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Der Freundeskreis im Gespräch mit Nina Weger und Dirk von der Osten

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Nina Weger und Dirk von der Osten


Für diese Ausgabe haben wir uns mit der Kinderbuchautorin und Zirkusleiterin Nina Weger und mit Dirk von der Osten, dem Vorstandsvorsitzenden der AWO Region Hannover, getroffen. Im gemeinsamen Gespräch geben sie Einblicke in ihre Arbeit mit Kindern und Familien, sprechen über gesellschaftliches Engagement, Chancengleichheit und die Bedeutung von Bildung. Beide eint die Überzeugung, dass eine starke, solidarische Stadtgesellschaft bei den Jüngsten beginnt – und dass es Mut, klare Haltung und verlässliche Strukturen braucht, um ihnen gute Zukunftschancen zu ermöglichen.

Wir starten immer mit einer kleinen Vorstellungsrunde.

Nina Weger (NW): Ich schreibe Kinderbücher und leite seit über 20 Jahren den Kinderzirkus Giovanni, der dieses Jahr sein 41. Jubiläum hat. Außerdem habe ich 2018 das Kinderliteraturfestival Salto Wortale gemeinsam mit Julia Kronberg ins Leben gerufen, wo wir uns für die Leseförderung in Hannover stark machen.

Dirk von der Osten (DO): Seit 2022 bin ich Vorstandsvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Region Hannover. Wir haben die unterschiedlichsten Dienstleistungen aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich in der gesamten Region, aber mit deutlichem Schwerpunkt in der Landeshauptstadt Hannover.

Was hat Sie zum Freundeskreis gebracht?

NW: Die Mitgliedschaft habe ich sozusagen geerbt, da der Kinderzirkus schon vorher im Freundeskreis war. Ich bin überzeugte Hannoveranerin und lebe gerne hier. Ich finde, die Stadt ist sehr lebenswert, weil sie eine gut überschaubare Größe mit durchaus noch dörflichen Strukturen, aber zugleich allem, was eine Großstadt braucht, bietet. Vernetzung, zum Beispiel durch den Freundeskreis, funktioniert hier unkompliziert und schnell, was ich sehr schätze, wenn man Projekte ins Leben rufen möchte.

DO: Die AWO Hannover ist relativ neu im Freundeskreis, erst seit diesem Sommer. Als einer der größten Wohlfahrtsverbände, der für soziale Einrichtungen in der Stadtgesellschaft steht, passt er gut in die Förderung kultureller, sozialer und gesellschaftlicher Projekte, die der Freundeskreis unterstützt. Ich bin hier geboren und setze mich als ebenfalls überzeugter Hannoveraner gerne für die Entwicklung der Stadt ein.

NW: Wir haben übrigens noch eine Verbindung. ich habe im Kontext der Leseförderung in einigen Kindertagesstätten der AWO gelesen.

Frau Weger, was treibt Sie an, sich für Kinder stark zu machen?

NW: Kinder sind die Gestalter von morgen. Ich glaube, da kann man noch viele Weichen stellen. Es ist mir wichtig, dass sich Menschen aus ihrer Bubble heraus bewegen, denn nur durch eine wirkliche gute Mischung sind wir dazu in der Lage, über den Tellerrand hinausgucken und ein lebenswertes Miteinander zu gestalten. Im Kinderzirkus lautet die Idee: Jeder kann mitmachen, man muss nichts bezahlen, sondern sich mit seinem Engagement einbringen. Das schafft gerechte Startbedingungen für alle Kinder, was wir in unserer Gesellschaft nicht genügend haben. Auch beim Literaturfestival treibt mich die Sorge an: wir können beobachten, dass die Lesefähigkeit zurückgeht. Und ich glaube, Lesen ist die Grundlage für gesellschaftliche Teilhabe und somit auch zum Erhalt der Demokratie.

Herr von der Osten, Was bedeutet für Sie gesellschaftliches Engagement?

DO: Wir sind als einer der größten KiTa-Träger in der Stadt und mit über vierzig, in der Region vierundfünfzig Einrichtungen mittlerweile sehr schwer engagiert. Diese Themen – Sprache, Sprachentwicklung, Sprachfähigkeit – sind von zentraler Bedeutung. Deswegen freut es mich zu hören, dass Frau Weger bei uns schon vorgelesen hat. Die AWO ist über 100 Jahre alt und aus der Arbeiterbewegung heraus entstanden. Es geht uns immer noch um die Frage, wo Umverteilungsdebatten entstehen – sei es Geld, aber auch Wissen und Möglichkeit zur Partizipation. Zu schauen, wie wir intern die gleichen Chancen hinbekommen und Ressourcen, Wissen und Möglichkeiten fair verteilt werden können. Dieses Verständnis von Solidarität treibt mich sowohl beruflich als auch privat an.

Frau Weger, Sie sagen, der Grund, warum Menschen ihren Platz nicht finden oder verzweifelt sind, liegt häufig an dem „Drumherum“. Was meinen Sie konkret?

NW: Das ist ein grundsätzliches gesellschaftliches Problem, das wir haben. Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer. Von Chancengleichheit haben wir uns immer weiter entfernt. Wir müssten gigantisch viel Geld in Kindergärten und Schulen pumpen, denn wir sind ein rohstoffarmes Land. Unser Rohstoff sind die Menschen. Dass viel Geld da ist, sehen wir dadurch, wie viel für Rüstung freigemacht werden kann. Das erschüttert mich. Wir müssten uns weniger mit Analysen, mehr mit Lösungen beschäftigen und lauter werden – da ist wahnsinnig viel zu tun.

DO: Ich betrachte Kindertagesstätten als Bildungs-, nicht nur Betreuungseinrichtungen. Aktuell sind die Räumlichkeiten oft noch so, wie vor 70 Jahren, ohne Rückzugs- oder Ruheräume. So wie alte Schulen konstruiert sind, wird heutzutage nicht mehr Pädagogik betrieben. Auch was das Thema Nachhaltigkeit angeht: die Klimaneutralität werden wir nicht erreichen, wenn kein Geld da ist, um zum Beispiel die Kindertagesstätten klimafreundlich auszustatten.

Was ist in Zeiten, in denen die Gesellschaft droht, auseinanderzudriften, der Kitt, der uns zusammenhält? Wo bröckelt es?

DO: Das Bröckeln ist der Versuch unterschiedlicher Interessen eine Spaltung oder eine Zuspitzung in der Gesellschaft zu schaffen. Ich hatte vorhin mal diese Umverteilungsdebatte kurz angesprochen. Ich frage mich, wo Prioritäten bei Investitionen gesetzt werden. Die skandinavischen Länder haben begriffen, dass ihr Rohstoff das Wissen, die Kinder und Jugendlichen sind. Der Kitt sind unseren sozialen Systeme, allerdings macht es der Fachkräftemangel unheimlich schwer, diese nachhaltig zu stärken.

NW: Die Wissenschaft zeigt, dass sich der Vokabelumfang, den man im ersten Lebensjahr erreicht hat, dann nur noch potenzieren kann. Wenn da nichts ist, kann sich nichts potenzieren. Es ist völlig absurd, in achten und neunten Klassen irgendwelche Projekte aufzuziehen, denn an diesem Punkt ist der Drops gelutscht. Wir müssen gut ausgebildete und qualifizierte Leute haben, die sich um die Kinder kümmern. Dann beobachte ich da noch eine Veränderung innerhalb der Gesellschaft hin zu mehr Ichzentrierung. Das merke ich zum Beispiel im Kinderzirkus: viele Eltern melden sich und wollen mitmachen, aber wenn es darum geht, sich verbindlich einzubringen, reduziert sich das Engagement drastisch.

DO: Die wollen nur die Kinder abgeben (lacht).

NW: Das fängt ja schon bei der bedürfnisorientierten Erziehung an. Unser Kitt ist die Gesellschaft, die nicht funktioniert, wenn jeder nur nach seinen eignen Bedürfnissen handelt. Die Kinder müssen doch auch lernen, mit Niederlagen und Dingen umzugehen, die ihnen vielleicht nicht gefallen. Wie sollen sie resilient werden, wenn wir sie das nicht im Kleinen üben lassen? Ich glaube, das alles hat mit der grundsätzlichen Erwartungshaltung an das Leben zu tun, einem Anspruch auf Glück – möglichst sofort.

Spielen die sozialen Medien hier eine Rolle?

NW: Wir sehen Influencer und KI-Models, die immer super aussehen. Diese Filter und der pure Perfektionismus gaukeln den Kindern etwas vor, dem kein normaler Mensch standhalten kann. Das führt zu Frustration. Es geht darum, unseren Kindern ein Verständnis dafür zu vermitteln, wie sie echte von künstlich erzeugten Inhalten unterscheiden können.

Paul, eine Figur in Ihren Büchern, erklärt die lange Existenz der Krokodile durch ihre Fähigkeit, mit Veränderungen umzugehen. Wie kann man die Resilienz von Kindern stärken?

DO: Wir haben vor fünfzehn Jahren mit dem Institut für Sozialwirtschaft und Sozialpädagogik eine Studie in Kindertagesstätten gemacht. Dabei kam heraus, dass die Kinder, die in der frühen Kindheit eine starke Bindung zu einer oder mehreren verlässlichen Personen hatten, später besser mit Krisen umgehen konnten. In unseren Einrichtungen versuchen wir Beziehung herzustellen und die Eltern zu empowern, beispielsweise in Fragen der Medienkompetenz. Kleinkinder merken, wenn wir mit unserer Aufmerksamkeit bei unseren Handys und nicht bei ihnen sind. In der Folge verlieren sie das Vertrauen in uns. Und das begleitet die Heranwachsenden auch später im Leben noch.

NW: Wenn ich an Schulen lese, erlebe ich es oft, dass die Lehrer hinten an ihrem Handy sitzen. Das Entscheidende, was Kinder brauchen, um sie stark zu machen, sind Klarheit und Verlässlichkeit. Meine Erfahrung zeigt mir, dass Kinder mit klaren Regeln super umgehen können. Ein großes Missverständnis ist häufig, dass alles Spaß machen muss und Erziehung Entertainment sein soll. Lesen lernen ist mühselig und hat was mit Üben und Anstrengung zu tun. Was ist also die Lösung? Geld in die Bildung aber auch in die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern, von Lehrerinnen und Lehrern.

