Tag Archive | "2017-10"

Kili Linden

Tags:

Kili Linden


Das bislang einzige Restaurant mit Küche aus dem Senegal in Hannover, das Kilimanjaro, hat eine zweite Kultstätte für das heiße Essen vom schwarzen Kontinent geschaffen: Im Kili Linden gibt es nun auch Typisches aus Afrika inmitten bunter afrikanischer Lebenslust – belebende Musik, ein bisschen Chaos, ganz viel Farbe, fröhliche Geselligkeit und noch mehr Geschmack.

Schön ist bunt, haben die Besitzer des Kilimanjaro auch im Kili Linden gemeint – und sie liegen damit richtig, denn die großgemusterten Tischdecken, die warmorangenen Wände und verschiedenfarbigen Lampen machen sofort munter und hellen jede verregnete Herbst-Stimmung auf; schräge Holzgiraffen, originell eingemauerte Tierfotos und einnehmende Musik verbreiten afrikanische Fröhlichkeit. Ob die sich auch aus den Getränken herausschmecken lässt? Von den afrikanischen Bieren probieren wir das Windhoek aus Namibia – es erfrischt mild mit einer perfekten Herbe im Abgang und macht schon etwas lustig … Leider ist der Affenbrotbaumsaft gerade aus, der hätte sicher spaßig geschmeckt. Der hausgemachte Ingwersaft ist pur arg süß, punktet aber mit seiner aromatischen Schärfe. Wir wenden uns den Speisen zu, die von der senegalesischen Köchin nach Rezepten ihrer Heimat zubereitet werden: Das Best of Kili Fingerfood, das es auch vegetarisch mit den beliebten Kochbananen gibt, genehmigen wir uns mit Fisch. Die Boulette ist fast übertrieben würzig, wird von unserem Testesser-Baby aber mit Begeisterungsstürmen quittiert, also eindeutig eine Geschmacksfrage. Im Verbund mit der stark senfigen Vinaigrette auf dem Salat für uns Erwachsene ein etwas zu dominanter Auftakt – den die Knoblauch-frei, mit frischen Kräutern gebratenen Garnelen und die Fatayas Senegalais (Empanada-ähnliche Taschen) mit ihrer eleganten Pikanterie via Thunfisch-Tomaten-Füllung wieder wett machen. Ganz im Sinne der afrikanischen Geselligkeit sind auch die meisten Hauptgerichte für mehrere Personen bestellbar, ebenso wählbar ist die Sauce, und die Schärfe kann reguliert werden. Thieboudienne – das senegalesische Nationalgericht aus mit einer Zwiebel-Kräutermischung gefülltem Barsch (für 14,60 Euro) – braucht keinerlei weitere Einmischung: der super saftige Fisch zerfällt weich unter der Haut, die knusprig sowie interessant gewürzt ist; mit Aubergine, Kohl und rotem Reis macht es gesund und besonders wohlschmeckend satt.

Eine ganz neue Geschmackserfahrung bietet das afrikanische Curry mit Lamm (für 14,80 Euro): Das sahnig-sanfte Lämmchen im Erbsen-Mais-Karotten-Zwiebel-Bett schmeckt – zunächst zart süß und dann erst scharf – bestens! Klare Empfehlung: Foufou dazu, ein fester Brei aus Maniok und Kochbananen (nicht nur für Babys, da sind wir uns am Tisch alle einig). Der vegetarische Maffé (für 10,80 Euro) wird nicht als Eintopf serviert, sondern Maniok, Kartoffel, Karotte und Athieke (Couscous aus Maniok) kommen mit Salatdeko einzeln, sodass man die jeweilige Kombination mit der Erdnussbutter-Sauce probieren kann. Hierfür gibt es gleich zwei Pluspunkte; einen dafür, dass man als Vegetarier satt wird, und einen für die afrikanische Erdnusssaucenvariation, die – längst nicht so süß wie beim Asiaten –, im Überfluss vorhanden und süchtig-machend lecker ist. Als Dessert hätten wir gerne das Thiacry empfohlen, eine witzige, leichte, Milchreis-ähnliche Joghurt­speise mit schwarzem Couscous und einer Prise Vanillezucker – doch dank Erdbeer- statt angekündigter Schokosauce war uns diese leider nicht recht. Vielleicht beim nächs­ten Mal – das es allein aus Neugier auf die noch nicht verkosteten Afrika-Delikatessen auf jeden Fall geben wird!

Anke Wittkopp

Falkenstraße 24
30449 Hannover
Tel. (01515) 1083093
www.kilimanjaro-hannover.de
Mo bis Sa 17-23 Uhr

Abgelegt unter Stadtkinder essenEinen Kommentar verfassen...

Holt sie von der Straße!

Tags:

Holt sie von der Straße!


