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Der Freundeskreis im Gespräch mit Sina Hensel und Andreas Burkhardt


Wer seid ihr und was macht ihr?

Sina Hensel: Ich bin Sina Hensel, 31 Jahre, und die Leitung von Musikland Niedersachsen, einer 16 Jahre alten Service- und Netzwerkstelle für das professionelle Musikleben in Niedersachsen. Wir sitzen in Hannover, sind aber natürlich für das ganze Bundesland zuständig. Ich bin seit 2019 dabei, habe mit einem Volontariat angefangen und bin nun seit zwei Jahren in der Leitung. Wir bilden seit 2019 mit der Landesmusikakademie in Wolfenbüttel eine gemeinsame Firma, unser Träger ist der Landesmusikrat. Unsere Aufgabe ist es, die professionellen Musikszenen und Akteur*innen genreübergreifend zu vernetzen, zu qualifizieren und, mit ihnen die Rahmenbedingungen für professionelles Musikschaffen zu verbessern.

Ihr unterteilt euer Angebote ja u. a. in Handlungsfelder wie Basiswissen oder kulturpolitisches Handeln. Was kann man sich darunter vorstellen?

SH: Zum Bereich Basiswissen: Gehen wir einmal vom Fall „Musiker“ aus. Das umfasst ja mehr, als nur Musik zu machen. Du hast viele andere Jobs, die vereint werden müssen. Finanzen, Social Media, Steuern, Website-Aufbau: Vieles muss aus finanziellen Gründen DIY-mäßig passieren. Wir versuchen, genau dabei zu unterstützen. Mit Workshops, mit Beratung per Telefon oder E-Mail, zu Themen wie Steuerrecht, Musikrecht, Gründung als Musiker etc. Man kann uns immer kontaktieren, wir helfen auch bei Fragen rund um GEMA, KSK, Förderung … Und zum Feld kulturpolitisches Handeln: Wir sind eine gGmbH, also erst einmal keine Interessenvertretung. Unser Träger, der Landesmusikrat, ist der Interessensverband für Musikkultur in ganz Niedersachsen. Und dann gibt es viele andere Verbände, die LAG Jazz, die LAG Rock, KlubNetz für die Clubs und Spielstätten, den Landesverband der Freien Klassik-Szene u. s. w., mit denen wir eng zusammenarbeiten, weil deren Mitglieder auch unsere Zielgruppe sind. Mit denen arbeiten wir häufig an politischen Themen.

Andreas Burkhardt: Ich bin Andreas Burkhardt, 66 Jahre alt. Ich bin 1985 für das Jazzstudium nach Hannover gekommen. Da gab es den ersten Studiengang „Jazz, Rock, Pop“ an der Musikhochschule – ganz kurzfristig aus dem Boden gestampft. Heute bin ich der Leiter der Tonhalle Hannover: ein ca. 70 m² großes musikalisches Trainingszentrum mit eigenem pädagogischen Konzept, denn ich übe gemeinsam mit den Leuten. Deswegen nenne ich es Training. Acht Gruppen, acht Kurse pro Woche, 1½ Stunden Üben unter professioneller Anleitung. Es muss diese Wiederholungsraten geben, damit man automatisiert, das ist wie beim Sport. Die Idee war auch, mit dem Verhörer zu spielen, zu dem es immer wieder kommt: Ton- und Turnhalle. Ich nenne es nicht Musikschule, weil das Konzept anders und immer noch ein Alleinstellungsmerkmal ist. Normalerweise werden ja alle alleine nach Hause geschickt – und alleine zu Hause ist doof. In der Gemeinschaft es hingegen nicht einmal ein Problem, 30-fach dasselbe zu spielen; und alle sind begeistert dabei. Und über die Jahre ergab sich, dass die Tonhalle auch noch ein Ort für modernen Jazz geworden ist. Sonntags um 18 Uhr gibt es Konzerte in der Tonhalle. Wir haben auch schon mehrfach den Spielstättenpreis Applaus für das Konzertprogramm erhalten. Das organisiert Felix Petry, der einen großartigen Job macht. Das Ganze wird getragen durch einen Verein und die Leute, die an den Kursen teilnehmen und den Mitgliedsbeitrag zahlen. Es hat sich also großartig entwickelt, ich bin heute Chef, konnte mich selber anstellen, die Dozenten verdienen da Geld, Musiker verdienen Geld …

SH: Und lustigerweise verdanke ich quasi Andreas meinen Arbeitsplatz: Ich habe mein Masterstudium in Hannover gemacht, Medien und Musikmanagement am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung. Und wir hatten 2018 bei der Jahreskonferenz von Musikland Niedersachsen im Pavillon ein Austauschformat im Rahmen eines Forschungsseminars. Es ging um Musikstädte … In dem Workshop saß auch Andreas und hinterher sagte er: „Mensch, du bist also neu in Hannover, interessierst dich offenbar für Musik und willst dich engagieren? Wir haben da so eine Arbeitsgruppe und wollen, dass in Hannover ein großes House of Music entsteht, das sich an alle Bedarfe professionellen Musikschaffens richtet.“ Das klang spannend, also haben wir uns jeden Montag in der Tonhalle getroffen und an diesem Konzept gearbeitet. Entstanden ist daraus die Rampe – und für mich auch ein großes Netzwerk an Menschen, darunter Gunnar Gessner und Arne Pünter. Über das Netzwerk bin ich dann zum Musikland gekommen.

Mit der Rampe hattest du dann nicht direkt zu tun?

SH: Wir arbeiten ziemlich eng zusammen. Ich bin Vereinsmitglied in der Rampe und war von Anfang an dabei. Wir haben ähnliche Zielsetzungen und machen einigen Veranstaltungen und Projekte in Kooperation. Es gibt viele Schnittstellen.

Du hast ein Seminar über Musikstädte erwähnt. Was macht denn eine Stadt zur Musikstadt?

SH: Also es gibt tatsächlich ja diesen offiziellen Titel UNESCO City of Music (UCOM). Es gibt heute über 70 Städte weltweit, die diesen Titel tragen. Es gibt aber noch weit mehr Städte, die sich als Musikstadt bezeichnen, ohne den Titel zu tragen. Da scheint es mir auf den Moment anzukommen, in dem man erkennt, dass Musik aus ganz vielen Perspektiven für die Entwicklung einer Stadt und für das Leben in einer Stadt eine große Rolle spielt … und darauf, dass man dann auch politisch so priorisiert.

Welche Rolle spielt denn die Musik eures Erachtens für eine Gesellschaft? Ist das einfach nur Entertainment oder just for fun …

SH: Es ist nicht nur Entertainment – wobei es gerade in diesen Zeiten auch wichtig ist, dass man auch Räume hat, in denen man dem Tagesgeschehen entfliehen kann, einfach Gemeinschaft erleben und neue Energie tanken kann. Das kann Musik. Gleichzeitig kann Musik aber auch den Raum aufmachen, über aktuelle Frage zu reflektieren und sich kritisch mit ihnen auseinanderzusetzen.

In jedem Fall spielt Musik eine wichtige Rolle für Zusammenhalt und Zusammenkommen der Menschen. Wer Musik macht, lernt aufeinander zu hören, sich zu artikulieren, die eigene Stimme zu finden: eben Demokratie-Kompetenzen. Das sehe ich auch als auch Dozentin am Center for World Music in Hildesheim: Da kommen Menschen aus der ganzen Welt zusammen. Die kennen sich nicht, Musik ist der gemeinsame Nenner. Ob das gesellschaftlich so gesehen wird, ist eine andere Frage. Ich glaube, dieser Wert ist vielen Menschen kaum bewusst. Das ist etwas, woran wir mit all unseren Initiativen auch arbeiten: sichtbar zu machen, wie Musik Menschen zusammenbringen kann.

AB: Wir hatten vorhin ein Meeting in der Rampe, da habe ich jeden gefragt: Wofür ist Kultur gut? Das ist nicht so einfach zu beantworten …

SH: Ja, aber wenn sie nicht mehr da wäre, würden das alle merken.

AB: Ja. Und es gibt ja ein Bedürfnis. Es geht um das Zauberwort „Gemeinschaft“. Es gibt Studien: Wenn ein Mensch sein Leben als verbunden erlebt hat, dann hatte er mehr das Gefühl, ein erfülltes Leben zu führen.

SH: Jeder, der in einem Chor gesungen hat oder einfach auf einem Konzert in der Masse singt, kennt dieses Gefühl, wenn Stimmen zusammen klingen. Das ist eine sehr besondere Erfahrung von Gemeinschaft.

