin. Ich liebe Hannover! Ich studiere Kulturwissenschaften und schreibe gerade meine Bachelorarbeit. Ich bin über eine Anzeige zum Freundeskreis gekommen. Ich wollte unbedingt Erfahrungen im Projektmanagement sammeln. Ich hatte mich schon viele Jahre ehrenamtlich engagiert und u. a. die Black Lives Matter Demo 2020 organisiert. Bei meinem Vorstellungsgespräch stellte sich heraus, dass die damalige Geschäftsführerin Katharina Sterzer damals für den Sicherheitsplan zuständig war. Und so konnte ich meine Leidenschaft zum Job entwickeln. Vor zwei Monaten bin ich dann auch als Mitglied in den Freundeskreis eingetreten. Es lohnt sich auf jeden Fall, hier Mitglied zu sein, das weiß ich durch meinen Blick hinter die Kulissen

Barbara Sommer: Ich bin gebürtige Münchnerin, nach dem Jurastudium in Göttingen bin ich noch weiter in den Norden vorgerückt und der Liebe wegen in Hannover gelandet. Mein erster Arbeitgeber war die Deutsche Messe AG. Ich habe während des Studiums schon immer viel im Veranstaltungsbereich gearbeitet. Dafür habe ich gebrannt und auch ich habe die Leidenschaft zum Beruf gemacht. Über verschiedene Schritte bin ich 2009 zur Conti gekommen: Dort habe ich erst einmal in der Presseabteilung und später dann im internationalen Veranstaltungsmanagement gearbeitet. Von Lappland bis Süditalien, von Portugal bis Ungarn haben wir Veranstaltungen geplant und umgesetzt. Das war eine tolle, sehr lehrreiche Zeit, aber auch sehr anstrengend durch die Doppelbelastung mit zwei Kindern zu Hause. In der Corona-Zeit, bei 100% Kurzarbeit, ist mir nach 13 Jahren bewusst geworden, dass es Zeit für eine Veränderung wird. Ich habe mich auf mich besonnen und viele private Projekte angeschoben, die ich schon immer machen wollte, habe viel ehrenamtlich gearbeitet: in der Obdachlosenhilfe, im Impfzentrum und im Gemeindecafe. Dann habe ich mich entschieden, meine Arbeitszeit zu reduzieren, und später, auszusteigen und mich mehr im Sozialen zu engagieren. Ich habe 1½ Jahre beim Freiwilligenzentrum gearbeitet und darüber auch die Stadtkultur kennengelernt und die ersten Netzwerke geknüpft. Ich bin dann angesprochen worden, ob ich mir vorstellen könnte, hier im Freundeskreis das entstandene Vakuum zu füllen. Ich hielt das für eine spannende Herausforderung und bin ins kalte Wasser gesprungen – und habe es bis jetzt auch nicht bereut.Ich bin erst seit September 2024 hier und finde es ganz spannend, jetzt einmal kurz zu bilanzieren. Denn in den drei Monaten ist wahnsinnig viel passiert

Wie ist es denn nach diesem Wechsel so gelaufen? Ist es zu Veränderungen gekommen, strebt ihr solche gezielt an?

BS: Es gibt zwei Aspekte bei der ganzen Sache: Einmal die Menschen, die jetzt am Start sind, da gibt es sowieso einen Umschwung, weil andere Menschen andere Herangehensweisen, Bezugsrahmen und Erfahrungsschätze mitbringen. Das haben wir jetzt beim Stadtkulturpreis schon gesehen, dass der in vielerlei Hinsicht ganz anders war, ohne dass wir das geplant hätten. Und dann die Dinge, die wir gezielt angehen, wie zum Beispiel eine Zukunftswerkstatt, um herauszufinden, was sich unsere Mitglieder wünschen und was wir schon gut machen. Wir starten mit einer Online-Umfrage. Und im nächsten Schritt haben wir zwei feste Präsenz-Termine, zu denen wir einladen, um ganz konkret, begleitet mit externer Hilfe, herauszufinden, wo die Reise hingehen soll.