Wenn ich mich mal wieder so richtig jung fühlen möchte, fahre ich einfach mit dem Fahrrad ein Stück über den Fußweg. „Das ist hier kein Fahrradweg“, gebellt von irgendeinem Rentner lässt nie lange auf sich warten – und ich bin sofort wieder zwölf. Natürlich möchte niemand ernsthaft wieder zwölf sein, aber ich finde, man blickt sofort viel versöhnter auf sein tatsächliches Alter, sobald man drüber nachdenkt, wie respektlos man oft von den Trägern beigefarbener Jacken behandelt wurde und wie ätzend das war. Die Jacken waren damals auch schon beige. Einer hat mich sogar mal vom Rad gestoßen und dann so getan, als hätte ich ihn umgefahren. Dabei war kilometerweit Platz und ich war so langsam und vorsichtig unterwegs, dass es eh schon schwer war, die Balance zu halten, sonst hätte der Kerl mich gar nicht umstoßen können. Der Höhepunkt war, als er dann seine Frau bat, zu gucken, ob ich seine Jacke beschädigt hatte. Was ich dem Typen an den Arsch gewünscht habe, hat mein Karma-Konto auf Jahre hinaus überzogen. Eine Freundin von mir wurde mal von einem rüstigen Rentner gestellt, als sie mit dem Fahrrad falsch herum durch eine Einbahnstraße gefahren ist. Der selbst ernannte Ordnungshüter hat sie korrekterweise der Polizei übergeben, wo sie dann von den Beamten belehrt wurde, den kenne man, sie solle warten bis der weg sei und dann zusehen, dass sie Land gewinne, vielleicht besser in die andere Richtung diesmal.

Immer wenn Wahlkampf ist, muss ich an ein ähnliches Erlebnis denken, als mich mein Weg zur Grundschule täglich an einer Batterie scheinbar sehr niedrig aufgehängter Wahlplakate vorbeiführte. Ich hatte grandiose Ideen zur Umgestaltung dieser Plakate und habe gleich noch zwei Freundinnen angeregt, mitzumachen. Vollkommen unbewusst jeglichen Unrechts haben wir auf dem Rückweg von der Schule unsere Federmäppchen ausgepackt und die Spitzenkandidaten quer durch alle Parteien mit Schnauzbärten, neuen Frisuren, modischen Brillen und Zahnlücken versehen. Genau mein Humor. Wir hatten einen Riesenspaß. Bis der Rentner kam. Dessen Schimpftirade, die die Worte „Straftat, Sauerei, Sachbeschädigung und Polizei“ enthielt, ließ uns das Blut in den unschuldigen Adern gefrieren. Wir waren vielleicht neun Jahre alt und wähnten uns für die nächsten Wochen mit einem Bein im Knast. Ärgerlich eigentlich, dass der Typ sein Ziel erreicht hat, (falls er eins hatte, vielleicht hat er auch nur Dampf abgelassen), ich habe das nie wieder gemacht, freue mich aber immer drüber, wenn ich Spitzenkandidaten mit schwarzen Zähnen sehe.

Nur, warum tun sie das, die Rentner? Langeweile und innere Leere aus Mangel an täglicher sinnvoller (erwerbstätiger) Beschäftigung? Dies sollte dann in die Überlegungen in Richtung eines bedingungslosen Grundeinkommens dringend einbezogen werden. Sonst keifen bald auch noch volltätowierte Hipster auf dem Fußweg hinter uns her. Für die ansonsten dringend fällige Rentenreform schlage ich vor, dass nur die netten, die nicht täglich das Bedürfnis haben, Leute zu schulmeistern, denen sie sich überlegen fühlen, früh in Rente gehen dürfen. Meinetwegen auch mit 63. Die können dann mit Nordic-Walking-Stöcken im Wald herumlaufen. Da sind die Jacken auch bunter, das ist gut. An diesem Funktionsklamotten-Bashing werde ich mich nicht beteiligen. Man muss sich schon entscheiden, auf wem man herumhackt, aber ich schweife ab. Wer denn nun die netten Rentenanwärter sind, muss man irgendwie herausfinden, damit kann sich eine Kommission befassen, die nach der Wahl eingerichtet wird, von welcher Partei dann auch immer. Die Jackenfarbe kann da nur einer von sehr vielen Anhaltspunkten sein. Die Schulmeister aber sollte man mindestens zehn bis fünfzehn Jahre länger zwischen 8 und 18 Uhr von öffentlichen Wegen fernhalten.

Annika Bachem

Abgelegt unter Kolumne des MonatsEinen Kommentar verfassen...

Anne de Wolff &  Demotapes.org

Tags:

Anne de Wolff & Demotapes.org


Anne de Wolff ist nicht nur bildhübsch und eine unglaublich begabte Multiinstrumen­talistin, sondern hat auch noch das Herz am rechten Fleck. Anfang des Jahres hat sie das Non-Profit-Projekt „Demotapes.org“ gegründet, bei dem Musiker sich mithilfe ihrer ­Musik für Demokratie stark machen können.

Was hat dich dazu veranlasst, das Projekt ins Leben zu rufen? Anfang des Jahres rief mich Torsten Eichten an, ein befreundeter Filmemacher. Wir sprachen über die verstörenden Dinge, die gerade politisch vor sich gehen – so vieles ist aus den Fugen geraten, in der Welt und auch vor der eigenen Haustür. Er meinte: Was werde ich bloß sagen, wenn mich meine Kinder später fragen: Papa, wo warst du denn eigentlich damals? So haben wir beschlossen, uns zusammenzutun, um Demotapes zu gründen, eine Internetplattform, auf der Musiker/Bands und Filmemacher zusammen Flagge zeigen. Wir möchten damit einen Beitrag zum Guten leisten und unsere Hörer und Fans bitten, zur Wahl zu gehen und sich zu engagieren, da uns klar ist, dass Demokratie nicht ohne uns alle funktioniert. Es nützt nichts, zu Hause auf dem Sofa nur über „die da oben“ zu wettern. Jeder einzelne hat die Chance, an vielen Stellen unsere Welt besser zu machen.