Was sind Momente in Ihrem Alltag, die Ihnen Hoffnung geben?

NW: Von den gibt es natürlich auch viele, zum Beispiel wenn ich lese und ein Kind danach sagt „Mir hat noch nie jemand vorgelesen. Aber jetzt lese ich gerne.“ Oder als es ein kleiner Junge, den mir die Lehrer der Oberschule als Analphabeten vorstellten, schaffte, in einer Woche eine 3/4 Seite zu lesen. Das war wirklich harte Arbeit. In der anschließenden Feedbackrunde sagt dieser kleine Junge: „Ich weiß jetzt, warum ich lesen und schreiben lernen muss.“ Ich finde, es gibt ganz viele hoffnungsvolle Momente, in denen Menschen Engagement zeigen, wo wir wahnsinnig viel erreichen können, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Wenn ich nicht daran glauben würde, dass wir etwas ändern können, würde ich nicht seit zwanzig Jahren den Kinderzirkus oder das Literaturfest machen.

DO: Eigentlich bin ich ein optimistischer Mensch. Auf kommunaler Ebene bekommt man immer mal wieder ein schönes Projekt durch und das gibt mir Hoffnung. Pessimistisch bin ich auf Bundesebene, weil dort keine Schwerpunksetzung auf die Themen Kinder, Jugendliche und Bildung erkennbar ist. Man sollte nicht zuerst denken, wir müssen die Pflege einkürzen oder das Bürgergeld abschaffen.

NW: Ich könnte gar nicht in einer Institution arbeiten, ich würde verrückt werden. Dass ich für mich bin und meine Projekte mache, ist ein großer Luxus. Das heißt aber auch, dass sich der Kinderzirkus mit den Eintrittsgeldern selbst trägt. Dadurch haben wir natürlich enorme Freiheiten, schnell zu reagieren und Neues auszuprobieren. Es wäre schön, Möglichkeiten dieser Freiheit auch auf institutioneller Ebene zu haben, um mehr Mut gegenüber Neuem zu generieren.

DO: Und dazu gehört auch, dass man den Institutionen ein Vertrauen gibt. Wir sind in einer Misstrauensgesellschaft angekommen. Von Jahr zu Jahr werden die Anforderungen an Verwendungsnachweise aufwendiger und mühseliger.

NW: Das kann ich bestätigen. Salto Wortale wird mit Fördergeldern finanziert, die wir uns mühselig zusammensuchen müssen. Die Geldbeschaffung, die Anträge und die Abrechnung sind ein solcher Aufwand, der mehr Zeit in Anspruch nimmt als der kreative Moment, sodass das Festival nur noch alle zwei Jahre stattfindet. Schwund und Betrug wird es immer geben. Ich glaube, auch hier fokussieren wir uns zu sehr auf das Negative als auf das Positive und das, was wir verbessern können.

Was wünscht ihr euch für den Freundeskreis und Hannover?

DO: Ich wünsche mir, dass der kulturelle, soziale und gesellschaftliche Bereich deutlich nach vorne kommt und positive Beispiel in die Öffentlichkeit lanciert. Das wäre eine Aufgabe für den Freundeskreis, da wir in unserer Stadtgesellschaft gute Beispiele in all diesen Bereichen haben.

NW: Wir können auf die guten Beispiele stolz sein. Denn am Ende lebt unsere Gesellschaft von jedem und jeder Einzelnen. Und wenn alle irgendwas tun würden, dann wären wir schon ganz weit vorne.

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Wolf-Rüdiger Reinicke

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Wolf-Rüdiger Reinicke


Für diese Ausgabe haben wir uns mit Wolf-Rüdiger Reinicke getroffen, einem Mitglied im Freundeskreis seit (fast) der ersten Stunde und eine der Persönlichkeiten, die durch ihre langjährige Mitarbeit den Freundeskreis maßgeblich unterstützt haben und auch heute noch engagiert begleiten. Ein Gespräch über den Freundeskreis, über ganz viel ehrenamtliches Engagement und darüber, dass es wichtig ist, die Dinge auch mal selbst in die Hand zu nehmen.

Am besten stellst du dich zum Einstieg kurz selbst vor.

Ich bin 1944 in Breslau geboren und dann mit meiner Mutter geflüchtet, wir haben meinen Vater hier wiedergefunden. Wir sind zuerst in Bad Salzdetfurth sesshaft geworden und ich habe in Hildesheim mein Abitur gemacht. Die Familie ist dann 1961 nach Hannover gezogen und damals war Hannover für mich eine ganz andere Stadt als heute. Die Hannoveraner waren sehr reserviert. Ich habe das Rathaus gesehen und gedacht: Was ist das für ein Kitsch? Heute ist das Rathaus über 100 Jahre alt und ein Wahrzeichen. Und inzwischen gefällt es sogar mir (lacht). Ich habe dann Jura in Freiburg und Göttingen studiert und in Göttingen über „Landstände im Verfassungsstaat“ promoviert. Das sind die ständischen Vereinigungen auf dem Weg zur Demokratie. Eine ganz spannende Entwicklung. Sie sind heute als Körperschaften des öffentlichen Rechts dem Gemeinwohl verpflichtet und als überkommene heimatgebundene Einrichtungen durch die Landesverfassung geschützt. Sechs der historischen hannoverschen Landschaften sind Träger der Landschaftlichen Brandkasse Hannover und damit der VGH Versicherungen.

Eigentlich war bei mir beruflich alles darauf ausgerichtet, dass ich in die Verwaltung gehe, zum Land oder in eine Kommune. Aber während der Referendarstation bei der Stadt Hannover habe ich die Verwaltung kennengelernt und mich kurzfristig entschlossen, doch einen anderen Weg einzuschlagen. Ich bin innerhalb einer Woche bei der Preussag AG in der Rechtsabteilung angestellt worden und habe mich dort sehr wohl gefühlt. In der Wirtschaft kann man tatsächlich etwas gestalten. Ich war fast 30 Jahre im Konzern, viel im Ausland unterwegs, 12 Jahre als Geschäftsführer von größeren Tochtergesellschaften. Bei der Metaleurop GmbH zur Zeit der Wiedervereinigung mit Aktivitäten in den neuen Bundesländern. Das Unternehmen hatte 18 Betriebe und rund 3.000 Mitarbeitende. Und als Geschäftsführer dieses Unternehmens hatte ich dann auch den ersten Kontakt mit dem Freundeskreis.

Bleiben wir noch kurz bei dir persönlich. Du bist verheiratet …

Ich bin seit 1968 verheiratet und wir haben drei großartige Kinder und drei prächtige Enkelkinder, auf die wir allesamt sehr stolz sind. Meine Eltern haben damals sehr viel in unsere Bildung investiert – ich habe noch zwei Brüder. Und wir haben das fortgesetzt und ebenso gehandelt. Wir haben im Zusammenhalt als Familie eine Menge erreicht, auch den Kontakt mit den Verwandten in der DDR gehalten. Wir haben ja nach dem Krieg alle mit Null angefangen.

Nach der Preussag AG bist du Geschäftsführer beim Industrie-Club Hannover e.V. geworden. Wie kam das?

Die Preussag AG hat sich ja ab 2000 gewandelt zum Tourismuskonzern. Und für mich war damit einfach die Zeit gekommen, noch einmal einen anderen Weg einzuschlagen. So habe ich dann von 2002 bis 2012 die Geschäftsführung beim Industrie-Club übernommen. Eine wirklich schöne Aufgabe, Networking seit 1887. Es ging nun darum, das Netzwerk in Hannover auszubauen, den Unternehmenskreis zu erweitern und die modernisierte Konferenzetage im Haus der Industrie zum Treffpunkt der Entscheider aus der Wirtschaft mit den Spitzen von Politik und Verwaltung zu machen. Und dafür haben wir jeden Monat Hochkaräter zu Vorträgen eingeladen, Arbeitskreise gebildet, Wissenschaft und Kultur eingebunden und auch Exkursionen gemacht. Und ich habe gelernt, dass es gar nicht so einfach ist, die Hannoveraner dazu zu bringen, die Stadt zu verlassen. Selbst Harsum, wo einer der Hidden Champions Förderbänder für Flughäfen herstellt, war manchen zu weit weg. Also, der Hannoveraner bleibt lieber in Hannover – eine wichtige Erkenntnis.

Kommen wir zurück zum ersten Kontakt mit dem Freundeskreis. Wie kam das zustande?

Damals ging es um die 750-Jahr-Feier, die 1991 stattfinden sollte, und der Freundeskreis hat Unternehmen angesprochen, etwas zu tun. Was bedeutete, dass man das Portemonnaie öffnen sollte, wozu wir gern bereit waren.

Und dann bist du dem Freundeskreis beigetreten?

Der Freundeskreis ist 1988 gegründet worden und ich bin 1989 beigetreten.

Bevor wir gleich noch einmal auf den Freundeskreis und diese ersten Jahre zu sprechen kommen, noch eine Frage zu deinem ehrenamtlichen Engagement. Das hat in deinem Leben eine ganz zentrale Rolle gespielt, oder?

Ja, das war mir immer wichtig. Das kam durch meinen Vater. Ich habe von ihm gelernt, dass man sich für die Gesellschaft engagieren muss. Nach der Familie ging es daher um die gesellschaftliche Verantwortung. Mein Vater war damals Leiter der Selbstverwaltungsschule Niedersachsen. Die Briten mussten den Deutschen ja erst wieder beibringen, was Selbstverwaltung bedeutet, nach der Zeit des Führerprinzips. Das hat mein Vater erfolgreich gemacht, später auch in der Landeszentrale für politische Bildung. Und ich habe mich dann eben auch ehrenamtlich engagiert.

In sehr vielen unterschiedlichen Bereichen und Funktionen. Vielleicht kannst du mal einen kleinen Überblick geben.

