Tag Archive | "gert deppe"

Tags: , , , , ,

Literarisches: Gert Deppe


Es gibt keine Heilung, keine Besserung. Zumindest nicht für Anne. „Kein Ankommen, nirgendwo“ ist der im regional ansässigen zu Klampen Verlag erschienene Debütroman von Gert Deppe, der sich darin mit sexuellem Missbrauch auseinandersetzt und damit einem viel zu wenig gehörten Thema Aufmerksamkeit gibt. Deppe sagt, er möchte „möglichst viele Menschen durch dieses Buch für das Thema sexueller Missbrauch sensibilisieren“. Mit diesem außergewöhnlichen Debüt leiht Deppe der Protagonistin Anne seine Stimme und erschafft ein literarisches Konstrukt, das die Vermischung von dauerhaftem Schmerz und Hilflosigkeit mit unwahrscheinlicher prozesshafter Heilung darzustellen vermag.

Ein Gespräch. Ein Gespräch soll endlich die fehlenden Antworten bringen, die Anne schon so lange fehlen. Doch Anne will nicht nur das, sie will konfrontieren, ihren Vater endlich nach all den Jahren zur Verantwortung ziehen. Anne ist ein Trennungskind, es gibt wenig, auf das sie sich mehr freut als die sonntäglichen Besuche ihres Vaters. Eigentlich lebt sie bei ihrer Mutter, doch zu ihrem Vater hat sie ein innigeres Verhältnis. Bis zu dem Tag, an dem er sich sexuell an ihr vergreift. Depressionen, Autoaggression und Beziehungsunfähigkeit diktieren fortan das Leben der Heranwachsenden; den Kontakt zu ihrem Vater bricht sie ab. Nach Jahren beschließt Anne, ihn am Telefon zur Rede zu stellen, und fordert eine Erklärung für seine zerstörerische Tat. Sie hat das Rache-Gespräch genau geplant, und es verläuft ganz anders, als der zum Zuhören gezwungene Vater erwartet.

Aber wer ist Anne? Wer redet da und wessen Gespräch hört man hier eigentlich? Anne ist zu Beginn nur ein Konstrukt, ein Schatten, der einen nicht mehr sehen lässt. Sie wird zum Gast in ihrem eigenen kaputten Leben, für welches sie keinen Ausweg mehr sieht. Ihr Schmerz ist zu groß, als dass man ihn greifen kann. Sie hat ihren Hunger nach dem Leben verloren. Anne empfindet unvorstellbar viel, denn sie hat das Unfassbare erlebt. Deppe zieht einen in Annes Bann und man wird Teil ihrer Mission. Nur als Zuschauer, denn näher lässt sie einen nicht an ihre Gedanken heran. Man weiß nie, was ihr nächster Schritt sein mag. Anne bleibt von Anfang bis Ende ein Rätsel, dessen Vergangenheit die Gegenwart lähmt und die Zukunft zerstört hat.

Gert Deppe studierte zunächst Musik in Hannover. Von 1999 bis 2001 absolvierte er ein Volontariat bei der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung und arbeitet seitdem als freier Journalist und Autor für zahlreiche Medien. Deppe erzählt: „Ich habe eigentlich immer schon geschrieben, seit meiner Schulzeit in Hannover, egal ob Lyrik, Erzählungen, ein Drama oder Romane“. Sein nächstes Projekt steht ebenfalls schon in den Startlöchern. Ausgewählt hat der 1964 geborene Autor die Thematik des Romans, da „das Thema sexueller Missbrauch allgegenwärtig ist, nicht nur in der Kirche. Ich denke, diese Präsenz hat zu der Idee geführt, darüber zu schreiben. Die Form des Textes hingegen ist das Ergebnis von ganz bewussten Entscheidungen“. In „Kein Ankommen, nirgendwo“ ist die Form eine Mischung aus jenem konfrontierenden Telefonat, zwischen Anne und ihrem Vater, aus Gesprächen zwischen Anne und ihrem Therapeuten sowie aus diversen Rückblenden in ihre Kindheit, die häppchenweise serviert werden und dabei mal für besseres und mal für schlechteres Verständnis sorgen können. Deppe möchte durch seinen Roman ein Bewusstsein für die Thematik der sexuellen Gewalt schaffen und darüber aufklären – auch wenn es ihn „beim Schreiben immer wieder mal selbst eiskalt erwischt“ hat.

Es ist vielleicht nicht angenehm, über ein solches Thema zu lesen, aber unglaublich wichtig. Deppe verleiht Anne eine Stimme, die so vielen nicht gegeben und noch seltener gehört wird.

Für Interessierte findet am 25. Januar in der Oststadtbibliothek im Pavillon um 19 Uhr eine Lesung statt. Begleitet wird Gert Deppe von Martina Sulner (HAZ/RND) und von einer Mitarbeiterin der Fachberatungsstelle Violetta für sexuell missbrauchte Mädchen und junge Frauen. Der Eintritt ist frei, Spenden erwünscht.

Abgelegt unter Literarisches, MenschenKommentare deaktiviert für Literarisches: Gert Deppe


Partner