AB: Das ist entzückend menschlich. Und das fehlt: die Verbindung, sich verbunden fühlen mit was auch immer …Musik ist halt schon besonders: Kunst in der Zeit. Beim Musikmachen passiert etwas jetzt und ist dann weg. Gerade die Improvisation zeigt das. Sina hat es schon gesagt: Da stecken viele tolle Qualitäten drin, Zuhören, Reagieren … Viele Leute erzählen ja, dass Musik mit ihnen was gemacht hat: Neben dem Akustischen geht es irgendwie in die Seele rein.

Wirkung ist ja im Guten wie im Schlechten verwendbar. Weidel bringt sich beim Fotoshooting mit Musik in Stimmung, auf Sylt eignen sich Rechte Musikstücke an … Steht Musik so sehr für Demokratie ein oder kann das auch einfach von innen her zerbröseln, wenn sie durchsetzt wird von Leuten, die daran gar kein Interesse haben?

AB: Von den Menschen ist schon alles im Schlimmen benutzt worden. Das ist leider so eine „schlechte Qualität“ der Menschheit. Irgendwas ist immer zu missbrauchen für andere Zwecke …

SH: Natürlich gibt es diese Gefahr. Wir hatten neulich erst einen Workshop, in dem es darum ging, wie ich beim Booking recherchiere, welche Bands rechte Strömungen vertreten. Aber wenn man es sich historisch anguckt, ist Kultur, ist insbesondere Musik besonders häufig Teil von positiver Veränderung. Und man kann aktuell in Deutschland sehen, auch in den USA, dass es häufig kulturelle Akteure sind, die als erste – auf ihre Art und Weise – protestieren bzw. für Demokratie und Vielfalt einstehen. Es gibt immer Menschen, die Dinge auch im Negativen nutzen – aber ich glaube, die Stärke, die Musik hat, um Dinge positiv zu verändern, ist deutlich größer.

AB: Die Gefahr geht eigentlich, so finde ich, mehr von KI aus. Inzwischen ist auf der Musikebene KI so perfekt, dass man irgendwann nicht mehr unterscheiden kann, ob das von Menschen gemacht ist oder nicht. Und dann ist diese Frage irgendwann egal, dann wird da irgendwas rausgehauen und es ist völlig beliebig. Es bleibt also noch das unmittelbare Musizieren miteinander. Das ist eine Qualität, auf die man setzen muss.

Wie sieht deine Einschätzung dieser Entwicklung aus?

SH: Die Technologie entwickelt sich schneller als rechtliche Rahmenbedingungen. Da müssen wir uns gesamtgesellschaftlich und politisch so aufstellen, dass es solche Rahmenbedingungen zur KI-Nutzung gibt: In welchem Zusammenhang steht KI mit Urheberrechten? Da muss man schon hinschauen. Auf der anderen Seite muss man sich auch fragen: Ab wann fängt KI eigentlich an? Musikproduktion basiert ganz viel auf KI-basierten Technologien. Man kann also auch künstlerisch mit KI spielen. Ich glaube, es hat zwei Seiten, denn ich merke ja auch in der in der täglichen Arbeit, dass KI in Teilen eine extreme Hilfestellung ist.

AB: Den Unterschied macht der Mensch: Live ist die Antwort auf KI. Natürlich kann man auch über Produktionen noch probieren, mit Musik, sage ich mal, Geld zu verdienen. Aber das ist heute für Musiker*innen schwieriger denn je. Und jetzt wird es mit KI noch schwieriger. Also setze ich auf „Live“. Da spielen echte Menschen, die gerade in dem Moment Musik machen. Das gilt es nach vorne zu bringen.

Du hattest KI als die eigentliche Gefahr erwähnt. Man hätte da jetzt auch die Kulturkürzungen erwarten können … Wie seht ihr die?

AB: Ach, es ist immer das gleiche Spiel. Es ist zu wenig Geld da. Dann geht man zu den entsprechenden Behörden und Institutionen und kriegt einen sehr wohlwollenden Gesichtsausdruck und den Hinweis: „Ja, wir verstehen das. Das ist ja auch echt toll, was ihr macht. Aber leider ist nicht mehr Geld da.“ Was will man da machen? Dann ist das eine, zu sagen: „Ja, ich mobilisiere politische Kräfte.“ Da ist ja auch Sina immer dabei, Allianzen zu schmieden und mehr Druck auszuüben auf die Kulturpolitik. Aber es dauert meist unfassbar lange, bis dann – vielleicht – etwas passiert. Kann man also anders wirksam werden, ohne die aus der Verantwortung zu nehmen? Etwa aus einem Verbund von Leuten aus Hannover, den ganz normalen Bürgern, die für die Kultur investieren und „Das ist es mir wert“ sagen. Eine Kulturlotterie oder Kulturfonds gründen. Geld ist im Prinzip da.

Hilft der UCOM-Status, um zu argumentieren, dass man mehr Budget erzielen will?

AB: UCOM hatte nie etwas mit Geld zu tun. Das war einfach nur ein Titel, der verliehen wurde. Der Rest war dann Sache von Hannover. Dieses Label aufzufüllen mit irgendwas. Man könnte es natürlich mehr nutzen, finde ich auch. Aber die Frage ist immer: Wer gibt Geld? Wer unterstützt – nicht nur mit Geld, sondern in irgendeiner Form? Es endete immer bei dieser Frage: Wer fühlt sich dafür verantwortlich und übernimmt Verantwortung? Und da gilt es zu schauen und ein Bündnis zu bilden, von ganz verschiedenen Institutionen in Hannover bis hin zu den gängigen Firmen – was die Kulturstadt jetzt auch schon vorhat.

SH: Ob der UCOM-Titel der hilft: Ich glaube, das ist genau das, was jetzt gerade mit dem Jubiläum versucht wird, das ja u. a. mit dem Musik Kiosk sehr präsent ist. Nicht ohne Grund lautet das Motto „Gesellschaftlicher Zusammenhalt durch Musik“: Man versucht deutlich zu machen, welche Relevanz Musik für eine Stadtgesellschaft hat. Die Stadt plant ja, das Thema weiterzuentwickeln, um diesen Titel dann wieder mit mehr Geld unterfüttern zu können. Man muss das Thema halt erst einmal politisch bespielen – dann kann dieser Titel perspektivisch schon auch ein Hebel sein. Je nachdem, wie Politik am Ende priorisiert. Da sind wir gerade in einer schwierigen Situation. Es wurde schon immer gesagt, dass es kein Geld gibt. Gerade scheint die Situation aber besonders schwierig zu sein. Eine Möglichkeit, damit umzugehen, ist, wie Andreas sagte, irgendwie zu gucken, dass wir andere Allianzen und Wege finden, Mittel für Kultur zu akquirieren – und zu derdeutlichen, wofür Kultur relevant ist. Ich würde aber immer sagen: Man darf trotzdem die politische Ebene nicht aus der Pflicht nehmen.

Was unterscheidet eine Hannover von von anderen Städten?

SH: Also aus so einer Innenperspektive der Musikszene in Hannover würde ich betonen, dass Hannover musikalisch irgendwie Raum für alle bietet. Es gibt für alles irgendwie so eine Nische und das zeichnet Hannover aus. Und Hannover hat im Gegensatz zu Berlin oder Hamburg sehr kurze Wege. Also wenn man einmal drin ist in dieser Szene, dann lernt man sehr schnell viele andere Leute kennen und begegnet sich immer wieder. Und gerade erlebe ich, dass immer mehr Verbindungen entstehen, auch über Genres hinweg, weil viele Menschen besorgniserregenden Kulturkürzungen irgendwie entgegentreten wollen. Das kann nicht jeder für sich machen.

AB: Da kann ich absolut beipflichten. Hannover ist gefühlt sehr familiär, sehr unterstützend, wenig Konkurrenz oder Neid … Und Hannover hat ja zum Teil den Titel bekommen, weil eine Studie zeigte, dass prozentual die meisten Leute von Musik leben. Ich weiß aber nicht, ob auch die Musikindustrie einbezogen wurde …

SH: Hannover hat natürlich musikwirtschaftsmäßig gesehen tatsächlich eine spannende Vergangenheit

AB: Alle Audio-Erfindungen wurden in Hannover gemacht oder umgesetzt. Hannover wird da immer unterschätzt …

Der Schallplattenspieler …?

SH: Das MP3 auch …

AB: Die ersten CDs wurden auch hier in Langenhagen gefertigt.

Noch ein Abschlusswort?

SH: Auf Konzerte gehen …?