Zunächst mal natürlich in der Schule in verschiedenen Elternräten. Ich war am KWG und der Sophienschule Schulelternratsvorsitzender. Damals war ich auch bei den Wirtschaftsjunioren aktiv. Das ist eine ganz wichtige Vereinigung für selbstständige und angestellte Unternehmer und heute noch der größte Verband seiner Art in Deutschland. Eine für mich prägende Zeit, in der ich sehr viele Kontakte geknüpft habe. Nach den Wirtschaftsjunioren geht es dann ja weiter im Wirtschaftskreis, der alle zwei Jahre den von mir imitierten Hannover-Preis verleiht. Ich bin außerdem seit vielen Jahren im Lions Club aktiv, war Distrikt-Governor und 2018/2019 Governorrats-Vorsitzender. Anschließend habe ich mit Siemens eine vom IS zerstörte Klinik im Irak wieder aufgebaut. 2024 hatten wir den Kongress der Deutschen Lions hier in Hannover mit 1300 Teilnehmenden aus ganz Deutschland und dem Ausland, denen wir gezeigt haben, dass Hannover für uns die schönste Stadt der Welt ist.

Bei der Villa Seligmann bist du ebenfalls engagiert.

Das hat bei mir eine lange Geschichte und Tradition. Wir haben im Elternhaus sehr offen über die NS-Zeit gesprochen und sie wurde auch schon in meiner Schule thematisiert. Ich weiß von anderen, dass das Thema totgeschwiegen wurde. So bin ich 1964 mit einer Gruppe nach Theresienstadt und Auschwitz gefahren und das hat mich wirklich zutiefst erschüttert. Da war das Grauen noch allgegenwärtig. Mir war es immer wichtig, mich für die Existenz jüdischen Lebens in Deutschland zu engagieren, für die jüdische Musik und Kultur. Und so bin ich durch Andor Izsák zur Villa Seligmann gekommen. Eliah Sakakushev-von Bismarck macht dort eine ganz großartige Arbeit. Diese Institution ist eine Kulturperle in Hannover. Ich engagiere mich dort sehr gerne, auch wenn ich mit der israelischen Regierung nicht einverstanden sein kann. Das muss man sehr scharf trennen.

Fehlt noch die Bürgerstiftung …

Dort habe ich mich auch sehr stark eingebracht, das stimmt. Im Jahr 2000 haben wir vom Wirtschaftskreis den mit 10.000 DM dotierten Hannover-Preis an die Bürgerstiftung verliehen. Und sie haben mich dann in den Stiftungsrat geholt, nach zwei Jahren als dessen Vorsitzenden bis Ende 2024. Der Aufbau dieser Stiftung war schwierig, es gab noch wenig Geld und selbst Flyer zu drucken musste überlegt sein. Die Idee einer Stiftung ist ja, Kapital zu sammeln und aus den Erträgen etwas zu unterstützen. Heute hat die Bürgerstiftung über 40 Millionen Euro Kapital einschließlich der Treuhandstiftungen. Damit können im Jahr bis zu einer Million Euro Förderungen ausgeschüttet werden. Das Geld kommt natürlich auch aus Spenden, nicht aus den Erträgen allein. Die Bürgerstiftung ist eine großartige Einrichtung für Projekte in den Bereichen Jugend, Kultur, Soziales, Gesundheit und mehr in der Stadt und Region Hannover. Es gibt eine kleine Geschäftsstelle, aber alle Gremienmitglieder wirken ehrenamtlich und wer sich sonst so einbringen will, ist herzlich eingeladen. Man darf auch spenden und bei Aktionen mitmachen. Die Bürgerstiftung hat beispielsweise anlässlich ihres eigenen 25-jährigen Jubiläums 150 Bänke in der Eilenriede aufgemöbelt, gemeinsam mit Werk-statt-Schule e.V. das Holz poliert und lackiert. Ich habe selbst so eine Bank gesponsert, auf deren Plakette steht „Familie Dr. Reinicke“. Da dürfen sich aber alle anderen auch hinsetzen (lacht).

Kommen wir zurück zum Freundeskreis. Gegründet hat er sich zur Unterstützung der 750-Jahr-Feier. Wie ging es dann weiter?

Genau, das war der Ausgangspunkt. Die Stadt Hannover hatte Pläne, aber kein Geld. Und darum haben sich einige verdienstvolle Menschen wie Klaus E. Goehrmann, Hermann Eberitzsch und Peter Hansen zusammengetan, um zu helfen. Die 750-Jahr-Feier 1991 war dann eine wirklich großartige Geschichte mit vielfältigen Veranstaltungen im Rathaus, in der ganzen Stadt, im Georgengarten. Und danach gab es natürlich ein Fragezeichen. Was jetzt? Mit der EXPO 2000 kam aber schon bald ein neues, zentrales Thema auf. Das war damals ja sehr umstritten, aber der Freundeskreis hat sich von Anfang an pro EXPO positioniert. Wir haben uns eingebracht in die Vorbereitungen, wir haben diese Idee nach Kräften unterstützt. Und ich finde auch im Rückblick die Entscheidung für die EXPO in Hannover goldrichtig. Dieses Ereignis hat Hannover, hat unsere Gesellschaft positiv verändert. Das hat Hannover gutgetan. Einzig die Entscheidung der EXPO-Gesellschaft, vor dem Beginn nicht zu kommunizieren, was für ein Programm geplant ist, war verfehlt. Man wollte erst am Tag der Eröffnung damit an die Öffentlichkeit gehen. Aber wenn du die Welt einlädst, muss die Welt ein Jahr im Voraus einen Urlaub planen. Wenn die Japaner, Chinesen, Amerikaner jedoch gar nicht wissen, auf was sie sich freuen dürfen, planen die auch keinen Urlaub.

Der Freundeskreis hat sein Programm dann aber über diese Veranstaltungsvorbereitungen hinaus kontinuierlich erweitert.

Ja. Es gab zum Beispiel die Unternehmensbesuche. Das zu organisieren war eine Stärke des damaligen Vorstands. Wir waren z.B. auf dem Telemax und beim Flughafen Hannover. Und dann hatte Erwin Schütterle die Idee mit dem Stadtkulturpreis. Der wurde 1995 zum ersten Mal verliehen. 2000 ging er an die Scorpions. Auch ein Meilenstein aus meiner Sicht.

Zum Jahreswechsel 2011/2012 folgte der nächste Meilenstein.

Mit der Zusammenführung des Hannover Tourismus Service e. V. mit dem Freundeskreis Hannover. Der Verein wuchs auf 1.500 Mitglieder. Da musste natürlich in der Satzung einiges angepasst werden. Auch die Mitwirkungsmöglichkeiten für die Mitglieder wurden erweitert. Seit über 50 Jahren bin ich Anwalt und konnte immer wieder mal beraten, natürlich pro bono. Aus gegebenem Anlass habe ich z.B. dem Vorstand einen Leitfaden für unsere Mitgliederversammlungen geschickt. 2012 hat der Freundeskreis zusätzlich auch zum ersten Mal den Sonderpreis für herausragendes bürgerliches Engagement vergeben, ausgewählt durch das Kuratorium. Das Ziel bei all diesen Aktivitäten ist, nach der Historie nun die Gegenwart in Stadt und Region zu fördern. Man engagiert sich, damit das Leben hier lebenswert ist. Und das ist es. Für mich ist Hannover die schönste Stadt der Welt. Wir sind Messestadt, wir sind Kulturstadt, wir sind ein wichtiger Wissenschaftsstandort.

Kommen wir zum Schluss noch einmal zurück auf dein ehrenamtliches Engagement. Was treibt dich persönlich an?

Eigentlich nur die sehr frühe Erkenntnis, dass wir nicht alles dem Staat überlassen sollten, sondern uns auch selbst um unsere Gesellschaft kümmern müssen. Der Staat hat seine Aufgaben bei der Daseinsvorsorge. Das ist auch gut und richtig. Aber wir dürfen deswegen nicht die Eigeninitiative verlieren. Und darum bin ich ein großer Befürworter bürgerlichen Engagements. Das beginnt mit der Arbeit in der Schule. Man kann dort ruhig mal gemeinsam die Klassenräume streichen. Es gibt überall Mitwirkungsmöglichkeiten. Und gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen, das ist wichtig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ich mag das Gemeckere nicht, diese Erwartungshaltung gegenüber dem Staat und der Politik. Man muss nicht mit allem zufrieden sein. Man darf in Deutschland auch zwei Meinungen haben. Aber man kann damit aufhören, alles schlechtzureden und damit anfangen, etwas beizutragen, um es für alle besser zu machen. Ich muss bei diesem Thema immer an meinen leider schon verstorbenen Freund Madan Arora denken. Der hat das 3 D-Stadtmodell für Blinde initiiert, dessen Fertigstellung ich dann geleitet habe und das jetzt als Geschenk der hannoverschen Lions an ihre Stadt vor der Niki-de-Saint-Phalle-Promenade steht. Madan hat mir klargemacht, dass wir uns nur gegenseitig anschauen müssen, weil wir alle Menschen sind. Um zu erkennen, wie es dem anderen gerade geht. Ob jemand nachdenklich, betrübt oder traurig ist. „Wenn wir es wollen, können wir es sehen“, hat er gesagt. Wir sollten uns also Anderen gegenüber nicht verhärten, sondern stets menschlich bleiben. Ich finde, das ist ein ganz wichtiger Appell.

Interview: LAK

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Norbert Schlote, Karsten Pilz und Jürgen Maaß

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Norbert Schlote, Karsten Pilz und Jürgen Maaß


In dieser Ausgabe haben wir uns mit Norbert Schlote (Vorstand der Hannöverschen AIDS-Hilfe e.V.), Karsten Pilz (Vorstand der Hannöverschen AIDS-Hilfe e.V.) und Jürgen Maaß (Geschäftsführung, CheckPoint) getroffen. Mit ihnen haben wir über die Entwicklung der AIDS-Hilfe-Arbeit in Hannover gesprochen, über Aufklärung, Prävention, Testangebote und Antidiskriminierungsarbeit und darüber, dass Menschen mit HIV unter Therapie ein ganz normales Leben führen können.

Starten wir mit einer Vorstellungsrunde.

