Ein letztes Wort im Januar

Herr Weil, es ist Wahlkampf. Dann legen Sie mal los …

Habe ich schon. Ich war bereits unterwegs.

Und haben die Werbetrommel für Olaf Scholz gerührt?

Ganz genau.

Wann wird es denn die große Trendumkehr in den Umfragen geben? Bisher tut sich wenig …  

Im direkten Vergleich zu Friedrich Merz hat Olaf Scholz schon ein paar Punkte gutgemacht. Wenn sich dieser Trend so fortsetzt, läuft es doch in die richtige Richtung.

Und was macht die SPD, wenn Anfang des Jahres die große Wende noch immer ausbleibt? Mit nur zwei oder drei Prozent mehr ist ja kein Blumentopf zu gewinnen.

Niemand hat behauptet, dass das ein leichter Wahlkampf wird. Aber ich erinnere gerne daran, dass da das Wörtchen „Kampf“ drinsteckt. Man kann das an Olaf Scholz ganz gut sehen, der hat längst in diesen Modus geschaltet und tritt regelrecht befreit auf. Das ist nach dieser ganzen lähmenden Schlussphase der Ampel auch dringend notwendig. Insbesondere diese Schlussinszenierung der FDP war schwer zu ertragen. Gut, dass es vorbei ist. Das befreit. Und das gilt übrigens nicht nur für Olaf Scholz, sondern auch für mich und vielleicht für die gesamte SPD. 

Was sagen Sie abschließend zu dieser Inszenierung?

Mich interessieren die Szenen dieser Ehe im Rückspiegel eigentlich nicht so sehr, wir haben wichtigere Probleme. Aber es ist schon ein dicker Hund, dass eine Regierungspartei zielstrebig über Wochen hinweg einen Regierungsbruch plant. Gezielt auf Provokation zu setzen, die Illoyalität zum Grundsatz zu machen, und dann auch noch zu versuchen, sich als Opfer zu präsentieren, das ist dann schon die Krönung. Vor allem, wenn das alles hinterher auch noch so lang vehement bestritten wird, bis die Wahrheit herauskommt.

Wenn Sie Christian Lindner wären, was würden Sie tun?

Es tut mir leid, aber das übersteigt meine Vorstellungskraft. Bestenfalls hat er inzwischen gemerkt, was für ein peinliches Schauspiel das war.

Seine Selbstkritik hält sich aber noch sehr in Grenzen.

Selbstkritik bei Christian Lindner? Das scheint mir keine seiner Kernkompetenzen zu sein. Der springende Punkt ist aber, dass man so nicht mit Vertrauen umgeht – vor allem nicht mit dem ohnehin angeknacksten Vertrauen vieler Bürgerinnen und Bürger in die Politik. 

Apropos Vertrauen, wenn ich mir die aufgeregten Diskussionen der vergangenen Monate ansehe, zum Beispiel diese aufgeheizte Debatte um den „Heizungshammer“, und ich mache dann den Faktencheck, dann bleibt sehr oft kaum etwas übrig. Sehr viel Kampagne, sehr wenig Sinn und Verstand.

Da gebe ich Ihnen teilweise Recht. Wobei man konstatieren muss, dass das kein guter Gesetzesentwurf war. Die Pläne haben auch in Teilen von Niedersachsen Angst und Schrecken ausgelöst. Weil die darin vorgesehenen Pflichten viele Menschen, die nicht viel Geld haben, sehr in Bedrängnis gebracht hätten.

Wobei es aber totaler Unsinn war, die Wärmepumpe derart zu verteufeln. Viele haben sich nun dagegen entschieden und werden das künftig teuer bezahlen. Das ist ein Ergebnis der CDU-Kampagne.

Das stimmt im Ergebnis leider ganz und gar. Für die Wärmepumpe war dieses Gesetz am Ende eine vergiftetet Praline, wie wir inzwischen sehen. Aber dafür kann ich nicht wirklich der Opposition die Schuld geben. Wenn eine Opposition einen solchen Fehler nicht nutzt, dann muss sie wirklich ihr Geld zurückgeben. Das war einfach eine Steilvorlage. 

Eine durchgestochene Steilvorlage. Das Gesetz war ja noch nicht fertig.

Ich bin da ein bissen weniger milde, weil dieser gesamte Vorgang eine gewissen Form von Hybris zeigt. Da sitzt ein kleiner Kreis hinter verschlossenen Türen zusammen und denkt sich etwas aus, weil man es besser weiß. Warum steigt man nicht ein in eine offene, transparente Diskussion? Wie schaffen wir die Wärmewende? Wie schafft man das gemeinsam mit dem Handwerk, gemeinsam mit den Stadtwerken? Man hätte einfach miteinander reden müssen. Hat man aber nicht. Wobei ich Ihnen Recht gebe, dass es natürlich nicht geht, im Zuge einer Kampagne die Fakten falsch darzustellen. Und leider haben wir seit diesem Heizungsgesetz eine Konjunktur bei Gas- und auch Ölheizungen und eine Krise bei den Wärmepumpenherstellern. Was tatsächlich ziemlich irre ist.