AB: Ja. Lokal Leute unterstützen, Neues ausprobieren, gucken, wer in Hannover unterwegs ist, und die noch mehr nach vorne bringen … Denn es gibt jede Menge tolle Leute in Hannover; eine grandiose Vielfalt von Musik! CK

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Der Freundeskreis im Gespräch



Im Theater „die hinterbuehne“ treffen an diesem Abend Thommi Baake, Cody Stone, Maria vom ZauberSalon und Julia und Christina vom Verein Flunderboll e.V. aufeinander. Sie alle eint das Leben im Theater und die Liebe zur Bühne – vor allem zur hinterbuehne.

Stellt euch alle einmal vor – wer seid ihr und was macht ihr so?

die hinterbuehne: Wir sind Julia und Christina. Wir sind Teil der hinterbuehne auf der Hildesheimer Straße – ein Veranstaltungsort für regionale und überregionale kleinere Theaterbesetzungen, Comedy, Zauberei. Alles, was auf die Bühne möchte, kann sich hier bei uns versuchen. Getragen wird das Ganze von dem von uns personenidentisch geführten Verein Flunderboll e. V. 2005 haben wir uns entschlossen ein eigenes Haus zu gründen und 2006 haben wir das Ganze fertiggestellt. Früher war das hier eine alte Lichtpausfabrik, die wir umgebaut haben …

Tommi Baake: … Die ihr selbst umgebaut habt …

HB: … die wir selbst komplett in Eigenarbeit umgebaut haben. Zu einer Bühne, die komplett unabhängig und frei ist. Wir nehmen keinerlei öffentliche Gelder in Anspruch und alle Arbeiten werden ehrenamtlich übernommen. Nur die Künstler bekommen eine Gage. Deswegen sind wir auch immer darauf angewiesen, dass sich neue Leute für uns interessieren und Lust haben, Hand anzulegen – was auch immer im Verlauf daraus wird. Das Ganze läuft sehr auf einer Vertrauens- und freundschaftlichen Basis. Wir sind ein 85-Plätze-Theater und in der Theatersaison finden bei uns 2-3 Vorstellungen in der Woche statt, es können auch mal vier sein. Wir haben hier komplett wechselnde Programme und bewährte Darsteller. Wir freuen uns über die gute Zusammenarbeit, gerade mit denen, die uns schon jahrelang begleiten – wie Cody mit seiner Zaubershow, Thommi und der ZauberSalon im Zwo, unserer zweiten Bühne.

Cody Stone: Mein Name ist Cody Stone und ich bin Zauberkünstler. Die hinterbuehne ist quasi mein zweites Zuhause. Schon seit 2005 bin ich mit Flunderboll verbunden. Bei der Eröffnungsshow 2006 bin ich auch gleich dabei gewesen. Und dann ging das so weiter. Inzwischen habe ich hier sogar mein eigenes Lager, um Requisiten parken zu können.

HB: „Stonehenge.“ (Lacht.)

CS: Genau. Hier habe ich über die Jahre hinweg immer wieder diverse Shows präsentiert. Seit 2021 präsentiere ich hier meine monatliche Show immer donnerstags, und seit 2024 donnerstags und freitags. Mein zweites Zuhause, denn wenn ich nicht gerade eine Show präsentiere, dann bin ich hier am Proben. Ich bin hier wirklich ständig, alle paar Tage. Ich fühle mich hier einfach sehr wohl – das höre ich auch immer von meinen Zuschauern: was das für eine schöne Atmosphäre hier sei, wie familiär und gemütlich es sei. Man merkt von vorne bis hinten, wie liebevoll das hier alles gestaltet ist. Man hat mir in den letzten Jahren hier so viel anvertraut, ich habe einen eigenen Schlüssel und darf hier immer rein. Das ist echt großartig, als Künstler sowas zu haben. Also das ist fast wie ein Sechser im Lotto. Die hinterbuehne ist bei mir im Leben ein sehr wesentlicher Anlaufpunkt, neben meinem Zuhause.

Maria vom ZauberSalon: Ich bin Maria, eine von drei Orga-Personen aus dem ZauberSalon, der eigentlich nicht in der hinterbuehne stattfindet, sondern im Béi Chéz Heinz. Wir sind eine Ausprobierbühne für alle möglichen Zauberkünstler, von Hobby bis super professionell hat man da alles. Jeder darf gerne kommen und sich bei uns auf die Bühne stellen.Und wir haben ebeneine Kooperation mit der hinterbuehne seit 2016 und machen dort die Close-Up-Lounge im Zwo, die Heiko Wiese hier eröffnet hat. Das ist ein ganz kleines Theater, 25-30 Plätze – man sitzt also ganz nah am Zauberkünstler und kann dem die ganze Zeit auf die Finger gucken. Die Art Theater gibt es – ich habe mir das hoffentlich richtig gemerkt – nur acht Mal in Deutschland. Es ist sehr, sehr selten. Im Zwo findet das einmal im Monat statt. Und auch bei uns läuft alles ehrenamtlich, nur die Zauberkünstler in der Close-Up-Lounge erhalten eine Gage.

TB: Ichbin Thommi Baake und auch einmal im Monat hier mit der„Super 8 Show.“ Dafür habe ich zwei alte Projektoren, die ich hier auch abstellen darf – aber zu einem eigenen Schlüssel hat es nicht gereicht (lacht). Mit zwei alten Projektoren zeige ich fünf Kurzfilme auf altem Filmmaterial – skurril, trashig, schön, aus den 50er- bis 70er-Jahren. Dazu mache ich Kleinkunst. Also sprich, ich schreibe intellektuelle Filmkritiken zu Filmen, die heißen: „Udo bekommt einen neuen Anorak“ oder singe Beatles auf Niederländisch zu Beatles-Filmen. Diese Show mache ich seit 2001 mit bundesweit 340 Vorstellungen. Ich habe wirklich viele Theater durch – Haus der Jugend, Theater in der List, das Künstlerhaus. Die anderen Orte waren auch sehr schön, allerdings ist es hier wie ein zweites Zuhause. Nun wohne ich ja in der Südstadt und kann fast hierher laufen. Würde ich nicht als Künstler so unheimlich viel damit zu tun haben, zu überleben, dann würde ich hier wahrscheinlich auch ehrenamtlich arbeiten. Es ist ein wunderschöner Ort. Die Leute, die hier schon mal waren, kommen im Durchschnitt auch wieder, weil das einfach so ein warmer, schöner Ort ist.

Cody, wie kommt man denn auf die Idee, mit dem Zaubern Geld zu verdienen?

CS: Am Anfang war es nicht das Geld verdienen als solches, sondern einfach, dass aus meinem Hobby eine Leidenschaft wurde. Ich habe angefangen mit dem Zauberkasten, den ich zu Weihnachten bekommen habe, da war ich sechs Jahre alt. Dann habe ich die ganzen großen Magier im Fernsehen gesehen – Siegfried und Roy, David Copperfield und so weiter, die in Las Vegas und sonst wo aufgetreten sind. Ich erfülle mir jetzt mehr und mehr diese ganzen Träume, die dieser Junge, der Sechsjährige, hatte, weil er die großen Magier gesehen hat. Der sich sagte: Okay, sowas will ich auch mal machen. Das war dann auch immer das große Thema zwischen meinen Eltern und mir. Die Eltern, die sagen, du sollst erstmal was Vernünftiges lernen. Und dann der kleine Bub, der Zauberkünstler werden will. Ich wollte schon immer einen Beruf, der mir Spaß macht. Das Schöne ist einfach, wenn man dann damit auch noch Geld verdienen kann. Das ist natürlich großartig. Ich kann mir nichts anderes vorstellen.

Zauberei spielt ja auch bei dir, Maria, eine große Rolle. Wie bist du zum ZauberSalon gekommen?

MZS: Ich bin selber hobbymäßig Zauberkünstlerin. Ich habe nicht mit sechs, sondern irgendwie mit Ende zwanzig damit angefangen. Als ich 2012 nach Hannover gezogen bin, bin ich durch einen Zufall tatsächlich direkt zum ZauberSalon gekommen. Mich hat jemand mitgenommen, der meinte: Du zauberst doch selber, hier gibt es so eine coole Veranstaltung. Lustigerweise stand ich doof am Tresen rum und Heiko Wiese, der Gründer vom ZauberSalon hat mich angesprochen: Mensch, ich habe dich noch gar nicht hier gesehen, zauberst du eigentlich auch? Dann hat sich das sehr schnell ergeben, dass Heiko mich zum Ortszirkel vom Magischen Zirkel von Deutschland mitgenommen hat. So war ich dann in der Zauberszene. Als Heiko vor zwei Jahren meinte, er möchte nur noch die Close-Up-Lounge machen und mit dem ZauberSalon aufhören, habe ich gesagt: Das geht nicht! Das ist meine Stammbühne. Dann habe ich zum Glück noch zwei Mitstreiter*innen gefunden, die gar nichts mit Zauberei am Hut haben. Seitdem übernehmen wir das zu Dritt. Vorletztes Jahr im Oktober konnten wir im Béi Chéz Heinz den ZauberSalon nicht machen und dann haben wir mit Utz gesprochen und der hat uns ermöglicht, die Show hier auf der Bühne zu veranstalten. Oder in Corona haben wir hier Shows aufgezeichnet. Von daher ist Utz ein wichtiger Name, weil er eigentlich immer der Ansprechpartner ist.