Worum geht es genau bei Demotapes.org? Bands und Sänger/Sängerinnen schicken uns Musikvideos, die einen politischen oder sozialen Bezug haben und dazu ein kurzes Video-Statement zu ihrem Song und ihrer Einstellung zur Demokratie. Ganz Genre-übergreifend soll so gezeigt werden, dass und wie Musiker und Künstler sich mit derartigen Themen befassen. Heute läuft im Radio quasi nichts, was politisch irgendwie relevant wäre. Allerdings weiß ich, dass fester und wichtiger Teil der Live-Auftritte fast aller deutschen Bands Statements zu politisch aktuellen Themen sind. Es gibt ja durchaus auf vielen Alben verschiedenster Künstler Songs, die sich mit solchen Themen befassen, allerdings nie umfassender zu Gehör gebracht werden, da Musik im Radio keinesfalls stören oder zu „kompliziert“ sein darf. Das finde ich sehr schade. Wir hoffen, mit Demotapes da ein bisschen diese Lücke schließen zu können.

Als Künstler hat man einen ganz anderen, viel sensuelleren Zugang zu den Rezipienten, als Parteien oder Politiker je haben könnten. Demnach ist Kunst ein sehr mächtiges Instrument – das in der Vergangenheit auch schon des Öfteren für falsche Zwecke eingesetzt wurde. Ist Demotapes.org ein bewusstes Entgegenwirken oder eine Warnung davor? Weder, noch. Ich sehe Demotapes eher als eine gemeinsame Bewegung von Musikern und Filmemachern, die allesamt ein feines Gespür für die gesellschaftliche Verantwortung haben. Sie eint das Bewusstsein, dass in unserer Gesellschaft Offenheit und Toleranz unabdingbar sind. Musik kann dabei im besten Fall die Herzen und Köpfe der Menschen öffnen, da sie in erster Linie eine Sprache des Gefühls ist. Politische Botschaften in Songs waren in Westdeutschland ab den 68ern bis in die 80er Jahre klarer und wahrnehmbarer als heutzutage (in der DDR war die Situation eine andere, da gab es die erlaubten, deutlichen, linientreuen sowie die versteckten, systemkritischen). Ich glaube, dass dies nach der Maueröffnung abnahm, liegt auch daran, dass die Politik durch die rasende Globalisierung komplexer, vielschichtiger und unübersichtlicher geworden sind. Alles hängt mit allem zusammen. Dafür reichen dann manchmal vier Strophen und ein Refrain einfach nicht. Ich erlebe im Moment bei den Menschen eine tiefe Sehnsucht danach, dass einfach nur alles gut wird. Wir bauen aus Selbstschutz einen kleinen Kokon um unsere Gefühle und hören den neutralen Radio-Charts zu, die uns nicht belas­ten. So erkläre ich mir auch den immens wachsenden Erfolg von Schlagern. Aber wir dürfen einfach nicht wegsehen und weghören!

Wenn man, wie du, schon seit vielen Jahren in der Branche aktiv ist, wie schwer fällt es einem da, noch achtsam zu sein, bzw.: Hat man seine etwaige Vorbildfunktion, seine Wirkung, seinen Einfluss stets auf dem Schirm? Ich habe den Eindruck, dass dies den meisten Bands sehr bewusst ist.

Als Musikerin und Produzentin – und nicht zuletzt hast du ja auch noch ein Privatleben – bist du gut beschäftigt. Trotzdem hast du dieses Non-Profit-Projekt aufgezogen. Wie groß ist der Spagat zum „normalen Alltag“? Ich empfinde es eigentlich gar nicht als Spagat, obwohl es doch viel zeitaufwändiger ist, als ich mir vorgestellt habe. Bis jetzt hat mich Demotapes eher sehr bereichert. Viele spannende Künstler schreiben mir, ich höre die verschiedensten Songs aller möglichen Stilrichtungen, die mir vorher nie über den Weg gelaufen wären … Und da ich ja in einer Musiker-Familie lebe, mein Mann Ulrich Rode ist Gitarrist, wir haben unser eigenes kleines Studio, und die meisten unserer Freunde sind auch Musiker, gibt es so eine richtige Trennung zwischen Privatleben und Arbeit sowieso nicht.

Für euer Projekt habt ihr Künstler gewinnen können, die sich sowohl stilistisch als auch hinsichtlich der Zielgruppe – etwa Wolfgang Niedecken, Ingo Pohlmann oder Tonbandgerät – sehr voneinander unterscheiden. Seid ihr bewusst an diese Künstler herangetreten oder hat sich das so ergeben? Das ist eine sehr schöne Mischung! Mit Wolfgang haben wir sowieso viel zu tun und erzählten ihm von diesem Projekt. Die Idee mit „Kristallnacht“ auf hochdeutsch genau und exklusiv für Demotapes kam dann von ihm. Mit Tonbandgerät hatte ich zur Gründungszeit von Demotapes zwei Konzerte in der Elbphilharmonie und wir sprachen backstage darüber. Ole meinte dann, sie hätten den perfekten Song dafür. Den nahmen wir in unserem Studio auf, gerade jetzt wird das Video gedreht. So gibt es ein paar neue Songs, ältere Songs, die für Demotapes neu aufgenommen werden (Stoppok oder von Brücken haben zum Beispiel Extra-Demotapes-Versionen ihrer Songs aufgenommen), und natürlich auch viele schon fertige, passende Videos, die uns Bands geschickt haben, nachdem sie von Demotapes gehört hatten.

Wer kann bei eurem Projekt mitmachen und wie funktioniert die Teilnahme? Musiker/Bands können uns ihr fertiges Video schicken, das ist der einfachste Weg. Oder sie schicken uns einen passenden Song, den wir in unseren Folder „Songs für Videos“ legen. Filmemacher können uns gern schreiben, wenn sie Interesse haben, und bekommen dann den Zugang zu eben jenem Folder, wo sie sich einen Song auswählen können. Da sind schon eine ganze Menge toller Lieder drin von wunderbaren Künstlern wie Astrid North, Micatone, den Rainbirds etc. Oder sie haben selbst eine Idee, kennen einen tollen Song, den sie gern verfilmen wollen. Da würden wir uns im Bedarfsfall auch als Vermittler zu den Künstlern anbieten. Auf dem Video-Sektor besteht generell im Moment noch mehr Bedarf. Falls das hier also jemand liest, der Lust und das Können hat: Wir freuen uns sehr über die Unterstützung von noch mehr Filmleuten!

Was wünschst du dir in Zukunft für Demotapes.org? Es wäre toll, wenn Demotapes zu einer großen, spannenden Seite wächst, auf der man beim Stöbern die Zeit vergessen kann. Dass sie sich weiterentwickelt als Inspirationsquelle, als Möglichkeit, Ansichten durch Musik vielleicht noch einmal neu zu überdenken, als Ort, an dem man anspruchsvolle, gute Musik mit Inhalt entdecken kann und sehen, wie toll und vielseitig unsere Musikszene ist.

Mehr Infos: www.demotapes.org, www.annedewolff.de

UM

Foto (Anne de Wolff): Ulrich Rode, ©Bluhousestudio.com
Foto (Pohlmann): Benedikt Schnermann
Foto (Demotapes): © Demotapes

 

Abgelegt unter MusikerporträtEinen Kommentar verfassen...

Jörg Smotlacha &  Henning Chadde – Die Organisatoren des SLAM 2017

Tags:

Jörg Smotlacha & Henning Chadde – Die Organisatoren des SLAM 2017


Die deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaften, kurz der SLAM – das ist eine große Nummer. Mit Tausenden von Fans aus ganz Deutschland. Mit schon seit Monaten ausverkauften Finaltickets. Das ist ein bisschen wie eine Mischung aus Fußball-EM und Hurricane Festival. Nur eben ohne Bälle und ohne Musik. Und in Hannover. Na gut, der Vergleich hinkt. Aber mindestens Schweiß, Tränen, Jubel und gute Stimmung gibt es garantiert, wenn sich vom 24. bis 28. Oktober 20 Dichterteams und 110 Einzelpoeten wortreiche Wettkämpfe im Kulturzentrum Faust und anderswo liefern. Die Fäden hinter den Bühnen ziehen unter anderem Henning Chadde (48) und Jörg Smotlacha (47) mit ihrem Team aus dem Live-Literatur e.V. und dem Büro für Popkultur.

Die beiden sind absolute Profis in Sachen Literaturveranstaltungen. Sie sind die Nummer Eins in Hannover, wenn es um die Organisation von Poetry Slams geht. Unter dem Label „Macht Worte!“ stellen sie in der Region seit über zehn Jahren erfolgreich Slam-Veranstaltungen auf die Beine. Doch mit den deutschsprachigen Meisterschaften haben sich Henning Chadde und Jörg Smotlacha einen besonders fetten Brocken vorgenommen. Ein echtes Großevent, von der Stadt Hannover gefördert, mit praktisch allen Stars der Szene. Dafür schlürfen die beiden Slam-Organisatoren augenscheinlich noch relativ entspannt ihren Latte Macchiato und Kaffee, als wir uns zum Gespräch im Der Nachbarin Café des Kulturzentrums Faust treffen.

Der SLAM ist zu dem Zeitpunkt aber auch noch einige Wochen hin. „Es wäre schön, wenn du in dem Artikel betonen könntest, dass wir jünger aussehen, als wir sind“, witzelt Henning. Die beiden Journalisten, Autoren und Kulturmanager sind gut drauf. Doch ein bisschen Aufregung und Stress seien auch mit im Spiel, geben sie zu. Die zwei können zwar auf langjährige Erfahrung und ein gutes Netzwerk in der Poetry-Slam-Szene zurückgreifen, waren mit „Macht Worte!“ schon für die Ausrichtung der Niedersächsischen Landesmeisterschaften verantwortlich, aber: „Von den Dimensionen her – wir rechnen mit 10.000 Zuschauern – sind die deutschen Meisterschaften etwas ganz anderes“, sagt Jörg, „Um das zu schaffen, mussten wir uns neu aufstellen und ein gutes Team ins Boot holen.“ Teil des für den SLAM gegründeten, 13-köpfigen Live-Literatur e.V. sind unter anderem Poetry Slammer Tobias Kunze, Journalist Jan Egge Sedelies und Bloggerin Ninia Binias. Allesamt Poetry-Slam-Experten und -Fans.

Das Veranstaltungsformat Poetry Slam – zu Deutsch etwa: Poesiewettstreit – entstand Ende der 1980er Jahren in Chicago, ist mittlerweile weltweit verbreitet und auch in Deutschland sehr erfolgreich. Das Prinzip ist schnell erklärt: Innerhalb einer vorgegebenen Zeit (bei den SLAM-Einzelwettbewerben: 5.30 Minuten) werden selbstgeschriebene Texte einem Publikum vorgetragen und letzteres kürt dann einen Sieger. Bewusste Selbstinszenierung ist gefragt. Es gilt, das Publikum zu begeistern – egal, ob mit Witz oder Tiefsinn. Oder beidem. „Was gefällt, ist letztlich eine Geschmacksfrage“, weiß Henning, „Ich selbst mag Slammer, die sich trauen, auch mal ernste, kritische Texte vorzutragen und nicht nur Comedy zu machen. Es ist super, wenn jemand es schafft, die Leute nachhaltig zu begeistern.“

Ihre großen „Macht Worte!“-Slams, die viermal jährlich in der Staatsoper stattfinden und meist von Henning und Jörg selbst moderiert werden, sind fast immer komplett ausverkauft. Vor allem junge Leute fühlen sich von dem Format angesprochen. Doch warum funktionieren Poetry Slams so gut? „Sie sind niedrigschwellig und interaktiv“, findet Jörg. „Ein Rockkonzert mit Worten!“, fügt Henning hinzu, „Es ist ein Sprachrohr für junge Leute. Und das Wettbewerbsformat trifft einfach den Nerv der Zeit. Das Publikum hat Bock darauf!“

In Hannover ist die Slamkultur sehr vielseitig und präsent. Vor zwei Jahren wurde Hannover vom ZEITmagazin sogar als drittaktivste Poetry-Slam-Stadt im deutschsprachigen Raum benannt. Nach Hamburg und Berlin. Jörg und Henning erzählen das nicht ganz ohne Stolz. Kein Wunder, denn sie sind mit ihrem Team von „Macht Worte!“ maßgeblich an dem Aufbau der hiesigen Szene beteiligt gewesen. Und sorgen jetzt eben dafür, dass erstmals auch die deutschsprachigen Slam-Meisterschaften nach Hannover kommen. „Der Wunsch kursierte in der Szene schon länger. Nun ist es endlich an der Zeit“, freut sich Jörg. Den Zuschlag für die Ausrichtung der 21. Meisterschaften bekam Hannover bei der Vergabe vor zwei Jahren im Rahmen der Meisterschaften in Augsburg. Nicht selbstverständlich, denn wie bei den Olympischen Spielen buhlen auch beim SLAM jedes Mal diverse Städte darum, Austragungsort zu werden. „Da kann man nicht einfach hingehen und sagen: Hallo, wollen wir machen, geht bei uns“, erzählt Henning, „Man muss ein gutes Konzept ausarbeiten und es gut präsentieren.“

Überzeugen konnten sie damit: Das Kulturzentrum Faust wird zum Festival-Zentrum, zum Schauplatz und Herzstück der Slam-Meisterschaften. Das ist etwas Besonderes im Vergleich zu anderen Städten, in denen die Meisterschaften an mehreren überall verteilten Locations stattfanden. „Wir schaffen hier in der Faust eine besondere Festivalatmosphäre. Die ganze Szene ist an einem Ort. Alle Hallen der Faust werden bespielt, die Slammer können hier im Café sitzen, es gibt einen Bücherbus und Essen auf dem Gelände. Alles ist sehr kompakt“, erklärt Jörg. Nur einige SLAM-Highlights werden ausgelagert: So findet die Eröffnungsgala im Theater am Aegi statt, die Halbfinale ziehen in die Orangerie und Galerie Herrenhausen und die Finale in die Staatsoper. Alles Orte, die notfalls immer noch fußläufig von der Faust erreichbar sind. Henning schwärmt deshalb von Linden als „Königreich der kurzen Wege“.

Auf den Schultern der beiden Veranstaltungsprofis lastet eine große Verantwortung. Sie wissen: Das muss gut werden. Und deshalb laufen die Planungen seit zwei Jahren auf Hochtouren. Für das SLAM-Rahmenprogramm mit Bücherbus, Meet-and-Greet-Lesungen, Workshops und Aftershow-Partys. Und natürlich vor allem für die Wettkämpfe selbst: Zehn Vorrunden, drei Halbfinale und ein Finale im Einzel-Wettbewerb sowie zwei Halbfinale und ein Finale im Team-Wettbewerb müssen über die Bühne gebracht werden. Wer als Poet antritt, entscheidet sich durch ein komplexes Nominierungsverfahren. Es gibt knallharte Regelwerke, entlang derer die Startplatzvergabe stattzufinden hat. „Bei den deutschsprachigen Meisterschaften geht es eben wirklich um was. Für die Gewinner ist das ein Karriere-Booster. Die starten dann häufig in Kabarett und Comedy durch, auch im Fernsehen“, berichtet Henning. Ein Preisgeld gibt es nicht. Wie bei klassischen Poetry Slams geht es letztlich um die Ehre.

„Ich freue mich besonders auf die Vorrunden hier in der Faust. Das wird extrem spannend“, grinst Henning, „Das unvermeidliche Favoritensterben. Irgendjemand muss ja rausfliegen. Oft auch große Namen. Da gibt es dann Blut, Schweiß und Tränen. Das wird Spaß machen!“ Wer ihre persönlichen Favoriten sind, verraten die beiden natürlich nicht. Als Veranstalter bleiben sie neutral. Zumindest nach außen hin. Das Duo ist eng mit der Szene verbandelt und mit mehreren der Slammer seit Jahren persönlich befreundet. Henning hat selbst als Autor gestartet und gerade vor drei Jahren sein 20-jähriges Bühnenjubiläum gefeiert. Jörg war nie Slammer, hat aber während seines Geschichtsstudiums und Museumstätigkeiten viel geschrieben. Die beiden haben in den letzten 15 Jahren gemeinsam unzählige Projekte auf die Beine gestellt. Viele Poetry Slams. Aber nicht nur. „Wir haben einfach Lust, gute Ideen umzusetzen und professionell Kultur zu managen.“ Mit ihrem neuen Büro für Popkultur, mit Live-Literatur e.V., mit „Macht Worte!“ und wer weiß, wie und wo in Zukunft sonst noch. Erst mal haben Jörg und Henning jedenfalls alle Hände voll zu tun. Mit dem SLAM.

Nähere Infos zu dem SLAM gibt es im Internet: www.slam2017.de

Janina Martens
Fotos: Matthias Stehr

Abgelegt unter Im GesprächEinen Kommentar verfassen...

Liebhabereien

Tags:

Liebhabereien


Seit 14 Jahren können Frauen und Paare (und natürlich auch alle anderen!) bei „Liebhabereien“ Schönes für sinnliche Stunden finden – von Dessous über Massage-Öle bis hin zu Liebesspielzeug und Bondage. Im September ist das Erotikgeschäft umgezogen – von der Knochenhauerstraße in die Osterstraße. Aber das Konzept bleibt gleich: hochwertige Produkte, sachkundige Beratung und eine entspannte, schmuddelfreie Atmosphäre.

Die neuen Räumlichkeiten von „Liebhabereien“ liegen im dritten Obergeschoss eines Geschäftshauses. Beim Betreten fühlt man sich wie in einer Boutique. Kein Sexshop-Flair, keine Wand mit Pornofilmen, keine verklebten Fensterscheiben. Stattdessen fällt helles Tageslicht auf die ordentlich sortierten Regale mit hochwertigen Liebesspielzeugen. Beim Umschauen streift der Blick edle Dessous, Korsetts und Lederpeitschen. „Liebhabereien sollte ein Erotikgeschäft sein, das besonders Frauen anspricht. Weg aus der Schmuddelecke. Das gab es vorher nicht in Hannover“, erzählt Gundula Schildhauer, die den Laden im Jahr 2003 eröffnet hat und inzwischen gemeinsam mit drei Mitarbeiterinnen für individuelle Beratung vor Ort sorgt.

Mittlerweile regt „Liebhabereien“ längst nicht mehr nur Frauen dazu an, sich hier Inspiration für das eigene sinnliche Erleben zu holen. Gundula Schildhauer betont: „Jede und jeder ist willkommen. Körperform und -größe, Geschlecht, Geschlechtsidentität, Alter – das spielt alles keine Rolle.“„Liebhabereien“ soll für alle die richtige Anlaufstelle sein, die sich für Produkte rund um Sinnlichkeit und Sexualität interessieren, sich aber nicht in einen Sexshop trauen würden. Da ist der neue Standort perfekt, findet Gundula Schildhauer. Der Laden ist zentral in der Fußgängerzone gelegen, bietet aber gleichzeitig ein hohes Maß an Diskretion: „Es ist ein Geschäftshaus mit mehreren Unternehmen“, erklärt Gundula Schildhauer, „Wenn dich jemand unten durch die Tür gehen sieht, weiß er nicht, wo du hin möchtest.“

Die Geschäftsführerin weiß, dass es im gesellschaftlichen Umgang mit Sexualität noch immer viele Tabus und Stigmatisierung gibt. In ihrem Laden leistet sie daher auch „positive Aufklärungsarbeit“, wie sie selbst sagt. Und zwar nicht nur im täglichen Kundengespräch. Die Diplom-Pädagogin bietet auch Sexualberatung an, hat dafür im neuen Laden extra eine kleine Beratungsecke geschaffen. Außerdem gibt es die Möglichkeit, für Kleingruppen Toypartys zu buchen, und im Laden finden gelegentlich Workshops, Lesungen und demnächst sogar ein Theaterabend rund um das Thema Sexualität statt.

Veranstaltungsinfos findet man auf der Website von „Liebhabereien“ sowie bei Facebook. Doch auch wenn gerade nichts Bestimmtes los ist, lohnt sich ein Besuch immer, um neue Impulse für die erotische Seite des Lebens zu bekommen. Ob hochwertiges Liebespielzeug, sinnliche Dessous, Fetisch- und Clubwear, Masken und Federschmuck, ein perfekt passendes Korsett oder verwöhnende Massageöle – für jede Vorliebe ist etwas dabei. Das Beste: Anders als im Internet, kann man hier die Produkte in die Hand nehmen, vergleichen und sich von Fachleuten individuell beraten lassen. Gundula Schildhauer grinst: „Ich selbst bin auch ein Fan schöner Dessous. Einen ausgeleierten Baumwollschlüpfer findet man in meinem Schrank nicht.“ Man merkt: Sie führt ihren Laden mit Charme, Hingabe und Spaß. Da macht doch auch das Stöbern hier gleich besonders viel Spaß!

Janina Martens

Osterstraße 3, 3. OG, 30159 Hannover
Tel. (0511) 473 99 74, info@liebhabereien.com
www.liebhabereien.com
Facebook: www.facebook.com/Liebhabereien

ÖFFNUNGSZEITEN:
Mo-Sa 12-18 Uhr oder mit Termin

Abgelegt unter Der besondere LadenEinen Kommentar verfassen...

Ein letztes Wort im Oktober …

Tags:

Ein letztes Wort im Oktober …


Herr Weil, unser letztes Interview vor der Wahl in Niedersachsen. Ganz sicher haben wir danach in unserer November-Ausgabe noch ein Interview mit Ihnen als Ministerpräsident. Ob auch im Dezember, das entscheiden am 15. Oktober die Wählerinnen und Wähler. Jetzt im September haben sich Ihre Umfragewerte wieder deutlich verbessert, aber angenehm waren die letzten Wochen für Sie trotzdem nicht, oder?
Nein, vor allem nicht im August. Der August war wirklich nicht vergnügungssteuerpflichtig, da kam sehr viel zusammen. Der Verlust der Mehrheit im Landtag, die Auflösung des Landtags, die Entscheidung für Neuwahlen, parallel dazu eine unangenehme Kampagne, die in Sachen Volkswagen gegen mich gefahren wurde. All das bedeutete viel Druck und viel Arbeit. Denn es ist ja nicht immer leicht, richtig zu stellen, was Falsches behauptet wird. Also, den August 2017 hätte ich persönlich nicht gebraucht, mir hätten in diesem Jahr elf Monate gereicht. Aber jetzt im September laufen die Dinge schon wieder wesentlich besser. Wir hatten einen exzellenten SPD-Parteitag, nicht allein wegen der 100 Prozent Zustimmung, sondern weil die Stimmung in der SPD insgesamt wirklich gut war und ist, hochmotiviert und geschlossen. Das gibt mir Sicherheit und Rückhalt. Inzwischen haben wir auch eine deutliche Veränderung bei den Umfragen in Niedersachsen. Ich bin also, was den 15. Oktober angeht, sehr zuversichtlich.

Wird es noch mal laut und unsauber werden in den letzten beiden Wochen vor der Wahl?
Das hoffe ich nicht, aber wer weiß. Ich glaube, dass die CDU nicht damit gerechnet hat, es so schnell mit einer SPD im vollen Wahlkampf-Modus zu tun zu bekommen. Viele SPD Mitglieder sind sehr engagiert mit dabei – gerade auch wegen des fragwürdigen Wechsels von Frau Twesten. Sie waren wütend über die Art und Weise, wie die Entscheidung der Wählerinnen und Wähler für eine Rot-Grüne Mehrheit in das Gegenteil umgekehrt wurde. Das gehört sich so nicht. Jetzt wollen sie den Wählerinnen und Wählern zeigen, warum Niedersachsen auch in Zukunft eine SPD-Regierung braucht.

Bei der CDU sitzt ja ebenfalls der Stachel tief. So ganz angekommen ist man in der Opposition nicht in den vergangenen Jahren. Ist das ein Grund, warum es teilweise so laut und schmutzig zugeht. Fühlt man sich ungerecht behandelt – und darum ist fast alles erlaubt?
Ich denke, dass viele führende CDU-Mitglieder die Wahlniederlage 2013 als eine Art Betriebsunfall betrachtet haben. Und das auch noch immer so sehen. Sie haben vom ersten Tag der jetzt ablaufenden Legislaturperiode eine sehr harte Gangart eingelegt und diese Haltung auch über die Interessen des Landes gestellt. Das Verhältnis zwischen CDU und SPD ist seit längerem mehr als unterkühlt. Und die Causa Twesten hat noch eins draufgesetzt.

Momentan bekommen Sie vor allem Kritik beim Thema Bildungspolitik, auch von vielen Lehrerinnen und Lehrern. Ich kann mich erinnern, dass auch Herr Althusmann damals als Kultusminister bei den Lehrern für sehr viele ärgerliche Stimmen gesorgt hat, jetzt scheint man ihn wieder mehr zu mögen? Ist Althusmann der Kandidat der Lehrer?
Ganz sicher nicht. Er mag vielleicht der Mann des Philologenverbandes sein, er ist ganz bestimmt nicht der Mann der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Aber zur Kritik: Schulpolitik ist immer ein sehr heißes Eisen in der Landespolitik. Und mir liegt momentan vor allem ein Punkt sehr am Herzen. Ich will sehr rasch wieder eine Unterrichtsversorgung von 100 Prozent und mehr. Die konnte es in diesem Schuljahr nicht geben. Warum nicht? Punkt eins: Die 22.000 neuen Schülerinnen und Schüler, die wir durch die Flüchtlingswelle zusätzlich in unseren Schulen haben, machen sich bemerkbar. Und Punkt zwei: In diesem Jahr haben nur 400 Grundschullehrer ihre Ausbildung abgeschlossen. Im nächsten Jahr werden es wieder 1.000 sein, in den Folgejahren ebenfalls. Wir haben also jetzt eine befristete, nicht von uns verursachte Durststrecke zu überwinden. Aus diesem Grund mussten Gymnasiallehrer gebeten werden, vorübergehend an Grundschulen auszuhelfen. Ich halte das wirklich für gut vertretbar. Es gibt in diesem Zusammenhang allerdings einen Punkt, an dem sich aus meiner Sicht berechtigter Ärger entzündet hat: Viele Lehrkräfte und Schulen sind erst kurz vor Schuljahresbeginn über die Abordnungen informiert worden. Warum das passiert ist, konnte die Landeschulbehörde nicht erklären. Das ist wirklich ärgerlich.

Jetzt bringen Sie mich aber leicht aus der Fassung. Seit wann geben Politiker Fehler zu? Nach meiner Erfahrung machen Politiker, zumal regierende Politiker, nie Fehler.
Natürlich machen wir Fehler. Und ich habe auch kein Problem, das zuzugeben. Jeder Mensch macht Fehler. Aber natürlich rede ich noch lieber über das, was wir gut und richtig gemacht haben. Wir haben zum Beispiel als erstes Bundesland in Deutschland das Turboabitur wieder abgeschafft. Und die Schülerinnen und Schüler, die heute nach acht Jahren das Abitur machen, ärgern sich, dass Rot-Grün in Niedersachsen nicht schon früher an die Regierung gekommen ist. Wir haben die Ganztagsschulen enorm ausgebaut. Wir sind deutlich vorangekommen bei der frühkindlichen Förderung, bei den Kitas und Krippen – da ist sehr viel auf einem sehr guten Weg.