Norbert: Mein Name ist Norbert Schlote, ich bin seit 2019 im Vorstand der hannöverschen AIDS-Hilfe. Ich bin von Haus aus niedergelassener Urologe und betreue das Testprogramm von uns. Wir machen regelmäßige Tests auf sexuell übertragbare Infektionen.

Karsten: Ich bin Karsten Pilz. Ich bin seit vielen Jahren im Vorstand der hannöverschen AIDS-Hilfe. Ich bin der Nachfolger von Bernd Weste, unserem Ehrenvorsitzenden, der maßgeblich die hannöversche AIDS-Hilfe mit aufgebaut hat. Im Hauptberuf bin ich eigentlich Finanzbeamter.

Jürgen: Ich bin Jürgen Maas und arbeite seit 2006 für die hannöversche AIDS-Hilfe. Ich bin für das Projektmanagement zuständig und u. a. auch für die Testangebote, die sich unter dem Stichpunkt CheckPoint zusammenfügen – aber auch für die Organisation des CheckPoint untenrum, unser Gesundheitsbegegnungszentrum.

Unterscheiden sich die hannöversche AIDS-Hilfe und der CheckPoint Hannover?

Norbert: Also tendenziell firmieren wir jetzt nur noch unter dem Namen CheckPoint Hannover, beziehungsweise CheckPoint der hannöverschen AIDS-Hilfe. Wir haben den Namen hannöversche AIDS-Hilfe ein bisschen in den Hintergrund gerückt. Es ist immer noch der Name des Trägervereins, aber da klassische AIDS-Hilfe-Arbeit so – zum Glück – gar nicht mehr geleistet werden muss, ist es zum Teil auch ein bundesweiter Trend, dass sich die AIDS-Hilfen alle umbenennen.

Was ist eure Verbindung zum Freundeskreis Hannover?

Karsten: Ich bin begeistertes Mitglied im Freundeskreis und freue mich, dass es den gibt – und ich bin auch begeisterter Hannoveraner. Das ist die Verbindung.

Wie seid ihr zu euren Positionen, zu euren Tätigkeiten gekommen?

Karsten: Mein Vater war Anwalt und Bernd Weste – unser Ehrenvorsitzender – mehr oder weniger Teil unserer Familie. Ich kenne Bernd also beinahe von Kindesbeinen an. Als dann eine Stelle im Vorstand vakant wurde, hat mich Bernd gefragt, ob ich das machen möchte. Das war für mich eine willkommene Gelegenheit, mal etwas Gemeinnütziges zu machen. Ich hatte mich bisher nicht besonders sozial oder gemeinnützig engagiert und ich musste mich auch erst einmal reindenken, bin aber gerne hier.

Norbert: Ich hatte irgendwann das Gefühl, dass ich von meiner ärztlichen Expertise irgendwie ein bisschen was in die Community geben kann. Dann habe ich hier als Testarzt angefangen und bin auch von Bernd Weste irgendwann mal angesprochen worden, ob ich mir nicht vorstellen kann, mehr zu machen. 2019 bin ich dann in den Vorstand gewählt worden.

Jürgen: Ich habe schon mein ganzes Leben lang Verbindungen zur AIDS-Hilfe-Szene gehabt. Ich hatte damals mein Coming-out als schwuler Mann in Oldenburg. Als ich irgendwann mit meinem Studium fertig war, war hier eine Stelle frei und die habe ich bekommen. Am Anfang war Präventionsarbeit meine Aufgabe; das habe ich zehn Jahre lang gemacht. Dann bin ich erst stellvertretender Geschäftsführer gewesen und irgendwann in die Geschäftsführung gewechselt. Jetzt bin ich für Teamleitung, Finanzaufsicht, das Beschaffen der Gelder und das Projektmanagement zuständig.

Wie sehr sind Infektionen wie AIDS noch ein Thema – auch in Hannover?

Norbert: Die Erkrankung AIDS ist in Hannover – und ich denke mal auch in Deutschland und Europa – zum Glück nicht mehr zwingend. Das mag in anderen Ländern ganz anders sein. Wir haben hier zum Glück Zugang zu einer sehr guten Therapie, sodass wir zwar Personen haben, die HIV-infiziert sind, aber im Prinzip mit ihrer Infektion ein unproblematisches Leben führen können und unter Therapie – das ist ganz wichtig – nicht mehr infektiös sind. Daher ist AIDS nicht mehr unbedingt ein Thema – aber sexuell übertragbare Infektionen natürlich schon. Überall da, wo Menschen Sex haben, gibt es sexuell übertragbare Infektionen, und unser Ansinnen mit dem CheckPoint ist, über solche sexuell übertragbaren Infektionen zu informieren und Personen zu testen und entsprechend in Therapie zu bringen.

Wie sieht die Arbeit des CheckPoint Hannover aus?

Jürgen: Unsere Arbeit hat verschiedene Ebenen: klassische Aufklärung, z. B. durch Ehrenamtliche in Schulen – aber ohne erhobenen Zeigefinger, eher locker und positiv. Dann die Fürsorge für Menschen mit HIV. Das war früher viel Sterbebegleitung, heute ist es mehr Antidiskriminierungsarbeit, etwa durch Schulungen in Pflegeberufen oder im Justizvollzug. Öffentlichkeitsarbeit gehört ebenso dazu wie Tests, die vor allem für vulnerable Gruppen wichtig sind, weil eine HIV-Infektion, früh erkannt, gut behandelbar ist. Vor zwei Jahren haben wir uns mit dem Gesundheits- und Begegnungszentrum CheckPoint untenrum einen Traum erfüllt. Dort gibt es Beratung, Tests, kulturelle und queere Angebote sowie Diskussionsreihen, etwa für queere Geflüchtete. Es ist ein offener Ort, an dem Menschen zusammenkommen – vom Info-Café bis hin zu Talkabenden. Dadurch erreichen wir die Zielgruppen viel besser: Tests sind inzwischen Wochen im Voraus ausgebucht, und auch die Workshops laufen gut.

Gibt es ähnliche Angebote?

Jürgen: Es gibt in Hannover die Beratungsstelle für sexuelle Gesundheit der Region Hannover, die gute Arbeit leisten, da kann man nicht meckern. Aber es ist am Ende eine Behörde. Und dann gibt es noch Pro Familia, wobei die eher in Richtung Verhütung von ungewollten Schwangerschaften gehen. Prävention war von Anfang an vor allem eine Aufgabe der Zivilgesellschaft. Die AIDS-Hilfen entstanden ursprünglich als Selbsthilfe, weil irgendwie alle weggestorben sind wie die Fliegen, weil es keine Therapien gab. Unsere Stärke war der Zugang zur Szene, den Behörden nicht hatten. Deshalb bekamen wir auch Förderung und den Auftrag, zielgruppenspezifische Aufklärung zu leisten – also vor allem für Männer, die Sex mit Männern haben, aber auch für Drogengebraucher*innen, Migrant*innen und Frauen in der Sexarbeit.

Wie haben sich der Umgang mit HIV und die Behandlung in den vergangenen Jahren verändert – von den 80er-, 90er-Jahren bis heute?

Jürgen: Es gibt Medikamente, mit denen man heutzutage ganz normal mit HIV leben und alt werden kann. Norbert sagte es schon: Wenn man ein Leben lang ab Infektion oder Diagnosezeitpunkt diese Medikamente einnimmt, kann man niemanden mehr anstecken. Das heißt, das Ganze bleibt eine chronische Erkrankung. Die Medikamente sind durch mehrere Phasen gegangen. Es gab massive Nebenwirkungen: Übelkeit, Durchfall. Nächtelang. Das hörte gar nicht mehr auf. Es war wirklich massiv, lebenseinschränkend. Heute merkt man allenfalls in den ersten zwei Wochen ein Magengrummeln. Das, was bleibt, ist das Stigma. Die Leute haben immer noch panische Angst davor. Wir erleben, dass Menschen selbst in medizinischen Einrichtungen nicht oder nur unter völlig wilden Schutzmaßnahmen behandelt werden. Wir müssen das Gegenteil erzählen. Das ist schwierig.

Wie wichtig ist Aufklärungsarbeit dahingehend an Schulen?

Karsten: Über sexuell übertragbare Krankheiten kann und sollte man immer sprechen! AIDS ist, glaube ich, aber keine Gefahr für Schüler. Da kann mich Norbert sicher korrigieren. Trotzdem: Syphilis und andere sexuell übertragbare Krankheiten gibt es noch. Und dass junge Menschen damit von Anfang an verantwortlich umgehen, halte ich für eine wichtige Botschaft. Da zeigt sich auch die Veränderung unserer Tätigkeit. AIDS gibt es nicht mehr, dafür aber immer noch sexuell übertragbare Krankheiten – und dafür öffnen wir auch unser Testangebot.

Norbert: Man muss aber auch sehen, dass wir Schüler nicht als unsere primäre Ansprechgruppe sehen. Da gibt es andere Player wie Pro Familia, andere Einrichtungen oder Vereine, die eher Aufklärung für jüngere Altersklassen machen. Die ist extrem wichtig, das muss gemacht werden. In dieser Altersgruppe ist es auch extrem wichtig, Antistigmatisierungsarbeit zu leisten, auch gegen Homosexualität insgesamt.

Jürgen: Man muss halt einfach sehen, welcher Mensch welches Risiko hat. Für heterosexuelle Schüler ist das Risiko einer Geschlechtskrankheit minimal. Das steigt eben, sobald man mehr männliche Sexualkontakte hat. Und das ist auch in Migrationskreisen sehr stark. Wir haben z. B. eine hohe Prävalenz in afrikanischen Ländern, in Russland und der Ukraine – wo viele Flüchtlinge herkommen, die dann hier getestet werden.

Beobachtet ihr eine Leichtfertigkeit unter der jüngeren Generation, was Infektionen angeht?

Norbert: Würde ich nicht sagen.