AR: Ich würde noch ergänzen, dass man den Umschwung auf jeden Fall gemerkt hat, Ich bin ja jetzt fast zwei Jahre im Freundeskreis und habe das alles nochmals ganz anders wahrnehmen können. Ich war einfach überrascht, wie schnell ein Verein sich verändern kann, bzw. sich positiv entwickeln kann, mit den richtigen Menschen, die gemeinsam für eine Vision arbeiten. Barbara ist erst seit drei Monaten hier und ich sage ihr gefühlt jede Woche einmal, wie gut es tut, mit ihr zu arbeiten. Es macht unglaublich viel Spaß. Auch mit Hajo Rosenbrock und Konstanze Beckedorf, die im Vereinsvorstand sind.

Das ist ja nicht die einzige Resonanz, das einzige Feedback …?

BS: Da kommt natürlich viel Feedback, keine Frage. Und ich glaube, es ist tatsächlich durchweg positiv. Die Mitglieder haben darauf gewartet, dass etwas passiert, nach der Durststrecke, die es zu überbrücken galt. Und das hat Amanda ja auch ganz toll hingekriegt, mit den anderen Freiwilligen in der Geschäftsstelle. Die haben den Laden hier wirklich am Laufen gehalten, mit den Mitteln, die ihnen zur Verfügung standen. Aber es war keine Leitungsfunktion da. Niemand, der eine Idee von strategischer Ausrichtung hat.

AR: Es mangelte aber nicht nur an strategischer Ausrichtung, sondern auch an Teambuilding. Das hat hier total gefehlt.

Lastet dann auch Druck auf euch? Aufgrund einer Erwartungshaltung …?

BS: Nein. Ich bin mit einer großen Begeisterung für diese Aufgabe hier eingestiegen und die Voraussetzungen zu gestalten waren günstig. Wir haben die ersten drei Wochen damit zugebracht, auszumisten und uns eine Atmosphäre zu schaffen, in der die Arbeit Freude macht. Jeder hat seinen Teil dazu beigetragen und wir haben ein gutes Gespür füreinander bekommen. Wer kann was gut, wer übernimmt welche Aufgaben? Im nächsten Schritt haben wir dann analysiert, was es für Prozesse gibt, ob sie sinnvoll sind. Wir haben die Server aufgeräumt, die komplette Struktur umgestellt, Geld eingespart, Verträge überprüft … und geklärt, wie wir eigentlich finanziell dastehen. In den drei Monaten ist irrsinnig viel nach innen passiert; wir haben die Infrastruktur geschaffen, um nach außen wirken zu können. Das war jetzt erst einmal das Hauptaugenmerk: hier eine gute Basis zu haben

Wenn es durchweg positives Feedback gibt, heißt das, dass der Unmut, der zuvor in der Luft lag, nun komplett verschwunden ist …?

BS: Natürlich wird es immer Leute geben, die nicht ganz glücklich sind: Wenn du 1.000 Mitglieder hast, kannst du nicht alle glücklich machen. Aber ich bin in Kontakt gegangen mit den Menschen, die sich beschwert haben. Ich hatte den Vorteil, dass ich als unbeschriebenes Blatt eingestiegen bin, ohne Altlasten. Ich bin mit verschiedenen Menschen ins Gespräch gegangen, habe mich vorgestellt und war einfach ehrlich. Ich habe zugehört, unsere Idee von der Zukunft geschildert und sie gebeten, mitzugestalten und ihre Ideen einzubringen. Wir haben mit allen eine gute Gesprächsbasis gefunden. Ich freue mich über die Rückmeldungen von langjährigen Mitgliedern, wir können nur davon profitieren. Die Älteren sind sehr wichtig für uns. Zugleich gehen wir in eine digitale Zukunft: Wir wollen also auch jüngere Mitglieder animieren mitzumachen.

Ich arbeite hier im nächsten Jahr mit zwei jungen Frauen zusammen, die ihren Bundesfreiwilligendienst absolvieren und mit ihrer Sicht ungemein bereichern. Sie planen ein Instagram-Kampagne, gemeinsam mit Schüler*innen der Ricarda-Huch-Schule, mit der wir das junge Ehrenamt in den Vordergrund rücken wollen.

Wenn wir ein Bürgerverein sein wollen, dann müssen wir alle Zielgruppen in irgendeiner Form mitnehmen. Mit unseren Demokratiethemen klappt das schon gut: Mit den Demos, die wir anmelden, kriegen wir viel Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit.