Überzeugen Sie mich doch mal als Gymnasiallehrer, Sie zu wählen.
Das beste Argument ist G9. Wir stellen fest, dass seit der Entscheidung für G9 die Zahl der Schülerinnen und Schüler an den Gymnasien wieder deutlich wächst. Das war also gerade für diese Schulform eine wichtige Maßnahme und der beste Beweis dafür, dass die Gymnasien gut behandelt worden sind und weiter gut behandelt werden. Hinzu kommt, dass auch viele Gymnasien jetzt ein deutlich besser ausgestattetes Ganztagsangebot haben. Das schätzen auch viele Gymnasialeltern. Aber ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass der Philologenverband dies offen bestätigen würde.

Die von der SPD geführte Landesregierung wollte und will den Gymnasien also gar nicht an den Kragen?
Nein, warum sollten wir? Im Gegenteil, wir haben die Gymnasien geschützt und sie können sich jetzt gut weiterentwickeln. Wir unterstützen alle Schulen in Niedersachsen sehr nachhaltig in ihrer Qualitätsentwicklung.

Ich muss ja zugeben, dass mich der Philologenverband hin und wieder ebenfalls ein bisschen irritiert. Das klingt mir manchmal sehr nach Lobby-Arbeit. Es geht um die Interessen der Lehrerinnen und Lehrer, die Interessen der Kinder spielen aus meiner Sicht nur eine untergeordnete Rolle.
Der Philologenverband meint die Interessen der Lehrerinnen und Lehrer zu vertreten, wenn man genau hinschaut, tut er das nicht wirklich. Aber er poltert oft laut und unangemessen. Ein Beispiel ist das Thema Inklusion an Gymnasien. Wenn man manche Verlautbarungen liest, könnte man den Eindruck haben, es gebe da ein riesiges Problem. Tatsächlich aber gibt es bislang in Niedersachsen nur ein paar hundert Schülerinnen und Schüler mit erhöhtem Förderbedarf, die überhaupt ein Gymnasium besuchen. Ich war aber kürzlich zu Gast im Kurt-Schwitters-Gymnasium in Misburg. Dort hat man mir gezeigt, dass Inklusion an Gymnasien richtig gut laufen kann.

Okay, Gymnasiallehrer dürfen also die SPD wählen. Was ist mit Eltern, die ein dreijähriges oder fünfjähriges Kind haben?
Die sollten natürlich ebenfalls SPD wählen. Beispielsweise weil Niedersachsen bei der Betreuungsqualität in den Kitas inzwischen auf Platz drei von 16 Ländern steht. Das war vor einigen Jahren noch völlig anders. Wenn das Kind noch in der Krippe ist, erlebt es dort die „dritte Kraft“, die wir eingeführt haben. Eine kleine, aber mit insgesamt 180 Millionen Euro enorm kostenintensive Maßnahme. Wir haben damit dafür gesorgt, dass Förderung tatsächlich schon bei den ganz Kleinen stattfindet. Wir haben uns in diesem Bereich sehr gestreckt und so wird das auch weitergehen. Wir werden in der nächsten Legislatur die Kita-Gebühren in Niedersachsen abschaffen.

Wird das definitiv kommen, wenn Sie gewählt werden?
Ja. Das ist unser Leitprojekt und dahinter steckt für mich durchaus mehr: Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein. Das ist ein wesentlicher Grundsatz für Sozialdemokraten. In einem ersten Schritt haben wir die Studiengebühren abgeschafft. Und wir werden auch das Schulgeld abschaffen, das bei vielen Berufsausbildungen immer noch erhoben wird. Und eben die Kita-Gebühren. Am Ende haben wir ein durchgängig gebührenfreies Bildungssystem in Niedersachsen. Das wäre wirklich ein Quantensprung.

Sie scheinen ganz zufrieden mit Ihrer Arbeit. Wenn man der CDU zuhört, haben Sie aber die ganzen letzten Jahre kaum gearbeitet.
Nach dem Verständnis der CDU in Niedersachsen darf eine Opposition kein gutes Haar an einer Regierung lassen. Erfreulicherweise sehen die Bürgerinnen und Bürger das ganz anders, in den Umfragen wird eine ausgeprägte Zufriedenheit mit der Landesregierung sichtbar, übrigens durchaus auch bei CDU-Mitgliedern. Wir können mit Fug und Recht sagen, dass Niedersachsen noch nie so stark war wie gerade jetzt. Und das obwohl die letzten Jahre auch sehr vom Aufräumen der Hinterlassenschaften der CDU geprägt waren. Nehmen Sie das Turboabitur, nehmen Sie das Thema Studiengebühren, nehmen sie die Castor-Transporte. Unsere Vorgänger hatten uns viele Baustellen hinterlassen. Und wir haben sogar den Haushalt saniert. Niedersachsen macht keine neuen Schulden mehr und trotzdem sind wir in der Lage zu investieren. Es ist wirklich extrem viel passiert in den letzten Jahren. Mit dieser Bilanz kann man nur sehr zufrieden sein. Und auf dieser jetzt soliden Grundlage würde ich nur zu gerne aufbauen und weitermachen. All diese positiven Entwicklungen weiter voranzutreiben, das reizt mich ungemein.

Interview: Lars Kompa

Abgelegt unter MP-InterviewEinen Kommentar verfassen...

Stadtkind twittert