Politisches: Ein Trauerspiel

Fassen wir das mal kurz zusammen: Vor der Sommerpause zerlegt sich wochenlang die Ampel, FDP und Grüne sind sich spinnefeind, während sich Olaf Scholz lieber raushält und zu allem schweigt. Dann gehen alle in die Ferien und geloben vorher noch schnell Besserung. Um dann nach der Sommerpause genauso erbärmlich da weiterzumachen, wo sie zuvor aufgehört haben. Und zwischendurch gibt Olaf Scholz noch ein Sommerinterview, in dem er alle Probleme wegfanatisiert. Ein Trauerspiel.

Und es wird nicht besser werden, dafür sind die Gräben zwischen der FDP und den Grünen einfach zu tief, und dafür ist Olaf Scholz zu blass und zu ambitionslos. Das wird nichts mehr. Aber ein schnelles Ende wird es trotzdem nicht geben, bis zur nächsten Bundestagswahl im September 2025 werden wir uns das Elend weiter mit ansehen müssen. Um dann wahrscheinlich nach der Wahl festzustellen, dass es immer noch schlimmer kommen kann. Die AfD läuft sich bereits warm. Während die CDU zugunsten eines oft billigen Populismus auf echte Oppositionsarbeit verzichtet (man müsste dann ja eigene, konstruktive Vorschläge machen, was wahrscheinlich zu anstrengend ist) und die Linke sich komplett zerlegt und entsprechend bei der nächsten Bundestagswahl in der Bedeutungslosigkeit verschwinden wird. Das ganze Elend zeigt sich besonders deutlich, wenn nun in einigen Kommentaren geschrieben wird, dass eine Sahra-Wagenknecht-Partei eine Chance sein könnte, die AfD zu schrumpfen. Wenn das im Jahr 2023 eine Hoffnung für Deutschland sein soll, ist Auswandern vielleicht doch keine so schlechte Möglichkeit.

Aber wir wollen uns mal nicht so sehr beklagen, wir bekommen ja einfach genau das, was wir uns zusammenwählen, wir haben uns die aktuelle Regierung selbst eingebrockt und werden uns auch die nächste Regierung selbst einbrocken. Wir haben das alles höchstselbst in der Hand und können uns entscheiden. Und weil wir auf unseren kurzfristigen Vorteil schielende, egoistische und oft auch denkfaule und ein bisschen dekadente kleine Frettchen sind, machen wir unsere Kreuze bei jenen Parteien, die uns nicht mit den ganz großen Zumutungen behelligen, sondern uns lieber ein paar nette Geschenke machen und uns dazu das Blaue vom Himmel versprechen. In der Theorie sind wir alle voll und ganz für einen radikalen Klimaschutz, für Gerechtigkeit, für Chancengleichheit, für mehr Verantwortung und Moral, für mehr Ehrlichkeit, für mehr Menschlichkeit, für Mülltrennung, weniger Plastik und für viel weniger Fleisch auf dem Mittagstisch. In der Praxis haben wir aber keine Lust, auch nur einen Cent mehr fürs Fleisch zu zahlen. Wenn in der Praxis irgendwas teurer wird oder wir gar auf irgendwas verzichten sollen, ist uns alles scheißegal, auch unsere Zukunft und die unserer Kinder – dann sitzen wir allein in der Kabine und machen unbeobachtet unsere Kreuze.

Gar keine Frage, die Demokratie ist bisher die beste aller vorstellbaren Regierungsformen, wenn da nur diese bescheuerten Wähler*innen nicht wären. Die einen wählen größenwahnsinnige, angeblich liberale Kleinstparteien, weil sie sich davon persönliche Vorteile versprechen, die anderen wählen einen vergesslichen Sozialdemokraten zum Bundeskanzler, der es sich in seinem ganz persönlichen Wolkenkuckucksheim gemütlich gemacht hat, wieder andere wählen die, die immer alles, aber wirklich alles richtig machen und dabei den Zeigefinger mahnend in die Höhe recken, während sie sich mit der anderen Hand den Mund zu halten, weil man bestimmte unangenehme Wahrheiten nicht aussprechen darf, weil das ideologisch irgendwie gar nicht geht, und wieder andere wählen schließlich gewohnheitsmäßig einfach die, die ohne die Ideen der Sozialdemokraten wahrscheinlich gar nicht regierungsfähig gewesen wären in den letzten Dekaden – man klaut sich ein bisschen was zusammen bei den Sozis, zieht die Hälfte ab, bremst hier und da noch ein bisschen, schon hat man nichts Halbes und nichts Ganzes, sprich: ein schönes, rundes konservatives Programm. Und jetzt sind da auch noch die, die Nazis wählen. Darf man diese ganz besonderen Wähler*innen beleidigen? Klar, man muss sogar! Man muss diese Leute schon ernst nehmen und sich positionieren. Ihr Lieben, wenn ihr die AfD wählt, dann hat euch leider irgendjemand ins Hirn gekackt. Geht nach Hause, lest ein Buch! Und dann lest noch ein Buch. Vielleicht mal eins über Faschismus. Wäre eventuell ganz lehrreich. Im Ernst, soll das Prostest sein? Kann man sich eigentlich noch lächerlicher machen? Klar, man kann die Wagenknecht-Partei wählen, falls es die demnächst geben sollte. Schlimmer geht immer.

Aber was bleibt jetzt noch übrig? Die Linke, die hier gerade eben in der kleinen Aufzählung so gemein vergessen wurde? Das hat ja einen Grund: Sie wurde vergessen, weil man sie vergessen kann. Oder sollte man vielleicht gar nicht mehr zu Wahlen gehen, sich besser ausklinken, weil die Ergebnisse meist eh keinen Spaß machen? Machen ja schon viele. Zu viele. Auch das ist ein Problem. Die Nichtwähler*innen sind mindestens ebenso verantwortlich wie die bescheuerten Wähler*innen. Was bleibt übrig? Gute Frage. Es wäre uns allen wirklich zu wünschen, wenn irgendeine Partei darauf demnächst mal eine kluge Antwort geben würde.*

POL

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