Jürgen: Ich glaube, man muss auch gucken, dass man den Leuten ihre Sorglosigkeit ein bisschen lässt. In der Schule ist zunächst wichtig, dass man das Thema Schwangerschaftsvorsorge behandelt. Da kann man Geschlechtskrankheiten mal erwähnen, muss aber gucken, dass man keine Phobien setzt. Das ist ja immer so dieser Moralhammer: „Poppt nicht durch die Gegend, sonst kriegt ihr Geschlechtskrankheiten.“ Das funktioniert so nicht. Das ist auch nicht die Realität. Man muss immer schauen, dass man den Leuten irgendwo in den Kopf pflanzt: „Passt mal auf, aber lasst euch damit nicht die Sexualität vermiesen.”

Warum sind Menschen mit Migrationshintergrund besonders betroffen?

Jürgen: In vielen Herkunftsländern, etwa in Afrika oder Asien, ist die HIV-Prävalenz deutlich höher als hier. Oft fehlen dort gute – oder überhaupt – Test- und Versorgungsstrukturen, gerade außerhalb der Städte. Auch in Ländern wie Russland oder der Ukraine ist HIV weit verbreitet; oft durch Drogengebrauch. Viele bringen die Infektion also schon mit oder erfahren erst hier davon. Dazu kommen queere Geflüchtete oder junge schwule Männer aus sehr restriktiven, homophoben Gesellschaften, die sich endlich ausleben wollen, aber null aufgeklärt sind. Weil dort, wo solch eine Moral herrscht, keine Aufklärung stattfindet. Und dann ist natürlich auch der Schutz erst einmal sekundär und HIV oder andere Infektionen treten gehäuft auf.

Mit welchen Themen oder Problemen kommen die Menschen am häufigsten zu euch?

Jürgen: Mit ganz viel Angst. Wir haben ein Beratungstelefon, bei dem Menschen am Montag nach dem Wochenende im Steintor anrufen und sagen: „Das ist passiert, kann ich mich da mit HIV infiziert haben?“ Aber es kommen auch Menschen mit HIV, die mit sozialen Problemen hierherkommen. Wir haben eine Sozialberatung. Und auch eine Migrationsberatung. Im Moment beobachten wir, dass wieder massiv Leute in ihre Herkunftsländer zurückgewiesen werden, wo es eine sehr unsichere HIV-Versorgungslage gibt. Das ist auch ein wichtiges Thema.

Wie finanziert ihr eure Arbeit und Testangebote?

Karsten: Wir leben von öffentlichen Zuwendungen der Region und des Landes. Wir haben unsere Geschäftsstelle in der Langen Laube aufgegeben und damit natürlich Mieten eingespart, die wir hier wieder einsetzen können. Und wir gehen auch sorgsam mit diesem Geld um. Die Tests kosten zum Teil etwas, aber wir verdienen dadurch nichts. Auch öffentliche Finanzierung ist wichtig und das müssen wir auch immer im Bewusstsein der Politiker halten. Daher war es auch wichtig, dass wir uns von der AIDS-Hilfe weg zum CheckPoint verändert haben und auch andere Gruppen ansprechen.

Norbert: Und die Tests werden zum Teil aus Eigenmitteln finanziert. Es kommt ein bisschen darauf an: Wir bieten zwei unterschiedliche Tests an: zum einen einen Schnelltest, der im Prinzip auf HIV und Syphilis testet. Dabei wird aus der Fingerbeere eine kleine Blutprobe entnommen und man bekommt sofort ein Ergebnis. Dieser Test ist kostenfrei.

Jürgen: Die wurden bis zum 1. Januar vom Land finanziert. Jetzt kommt die Spende von der Pharmafirma Gilead.

Norbert: Genau. Und dann gibt es ein erweitertes Testprogramm, das sich überwiegend an Männer, die Sex mit Männern haben, wendet. Aber grundsätzlich allen mit entsprechendem Risikoprofil offensteht. Dabei wird nicht nur ein Schnelltest gemacht, sondern auch Blut abgenommen. Zusätzlich prüfen wir z. B. den Hepatitis-Impfschutz oder machen Abstriche, um Erreger direkt nachzuweisen. Die Kosten liegen aktuell bei 25 Euro. Ein Teil der Tests wird zudem vom Land finanziert, indem wir sie über das Niedersächsische Landesgesundheitsamt laufen lassen, das günstiger arbeitet als private Labore. So entsteht eine Mischfinanzierung.

Jürgen: Bedürftige kriegen diesen Test auch kostenlos.

Welche Botschaft oder welchen Wunsch möchtet ihr den Menschen in Hannover in Sachen sexuelle Gesundheit mitgeben?

Norbert: Habt Sex und habt keine Angst davor! (lacht)

Jürgen: Das ist gut! Also, wir haben für den CheckPoint dieses Logo: „Eure Experten für sorgenfreien Sex“. Dabei steckt natürlich auch ein bisschen Moral mit drin, aber genau darum geht es: Je mehr Sorgen man sich macht, desto riskanter wird es, weil alles tabuisiert wird und nicht offen über Schutz gesprochen wird – auch an der Bettkante nicht. Deshalb sind wir da die Schmuddelkinder, die sagen: „Kommt, Leute, habt Spaß, redet darüber, macht es vernünftig. Und meldet euch einfach, wenn ihr Fragen habt.“

Karsten: Mir ist es wichtig, dass man die Leute so leben lässt, wie sie sind, und tolerant ist; dass man immer versucht, eigene Vorurteile, von denen man ja nie frei ist, zu überwinden.

Norbert: Ich möchte auch noch ergänzen, dass es mir ein Herzenswunsch ist, mit dieser Stigmatisierung von HIV-infizierten Personen zu brechen. Unter Therapie sind nicht infektiös und können ein ganz normales Leben führen! Leider ranken immer noch völlige Mythen um diese Infektion.

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Anika Brehme und Olaf Jähner

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Anika Brehme und Olaf Jähner


Heute haben wir mit Anika Brehme und Olaf Jähner zwei echte Ehrenamtsexpert*innen im Gespräch. Beide sind Mitglieder im Freundeskreis, im Sport ehrenamtlich engagiert und organisieren zudem beruflich das Freiwilligenmanagement. Anika Brehme ist stellvertretende Geschäftsführerin des Stadtsportbundes, Olaf Jähner Geschäftsführer des Niedersächsischen Turner-Bundes. Außerdem haben sie gemeinsam die Zukunftswerkstatt des Freundeskreises moderiert.

1. Ehrenamt = Leidenschaft – was heißt das für euch?

Olaf Jähner:
Es macht einfach viel Freude, für andere da zu sein. Ich trage in meinen Ehrenämtern dazu bei, dass das Leben für andere lebenswerter wird. Und das bereichert wiederum mein Leben – es bekommt Sinn. Genau das ist pure Leidenschaft.

Anika Brehme:
Ehrenamt ist für mich gelebte Selbstwirksamkeit. Ich freue mich, wenn meine Ideen umgesetzt werden und ich Raum zur Mitgestaltung habe. In meinem eigenen Engagement im Sport liegt mir besonders die Begleitung junger Menschen bei der Übernahme von Verantwortung am Herzen. Ich versuche, dafür gute Rahmenbedingungen zu schaffen.

2. Warum ist ehrenamtliches Engagement für unsere Gesellschaft – und für Hannover – so wichtig?

Olaf Jähner:
Unsere Stadtgesellschaft – und Gesellschaft überhaupt – wird schnell langweilig, wenn alle Aktivitäten staatlich organisiert sind. Warum? Weil es die Menschen sind, die mit Kreativität und Leidenschaft gestalten – besonders dann, wenn sie sich frei entfalten können. So entsteht eine unglaubliche Vielfalt an Aktionen, Initiativen und Projekten, die uns zusammenbringen und Gemeinschaft erlebbar machen.

Anika Brehme:
Ehrenamtliches Engagement schafft Verbindung zwischen Menschen, die sich in anderen Kontexten vielleicht nie begegnen würden. Es bringt unterschiedliche Kulturen und Generationen mit einem gemeinsamen Ziel zusammen. Hannover ist eine bunte, vielfältige Stadt – das wird über die vielen ehrenamtlichen Organisationen auch sichtbar.

3. Kennt ihr vorbildliche Projekte in Hannover?

Olaf Jähner:
Da ich aus dem Sport komme, fasziniert mich immer wieder der Verein handicap-kickers.de. Dort wird inklusiv Fußball gespielt.

Anika Brehme:
Und dort wird nicht nur Sport getrieben, sondern auch das Engagement inklusiv gedacht – bis hin zur Qualifizierung! Ja, wir durften dort lernen, was alles möglich ist, wenn ein Verein mutig Neues ausprobiert und daran glaubt, dass sich der Einsatz lohnt.

4. Wie müssen Vereine sich aufstellen, um ehrenamtliche Mitarbeitende zu finden?

Olaf Jähner:
Kurz gesagt: Vereine brauchen eine engagementfreundliche Kultur.
Sie müssen in der Lage sein, Aufgaben anzubieten, die zu den Fähigkeiten, Kompetenzen und Leidenschaften der Menschen passen. Dazu brauchen sie ein auf freiwilliges Engagement angepasstes „Personalmanagement“ – also eine Begleitung vom Einstieg bis zum Ausscheiden.

Anika Brehme:
Im Idealfall müssen Vereine gar nicht aktiv suchen, sondern zeigen, dass sie Orte sind, an denen man eigene Ideen einbringen und umsetzen kann. Dann entstehen tolle Beispiele – wie bei einem traditionellen Ruderverein, der durch eine Blühwiese mit mehreren Bienenvölkern jetzt eigenen Honig produziert. Einfach, weil es Mitglieder gab, die Lust hatten, das auszuprobieren. Diesen Mut wünsche ich vielen traditionellen Vereinen. Denn zufriedene Engagierte ziehen weitere Mitstreiter*innen an.

5. Ihr habt die Zukunftswerkstatt des Freundeskreises moderiert – was macht diesen Verein aus eurer Sicht besonders?

Olaf Jähner:
Der Freundeskreis vereint bürgerschaftliches Engagement mit gesellschaftlich relevanten Initiativen. Er stärkt die Bindung seiner Mitglieder durch exklusive Aktionen und tritt nach außen als sichtbarer Akteur der Stadtgesellschaft auf. Ein Verein, in dem es sich lohnt, Mitglied zu sein.