HB: Im organisatorischen Zentrum, der Künstlerauswahl, die Kulissen, das Licht – Utz Rathmann ist hier ein Name, der fallen muss.

TB: Wir segnen ihn. Der Mann, der alles möglich macht.

HB: Das ist der, der den Laden hier zusammenhält. Wir sind heute nur hier, damit Utz endlich mal einen freien Abend hat.

Thommi, du hast mit der Zauberkunst erstmal nichts zu tun – nur in der Sesamstraße hast du einmal einen Zauberer gespielt – worin liegt der Zauber in deinen Shows?

TB: Ich habe mal ein Riesenkompliment bekommen von Wolfgang Grieger, der gesagt hat: Das Spiel mit dem Publikum, die Improvisation, hätte ich zur Perfektion getrieben. Und das ist das, was mich unter anderem ausmacht. Daneben spreche ich vier, fünf Dialekte, schlüpfe in verschiedene Rollen. Wenn keiner was reinruft, bin ich unglücklich. Das Spiel mit dem Publikum reizt mich total. Und das ist so über die Jahre entstanden. Ich gehe jetzt mal einen Schritt zurück: Ich war beim Wandervogel, der ältesten Jugendbewegung Deutschlands. Und da habe ich zum ersten Mal Theater gespielt. Dann wollte ich Schauspieler werden, habe mich zehnmal an der Schauspielschule beworben – und wurde zehnmal abgelehnt. Seitdem habe ich x Soloprogramme gespielt, habe mit anderen Leuten zusammengearbeitet – Thema ist immer Improvisation, Musik, Singen, Quiz, alles Mögliche. Es ist immer ganz vielfältig. Was mein größtes Pfund ist, ist auch meine größte Tragik. Ich mache alles bis auf Ballett und bildende Kunst. Ich bin aber nicht greifbar. Ich mache Walk-Acts, schreibe Kinderbücher, lese in Grundschulen, mache Theater, Comedy, Musik, Filme seit neustem. Es macht so einen Riesenspaß, so viel zu machen.

Euch alle eint dieser Ort, die hinterbuehne und das ZWO. Was ist das besondere an diesem Theater?

HB: Als sich die Athanasius Gemeinde veränderte – dort in der Kirche hatten wir vorher veranstaltet –, gingen wir mit dem Theater raus. Ich denke, es färbt bis heute auf die hinterbuehne ab, dass wir dann mit sieben, acht Leuten bei uns im Wohnzimmer gesessen haben und gesagt haben: Was machen wir denn jetzt? Weil wir eigentlich ein freies Theater waren und insofern aus der Rolle fielen, dass wir nicht die klassischen Stücke gespielt haben. Unsere Autor*innen leben noch alle. Es war unheimlich viel Kunst dabei, und die Leute gingen raus, waren immer etwas verwirrt, aber doch kulturell bereichert. Was können wir jetzt Blödsinniges machen? Das Blödsinnigste, das uns einfiel, war: Wir wissen zwar nicht, wie das geht, wir machen jetzt mal ein eigenes Haus! Das hier ist unser Baby, keine Konzeptgestalt, die irgendwo durchgeprüft wurde. Wir staunen immer noch, dass das geklappt hat und ich staune noch mehr, dass wir nächstes Jahr 20 mit der hinterbuehne werden. Wir möchten, dass dieses Staunen weitergeht – auch deswegen brauchen wir weiter Hilfe. Wir müssen uns, wenn man uns ansieht, verjüngen (lacht).

TB: Man fühlt, dass das hier wirklich eine Herzenssache ist. Ich trete jetzt seit 1988 bundesweit auf – was für Gurken ich schon erlebt habe. Keine Anlage, kein Licht, unfreundliche Typen. Aber hier: ich sag’ einfach nur mal das Wort „Wärme“. Die Wärme, das Menschliche. Gerade erlebe ich schon viele Oberflächlichkeiten. Und hier kommst du her, kriegst immer eine Umarmung, professionelle Technik. Alles super!

CS: Alles herzlich! Und das merkt man von vorneherein. Das hat einen ganz tollen Flair! Wie gesagt, das höre ich auch immer wieder von meinen Zuschauern: Wie gemütlich es hier einfach ist, wie ein zweites Wohnzimmer. Das macht sehr viel aus!

HB: Und die sensationellen Preise an der Bar …

TB: Tee ein Euro, hallo?

HB: Was wirnatürlich auch nur dadurch halten können, dass wir mit Ehrenamtlichen arbeiten.

MSZ: Aber genau das ist ja auch ein Wohlfühlfaktor! Dass Zuschauer keine 50 Euro für drei Getränke ausgeben müssen. Das macht einfach ein gutes Gefühl, wenn ich weiß, ich habe einen schönen Abend und habe noch drei Euro mehr im Portemonnaie. Hier geht es, gerade weil hier viel Ehrenamt dahintersteckt, immer um die Kunst. Es geht nicht darum, ganz viel Geld zu verdienen und sich daran zu bereichern, sondern eben darum, vielseitige, coole Kunst anzubieten.

HB: Außer den Künstlern verdient hier keiner was.

TB: Und wir müssen …

Maria: Ja, klar! Aber das macht es aus. Der Fokus liegt hier wirklich auf der Kunst und eben auch auf Kunstformen, die oft gar nicht so super präsent sind in der Gesellschaft. Und auch bei den Zuschauern liegt der Fokus nicht auf dem Geld. Klar, die wissen, dass die Künstler damit was verdienen und trotzdem habe ich das Gefühl, dass die Leute das nicht so empfinden, als wäre das hier ein steifer Opernabend. Die Zuschauer empfinde ich hier als deutlich lockerer als bei vielen anderen Bühnen, weil sich das natürlich überträgt.

HB: Die dürfen auch die Gläser mit reinnehmen. Und die Jacken. Ich denke schon, dass es diese Mischung ist. Es ist professionell, die Künstler sollen und müssen was verdienen. Aber den ganzen Rest, das wollen wir bereitstellen. Das ist einfach unser Ding. Das leisten wir uns.

MSZ: Ja, und das funktioniert nur, weil ihr daran Spaß habt.

Warum ist ein Ort wieder dieser, gerade aktuell, so wichtig?

CS: Heutzutage werden die Leute bombardiert mit negativen Nachrichten überall, ob Social Media, Fernsehen oder sonst wo. Da ist ein Ort gut, wo man die Menschen abholen und ablenken kann, damit die das andere auch mal ausblenden. Und wenn es dann auch noch so liebevoll ist … Ich merke das, wenn ich dann hier nach der Show stehe und die Leute mit einem so positiven Gefühl und Lächeln rausgehen – was will man denn mehr?

MZS: Auch, dass man zusammenkommt, das ist total wichtig. Wie viele Leute vereinsamen heute? Gerade im Zwo, weil das so klein ist, kommen die Leute super schnell ins Gespräch, quatschen in der Pause miteinander. Es ist ja auch ein Begegnungsort – und zwar nicht nur mit dem Künstler auf der Bühne, sondern auch die Zuschauer begegnen sich, die Leute am Tresen, man unterhält sich. Das hat durchaus einen Einfluss auf die Menschen, die vielleicht sonst nicht so viel Sozialleben haben. Das ist ganz wichtig: Dieses Eintauchen in eine komplett andere Welt, die Realität einmal ausblenden für zwei Stunden und einfach mal genießen – ohne an irgendwas anderes denken zu müssen.

