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Literarisches: Lars Menz

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Literarisches: Lars Menz


Atemberaubende Bergketten und glitzernder Schnee, ein kleines Dorf unter einem winterlichen Nachthimmel – eine Idylle, die nur schwer zu stören scheint. Außer natürlich durch die Leiche, die an ihrem gebrochenem Genick vom obersten Punkt der örtlichen Skischanze hängt.

Lars Menz‘ Thriller-Debüt „Die Schanze“ hüllt die kleine Gemeinde zu Fuße der Alpen in eine bedrohliche Atmosphäre, in der jeder und jede des Verbrechens schuldig sein könnte. Niemand scheint ohne Geheimnisse zu sein. Ärztin Ellen Roth kehrt nach vielen Jahren mit einem gebrochenen Herzen in ihre Heimat zurück, und sieht sich direkt in den Mord verstrickt – denn das Opfer ist ihr nicht unbekannt. Während bei Ellen alte Wunden aufgerissen werden, die sie ihre Rückkehr schon bezweifeln lassen, sieht der Journalist Merab in dem Fall seine Chance auf die große Story, die seinen Weg raus aus dem kleinen süddeutschen Dorf öffnet. Gemeinsam beginnt das Duo Nachforschungen anzustellen. Doch je näher sie dem Mörder kommen, desto näher kommen sie auch Ellens eigener Vergangenheit und deren dunklen Schatten.

„Die Vergangenheit macht uns alle aus,“ betont Lars Menz. „Und sie wirkt sich eben auch auf literarische Figuren aus, macht sie interessant und echt. Ohne eine bestimmte Vergangenheit wird man auch nicht zum Mörder.“ Das Motiv der Verflochtenheit von Erinnerung und Gegenwart begleitet den Autoren schon seit seinem Aufbruch in die Welt der Literatur: „Auch in meinem ersten Roman „Rauschen“ muss der Protagonist sich mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen, obwohl ihn eigentlich durch seine Diagnose etwas sehr Aktuelles beschäftigt.“ Menz’ Debüt beim Klassenbuch Verlag erzählt von dem Umbruch im Leben eines Mannes, nachdem er mit Multipler Sklerose diagnostiziert wird – ein starker Gegensatz zu seinem neuesten Werk. „Nach dem eher stillen und teilweise autobiografischen Roman brauchte ich einen inhaltlichen und stilistischen Wechsel.“ erklärt der 53-Jährige. „Die Spannung in Thrillern hat mich immer interessiert und bietet als Genre viele Möglichkeiten – schnelle Szenen, handlungsgetriebene Plots. Das Schreiben hat nach dem eher ernsten Thema viel Spaß gemacht.“ Sein Faible für das schriftstellerische Handwerk fand Menz schon als Jugendlicher. Neben seinem Studium in Geografie, Stadtplanung und Politik schloss er auch ein Volontariat ab und arbeitet nun seit Langem in Hannover in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Die journalistischen Hintergründe beeinflussen Menz‘ Ausdruck und Erzählweise: „Mein Stil ist auch im Roman nicht ausschweifend, ich mag kurze, prägnante Sätze.“ Gleichzeitig loben Kritiker*innen den Autoren für seine bildhafte Sprache und die intensive Atmosphäre, die „Die Schanze“ prägt. „Ich habe einen engen, kleinen Ort gesucht, der wenig Ausweg bietet.“ beschreibt Menz seine Wahl für den Schauplatz des Romans. „Ein Teil meiner Familie lebt am Rande der Alpen und daher hatte ich die Szenerie gut vor Augen. Die dortige Schanze wird abends angestrahlt und überstrahlt den Ort. Da entstand die Idee für den Mord und das klaustrophobische Setting.“ Die Titel gebende Schanze stellt dabei den Tatort des ersten Mordes dar, ist aber auch ein Symbol: „Sie beherrscht die Szenerie und bietet gleichzeitig keinen Ausweg. Sie ist der Stachel in der Dorfgemeinschaft: Jeder will hier hoch hinaus, aber es geht nur nach unten.“ Die Charaktere mit ihren Sehnsüchten und Geheimnissen bilden für Menz den Mittelpunkt eines guten Thrillers, auch wenn das Verbrechen die entscheidende Triebkraft hinter ihren Handlungen ist. „Die Figuren interessieren mich am meisten: Wo kommen sie her, warum tun sie, was sie tun?“ erklärt der Autor. „Das Verbrechen bietet den Anlass, die Figuren in Bewegung zu setzen, zu entwickeln und sich mit ihnen zu beschäftigen, sie im besten Falle zum Leben zu erwecken.“ Die Faszination für dem Thriller wird Lars Menz zunächst auch weiterhin begleiten: „Im Frühjahr 2026 erscheint das nächste Buch, erneut beim Ullstein-Verlag. Dieses Mal spielt es aber an der Küste, näher an Hannover dran.“ Das Thriller-Schreiben macht dem Autor einfach Spaß, mit allen düsteren Wendungen und Gänsehaut-Momenten: „Wenn eine spannende Stelle gut gelingt, der Mörder sein Ziel erreicht, ist das beim Schreiben auch ein Erfolgserlebnis.“