Anika Brehme:
Mich hat die Vielfältigkeit der Themen begeistert – und die Leidenschaft, mit der sich die Mitglieder für die Stadtgesellschaft einsetzen. Ich habe eine große und langjährige Verbundenheit erlebt. Vom Vorstand bis zur Mitgliedschaft ist spürbar: Alle eint die Liebe zu Hannover und der Wunsch, sie mit anderen zu teilen.

6. Welche Chancen hat der Freundeskreis Hannover in Zukunft?

Olaf Jähner:
Sehr gute – wenn es gelingt, die Balance zu halten: zwischen dem Nutzen für die Mitglieder und dem öffentlichen Auftreten durch gezielte Initiativen in der Stadtgesellschaft.

Anika Brehme:
Ich bin sicher, dass es dem Freundeskreis auch künftig gelingt, viele relevante Organisationen und Menschen in Hannover zusammenzubringen – und damit eine gefragte Stimme der Stadt zu bleiben. Die Demonstration auf dem Opernplatz im Januar 2024 hat gezeigt, welche Kraft in diesem Verein steckt, Menschen in Bewegung zu bringen.

7. Warum sollten sich Menschen in Hannover im Freundeskreis engagieren?

Anika Brehme:
Im Freundeskreis gibt es die unterschiedlichsten Möglichkeiten für Engagement – ob projektbezogen oder langfristig, thematisch breit gefächert. Wer Austausch und Mitgestaltung sucht für das, was Hannover lebenswert macht, ist hier genau richtig.

8. Euer Wunsch für den Freundeskreis Hannover e.V.?

Olaf Jähner:
Lasst nicht nach in eurem Tun. Ihr bereichert das Stadtleben und seid ein unverzichtbarer Teil einer lebenswerten Landeshauptstadt.

Anika Brehme:
Bitte nutzt weiterhin die Leidenschaft eurer Mitglieder, um eine starke Stimme für Hannover zu bleiben. Diese Engagementgemeinschaft aus Kultur, Politik, Sport, Wirtschaft, Wissenschaft und Religion schafft im Rahmen eines Bürgervereins einen großen Mehrwert für ein liebens- und lebenswertes Hannover.

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Mirjam Prahst-Martínez und Sabine Schmitz

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Mirjam Prahst-Martínez und Sabine Schmitz


Diesen Monat haben wir mit Mirjam Prahst-Martínez und Sabine Schmitz gesprochen. Beide sind bei Special Olympics Niedersachsen tätig: Prahst-Martínez als Athletensprecherin und Sportlerin, Schmitz ist die Geschäftsstellenleiterin. Geredet haben wir über ihre Erfahrungen bei den Special Olympics, die Außenwahrnehmung und die anstehenden Landesspiele.

Wie seid ihr zu Special Olympics gestoßen?

Mirjam Prahst-Martínez: Also bei mir war es so: Ich schwimme ja schon lange … und die Mutter einer Freundin hatte dann einmal von den Special Olympics geschwärmt und gesagt: „Das ist toll, geht da auch einmal hin.“ Und so bin ich dazu gekommen. Meine Mutter meint ja, ich wäre damals so 14 bis 16 Jahre alt gewesen.

Und was machst du alles bei Special Olympics?

MPM: Also vordergründig schwimme ich bei den Wettkämpfen mit. Und ich bin Athletensprecherin. Ein Freund von mir ist in den Athletenrat gegangen und hat davon erzählt. Und irgendwann kam Sabine vorbei und hat mich angesprochen.

Sabine Schmitz: Mirjam ist seit der Gründung 2019 im Athletenrat. 2022 hat der Athletenrat Mirjam zur Sprecherin gewählt. Sie ist mit ihrem Stellvertreter Teil des Vorstandes.

MPM: Im Athletenrat beraten wir letztlich den Vorstand und auch die Geschäftsstelle. Deswegen ist der Athletenrat so wichtig, weil wir alles aus der Sicht der Athleten sehen: Athleten schauen, wo die Probleme einzelner Sportstätten und Veranstaltungen sind. Diese Probleme geben wir dann weiter. Man erreicht wirklich viel und es macht Spaß. Seit letztem Jahr bin ich zudem noch Bundes-Athletensprecherin. Das macht auch Spaß. Und ich schwimme halt im Rahmen von Special Olympics viel.

Und wie bist du Sabine zu Special Olympics gekommen?

SS: Ich bin seit 16 Jahren die Geschäftsstellenleiterin von Special Olympics Niedersachsen. Ich war schon davor bei Special Olympics und jetzt seit 20 Jahren dabei. Meine ersten Berührungspunkte habe ich in meiner Heimatstadt gehabt, wo ich in der Zeitung über die Special Olympics gelesen habe. Einer der Gründerväter von Special Olympics Deutschland kommt aus meinem Nachbarort.

Wie schätzt ihr den Anteil der Leute ein, die mit „Special Olympics“ gleich etwas anfangen können?

MPM: Naja, die Special Olympics werden schon sehr häufig mit den Paralympics verwechselt – da muss man halt so ein bisschen gegenarbeiten und sagen: „Nein, nein, wir reden von Special Olympics – das ist etwas anderes als die Paralympics.“

Wie sieht der Unterschied denn aus?

MPM: Bei den Special Olympics machen vordergründig Menschen mit geistigen oder mehrfachen Behinderungen mit.

SS: Genau. Bei den Paralympics nehmen hauptsächlich Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung teil. Zudem sind die Paralympics inzwischen als Hochleistungssport zu bezeichnen. Special Olympics ist breitensportlich ausgerichtet. Jeder kann mitmachen, unabhängig von Art und Schwere der geistigen Behinderung. Das Besondere ist auch, dass es ein inklusives Wettbewerbssystem gibt, den sogenannten Unified Sports. Special Olympics ist zudem mehr als ein Veranstaltungsformat. Wir sind eine Organisation, die Teilhabe und Partizipation von Menschen mit geistiger Beeinträchtigung ermöglicht. Sie werden dabei unterstützt, aktiv ihre Interessen zu vertreten, ihre Sportmöglichkeiten mit zu entwickeln und ihre Gesundheit zu verbessern.

Inwiefern lassen sich Special Olympics denn mit den Olympischen Spielen vergleichen?

SS: Also es ist eine andere Art der Olympiade. Es ist nicht die Art Hochleistungssport, die in der Gesellschaft so bekannt ist. Die Leistungen, die unsere Athleten bringen, sind auf einer anderen Ebene zu bewerten. Uns geht es um den Athleten an sich: um das Leistungsvermögen des Einzelnen. Also wenn sich ein Athlet steigert und mehr Selbstbewusstsein gewinnt, dann ist das für uns mindestens so wichtig wie eine Medaille zu gewinnen.

Wie intensiv ist denn das Interesse in der Öffentlichkeit eures Erachtens? Gibt es da Luft nach oben?

SS: Ich glaube, die Wahrnehmung hat sich durch die Weltspiele 2023 geändert. Wir nehmen eine höhere Wahrnehmung und Akzeptanz wahr: viel mehr Interesse, viel mehr Menschen, die auf uns zukommen und fragen, ob sie sich irgendwie engagieren können. Das ist sehr positiv.

MPM: Aber wir haben immer Luft nach oben. Es geht immer noch besser.

Was wäre denn so in Sachen Breitenwirksamkeit oder Interesse ein nahes Ziel, das erreichbar wäre? Gibt es da Punkte, wo man denkt, da möchte man hinkommen?

SS: Wir wünschen uns für unsere Athleten natürlich eine ähnliche Aufmerksamkeit wie andere Sportler sie auch erhalten. Wir tun dafür viel in der Öffentlichkeitsarbeit. Jetzt bei den Landesspielen, die vom 4. bis zum 6. Juni in Hannover stattfinden, wird man auch ganz viel in der Stadt sehen.

Der Frauenfußball hatte ja in den letzten Jahren eine positive Entwicklung, was die Wahrnehmung betraf. Seid ihr optimistisch, dass sich die Gesellschaft künftig immer mehr öffnen wird?

SS: Ja, wir sind da optimistisch. Die Berichterstattung zu den Weltspielen war großartig. Bei uns stehen Leistung, Emotionen und Zusammenhalt im Zentrum. Das wurde durch die Medien gut transportiert und von den Zuschauern auch so wahrgenommen.

Wie bist du denn zum Schwimmen gekommen?

MPM: Durch Wassertherapie. Als ich etwa zwei Jahre alt war, hatte ich immer Krankengymnastik. Und es soll mich total nervös gemacht haben, in einen ganz normalen Raum zu gehen. Dann haben sie es mit einer Wasserwanne probiert – und ich wollte nie wieder ohne diese Wanne in diesen Raum gehen. Es musste immer die Wasserwanne rein. So bin ich zum Schwimmen gekommen. Und mit sechs Jahren habe ich dann richtig angefangen zu trainieren.

Hast du dich denn auch mal irgendwie anders ausprobiert?

MPM: Ja, ich habe schon ein bisschen was ausprobiert. Rollstuhl-Basketball habe ich eine Zeit lang gespielt, Rollstuhl-Badminton und Tischtennis auch … Was habe ich noch gemacht? Skifahren! Das habe ich auch schon gemacht. Also ich habe mich schon ausprobiert …

Wie siehst du denn die Schwimmbadkultur in Hannover? Reichen dir die Angebote?

MPM: Momentan trainiere ich im Stadionbad und im Vahrenwalder Bad. Das wurde ja für zwei Jahre renoviert und wir werden auch auf dem Laufenden gehalten, ob wir da wieder trainieren können oder nicht. Und ins SLZ geht es zum Wochenendtraining. Da trainiere ich ganz gern. Da gibt es auch so eine Gegenströmung. Man merkt das dann beim Schwimmen immer. Also wenn du nach unten schwimmst, geht das richtig schnell und locker-flockig. Und wenn du dann nach oben schwimmst, dann strengt das schon an. Also das SLZ ist schon mein Favorit von den Schwimmbädern.

SS: Ergänzend möchte ich sagen, dass die Trainingsmöglichkeiten für Menschen mit Beeinträchtigung nicht ausreichend sind und wir uns da Verbesserung wünschen.

Mirjam, bist du Mitglied in einem Verein?