Für mich ist das ein Beispiel, wie die Diskussionen mittlerweile häufig laufen, nämlich sehr oberflächlich und populistisch. Während die echten Themen auf der Strecke bleiben. Womit wir wieder beim Wahlkampf sind. Wird der so schmutzig werden, wie alle prophezeien oder besinnen sich zumindest die demokratischen Parteien eines Besseren?

Vergleichsweise bewegen wir uns in Deutschland ja erfreulicherweise in den politischen Auseinandersetzungen noch auf einem relativ hohen Niveau, das vorab. Und für Niedersachsen kann ich sagen, dass die Demokraten wissen, dass sie sehr viel mehr miteinander gemein haben, als sie voneinander trennt. Auf der anderen Seite steht die AfD. Und trotzdem wird es im Wahlkampf natürlich zur Sache gehen. Das ist keine Zeit, in der man sich mit Wattebäuschchen bewirft. Trotzdem glaube ich nicht, dass es so richtig aus dem Ruder laufen wird. Selbst Friedrich Merz hält sich sehr zurück.

Was keine schlechte Strategie ist. Er muss nur nichts sagen und abwarten.

Aber es sind ja noch ein paar Tage bis zur Wahl. Und wir leben in Zeiten, in denen sich Stimmungen durch fundamentale Ereignisse innerhalb einer Woche komplett drehen können. „Schau’n mer mal, dann sehn wir‘s schon“, hat Franz Beckenbauer gesagt. 

Ich glaube nicht, dass Friedrich Merz sich noch fundamental verplappern wird.

Man weiß es nicht. Der Mann hat Temperament und eine kurze Zündschnur. Ich denke vor allem aber, dass die Leute, wenn der Wahltermin näher rückt, noch einmal sehr genau darüber nachdenken werden, von wem sie regiert werden möchten. Und da gibt es einen klaren Unterschied zwischen Scholz und Merz. Olaf Scholz ist krisenerprobt und krisenstabil und er bringt Erfahrungen aus den unterschiedlichsten Krisen mit. Friedrich Merz hat dagegen noch keinen einzigen Tag in seinem Leben Regierungsverantwortung getragen. Das macht einen großen Unterschied. Das Kanzleramt ist eben keine Ausbildungsstelle, in der sich erst herausstellt, ob man für eine bestimmte Tätigkeit geeignet ist. Das finde ich in diesen Zeiten zu riskant.

Das ist ja das, was die SPD gerade allen erzählt. Aber ist das wirklich ein Argument?

Ich finde schon, wir leben in herausfordernden Zeiten und die nächsten Jahre werden nicht leichter als die letzten. 

Friedrich Merz muss sich gar nicht weit aus dem Fenster lehnen, dafür hat er zum Beispiel Carsten Linnemann und Jens Spahn. Letzterer macht mir übrigens seit einer Weile echt Sorgen. Populismus scheint ihm richtig Spaß zu machen. Was ist das für eine Politiker*innen-Generation? Null Integrität, möglichst viel Spaltung und nach mir die Sintflut …

Das sind wirklich schlimme Beispiele. Mir ist eine solche Herangehensweise an Politik komplett fremd. 

Ich wundere mich, dass es solche schmerzbefreiten Charaktere immer öfter nach oben schaffen.

Ich glaube nicht, dass das eine Generationenfrage oder ein neues Phänomen ist. Vielleicht trägt aber die sehr spezielle politische Kultur in Berlin dazu bei. Permanenter Konkurrenzkampf, ununterbrochener Kontakt mit den Medien, ständige Nachfragen und kein Moment offline. Vielleicht geraten manche dann einfach in einen Tunnel. Ich glaube allerdings nicht, dass es nur, wie Sie sagen, schmerzbefreite Charaktere nach oben schaffen. Nehmen Sie mal Volker Wissing, der ist aller Ehren wert und hat Charakter.

Das mag sein, aber so richtig viel gerissen hat er als Bundesverkehrsminister trotzdem nicht.

Das ist ein anderes Thema.

Okay, einigen wir uns darauf, dass der Wissing immerhin ein netter Kerl ist. Es bräuchte aber auch mal ein paar Lösungen.

Das ist die eigentliche Aufgabe für die nächste Legislaturperiode des Bundes und hoffentlich geht es vor allem darum im Wahlkampf. Es geht auch um das Vertrauen in die Demokratie, dafür müssen wir die Lösungskompetenz des demokratischen Staates beweisen und Zug um Zug die vielen Problemlagen angehen und auflösen. Ganz oben auf der Agenda steht dabei für mich unsere Wirtschaft, daran hängt im Grunde fast alles. Viele andere Probleme können wir nur lösen, wenn unsere Wirtschaft erfolgreich ist. Die Sozialversicherungen sind darauf angewiesen und die öffentlichen Haushalte auch. Man kann noch vor der Wahl eine Menge tun. Es wäre extrem wichtig, dass es jetzt schleunigst ein paar Signale gibt zugunsten einzelner Branchen, die sich nach und nach zurückziehen. Das gilt beispielsweise für energieintensive Unternehmen. Die müssen spüren, dass wir sie in Deutschland wollen, dass es bei uns eine Perspektive gibt. Dafür müssen dringend die Energiekosten gesenkt werden, besser gestern als heute. Es sieht aber leider nun so aus, dass die CDU sich aus wahltaktischen Gründen dazu entschlossen hat, bis zur Wahl fast alles zu blockieren. Das ist ein echter Fehler.


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