Jule Merx

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Fenja Ruhmann und Carolin Stolle



Diesen Monat waren wir im Gespräch mit Fenja Ruhmann vom Jugendblasorchester Seelze und Carolin Stolle vom Hannoverschen Oratorienchor. Gesprochen haben wir über das Jahresprogramm, aber auch über Anforderungen an die Mitglieder, die Resonanz beim Publikum und – nicht bloß finanzielle – Hürden …

Stellt euch doch einmal vor …
Fenja Ruhmann: Ich bin Fenja Ruhmann vom Jugendblasorchester Seelze. Der Name ist etwas irreführend, denn so jugendlich sind wir nur noch in Teilen. Aber wie das so ist: Bei der Namensfindung hat man damals nicht darüber nachgedacht, dass man vielleicht länger zusammenbleibt. Und „damals“
heißt: 1994. Da suchte eine Gruppe von Abiturientinnen eine neue musikalische Heimat, nachdem sie ihr Abitur am Georg-Büchner-Gymnasium in Seelze/Letter gemacht hatten und damit aus dem Schulorchester ausgeschieden waren. Deshalb haben sie in der Konsequenz das Jugendblasorchester Seelze gegründet; damals noch als kleinen Verein mit nur einem Orchester. 2024 haben wir nun 30-jähriges Jubiläum gefeiert, zählen mittlerweile 230 Mitglieder und bestehen aus vier Orchestern: Keines heißt Jugendblasorchester Seelze, das ist unser Verein als gemeinsamer Rahmen. Zum einen gibt es das Modern Sound[s] Orchestra (MSO), ein großes sinfonisches Blasorchester. Das besteht ungefähr aus 65 Musizierenden. Zudem gibt es die YoungStars. Das sind um die 35 Jugendliche und jung gebliebene Erwachsene. Die Unterscheidung der zwei Orchester ist keineswegs hierarchisch, vielmehr handelt es sich um alternative Orchester mit leicht unterschiedlicher Ausrichtung. Es gibt auch Leute, die in beiden Orchestern spielen. Und dann haben wir noch einen großen Ausbildungsbereich: die Bläserakademie. Mit dem Projekt „Musik macht stark“, das inzwischen im zwölften Durchgang ist, geben wir Kindern und Jugendlichen unabhängig von der finanziellen Situation ihrer Eltern die Möglichkeit, ein Instrument zu erlernen. Das sind im Schnitt rund 30 Kinder, die pro Jahr starten, zunächst die Instrumente kennenlernen und sich dann überlegen, welches sie gerne spielen würden. Wir kooperieren da mit den Grundschulen vor Ort. Und wenn die Kinder dann weitermachen wollen, dann bieten wir ihnen auch nach dem Projekt in unserer Bläserakademie die Möglichkeit, weiterhin Unterricht zu nehmen und Orchestererfahrung zu sammeln – durch Zuschüsse des Vereins vergünstigt. Zudem bieten wir die Instrumente zur Miete oder als Mietkauf an. Somit versuchen wir, die musikalische Ausbildung möglichst unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten in der Familie zur Verfügung zu stellen. Im Orchesterbereich der Bläserakademie haben wir eine Junior-Band für die Jüngeren und ein Jugendorchester für die schon etwas Fortgeschrittenen. Bei entsprechender Motivation und Spielpraxis rücken sie dann im besten Fall nach und nach in die zwei großen Orchester auf.

Carolin Stolle: Das hätte ich jetzt gar nicht gedacht, interessant … denn unter dem Namen stelle ich mir ehrlicherweise eher eine „Blaskapelle“ vor…

FR: Ja! Und es hat auch eigentlich nichts mit Marsch oder Polka zu tun. Ganz selten spielen wir mal einen Konzertmarsch, aber eigentlich geht es vor allem um Originalkompositionen für sinfonisches Blasorchester, ergänzt um Musical-, Rock- und Pop-Arrangements sowie Transkriptionen „klassischer“ Werke, die ursprünglich für Sinfonieorchester komponiert worden sind

… Also weit entfernt von dem, was man sich klassisch unter einer Blaskapelle vorstellt. Es ist doch relativ anders … Und du bist dort …

FR: … für die Kommunikation im Verein zuständig: Referentin Kommunikation heißt das bei uns im Vorstand. Im MSO spiele ist selbst auch Klarinette und habe früher auch bei den YoungStars mitgewirkt. Ich bin schon seit 2002 dabei und habe damals mit dem Klarinettelernen im Verein angefangen. Das war noch vor „Musik macht stark“, aber zu dem Zeitpunkt begannen die ersten Überlegungen zum Aufbau einer eigenen Ausbildungsarbeit, um langfristig Nachwuchs sicherzustellen. Seitdem bin ich immer engagiert im Verein gewesen, habe dann „offiziell“ für den Vorstand kandidiert und bin jetzt schon ziemlich lange gemeinsam mit einem Team für die Kommunikation zuständig: intern – also Newsletter u. s. w. – und extern, insbesondere für die Pressearbeit in Bezug auf Vor- und Nachberichterstattung von Konzerten und Projekten.

Kommen wir zu dir …

CS: Ich bin Carolin Stolle und schon seit 2011 Vorstandsvorsitzende des Hannoverschen Oratorienchors. Wir sind einer der traditionsreichsten gemischten Konzertchöre hier in Hannover – und vermutlich sogar in ganz Deutschland. Unsere erste Aufführung reicht ins Jahr 1802 zurück, noch unter dem Namen „Singakademie“. Ein paar Namenswechsel und Jahrhunderte später sind wir ein eingetragener Verein, der alles selbst organisiert und finanziert, d. h. von der Raummiete für unsere Proberäume über das Honorar für unseren Dirigenten bis hin zu unseren Konzerten. Wir sind etwa 80 Mitglieder und fest im hannoverschen Konzertleben verankert. Vom Repertoire her decken wir – wie der Name sagt – das groß besetzte romantische Werk ab, aber auch das schlank geführte barocke Oratorium, sowie die moderne A-cappella-Chorimprovisation. Wir sind immer sehr daran interessiert, spannungsreich das Alte mit dem Neuen zu verbinden. An neuen Kompositionen haben wir auch schon das ein oder andere uraufgeführt. Und 2026 werden wir – und da freuen wir uns bereits ganz besonders darauf – ein für uns exklusiv von Oliver Gies komponiertes klassisches Werk uraufführen. Gies ist der Kopf von Maybebop und sehr erfolgreicher Komponist und Arrangeur in der Chorlandschaft. Wir sind schon sehr gespannt – weil das ja einfach etwas ganz anderes wird als so ein Brahms oder ein Händel.

Plant ihr denn in zwei Jahren irgendwas? Jubiläumsmäßig?

CS: 2026 haben wir jetzt fertig geplant und demnächst gehen wir 2027 an. Was bereits fest steht ist ein erneuter Choraustausch mit der Bristol Choral Society – Bristol ist ja die Partnerstadt von Hannover – 2022 haben wir hier in Hannover gemeinsam „Ein deutsches Requiem“ von Brahms aufgeführt. Von der Größe und vom Repertoire her ist das ein Chor wie unserer. Im letzten Jahr gab es den Gegenbesuch mit gemeinsamen Konzert in Bristol. Und 2027 – das ist gesetzt – kommen sie wieder zu uns – und wir werden dann sicherlich unser 225.Jubiläum ordentlich feiern. Welches Stück wir uns gönnen ist noch nicht final geklärt, da gehen wir jetzt in die Planung.

Was muss man denn mitbringen, wenn man bei euch mitmachen möchte?

CS: Wenn man mitsingen möchte, muss man auf jeden Fall Zeit mitbringen. Wir proben einmal die Woche außerhalb der Schulferien. Allerdings gibt es auch Probewochenenden. Notenkenntnisse sind wichtig und eine gewisse stimmliche Qualität.

FR: Ist das dann ein richtiges Probesingen?

CS: Ja, es gibt ein richtiges Vorsingen, mit Vorbereitung eines Stücks. Und da sind alle Stimmenkoordinatorinnen, Chorleiter und Stimmbildnerin mit dabei. Aber trotzdem sollte man keine Sorge haben, wir suchen da nicht „Deutschlands nächsten Superstar“. Wir wollen allerdings eine gewisse
Qualität sicherstellen.


FR:
Bei uns sind es der Spaß an der Musik und das entsprechend passende Instrument: alle Blasinstrumente und vor allem auch Schlagwerk. Wirsind ja ein sinfonisches Blasorchester, das heißt Querflöten, Klarinetten, Fagotte, Oboen, Saxofone, Trompeten, Hörner, Posaunen, Euphonien,
Tuben u. s. w. Einen Kontrabassisten und einen Pianisten findet man auch in unseren Reihen. Zudem gibt es viel Schlagwerk. Insbesondere hier, aber auch grundsätzlich in vielen anderen Registern freuen wir uns immer wieder über Neuzugänge. Bei Interesse genügt eine kurze E-Mail an vorstand@jbo-seelze.de. Wir haben durch unsere verschiedenen Orchester auch verschiedene Ausbildungs- oder Anspruchsstufen und bieten so für viele Leute eine musikalische Heimat. Und dann schnuppert man in ein paar Proben
rein, spricht mit dem Dirigenten oder der Dirigentin und schaut, ob es von beiden Seiten passt … Und wenn es in dem konkreten Orchester dann nicht passen sollte, finden wir meist eine Alternative.


Vielleicht könnt ihr mal umreißen, was einen bei euch 2025 so erwartet?