MPM: Ja, bei Hannover 96.

Auch schon seit Teenagerjahren?

MPM: Nein. In Kindesjahren war ich zunächst in der RSG Langenhagen Rollstuhl-Sportgemeinschaft. Und jetzt bin ich bei Hannover 96.

Und was war bisher deine größte Herausforderung.

MPM: Bei den Special Olympics waren das die World Games: Da habe ich ein halbes Jahr lang nur trainiert. Ich habe nichts anderes gemacht, keine Freizeitbeschäftigungen – nur trainiert, nur Schwimmen, Schwimmen, Schwimmen … Das war wohl so ziemlich die größte Herausforderung.

Was erwartet einen denn bei den Landesspielen? Weshalb sollte man hingehen?

MPM: Die Special Olympics sind herzlich und fröhlich. Alle lächeln einen an, strahlen gleich ganz viel Freude aus. Man hat da auch viele Events für die, die keine Sportler sind. Und auch die Eröffnungsfeier und die Abschlussfeier lohnen sich sehr.

SS: Bei den Landesspielen gibt es acht Sportarten: Badminton, Tischtennis, Leichtathletik, Schwimmen, Judo, Fußball, Tennis und Handball. Darin können sich Sportler für die Nationalen Spiele qualifizieren. Da geht es also auch um was. Und neben dem Sport haben wir ein ganz tolles Rahmenprogramm. Wir fangen mit der Eröffnungsfeier am 4. Juni an, die startet um 18.30 Uhr vor dem Neuen Rathaus. Der Eintritt ist frei, offen für alle und wir laden alle herzlich ein. An den Sportstätten muss man auch keine Tickets kaufen, da darf jeder zuschauen. Wir sind im Erika-Fisch-Stadion, bei Hannover 78, im Sportleistungszentrum, im Landessportbund und im Stadionbad. Die Sportstätten liegen nah beieinander. Das ist eine tolle, kompakte Atmosphäre und man kann auch viele Sportarten auf einmal anschauen. Und wir haben eine große Aktionsmeile mit Mitmachangebot. Die Abschlussfeier ist dann am Freitagnachmittag Im Erika-Fisch-Stadion.

Im Herbst gab es ja einen Skandal um Luke Mockridge, der respektlose Witze über die Paralympics gemacht hat. Wie oft wird man damit konfrontiert und wie ist da der Umgang mit solchen Reaktionen?

MPM: Was Luke Mockridge gemacht hat, war nicht lustig. Und es kommt darauf an, wie man so einen Witz macht. Mein Bruder nennt mich immer Gangsta-Rapper wenn ich am Krampfen bin. Ich habe ja eine Unterform von Dystonie, da habe ich tagesformabhängig spastische Anfälle: entweder verkrampft meine Hand oder mein Bein oder mein Kopf geht zur Seite oder auch der ganze Körper. Das schränkt mich auch beim Training ein, weil ich manchmal auch im Wasser am Krampfen bin. Aber ich kann sehr gut einschätzen, ob ich dann noch weiterschwimmen kann oder nicht, denn ich bin dabei bei Bewusstsein. Und wenn mein Bruder mich dann Gangsta-Rapper nennt, dann ist das einfach ein liebevolles Rumblödeln. Bei Mockridge kam es halt ziemlich böse rüber, was er gemacht hat. Wie schon gesagt: Es kommt immer darauf an, wie man sowas sagt.

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Joachim Wehrmann und Torsten Lippelt von Business 4 Kids

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Joachim Wehrmann und Torsten Lippelt von Business 4 Kids


Was kann man sich denn unter Business for Kids vorstellen?

Joachim Wehrmann: Im Jahr 2009 hatte ich die Idee, einen Verein zu gründen, um Kindern in Not zu helfen. Aber nur für Hannover und in der Region. Ich weiß: Es gibt ganz viel Not auf der Welt. Aber es gibt auch sehr viele lokale Bedürfnisse hier in der Region. Ich bin auf dem Dorf groß geworden. Da guckt man erst dort, was man machen kann, bevor man in die Kreisstadt geht. Damit bin ich groß geworden – und so habe ich auch gedacht: Ich muss hier im Bereich bleiben. Von den 20 Leuten, denen ich gesagt habe, dass ich einen Verein dafür gründen möchte, haben dann 16 zugesagt – allesamt Unternehmer. Den Vereinsnamen Business for Kids habe ich spontan ersonnen und alle fanden ihn gut. Bei unseren regelmäßigen Treffen haben wir besprochen, was wir wollen und was nicht. Und letztlich auch genau das gemacht, was wir vorhatten. Natürlich haben wir nach ein paar Jahren nochmals an den Stellschrauben gedreht und geschaut, was nicht ganz so gut läuft. Wir sind also wie ein Unternehmen vorgegangen, diesen Anspruch hatten wir. Dann haben wir ein Event veranstaltet: 100 mal in 100 Stunden rings um den Maschsee laufen. Das brachte uns eine unglaubliche Aufmerksamkeit. Im ersten Jahr hatten wir dann gleich 140 Mitglieder. 2014 haben wir mit dem Bau eines 540 Quadratmeter großen Maschsee-Floßes mit zeitgleich 460 Menschen darauf sogar einen Weltrekord nach Hannover geholt. Business for Kids hatte da schon 400 Mitglieder. In der Spitze haben wir 589 Mitglieder gezählt – das war sehr erfolgreich. Ich bin immer sehr hinter den Mitgliedern hinterher. Denn wenn Du Projekte fördern willst, musst du auch Geld dafür haben. Wir benötigen also möglichst viele Mitgliedseinnahmen. Die lagen dann in der Spitze schon mal bei 40.000 bis 45.000 Euro, plus Sponsorengelder. Im ersten Jahr haben wir so schon über 100.000 Euro verteilt. Aus dem Mitgliederkreis kam dann wiederholt die Frage: „Warum machen wir kein eigenes Projekt?“ Als ich 2019 mit meiner damals 4½-jährigen Enkeltochter in die Schwimmschule gegangen bin, habe ich gelesen, dass 2018 in Deutschland 26 Kinder im Vorschul- und Grundschulalter ertrunken sind. 2023 waren es bundesweit insgesamt sogar 46 im Alter von 1 bis 20 Jahren. Das ist ein gesellschaftliches Versagen. Das geht so nicht. Da müssen wir mehr tun. Und letztendlich sind es die Kinder aus finanzschwachen Haushalten. Ich sage bewusst nicht „sozial schwache“!. Im Vorstand haben wir besprochen, dass wir was tun müssten, um Kindern aus armen Familien zu ermöglichen, dass sie Schwimmen lernen können. Aktuell kostet so ein Kurs 147 Euro. Wir haben uns dann schlau gemacht. Und wer nun eine BuT-Bescheinigung vorlegen kann, zahlt nur zehn Euro. Business for Kids zahlt die Differenz von 137 Euro. Die zehn Euro sind uns gar nicht so wichtig. Aber wenn Menschen gar nichts bezahlen müssen, dann ist ihnen das mitunter auch nichts wert. Im Moment zahlen wir aus Mitgliedsbeiträgen und Sponsorengeldern. Die Firma Rossmann hat kürzlich 10.000 Euro für unser Schwimmprojekt gespendet. Letztes Jahr begleitete uns die Sparda Bank Stiftung dabei, derzeit sind wir für 2026 mit der Bürgerstiftung im Gespräch. Bisher haben schon 1.802 Kinder durch Business for Kids so ihr Seepferdchen- und Bronzeabzeichen erlangt. Und insgesamt haben wir bislang rund 875.000 Euro an Fördergeldern gesammelt für einen positiven Einfluss auf das Leben der Kinder hier

Was waren denn vor den Schwimmkursen die Ziele?

JW: Wir bieten nicht nur individuelle Hilfe. Wir wollen unsere Gesellschaft durch die Unterstützung von Kindern und deren Entwicklung stärken. Denn die Zukunft der Gesellschaft liegt in der richtigen Betreuung und Förderung der Kinder. Dazu gehört sowohl die Hilfe in der Not, als auch die Förderung von Talenten, was ganz wichtig ist. Auf hoher Ebene beispielsweise den Mädchenchor Hannover. Dieser ist weltweit bekannt und reist entsprechend viel. Wenn die Kinder aber in die Schweiz fahren oder nach Vietnam, sind da immer zwei oder drei Eltern, die sich dies finanziell einfach nicht leisten können. Denen helfen wir in der Regel. Da geht mir das Herz auf, wenn ich die höre. Oder auf anderer Ebene: Ein geflüchtetes Mädchen brauchte dringend eine neue Brille, das Amt übernahm aber nur einen Teil der Kosten. Da haben wir gesagt: „Kein Problem, natürlich machen wir das. Das Kind braucht eine Brille.“ Für ein Kinderferienlager haben wir außerdem mal 4.500 Euro bereitgestellt. Jetzt liegt uns gerade ein Antrag aus Uetze vor, da geht es um Hilfe für sogenannte Systemsprenger. Also Kinder, die weit weg von jeder Norm sind, die nur Theater machen … Da werden wir

wahrscheinlich auch unterstützen. Bei Projektanträgen müssen wir bloß immer genau wissen, um was es geht. Bisher haben wir 116 Projekte gefördert, darunter Löwenzahn, die sich um trauernde Kinder kümmern, oder die Klinikclowns, bei denen jetzt alles gut läuft. Vor drei Jahren hatte ich eine Herz-OP – und wer steht an meinem Bett? Die Klinikclowns. Mir sind die Tränen gekullert, so gerührt war ich. Bei drei Projekten habe ich aber auch das Geld zurückgefordert, nachdem wir es überprüft haben. Da wurde es zweckentfremdet ausgegeben. Bei einem gemeinnützigen e.V., der Geld haben wollte, bat ich um die Einnahmenüberschussrechnung. Die Reaktion war: „Die geht Sie überhaupt nichts an!“ Natürlich geht die mich was an! Bei einem eingetragenen gemeinnützigen Verein hat jeder das Recht, Unterlagen einzusehen. Und wir haben ein Finanzamt. Die überprüfen uns regelmäßig. Wenn wir Gelder zweckentfremden, könnten wir Schwierigkeiten bekommen und auch unsere Gemeinnützigkeit verlieren. Deshalb ist das ganz wichtig, sich genau an die Regeln zu halten.