Ullstein Verlag, 16,99 Euro, 304 Seiten.

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Literarisches: Lisa Holtmeyer

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Literarisches: Lisa Holtmeyer


Stress schlägt auf den Magen aber auch aufs Herz, Hirn, die Haut und das Immunsystem. Einer der Stressfaktoren in dieser schnelllebigen Welt ist Kommunikation. Welche Auswirkungen Kommunikation auf uns hat und wie wir lernen können, gesund zu kommunizieren, zeigt Lisa Holtmeier in ihrem neuen Buch Wortmedizin.

„Ich sage immer gern: Worte säen, Gesundheit ernten.“ Im Februar hat Lisa Holtmeier ihr Buch „Wortmedizin“ veröffentlicht. Darin setzt sie sich mit ungesunden Kommunikationsmustern und deren Auswirkungen auf unsere mentale Gesundheit auseinander. In 20 Kapiteln beschreibt Lisa Holtmeier am Beispiel von Alltagssituationen „krank machende Kommunikationsmuster“ und gibt konkrete Tipps für eine gesündere Kommunikation. Ihr Ziel: Mentale Gesundheit durch richtige Kommunikation stärken.

Lisa Holtmeier ist gelernte Ergotherapeutin und hat in Hildesheim Therapie- und Gesundheitswissenschaften studiert. Nebenbei hat sie in Praxen und Kliniken gearbeitet.

„Da ist mir das Thema Kommunikation sehr häufig untergekommen. Besonders auf der Intensivstation, wo die Menschen an Monitoren angeschlossen sind, merkt man sehr schnell, welche Auswirkungen Kommunikation auch auf die Herzfrequenz, auf den Blutdruck, auf die Atemfrequenz haben kann.“ Holtmeiers Faszination für Kommunikation und Sprache rührt aus ihrer schwierigen Schulzeit her, in der sie durch Mobbing häufig mit ungesunden Kommunikationsmustern konfrontiert war. Im Studium vertiefte sie ihr Interesse und legte den Fokus ihrer Bachelorarbeit auf die Auswirkungen von Kommunikation auf die mentale Gesundheit. Nach dem Bachelor-Abschluss gründete sie ihr Unternehmen Wordseed. Auf Fortbildungen, unter anderem für Unternehmen, lehrt sie flexible und gesunde Kommunikation für Führungskräfte – in der Schweiz, Österreich, aber auch in Hannover.

Ihr Buch „Wortmedizin“ versteht Holtmeier als „Wegbegleiter in Richtung gesündere Kommunikation.“ In alltagsnahen Geschichten, die am Arbeitsplatz stattfinden, aber auch in Gesprächen zwischen Freund*innen oder Beziehungspartner*innen, sollen sich ihre Leser*innen wiederfinden können. Figuren wie Frau Lippmann, die eines Tages in das Büro ihrer Chefin zitiert wird, ohne zu wissen, worum es geht und sich den Kopf darüber zerbricht, oder Eleni, die sich auf Instagram als Psychologin inszeniert, obwohl sie gar keine ist und damit von einer Freundin konfrontiert wird, nimmt die Autorin aus ihrem Umfeld. „Diese Geschichten habe ich so oder so ähnlich entweder aus meinen Coachings oder Beratungen mitbekommen. Ich habe aber natürlich Namen und andere Details stark verändert, um die Personen zu schützen.“ Die geschilderten Situationen nutzt Holtmeier, um ungesunde Kommunikationsmuster aufzudecken. Am Ende eines jeden Kapitels gibt die Autorin Tipps, diese Kommunikationsmuster und Phänomene, wie Overthinking (zermürbendes Überanalysieren), Nonpology (unechte Entschuldigung) oder Gaslighting (gezielte Verunsicherung oder Manipulation des Gegenübers) zu durchbrechen. Holtmeier gibt direkte Formulierungshilfen und Bewältigungs-Methoden, wie die RAIN-Methode (Achtsamkeitstechnik zur Emotionsbewältigung), die 10-10-10-Methode (negative Gedanken einordnen und loslassen) und Journaling (schriftliches Festhalten von Gedanken). Auch sie selbst wendet Bewältigungs-Methoden wie das Journaling an. „Das hilft mir persönlich sehr, meine Gedanken zu sortieren und mich zu reflektieren. Ich würde mich tendenziell als sehr sensiblen Menschen bezeichnen. Ich nehme mir Worte manchmal sehr zu Herzen und denke lange darauf rum. Journaling ist für mich persönlich eine gute Methode, das einzuordnen.“ Aber auch wenn man sich an Holtmeiers Ratschläge hält, kann trotzdem noch was schiefgehen. „Die Verantwortung für Kommunikation teilen wir uns 50-50. Zu 50 Prozent bin ich verantwortlich, wie ich mich ausdrücke. Zu 50 Prozent bin ich darauf angewiesen, was du daraus machst. Und das ist manchmal auch das Unbefriedigende an Kommunikation. Das Ziel sollte nicht sein, dass wir andere Menschen verändern – in meiner Welt funktioniert das nicht – sondern, dass wir selbst gesund kommunizieren.“ Aber Lisa Holtmeier erkennt auch bei sich selbst hin und wieder noch ungesunde Kommunikationsmuster. „Ja, da kann ich einige aufzählen“, sie lacht. „Ich merke echt oft, dass ich aufopfernd kommuniziere, wenn zum Beispiel mal wieder aus dem eigentlichen Nein ein Ja geworden ist.“

Die Autorin erhofft sich von ihrem Buch vor allem eins: dass es Menschen hilft. „Ich wünsche mir, dass Menschen mit dem Buch einen Begleiter und eine Hilfestellung finden und dadurch lernen, sich im Alltag vor ungesunder Kommunikation zu schützen und gleichzeitig sensibel und achtsam zurück kommunizieren. Ich denke, wir haben da draußen einige Herausforderungen, die man unter anderem auch kommunikativ lösen könnte. Wir müssen alle mal ein bisschen achtsamer sein mit unserer Sprache, denn Sprache schafft Wirklichkeit.“

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Literarisches: Ossy Pfeiffer

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Literarisches: Ossy Pfeiffer


Schweigen ist nicht immer Gold. Genau deshalb möchte Ossy Pfeiffer die Stille brechen und über das Kuriositätenkabinett, das sich Musikindustrie nennt, erzählen. Festgehalten ist dieses unsortierte Sammelsurium in seinem ersten Buch: „So, Alter! Jetzt pass auf!“. Jene Worte mit denen Gespräche zwischen Musiker*innen zu beginnen scheinen, die enttarnen wollen, was alles schiefläuft.
„So, Alter! Jetzt pass auf!“ ist ein unzensierter Blick hinter die – Achtung Ironie – glamourösen Kulissen des Lebens eines Musikers, Produzenten und kreativen Freigeists. Seit mehr als 30 Jahre arbeitet Ossy Pfeiffer pausenlos in der Musikbranche – als Musiker, Multi-Instrumentalist und Produzent. Pfeiffer schreibt in seinem Buch selbstreflexiv über erlebte Höhen und Tiefen, darunter Studio-Anekdoten, spannende Begegnungen mit weniger spannenden Persönlichkeiten und weniger spannende Begegnungen mit spannenden Persönlichkeiten. Zwischen Momenten des Scheiterns und des Erfolgs zeigt Pfeiffer die rissigen Fassaden der Musikindustrie. Humoristisch. Ehrlich. Melancholisch.
Pfeiffers Geschichten machen unmissverständlich klar: Nicht alles, was glänzt, ist Gold. „Viele verwechseln nämlich das Musikgeschäft oder das Musikerdasein mit Glanz und Gloria“, erzählt der Musiker und Autor. Er sagt von sich selber er habe schon alles erlebt, was man so erleben könne. Festgehalten hat er die intensiven Situationen zum Verarbeiten im Tagebuch, aus dem letztendlich dieses Buch wurde. „Schon immer habe ich zwischendurch Kurzgeschichten aufgeschrieben, absurde, lustige, aber auch fiese Geschichten, die zwischendurch im Alltag als Musiker und Musikproduzent passieren.“
Aus diesem Grund ist das Buch stark autobiografisch geprägt. Auch das Cover zeigt den Autoren selbst im Alter von einem Jahr – wobei das Rauchen selbstverständlich nachträglich rein montiert wurde. „Der rote Faden meines Buches ist im Grunde genommen die Art und Weise, wie ich alles erzähle: ungefiltert, direkt, aber ohne Namen zu nennen. Die prägendsten Geschichten sind natürlich die fiesen“, sagt Pfeiffer. „So Alter! Jetzt pass auf!“ ist jedoch nicht nur ein Buch – es kommt mit einer Bonus-CD, die vier Songs enthält. Die Songs sind ein „Aufruf an die Menschlichkeit“ in Country-Rock Form. Erarbeitet wurden sie von Anca Graterol, Sophie Mühlmann, Eckhardt Reimann, dem Autor selbst und vielen weiteren. „Der kreative Prozess des Schreibens hat sich im Grunde, zumindest für mich, nicht groß vom Musik komponieren, Songs schreiben, Texte schreiben unterschieden. Ich habe allerdings unterschätzt, wie viel Struktur ein Buch braucht. In der Musik ist es doch etwas anders, und die künstlerische Freiheit ist etwas weiter ausgelegt.“ Für die Zukunft gibt es auch schon gute Nachrichten, denn der Herzblutmusiker hat noch viel Energie: „Mein zweites Buch ist tatsächlich schon in Arbeit“, erzählt Ossy Pfeiffer.
RoBiDo Verlag
19,90 Euro
270 Seiten + Bonus CD mit 4 Songs

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Literarisches: Heinrich Thies

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Literarisches: Heinrich Thies


Eine Holocaust-Überlebende begegnet in der Lüneburger Heide einem Mann, dessen wahre und grausame Identität erst Jahre später enthüllt wird. Heinrich Thies‘ Roman „Sally – Der Weg zurück ins Leben“ ist eine Auseinandersetzung mit der Normalität des Bösen. Im Oktober veröffentlicht, erzählt der Text, inspiriert von realen Biografien, eine Geschichte über die Herausforderungen des Überlebens.

Sally Rosenstein, eine jüdische Tänzerin, lebt nach ihrer Befreiung aus dem KZ Bergen Belsen in einem Camp für „Displaced Persons“ und wartet auf ihre Ausreise nach Palästina. Sie tanzt, spielt Theater und fährt Rad. Bei einer ihrer Radtouren durch die Lüneburger Heide trifft sie zufällig den Eiermann Otto, einen charmanten, Geige spielenden Hühnerhalter. Es folgt eine Freundschaft, bei der Sally nicht ahnt, dass Otto einer der größten Kriegsverbrecher der NS-Zeit ist und damit mitverantwortlich an der Ermordung von Millionen von Menschen. Als sie dies Jahre später anhand eines Fotos herausfindet, schlägt es Sally zurück in die tiefen Abgründe ihrer Vergangenheit. Sie ist konfrontiert von einer inneren Zerrissenheit und Wut – und dem Bösen, das mitten unter uns zu leben scheint.

Thies‘ Sohn tippt auf ein Foto der jüdischen Tänzerin Dolly Friedler-Kotz und schlägt seinem Vater vor, die Geschichte dieser Frau zu erzählen. Das war der Impuls für „Sally“, so erzählt es der Autor. Über Otto Adolf Eichmann und sein Undercover-Leben in dem Ort Altensalzkoth hatte er bereits vor 15 Jahren für die HAZ recherchiert. „Zum einen hat es mich fasziniert, dass schon innerhalb weniger Monate am Rande der Massengräber neues jüdisches Leben aufgeblüht ist“, sagt Heinrich Thies und fährt fort: „Zum anderen hat es mich elektrisiert, dass nur rund zehn Kilometer entfernt der Cheflogistiker des Massenmords an den Juden Hühner gehalten und Geige gespielt hat und durchaus bei seinen Nachbarn angesehen war. Diese verstörende Nähe von Opfer und Täter, die ja der Realität entspricht, hat mich dazu bewogen, Sally mit Otto zusammenzuführen – eine fiktive Begegnung, die sich aber durchaus so hätte ereignen können.“

Der Autor beleuchtet wenig erforschte Facetten der Nachkriegszeit: das Leben von Holocaust-Überlebenden in Displaced Persons Camps und die beunruhigende Nähe zwischen Opfern und Tätern. Sallys Geschichte von ihrem Leben in Israel, ihrer Rückkehr nach Deutschland und die Rückblicke auf die Schrecken des Holocausts verweben sich zu einem Geflecht aus fundierter historischer Geschichte und psychologischer Tiefe, das Lesende beeinduckt und beklemmt zurücklässt.

Thies greift damit Hannah Arendts Konzept der „Banalität des Bösen“ auf, „welches betont, dass Eichmann – wie andere Nazi-Verbrecher – kein Monster war, sondern verstörend normal. Für Arendt liegt gerade in dieser Normalität das Erschreckende, das Gefährliche des Nationalsozialismus“, erzählt Heinrich Thies. Otto erscheint nicht als Dämon, sondern als gewöhnlicher Mann, der sich scheinbar mühelos an jede Umgebung anpasst. „So konnte eine Holocaust-Überlebende wie Sally diesen Mann durchaus sympathisch finden – sicher auch, weil Eichmann so skrupellos in der Lage war, sich ganz unterschiedlichen Bedingungen anzupassen. Ein Chamäleon.“

Heinrich Thies, geboren 1953 in der Lüneburger Heide, begann seine berufliche Laufbahn als Gymnasiallehrer, bevor er als Journalist zur Hannoverschen Allgemeinen Zeitung wechselte. Neben seiner journalistischen Arbeit hat Thies Biografien, Romane und Sachbücher verfasst. Mit Sally knüpft er an den Erfolg von „Fesche Lola, brave Liesel“ an, das ebenfalls historische und fiktionale Elemente verwebt.

331 Seiten

24 Euro

Rote Katze Verlag

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Literarisches: Marc Lunghuß

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Literarisches: Marc Lunghuß


Teppiche bieten Heimat. Gerade denen, die keine haben“, schreibt Marc Lunghuß in seinem im Oktober veröffentlichten Roman „Am Boden“. In der Theorie ist es ein Roman über Teppichböden. In der Praxis aber eine mit besonderer Symbolik erzählte Vater-Sohn Geschichte in stiller Atmosphäre, über das unter den Teppich Gekehrte. „Trotz aller Teppichthematik und der von mir erhofften Unterhaltsamkeit ist ‚Am Boden‘ vor allem das: Trauerliteratur“, so beschreibt Lunghuß sein Werk.

Die Familie in „Am Boden“ lebt warm und geborgen in einem Haus, dessen Räume alle mit Teppichboden ausgelegt sind. „Hart fallen konnten wir als Kinder also nicht“, heißt es im Buch. An ein weiches Leben gewöhnt, wird die Familie im Jahr 2006 mit dem Tod des Vaters konfrontiert. Mit 59 Jahren stirbt er in der Medizinischen Hochschule Hannover, der „Stadt aus Waschbeton“, an Leukämie. Der Teppichvertreter verstirbt „in einem Zimmer mit anti-bakteriellem Kautschukboden“. Aus dieser Situation heraus beginnt eine intensive aber humorvolle Familiengeschichte – und ein Trauerroman. Eine Geschichte über eine Kleinfamilie, die in der Nähe des Deisters lebt, über Sehnsucht, Trauer sowie die Flucht davor, über das Aufwachsen in einer politisch aufgeladenen Gesellschaft – und natürlich über Teppichböden.
„Ich hielt die Information, der Sohn eines Teppichbodenvertreters zu sein, noch nie für besonders spannend“, sagt Marc Lunghuß. Doch dann sitzt der Autor im Frühling 2022 im Rahmen des Alfred-Döblin-Stipendiums in einem kleinen Dorf in Schleswig-Holstein und schreibt. Mit den beiden anderen Stipendiatinnen kommt er viel ins Gespräch: Sie ermutigten ihn seine Idee zu verfolgen. „Also begann ich mit einem kleinen Text, der sich auch im fertigen Roman wiederfindet“, sagt Lunghuß und erzählt weiter: „So setzte ich die Arbeit fort, begann mit der intensiven Recherche, hielt aber immer noch den Gedanken, daraus könnte ein Roman entstehen, von mir fern. Und vielleicht war genau das der Schlüssel, dass daraus tatsächlich ein Roman wurde.“ Das Ergebnis: Ein Roman über das Unauffällige.
„Unauffällige Begleiter unseres Lebens, wie Teppiche, treten manchmal aus ihrer Unauffälligkeit in unser Bewusstsein, zum Beispiel wenn sie nicht funktionieren. Oder wenn sie mit Bedeutungen aufgeladen werden, die von uns auf sie projiziert werden“, erklärt der Autor. In Lunghuß’ autobiografisch geprägtem Roman wird der Teppichboden zum Akteur in einem familiären aber auch gesellschaftlichen Geflecht, der Verhalten und Strukturen maßgeblich beeinflussen kann. Symbolisch dient der Teppich als Spiegel für soziale Normen und Werte sowie unterdrückte Emotionen und ungelöste Konflikte. In „Am Boden“ ist der Teppich mehr als nur ein Bodenbelag: „Ein Material wird zur Brücke“, wie Lunghuß sagt.

Marc Lunghuß wurde 1974 in Gehrden geboren und studierte Philosophie und Germanistik in Heidelberg sowie Berlin. Er führt Regie bei diversen Theaterinszenierungen und veröffentlicht Kurzprosa und Erzählungen. „2025 beginne ich mit etwas Neuem, darauf freue ich mich“, erzählt er.

Bärmeier & Nikel

192 Seiten

24 Euro

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Literarisches: Jobst Mahrenholz

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Literarisches: Jobst Mahrenholz


Jobst Mahrenholz hat im März seinen Roman „Das Zubereiten gemeinsamer Zeit“ veröffentlicht. In keinem seiner Bücher ist so viel von ihm selbst wiederzufinden wie in diesem. Eine Geschichte, die schroff und kühl, aber gleichzeitig warm und einfühlsam ist …

Wie kann man Sie persönlich und als Autor am besten beschreiben?

Als kantig! Sowohl optisch als auch vom Wesen. Ich ecke oft an. Das bringt mich immer wieder in Konfliktsituationen. Für einen Autor ist das nicht das Schlechteste, denn es hat oft Dialoge über das Gängige hinaus zur Folge.

Worum geht es in „Das Zubereiten gemeinsamer Zeit“?

Zwei Männer begegnen sich im winterlichen Dänemark, an der Nordseeküste. Und sie stellen fest: Da gibt es Überschneidungen. Beide haben sich eine Auszeit genommen, über viele Wochen hinweg. Sie beginnen, Zeit miteinander zu verbringen. Der eine ist ein leidenschaftlicher Koch, kann jedoch wenig bis gar nichts essen, der andere, ein hingebungsvoller Genießer, ist des Kochens nicht mächtig, möchte es aber unbedingt lernen. Das verbindet sie. Einen Teil des Buches habe ich in genau dem Loft geschrieben, in dem gekocht, geredet und gedacht wird.

Sie haben unter anderem Literatur studiert und später als Journalist gearbeitet. Was bewegte Sie zum Schreiben?

Ich wurde als Kind von einem Juristen und einer Psychologin adoptiert. Ich denke mal, diese sehr entscheidende Wendung in meinem Leben hat sowohl den Drang zum Schreiben geweckt als auch meine Faszination für Sprache. Aber eine Idee im Kopf zu haben und sie dann letztlich zu verschriftlichen, sind zwei verschiedene Dinge. Es braucht sowohl die Fantasie als auch das Handwerk. Also fing ich an, mich mit dem Handwerk zu befassen, um dem Wust in meinem Kopf einen passenden Rahmen zu geben.

Was hat sie zum Schreiben von „Das Zubereiten gemeinsamer Zeit“ inspiriert?

Der Auslöser war ein einziger Satz eines Freundes, den ich auf Facebook kennengelernt hatte. Irgendwann gestand er mir, dass sein Profilbild nicht ihn abbildet. „Ich bin hässlich!“, schrieb er zur Begründung. Das hat mich damals sehr berührt. So ein starker, harter Satz. Inspiriert hat mich schließlich ein anderer Freund, den ich sehr liebe, mit dem ich auch einige Zeit in Dänemark verbracht habe. Der Mads in der Geschichte.

Sie sind adoptiert worden. Mads, einer der Hauptcharaktere, hat eine ähnliche Geschichte. Spiegeln sich Ihre eigenen Erfahrungen in Ihren Charakteren wider?

Mads zieht nach dem Tod seiner Mutter zu seinem Vater, der eine neue Familie gegründet hat, ist dort jedoch nicht willkommen. In all meinen Büchern bin ich wiederzufinden, aber in keinem so sehr wie in diesem.

Ihre Bücher werden der LGBTQ-Literatur zugeordnet. Wie sehen Sie das?

Tatsächlich werde ich in eine Ecke gestellt, allein, weil unter den meisten meiner Bücher „queer“ steht, aber das ärgert mich enorm, ist ungerechtfertigt und verursacht ein Schubladendenken, gegen das ich im Grunde anschreibe. Unter Hetero-Büchern steht ja auch nicht „hetero“. Da würde man sich doch an den Kopf fassen. Ich bin ein queerer Mensch, also spiegelt sich das in meinen Texten wider, denn: Will ich authentisch sein, berichte ich über Vertrautes. Das, was meine Geschichten ausmacht, sind Empfindungen, die jeden Menschen betreffen, der fühlt, liebt, hasst, abstumpft oder über sich hinauswächst. Ganz gleich, auf welcher Party er tanzt.

Verstehen Sie die sexuelle Orientierung Ihrer Charaktere eher als etwas Banales und Realität, oder sehen Sie in Ihrem Schreiben auch ein Stück weit einen Bildungsauftrag?

Sex empfinde ich generell als etwas Banales, sei es in der Literatur, im Film oder im real live. Sei er queer, hetero oder sonst wie geartet. Er ist zwingend banal. Aber im Ernst: lässt man den Sex außen vor, ist es nicht banal, queer zu sein, denn da geht es plötzlich um ethische Fragen, um Würde und Respekt, um Politik und Menschenrechte, um Gleichheit und das Recht darauf. In meiner Arbeit thematisiere ich das Queersein bezogen auf die jeweiligen Protagonisten. Die einen haben kein Problem damit, die anderen arbeiten sich daran ab. Ich gebe nicht vor, zu wissen, was richtig, was falsch ist. Das entscheiden meine Figuren ganz für sich. Und so geben sie auch den Lesenden die Chance, sich ein eigenes Bild zu machen. Es ist mir wichtig, relevante Geschichten zu schreiben, Denkanstöße zu liefern und Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten.

Der Titel „Das Zubereiten gemeinsamer Zeit“ lässt zunächst darauf schließen, dass man für das Verbringen und Schaffen gemeinsamer Zeit ein Rezept braucht. Ist das so? Oder spielen Sie damit eher auf das Koch- und Essverhalten Ihrer Charaktere an?

Der Titel umfasst in der Tat sowohl das Ess- und Kochverhalten der beiden als auch die zwischenmenschliche Entwicklung. Sie fangen an, Fehler zu machen, und diese Fehler haben Folgen. Würde man es aufs Kochen übertragen, haben sie sich irgendwann nicht mehr ans Rezept gehalten. Mit den Konsequenzen daraus müssen sie dann klarkommen.

Interview: Pia Frenk

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