FR: Mit dem Modern Sound[s] Orchestra haben wir gerade erfolgreich unsere Neujahrskonzerte im Theater am Aegi in Hannover und in der Alten Exerzierhalle in Celle gespielt. Im Mai steht dann ein Konzert mit dem Gastdirigenten Miguel Etchegoncelay auf dem Plan: ein gebürtiger Argentinier,
der in Straßburg lehrt. Da freuen wir uns schon richtig drauf. Das machen wir alle paar Jahre immer mal wieder, dass man zusätzliche Impulse von jemand anderem bekommt. Die Stückauswahl steht noch nicht ganz fest, aber es wird voraussichtlich viel Lateinamerikanisches geben. Dann
sind wir auch bei den Kunstfestspielen Herrenhausen dabei. Am Himmelfahrtswochenende
sind wir eines von vier Orchestern, die gemeinsam die „Parkmusik“ des österreichischen Komponisten Georg Friedrich Haas in den Herrenhäuser Gärten aufführen – das wird die deutsche Uraufführung
dieses Werkes sein. Und im September haben wir eine Kooperation mit dem Sinfonieorchester musica assoluta: Die kam witzigerweise im Ursprung über ein ebensolches Stadtkind-Interview wie dieses hier zustande. Damals war mein Gesprächspartner Thorsten Encke, der Leiter von musica assoluta,
und der Kontakt ist erfreulicherweise geblieben. Und jetzt passt es, dass wir etwas zusammen machen. Zudem waren wir im November mit dem MSO im Tonstudio und haben vier Stücke aufgenommen, die auch bei unseren Neujahrskonzerten zu hören waren. Seitdem kann man die Aufnahmen auch
als neue CD – inklusive Downloadlink für alle ohne CD-Player – käuflich erwerben. Die YoungStars haben auch zwei große Konzerte; eins im Juni und eins im November. Und unsere Ausbildungsorchester haben ebenfalls ein Sommerkonzert im Juni und ein Weihnachtskonzert.


CS: Ich rolle unser Programm mal von hinten auf: Wir geben unser traditionelles Adventskonzert in der Gartenkirche am 2. Advent. Dieses Mal wird eine Messe von Marc Antoine Charpentier aufgeführt: eine Messe, die zurückgreift auf weihnachtliche Volkslieder. Wir ergänzen diese mit alten französischen Weihnachtsliedern. Der Eintritt ist wie immer frei, um auch Menschen ein Konzerterlebnis zu ermöglichen, die sich sonst so etwas vielleicht nicht leisten können. Darüber hinaus nehmen wir in diesem
Jahr vor allem an Gemeinschaftsprojekten teil: Wir werden im Juni bei The Public Domain von David Lang auf dem Opernplatz mitmachen: Am 1. Mai findet im NDR Sendesaal ein Konzertprojekt mit hannoverschen Chören im Rahmen des Kirchentages statt, „Stabat Mater“ von Antonin Dvořák.
Am 24. Februar werden wir wieder, ebenfalls mit hannoverschen Chören, beim Benefizkonzert für die Ukraine in der Marktkirche dabei sein. Und parallel fangen wir auch schon an, für 2026 zu proben. Und dann ist das Jahr auch schon rum …


FR:
Wir hatten vor knapp drei Jahren auch eine Uraufführung von einem Auftragswerk. Das ist immer sehr spannend.


CS: Ja, total. Oft ist es ja so, dass man während der Probephase ein Stück anhört, um die Architektur schneller zu verstehen. Aber bei Uraufführungen kann man das nicht, manchmal müht man sich ab und ist dann ganz überrascht, wie toll es am Ende wird.

FR: Wir waren beim Entstehungsprozess genau in der Corona-Zeit, hatten dann aber mit dem Komponisten Bert Appermont – einem Belgier, der in der sinfonischen Blasorchester-Szene ein sehr bekannter Komponist und Dirigent ist – tatsächlich auch eine Online-Session: Er saß am Klavier und
hat uns erste Fragmente vorgespielt. Dabei erklärte er seine Ideen, die ihn inspiriert hatten. Das war wirklich schön, dass man so ein bisschen diesen Entstehungsprozess mitbegleiten konnte.


Corona liegt ja mittlerweile schon ein bisschen zurück: Hat sich das eigentlich
wieder gefangen, was die Resonanz betrifft, die man erhält?


CS: Naja, wir haben das Jahr danach die Auswirkungen immer noch gespürt. Die Nachfrage der Konzerte, wenn man nur den halben Saal voll bekommt, wirkt sich massiv auf die Finanzierung aus. Das hat sich jetzt aber wieder normalisiert.


FR: Ich würde auch sagen, dass man das am Anfang gemerkt hat. Jetzt hat es sich wieder normalisiert und es ist uns da eigentlich nichts weggebrochen, wie man es ja von Sportvereinen oft gehört hat. Wir haben es aber im Kinder- und Jugendbereich ein bisschen gemerkt, was das Strukturieren der Zeit betrifft: Gerade in den Anfängen, wenn sie noch an der Grundschule sind, ist tatsächlich so ein bisschen zu merken, dass es nicht so dieses Gefühl für die Verpflichtung gibt, die man letztlich auch eingeht.


Gibt es denn irgendwas, das ihr euch wünschen würdet für die Zukunft? Irgendeine
Art von Verbesserung, Unterstützung, von der ihr denkt, das wäre eigentlich
mal angebracht?


FR: Also die Finanzen fallen einem einfach als erstes ein, weil man ja als Verein, der alles selbst trägt, zusehen muss, dass finanziell alles im Rahmen bleibt. Da ist es schon so, dass es manchmal eine Herausforderung ist, hier in Hannover und der Region Konzertsäle zu finden, die genug Platz für
Mitspielende und Instrumentarium auf der Bühne sowie für das Publikum vor der Bühne bieten. Wir brauchen eine passende Akustik und am Schluss muss es für einen Verein bezahlbar sein. Es gibt zwar teilweise Säle, die für gemeinnützige Vereine etwas günstiger sind, aber es ist trotzdem unsere
härteste Rechnung: Wie voll kriegen wir den Saal? Wie hoch müssten die Kartenpreise sein, die wir auch nicht immer höher ziehen wollen?


CS: Ja, da stimme ich dir vollkommen zu. Aber trotzdem möchte ich einmal lobend die Zusammenarbeit mit der Stadt und insbesondere mit dem Kulturbüro erwähnen. Das ist ein toller Ansprechpartner für uns Kulturinstitutionen. Daran merkt man, dass Hannover UNESCO City of Music ist, weil wirkliches Interesse vorhanden ist. Außerdem wünsche ich mir mehr mutige Männer. So ein Verein lebt vor allem von seinen Mitgliedern und da würde ich mir mehr Zuwachs, eben insbesondere bei den Männerstimmen
wünschen. Im Moment sind wir gut aufgestellt, aber es könnte mehr nachkommen. CK

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Barbara Sommer und Amanda Reich


Diesen Monat waren wir im Gespräch mit Barbara Sommer, der neuen Geschäftsführerin vom Freundeskreis Hannover, und Amanda Reich, Werkstudentin und Projektkoordinatorin. Gesprochen haben wir über den Umschwung beim Freundeskreis und auch über den kürzlich verliehenen Stadtkulturpreis.

Stellt euch doch zu Beginn einmal vor …

Amanda Reich: Ich bin Amanda Reich, gebürtige, stolze Hannoveranerin. Ich liebe Hannover! Ich studiere Kulturwissenschaften und schreibe gerade meine Bachelorarbeit. Ich bin über eine Anzeige zum Freundeskreis gekommen. Ich wollte unbedingt Erfahrungen im Projektmanagement sammeln. Ich hatte mich schon viele Jahre ehrenamtlich engagiert und u. a. die Black Lives Matter Demo 2020 organisiert. Bei meinem Vorstellungsgespräch stellte sich heraus, dass die damalige Geschäftsführerin Katharina Sterzer damals für den Sicherheitsplan zuständig war. Und so konnte ich meine Leidenschaft zum Job entwickeln. Vor zwei Monaten bin ich dann auch als Mitglied in den Freundeskreis eingetreten. Es lohnt sich auf jeden Fall, hier Mitglied zu sein, das weiß ich durch meinen Blick hinter die Kulissen

Barbara Sommer: Ich bin gebürtige Münchnerin, nach dem Jurastudium in Göttingen bin ich noch weiter in den Norden vorgerückt und der Liebe wegen in Hannover gelandet. Mein erster Arbeitgeber war die Deutsche Messe AG. Ich habe während des Studiums schon immer viel im Veranstaltungsbereich gearbeitet. Dafür habe ich gebrannt und auch ich habe die Leidenschaft zum Beruf gemacht. Über verschiedene Schritte bin ich 2009 zur Conti gekommen: Dort habe ich erst einmal in der Presseabteilung und später dann im internationalen Veranstaltungsmanagement gearbeitet. Von Lappland bis Süditalien, von Portugal bis Ungarn haben wir Veranstaltungen geplant und umgesetzt. Das war eine tolle, sehr lehrreiche Zeit, aber auch sehr anstrengend durch die Doppelbelastung mit zwei Kindern zu Hause. In der Corona-Zeit, bei 100% Kurzarbeit, ist mir nach 13 Jahren bewusst geworden, dass es Zeit für eine Veränderung wird. Ich habe mich auf mich besonnen und viele private Projekte angeschoben, die ich schon immer machen wollte, habe viel ehrenamtlich gearbeitet: in der Obdachlosenhilfe, im Impfzentrum und im Gemeindecafe. Dann habe ich mich entschieden, meine Arbeitszeit zu reduzieren, und später, auszusteigen und mich mehr im Sozialen zu engagieren. Ich habe 1½ Jahre beim Freiwilligenzentrum gearbeitet und darüber auch die Stadtkultur kennengelernt und die ersten Netzwerke geknüpft. Ich bin dann angesprochen worden, ob ich mir vorstellen könnte, hier im Freundeskreis das entstandene Vakuum zu füllen. Ich hielt das für eine spannende Herausforderung und bin ins kalte Wasser gesprungen – und habe es bis jetzt auch nicht bereut.Ich bin erst seit September 2024 hier und finde es ganz spannend, jetzt einmal kurz zu bilanzieren. Denn in den drei Monaten ist wahnsinnig viel passiert

Wie ist es denn nach diesem Wechsel so gelaufen? Ist es zu Veränderungen gekommen, strebt ihr solche gezielt an?

BS: Es gibt zwei Aspekte bei der ganzen Sache: Einmal die Menschen, die jetzt am Start sind, da gibt es sowieso einen Umschwung, weil andere Menschen andere Herangehensweisen, Bezugsrahmen und Erfahrungsschätze mitbringen. Das haben wir jetzt beim Stadtkulturpreis schon gesehen, dass der in vielerlei Hinsicht ganz anders war, ohne dass wir das geplant hätten. Und dann die Dinge, die wir gezielt angehen, wie zum Beispiel eine Zukunftswerkstatt, um herauszufinden, was sich unsere Mitglieder wünschen und was wir schon gut machen. Wir starten mit einer Online-Umfrage. Und im nächsten Schritt haben wir zwei feste Präsenz-Termine, zu denen wir einladen, um ganz konkret, begleitet mit externer Hilfe, herauszufinden, wo die Reise hingehen soll.

AR: Ich würde noch ergänzen, dass man den Umschwung auf jeden Fall gemerkt hat, Ich bin ja jetzt fast zwei Jahre im Freundeskreis und habe das alles nochmals ganz anders wahrnehmen können. Ich war einfach überrascht, wie schnell ein Verein sich verändern kann, bzw. sich positiv entwickeln kann, mit den richtigen Menschen, die gemeinsam für eine Vision arbeiten. Barbara ist erst seit drei Monaten hier und ich sage ihr gefühlt jede Woche einmal, wie gut es tut, mit ihr zu arbeiten. Es macht unglaublich viel Spaß. Auch mit Hajo Rosenbrock und Konstanze Beckedorf, die im Vereinsvorstand sind.

Das ist ja nicht die einzige Resonanz, das einzige Feedback …?

BS: Da kommt natürlich viel Feedback, keine Frage. Und ich glaube, es ist tatsächlich durchweg positiv. Die Mitglieder haben darauf gewartet, dass etwas passiert, nach der Durststrecke, die es zu überbrücken galt. Und das hat Amanda ja auch ganz toll hingekriegt, mit den anderen Freiwilligen in der Geschäftsstelle. Die haben den Laden hier wirklich am Laufen gehalten, mit den Mitteln, die ihnen zur Verfügung standen. Aber es war keine Leitungsfunktion da. Niemand, der eine Idee von strategischer Ausrichtung hat.

AR: Es mangelte aber nicht nur an strategischer Ausrichtung, sondern auch an Teambuilding. Das hat hier total gefehlt.

Lastet dann auch Druck auf euch? Aufgrund einer Erwartungshaltung …?

BS: Nein. Ich bin mit einer großen Begeisterung für diese Aufgabe hier eingestiegen und die Voraussetzungen zu gestalten waren günstig. Wir haben die ersten drei Wochen damit zugebracht, auszumisten und uns eine Atmosphäre zu schaffen, in der die Arbeit Freude macht. Jeder hat seinen Teil dazu beigetragen und wir haben ein gutes Gespür füreinander bekommen. Wer kann was gut, wer übernimmt welche Aufgaben? Im nächsten Schritt haben wir dann analysiert, was es für Prozesse gibt, ob sie sinnvoll sind. Wir haben die Server aufgeräumt, die komplette Struktur umgestellt, Geld eingespart, Verträge überprüft … und geklärt, wie wir eigentlich finanziell dastehen. In den drei Monaten ist irrsinnig viel nach innen passiert; wir haben die Infrastruktur geschaffen, um nach außen wirken zu können. Das war jetzt erst einmal das Hauptaugenmerk: hier eine gute Basis zu haben

Wenn es durchweg positives Feedback gibt, heißt das, dass der Unmut, der zuvor in der Luft lag, nun komplett verschwunden ist …?

BS: Natürlich wird es immer Leute geben, die nicht ganz glücklich sind: Wenn du 1.000 Mitglieder hast, kannst du nicht alle glücklich machen. Aber ich bin in Kontakt gegangen mit den Menschen, die sich beschwert haben. Ich hatte den Vorteil, dass ich als unbeschriebenes Blatt eingestiegen bin, ohne Altlasten. Ich bin mit verschiedenen Menschen ins Gespräch gegangen, habe mich vorgestellt und war einfach ehrlich. Ich habe zugehört, unsere Idee von der Zukunft geschildert und sie gebeten, mitzugestalten und ihre Ideen einzubringen. Wir haben mit allen eine gute Gesprächsbasis gefunden. Ich freue mich über die Rückmeldungen von langjährigen Mitgliedern, wir können nur davon profitieren. Die Älteren sind sehr wichtig für uns. Zugleich gehen wir in eine digitale Zukunft: Wir wollen also auch jüngere Mitglieder animieren mitzumachen.

Ich arbeite hier im nächsten Jahr mit zwei jungen Frauen zusammen, die ihren Bundesfreiwilligendienst absolvieren und mit ihrer Sicht ungemein bereichern. Sie planen ein Instagram-Kampagne, gemeinsam mit Schüler*innen der Ricarda-Huch-Schule, mit der wir das junge Ehrenamt in den Vordergrund rücken wollen.

Wenn wir ein Bürgerverein sein wollen, dann müssen wir alle Zielgruppen in irgendeiner Form mitnehmen. Mit unseren Demokratiethemen klappt das schon gut: Mit den Demos, die wir anmelden, kriegen wir viel Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit.

Ihr erwähntet, dass der diesjährige Stadtkulturpreis anders verlaufen sei. Inwiefern …?

AR: Der vorletzte Stadtkulturpreis war ja auch mein erster Stadtkulturpreis. Aber Planung und die Organisation fielen sehr knapp und kurzfristig aus, es war also stressig. Es gab nicht so eine hohe Nachfrage wie 2024. Dieses Mal war es einfach besser, weil der Spirit im Team komplett anders war. Wir haben schon im August das „Save the Date“ rausgeschickt – und demnach konnten sich alle rechtzeitig anmelden. Wir waren sechs Wochen vorher schon ausgebucht. Es war diesmal schön anzusehen, wie glücklich die Menschen waren. Das Feedback war großartig. Man hat es auch auf den Fotos gesehen, dass die Leute Spaß hatten. Im Jahr davor gab es einfach viel Unzufriedenheit.

BS: Was uns sehr wichtig war – und das war auch die Vorgabe vom Vorstand –, ist der Umstand, dass es bei dieser Preisverleihung vor allem um die Preisträger*innen geht: diesmal Franziska Stünkel und Alina Zimmermann von wasmitherz e.V. Die Gewinner*innen: sollten im Mittelpunkt stehen. Und genauso war es. Wir haben uns auch als Team gut präsentiert. Die Gäste haben gemerkt, dass wir harmonieren. Wir gehen wertschätzend und auf Augenhöhe miteinander um. Das ist etwas, was wir positiv nach außen tragen. Mir war außerdem wichtig, dass der Freundeskreis mehr Sichtbarkeit bekommt. Wir als Freundeskreis verleihen den Stadtkulturpreis und unsere Sponsoren finanzieren ihn.Die Stadt hat damit gar nichts zu tun. Wir machen also im Prinzip Standortmarketing für die Stadt, ohne dass die sich daran beteiligt. Da dürfen wir schon auch präsenter sein.