Kommen wir mal zu dir …

Torsten Lippelt: Ich arbeite als Journalist und Pressefotograf für mehrere Verlage in und um Hannover. Vor etwa zehn Jahren habe ich Joachim Wehrmann kennengelernt, als es verschiedene karitative Projekte gab, die von Business for Kids gefördert wurden – auch mit Hilfe von Ikea zum Beispiel, einem der großen Spender. Das fand ich schon sehr interessant damals. Zu Jahresbeginn bin ich nun von ihm angesprochen worden, ob ich nicht Interesse daran hätte, die Pressearbeit mitzugestalten, um das Projekt voranzubringen. Es freut mich, wenn ich dafür nun werben kann. Nicht nur, um zu helfen, sondern auch um selbst etwas für die Gemeinschaft zu geben. Da ich gute Erfahrungen mit den Bereichen gemacht habe, in denen sich der Verein engagiert, habe ich zugesagt. Als mein Sohn noch im Grundschulalter war, begleitete ich als Elternteil seine Klasse zum Schulschwimmunterricht. Und stellte fest, dass zum Schluss immer noch bis zu 30 Prozent aller Kinder nicht Schwimmen gelernt hatten. Entweder weil die Zeit nicht ausreichte oder die Eltern das nicht unterstützt haben. Es kann nicht sein, dass alljährlich Kinder deshalb ertrinken, weil sie nicht schwimmen können. Dazu kommt: Wer aus einem Land stammt, wo das Baden aus Freizeitgründen nicht üblich ist, der hat oft keinen Bezug zum Wasser. Das ist anders als hier in Norddeutschland.

JW: Darf ich das ergänzen? Es sind seit 2015 knapp drei Millionen Geflüchtete zu uns gekommen, darunter ganz viele Kinder. Dem ist das auch geschuldet, wenn die Nichtschwimmerzahlen steigen. Aber es gibt noch andere Gründe: Früher hatten wir alle Schwimmunterricht. Da waren immer zwei Lehrer dabei. Heute tun die sich schwer – aufgrund der Haftung. Wenn irgendeine Kleinigkeit passiert … Lehrer sagen: „Ich kann das gar nicht leisten. Ich kann die Verantwortung nicht für 20 Kinder übernehmen, wenn wir schwimmen gehen. Ich bin Lehrer, aber kein Schwimmlehrer.“ Und dann gibt es auch Anfahrtsprobleme. Die Mühlenberger Schule etwa. Wenn die mit der Straßenbahn zum Schwimmen fahren würden, könnten sie eine halbe oder Viertelstunde schwimmen – mehr nicht. Denen haben wir das Geld für ein Fahrzeug organisiert, damit die mit der ganzen Gruppe dann hinfahren können.

Neben den Schwimmkursen bietet ihr auch die „Bärentreffen“ an …

TL: Events wie das „Bärentreffen“, bei dem Gruppen von Kindern zu Sportveranstaltungen eingeladen werden, stärken den Gemeinschaftsgeist und schaffen Freude bei den Kleinen. Diese Veranstaltungen haben auch Multiplikatoreffekte, indem sie das Bewusstsein für die Arbeit des Vereins fördern. Mein erster Pressetermin war das Bärentreffen, an dem eine Gruppe von …

JW: … 29 Kindern und sechs Erwachsenen …

TL: …vom Sozialwerk Vinnhorst in die ZAG Arena teilnahmen, um sich dort ein Handballspiel von den

Recken anzugucken. Sie bekamen nicht nur einen Fan-Schal geschenkt und waren ganz begeistert, dass sie sich ein Handballspiel angucken konnten, sondern dass sie auch diese ganze Atmosphäre erleben konnten. Wenn 10.000 bis 12.000 Leute in so einer Halle sind und dann alle jubeln und ihre Schals hochhalten – das ist schon eine tolle Stimmung …

JW: Der Eintritt war kostenfrei, pro Schal haben die Recken uns nur fünf statt 15 Euro berechnet. Das war ganz toll und super Bei Hannover 96 waren wir vor ein paar Jahren, das waren sechs Euro. Das war auch super günstig, dort mit den Kindern hinzugehen. Da waren wir insgesamt 40 oder 50. Wobei ich kein Typ bin, der alles umsonst haben will. Ich sage: „Nee, wir zahlen das, alles gut.“ Wir waren mal beim Sozialdezernent der Stadt

Hannover. „Was kann ich für Sie tun“, fragte er. Da habe ich gesagt: „Wir sind mal gekommen, um zu

fragen, was wir für Sie tun können.“ Das ist mir auch wichtig.

Wie verhält sich das denn mit den Zielen von Business for Kids: Geht es alleine darum,

bestimmten Kindern was Gutes zu tun – oder gibt es ein breiteres Ziel, geht es auch um

die Gesellschaft insgesamt …?

JW: Wenn mich jemand fragt, warum ich das mache, dann sage ich: „Komm doch mal mit zum Schwimmen.“ Dann kommen die Kinder, man nimmt denen die Angst, vor dem Tauchen etwa. und wenn sie zum Schluss ihr Abzeichen machen, dann ist das wunderschön. Das sind so Highlights: Dann haben sie das Abzeichen, stehen ganz stolz da, haben absolut leuchtende Kinderaugen … Also mir war es immer ein Anliegen, Kindern zu helfen, etwas Gutes tun. Das geht mir so ans Herz. Und das ist alles unsere Zukunft. Wenn wir die nicht vernünftig betreuen und unterstützen auf ihrem Weg, sondern alle nur unser eigenes Ding machen, dann kann die Welt später nicht funktionieren. Es geht nicht.

Ihr lebt ja nicht nur von Mitgliederbeiträgen, sondern auch von den erwähnten

Sponsoren … und Spenden … Wie läuft es denn da seit 2009. Wie ist da so die

Entwicklung?

JW: Gut. Man muss ja Geschichten erzählen, die ans Herz gehen, um die Mitmenschen zu inspirieren. Und so eine Geschichte erzähle ich dem Sponsor: Ich gehe mit Leuten essen – und dann machen die einfach mit und

schicken Geld. Die Einzel-Mitgliedschaft kostet 60 Euro, Firmenmitgliedschaften 120 Euro … oder nach Ermessen. Porsche ist auch Mitglied bei uns. Als erstmals deren Jahresbeitrag einging, stand da was? 911 Euro! Dem 911er halt angepasst…halt Carrera. Da haben wir uns auch sehr gefreut. Oder Gartenmöbel Ludwig. Denen habe ich die Porsche-Geschichte erzählt. Und dann? Die Firma ist 1932 vom Opa damals gegründet worden, in Hemmingen. Und was kriegen wir? Großvaters Jahr: 193,20 Euro.

TL: Bei Gartenmöbel Ludwig fällt mir ein: Das Interessante ist, dass man teilweise nicht weiß, ob nicht bei einer Veranstaltung, die relativ wenig Geld über die Spendensammlung selbst einbringt, trotzdem Multiplikatoreffekte eintreten. Weil halt viele Leute dabei sind und das Projekt so überhaupt erst kennenlernen. Bei Gartenmöbel Ludwig haben wir im Anschluss an unsere aktuelle Mitgliederversammlung mit Ralf Schnoor, dem „Wer wird Millionär“-Gewinner, der in Linden das Café K leitet, ein Table Quiz veranstaltet. Er hatte sich freundlicherweise bereit erklärt, dies ehrenamtlich für den Verein zu machen – und hat auch seine leckeren Pralinen zur Verfügung gestellt. Da waren dann über 90 Gäste, die mitgerätselt haben und so auch an das

Projekt herangeführt worden sind. Die haben den Abend natürlich auch was gespendet, aber das Interessante ist eben der Multiplikatoreffekt, wenn die Leute dann sagen: „Mensch, da war was, davon habe ich noch nie etwas gehört, und das ist eine gute Idee. Da engagiere mich dann selber auch mal!“ Also man kann sowas nicht immer direkt in Euro messen, was so eine Spendenveranstaltung bringt …

JW: Also was wir gemerkt haben: Vor Corona kannten uns ganz viele – und nach Corona: „Noch nie gehört …“ Jetzt haben wir sehr viel Gas gegeben seit letztem Jahr, Veranstaltungen gemacht, dieses Jahr auch schon – und jetzt werden wir wieder bekannter. Hier und da gibt es Rückfragen und es kommt so was wie. „Können wir was zusammen tun?“ Wie mit Ralf Schnoor. Der ist so nett, das ist so ein freundlicher Mensch. Man muss einfach freundlich sein zu den Menschen und dann kriegt man auch Freundlichkeit zurück. Ich mache

sehr viel im Verein und dafür danke ich meinem Vorstand: Wenn ich ihn brauche, ist er sofort da. Und es ist sehr harmonisch bei uns insgesamt. Es gibt auch mal Reibereien, aber alles auf einer guten Ebene. Wenn wir Vorstandssitzung machen, essen wir immer zusammen. Und wenn man zusammen isst und redet, ist das immer gut. Und zusammen essen mit den Menschen ist auch toll.

Wer euch unterstützen möchte, der müsste spenden?

JW: Ja, bitte. Wir hatten mal vor Jahren in der Ernst-August-Galerie einen Stand. Zu uns kam jemand, der machte sein Portemonnaie auf – und darin war nur ein einzelner 5-Euro-Schein. Dem hätte ich fast gesagt: „Bitte behalten Sie Ihr Geld, Sie brauchen es selber.“ Ich habe es angenommen und das war die schönste Spende, die ich je bekommen habe. Der wollte das geben, von ganzem Herzen. Das hat mich sehr angerührt. Der Verein arbeitet auch aktiv daran, neue Mitglieder und Sponsoren zu gewinnen, um seine Projekte zu finanzieren.

TL: Wir freuen uns, wenn Mitglieder auch aktiv dabei sind, beispielsweise wenn für eine Veranstaltung etwas vorzubereiten ist. Dann kann es nicht schaden, wenn man jemanden hat, der mal mit anfasst.

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