Editorial 2022-10

Editorial 2022-10

Liebe Leserinnen und Leser,

nun wird es teuer und immer teurer, die Energiepreise explodieren und die Politik sucht händeringend nach Lösungen, die es so kurzfristig leider nicht gibt. Alle sollen sparen und gleichzeitig werden neue „Quellen“ für fossile Energien erschlossen, beispielsweise in Saudi-Arabien und Katar – mit Bauchschmerzen. Aber es hat momentan eben oberste Priorität, sich von Russland unabhängig zu machen. Was manche nun schon wieder kritisieren. Wir würden uns mit den Sanktionen selbst schaden, so heißt es. Die Ukraine müsse jetzt nachgeben und verhandeln. Ich kann das absolut nicht nachvollziehen, aus zweierlei Gründen. Erstens ist die Ukraine ein souveräner Staat, der überfallen wurde und sich wehren darf – und die Ukraine dabei zu unterstützen, das ist ein Gebot der Menschlichkeit. Und zweitens geht es gerade um sehr viel mehr als um den Krieg in der Ukraine, es geht darum, dass wir den Anfängen wehren müssen. Mal wieder. Wir haben sehr lange geschlafen, mit offenen Augen, wir wollten manche Entwicklungen gar nicht sehen, und jetzt brennt es plötzlich lichterloh.

Wir haben es nicht allein mit neuen Diktatoren zu tun, wir sehen auch, dass die westlichen Gesellschaften nach rechts driften, zuletzt in Schweden und Italien. Und zu allem Überfluss fliegt uns nun zunehmend auch noch das Klima um die Ohren.

Wir sind offensichtlich schon vor einer ganzen Weile völlig falsch abgebogen. Und wenn es nicht so traurig wäre, könnte man fast darüber lachen, wenn die ehemals Verantwortlichen nun in den Talkshows behauten, niemals am Steuer gesessen zu haben.

Ich habe in dieser Ausgabe mit Udo Sahling, dem ehemaligen Geschäftsführer der Klimaschutzagentur Region Hannover über Energie und über die Energiekrise gesprochen. Und natürlich haben wir dabei auch zurückgeblickt. Warum stecken wir momentan in dieser Abhängigkeit, warum sind wir nicht schon viel weiter mit dem Umbau unserer Energiewirtschaft? Woran hat es gelegen? Die Antworten werfen kein besonders gutes Licht auf die zuletzt regierenden Parteien.

Aber bevor nun alle auf die Straße rennen und die Faust heben und sich dabei vielleicht unschön verlaufen – eine Mehrheit hat diese verantwortlichen Parteien gewählt. Verbockt haben wir es mehr oder weniger alle zusammen. Aus meiner Sicht ist es momentan viel wichtiger, sich nun schleunigst dem zuzuwenden, was ist und was sein wird, als sich noch lange mit Vergangenheitsbewältigung und Sündenbocksuche aufzuhalten. Im Augenblick das Richtige zu tun, ist allerdings ein Spagat. Wir müssen kurzfristig viel Falsches tun, um es langfristig richtig machen zu können. Was wir richtig machen können, auch dazu hat Udo Sahling in unserem Gespräch ab Seite 52 ein paar Vorschläge gemacht.

Zuletzt noch etwas in fast eigener Sache: In dieser Ausgabe feiern wir ein Jubiläum. bonnataxi hat in diesem Heft die 100. Seite gestaltet. Und wir haben das zum Anlass genommen, ein Buch draus zu machen, erschienen im zu Klampen Verlag, das man ab sofort überall dort bekommt, wo es gute Bücher gibt. Mehr dazu auf Seite 40.
Viel Spaß mit dieser Ausgabe!

Lars Kompa

Herausgeber STADTKIND

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