Ihr erwähntet, dass der diesjährige Stadtkulturpreis anders verlaufen sei. Inwiefern …?

AR: Der vorletzte Stadtkulturpreis war ja auch mein erster Stadtkulturpreis. Aber Planung und die Organisation fielen sehr knapp und kurzfristig aus, es war also stressig. Es gab nicht so eine hohe Nachfrage wie 2024. Dieses Mal war es einfach besser, weil der Spirit im Team komplett anders war. Wir haben schon im August das „Save the Date“ rausgeschickt – und demnach konnten sich alle rechtzeitig anmelden. Wir waren sechs Wochen vorher schon ausgebucht. Es war diesmal schön anzusehen, wie glücklich die Menschen waren. Das Feedback war großartig. Man hat es auch auf den Fotos gesehen, dass die Leute Spaß hatten. Im Jahr davor gab es einfach viel Unzufriedenheit.

BS: Was uns sehr wichtig war – und das war auch die Vorgabe vom Vorstand –, ist der Umstand, dass es bei dieser Preisverleihung vor allem um die Preisträger*innen geht: diesmal Franziska Stünkel und Alina Zimmermann von wasmitherz e.V. Die Gewinner*innen: sollten im Mittelpunkt stehen. Und genauso war es. Wir haben uns auch als Team gut präsentiert. Die Gäste haben gemerkt, dass wir harmonieren. Wir gehen wertschätzend und auf Augenhöhe miteinander um. Das ist etwas, was wir positiv nach außen tragen. Mir war außerdem wichtig, dass der Freundeskreis mehr Sichtbarkeit bekommt. Wir als Freundeskreis verleihen den Stadtkulturpreis und unsere Sponsoren finanzieren ihn.Die Stadt hat damit gar nichts zu tun. Wir machen also im Prinzip Standortmarketing für die Stadt, ohne dass die sich daran beteiligt. Da dürfen wir schon auch präsenter sein.

Es geht dann bei der Preisverleihung nicht nur um die Preisträger*innen, sondern auch um Stadtmarketing?

BS: Wir verleihen den Preis an Hannoveraner*innen, die sich für die Stadtgesellschaft in kultureller Hinsicht und durch bürgerschaftliches Engagement besonders verdient gemacht haben. Das ist etwas, was den Standort Hannover unheimlich trägt. Dahin muss und darf man ganz viel Aufmerksamkeit lenken. Natürlich hat das mit Standortmarketing zu tun. Wenn wir so bemerkenswerte Menschen hervorbringen, wie eine Franziska Stünkel, die sich zu ihrer Heimatstadt bekennt, dann muss man das einfach hervorheben.

War eigentlich Stünkels „Nachschuss“ spielentscheidend bei der Entscheidung, ihr den Preis zu verleihen?

BS: Natürlich ist „Nahschuss“ das, was Franziska international noch einmal eine andere Popularität verschafft hat. Vor allem auch, weil der Film so gut besetzt war, was wiederum für die Qualität ihrer Arbeit spricht. Ich glaube, dass es das Gesamtpaket Franziska Stünkel war: Sie ist ja viel mehr als nur ihre Kunst: Auch „Coexist“, ihre fotografische Arbeit, ist ganz fantastisch, aber Franziska ist darüber hinaus auch noch ehrenamtlich engagiert und menschlich so spannend, dass sie den Preis verdient hat. Und auch das andere Team um Alina Zimmermann und wasmitherz e.V. ist ein sehr wertvolles Projekt. Das hat auch deshalb den Zuschlag bekommen, weil es ein junges Engagement ist, das für einen ganzen Stadtteil und damit für eine bunte, diverse Gruppe an Menschen einen Ort schafft, der seinesgleichen sucht …

AR: Ich hatte auch das Gefühl, dass wasmitherz viele Menschen erreicht hat. Es war schön zu sehen, wie viele Leute sich über den Preis gefreut haben. Selbst Menschen aus meiner Community, die eigentlich nichts mit diesem Thema zu tun haben, haben davon gehört und waren wirklich glücklich, dass sie diesen Preis gewonnen haben – weil sie so eine großartige Arbeit leisten. CK

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