Es geht dann bei der Preisverleihung nicht nur um die Preisträger*innen, sondern auch um Stadtmarketing?

BS: Wir verleihen den Preis an Hannoveraner*innen, die sich für die Stadtgesellschaft in kultureller Hinsicht und durch bürgerschaftliches Engagement besonders verdient gemacht haben. Das ist etwas, was den Standort Hannover unheimlich trägt. Dahin muss und darf man ganz viel Aufmerksamkeit lenken. Natürlich hat das mit Standortmarketing zu tun. Wenn wir so bemerkenswerte Menschen hervorbringen, wie eine Franziska Stünkel, die sich zu ihrer Heimatstadt bekennt, dann muss man das einfach hervorheben.

War eigentlich Stünkels „Nachschuss“ spielentscheidend bei der Entscheidung, ihr den Preis zu verleihen?

BS: Natürlich ist „Nahschuss“ das, was Franziska international noch einmal eine andere Popularität verschafft hat. Vor allem auch, weil der Film so gut besetzt war, was wiederum für die Qualität ihrer Arbeit spricht. Ich glaube, dass es das Gesamtpaket Franziska Stünkel war: Sie ist ja viel mehr als nur ihre Kunst: Auch „Coexist“, ihre fotografische Arbeit, ist ganz fantastisch, aber Franziska ist darüber hinaus auch noch ehrenamtlich engagiert und menschlich so spannend, dass sie den Preis verdient hat. Und auch das andere Team um Alina Zimmermann und wasmitherz e.V. ist ein sehr wertvolles Projekt. Das hat auch deshalb den Zuschlag bekommen, weil es ein junges Engagement ist, das für einen ganzen Stadtteil und damit für eine bunte, diverse Gruppe an Menschen einen Ort schafft, der seinesgleichen sucht …

AR: Ich hatte auch das Gefühl, dass wasmitherz viele Menschen erreicht hat. Es war schön zu sehen, wie viele Leute sich über den Preis gefreut haben. Selbst Menschen aus meiner Community, die eigentlich nichts mit diesem Thema zu tun haben, haben davon gehört und waren wirklich glücklich, dass sie diesen Preis gewonnen haben – weil sie so eine großartige Arbeit leisten. CK

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Der Freudeskreis im Gespräch mit Leah Langnese und Fynn Kehlenbeck


Diesen Monat haben wir mit Leah Langnese und Fynn Kehlenbeck, zwei jungen Ehrenamtlichen von Politik zum Anfassen e.V., gesprochen: über den Verein selbst sowie ihre Beweggründe, Tätigkeiten und Erfahrungen.

Stellt doch zu Beginn einmal Politik zum Anfassen vor …

Fynn Kehlenbeck: Politik zum Anfassen (PzA) ist ein gemeinnütziger Verein, 2006 gegründet von zwei Personen, die Psychologie studiert haben und auch in der Kommunalpolitik aktiv waren. Und die haben quasi ihre Leidenschaften miteinander verbunden. Der Verein betreibt politische Bildung vor allem auf der Ebene der Kommunalpolitik. Und in ganz Deutschland werden Projekte und Planspiele durchgeführt: Man findet PzA auf irgendwelchen Messen oder Veranstaltungen, aber vor allem eben auch in Schulen; meist an weiterführenden Schulen, wo dann Projekte durchgeführt werden, mit welchen Schüler*innen in die Rolle von Kommunalpolitiker*innen schlüpfen und eigene Ideen entwickeln können, um ihre persönliche Lebenswelt zu gestalten – und um nachzuvollziehen, wie Demokratie auf dieser Ebene funktioniert.

Wie kam es zu der Entscheidung, sich für PzA zu engagieren? Hattet ihr in der Schule einen Politik-LK?

FK: Also grundsätzlich war ich schon sehr offen dafür, nach der Schule ein Jahr irgendwas anderes zu tun und nicht gleich mit einem Studium oder einer Ausbildung zu beginnen. Und ich war tatsächlich im Politik-LK. Das war auch ein Grund, warum ich mich dann schlussendlich für den Bundesfreiwilligendienst bei PzA entschieden habe. Und wir sind ein Team von vielen Freiwilligen, sodass man eine sehr vielfältige Arbeit hat, was die Tätigkeiten betrifft: Man ist entweder im Büro oder auf Projekten unterwegs … und man erlebt sehr viele Dinge. Man lernt viele Menschen kennen und ist auch immer in unterschiedlichen Orten unterwegs. Zudem sehe ich es auch als persönliche Herausforderung, vor einer Klasse zu stehen, über Politik zu reden und diese Projekte anzuleiten. Ich freue mich, mein Interesse da weitergeben zu können. Es ist einfach eine schöne Arbeit, die mich persönlich weiterbringt und bei der ich aber auch das Gefühl habe, dass ich damit eine sinnvolle Tätigkeit verrichte.

Leah Langnese: Ich war selber nicht in einem Politik-LK und hatte auch keinen Politik-Kurs, weil das bei meiner Schule nicht angeboten wurde. Aber Politik ist ein wichtiges Thema und jeder sollte sich dafür interessieren. Und für mich hat sich PZA als guter Startpunkt erwiesen, um mich mehr damit zu befassen, da mein Interesse an der Politik erst in den letzten Jahren stärker aufgekommen ist. Auch finde ich es immer sehr interessant, bei den Projekten die Ideen von den Schüler*innen zu erfahren, die immer sehr unterschiedlich sind. Natürlich ähneln sich manche Ideen in vielen Punkten, beispielsweise beim Thema ÖPNV, welcher häufig nicht optimal ausgebaut ist, laut den Schüler*innen. Es gibt aber immer sehr differenzierte und innovative Ideen. Und wenn die Schüler*innen dann wirklich für ein Thema brennen oder für eine ihrer Ideen, diese dann bestmöglich ausbauen, am Ende einen hervorragenden Antrag stellen, ihn in einer Sitzung anschließend bestens vorstellen, ist es immer schön zu sehen, dass das Projekt von den Schüler*innen als eine reale Chance, etwas zu ändern, angesehen wird und sie motiviert mitarbeiten. Ich selber bin zu PZA gekommen, da ich es spannend fand, dass auf spielerische Art und Weise – durch die Planspiele, durch die Projekte und Workshops – Kindern und Jugendlichen die Politik näher gebracht wird. Dadurch, dass ich jetzt auch selber an Projekten teilgenommen habe, habe ich noch mehr Einblick erhalten und ich finde, dass es ein wirklich gutes Konzept ist; auch deshalb, weil ebenso Politiker*innen zu den Projekten kommen, die die Kinder und Jugendlichen dann kennenlernen und denen sie auch Fragen stellen können. Gleichfalls das die vielfältigen Projekte nicht nur auf Hannover oder Niedersachsen begrenzt sind, sondern dass man im Verein deutschlandweit unterwegs ist und überall – je nach den Kapazitäten der Kommune oder des Ortes – Projekte durchführen kann, ist großartig.

Wie kann man sich denn euren Alltag konkret vorstellen, wenn ihr für PzA aktiv seid? Wie sieht da so ein Tag bei euch aus?

FK: Also ich glaube, grundsätzlich muss man unterscheiden, ob man einen Tag im Büro hat oder einen Tag, an dem man für ein Projekt unterwegs ist. Im Büro findet die ganze Vor- und Nachbereitung der Projekte statt. In unseren Aufgabenbereich fällt jetzt aber natürlich nicht die komplette Organisation, sondern nur z. B. das Vorbereiten der Kisten, die wir dann mit all den Materialien zu einem Projekt mitnehmen. Und mit der Nachbereitung haben wir vor allem zu tun: Es muss ein von den Schülern gedrehter Film über das Projekt geschnitten, eine Fotoauswahl und ein Magazin erstellt werden; das muss halt alles in die Wege geleitet werden. Und auf den Projekten sieht das Ganze anders aus. Da hat man meist kürzere Arbeitszeiten und übernimmt entweder eine Politik- oder einen Teil der Redaktionsklasse. Mit den Klassen arbeiten wir an ihren eigenen Ideen und den Anträgen. Und obwohl es immer der gleiche Ablauf ist, haben wir alleine dadurch, dass man an unterschiedlichen Orten mit sehr unterschiedlichen Menschen arbeitet, nicht so sehr den einen Ablauf: also von der Struktur her schon, aber vom Inhalt und vom Arbeitsaufwand her eben nicht. