Tag Archive | "Thomas Gottschalk"

Ein offener Brief …an Thomas Gottschalk

Tags: , , ,

Ein offener Brief …an Thomas Gottschalk


ieber Thomas, habe die Ehre!

Was muss das für ein Winter für dich gewesen sein – mitten drin im Zentrum des öffentlichen Hasses, beäugt von der ganzen Republik, als hättest du nicht Jahrzehnte lang harmloses Unterhaltungsfernsehen gemacht, sondern höchstpersönlich den Untergang der Abendkultur eingeläutet. Aber immerhin: Du hast stattgefunden, wurdest gesehen. Es hat zwar keiner applaudiert oder gejubelt, aber auch schlechte Publicity ist eben Publicity. Und man konnte sich ja kaum retten vor lauter Schlagzeilen: „Bodyshaming: Gottschalk disst Maite Kelly!“, „Gottschalk ärgert Schöneberger!“, „Gottschalks dritte Biographie – peinlich, überflüssig, misogyn!“ oder „Gottschalk schlägt Sohn wegen Eiswaffel“.

Kurz gesagt: Du warst das Feindbild der Nation. Herzlichen Glückwunsch nachträglich, das ist ja auch irgendwie eine Leistung. Wer es schafft, mit Samtjacke, Goldschmäh und geföhnten Locken zur Projektionsfläche tiefsitzender gesellschaftlicher Frustration zu werden, der hat es wirklich geschafft. Kein lupenreines Comeback, aber close enough.

Und dann kam – ach, das weißt du natürlich – Friedrich Merz. Der Mann, der mit stoischer Miene und der Wärme eines Bakelittelefons das Kunststück vollbracht hat, dich vom Thron des öffentlichen Anstoßes zu stoßen. Und das, ganz ohne Frauen angefasst zu haben, nicht mal beruflich. Auf einmal scheint deine schnoddrige Art, die wir im Dezember noch so peinlich fanden, fast charmant im Vergleich zu dem, was Herr Merz da Tag für Tag vom Stapel lässt. Da werden Frauenrechte zurückgewünscht, soziale Kälte zur Tugend erklärt und ganze Bevölkerungsschichten mit einem Schulterzucken abgetan. Und du? Du sitzt jetzt daheim in deiner Villa in Gräfeling, reibst dir die Wurzel deiner Supernase und ärgerst dich über die Kurzlebigkeit von Schlagzeilen, möchten wir wetten.

Dabei warst du schon ein prima Bösewicht, das geben wir gerne zu. Allein deine flamboyanten Willy-Wonka-Kostümierungen! Und diese vermeintliche Unbedarftheit, wenn du Sätze sagst wie: „Ja, was denn? Maite Kelly is eben dick, sieht man doch!“ oder „Wenn der Bub seine frische Eiswaffel fallen lässt, kleb ich ihm halt eine, das würde jeder Vater tun. Die hat immerhin ne Mark gekostet!“. Das war doch Kalkül! Du wusstest ganz genau, was du damit auslöst, uns kannst du nicht täuschen. Und es war natürlich eine großartige Promo für dein letztes Buch „Ungefiltert“. Haufenweise Verfechter von „Man darf aber auch gar nichts mehr sagen!“ würden es kaufen und dich zu ihrem Anführer machen, weil du ihnen aus dem Herzen gesprochen, beziehungsweise geschrieben hast. Und zwar einen Requiem auf die gute alte Zeit, in der Mann ganz unzensiert und ungestraft sexistischen Bullshit von sich geben konnte. Well played.

Weil du clever bist, weißt du auch, dass heute niemand mehr Formatfernsehen schaut. Da muss ein TV-Moderator halt gucken, wie er statt findet. Dir ist klar, dass sexistischer Bullshit dich heutzutage in Teufels Küche bringt – und in die Schlagzeilen. Also kalauerst du munter weiter vor dich hin. Und der Plan ging auch auf, zumindest, bis der fiese Fritz kam und noch mehr Dünnes abgesondert hat. Blöd jetzt für dich. Dein persönlicher „Abstieg in der Gunst des Zorns“.

Wir, das enttäuschte Publikum, das wirklich lieber dir als Friedrich Merz beim Scheißesein zugesehen hätte, sind darüber genau so traurig, das kannst du uns glauben! Immerhin ist nicht gleich die nationale Sicherheit in Gefahr, wenn du mal wieder Michelle Hunziker an den Arsch gegrapscht hast – rein beruflich natürlich.

Mensch, Thommy, sei tapfer. Denn vielleicht ist das auch eine Art Gnade. Vielleicht tut es ganz gut, mal nicht mit dem Holzhammer der Empörung bearbeitet zu werden. Vielleicht genießt du jetzt erst mal ein bisschen Ruhe. Da kannst du ganz präzise deine Rückkehr ins Zentrum des Aufschreis planen, wie ein echter Superschurke das tun würde. Ein kleiner Ausrutscher hier, ein missverständlicher Witz da, ein bisschen professionelles Gegrabbel, zwinki-zwonki, gekrönt von einer hanebüchenen Nonpology. Dir fällt da schon was ein! Betrachte es einfach als große Saalwette, die unbedingt gewonnen werden muss. Wir glauben an dich und deine Fehlbarkeit! Topp, die Wette gilt. MB

Abgelegt unter offene BriefeKommentare deaktiviert für Ein offener Brief …an Thomas Gottschalk


Partner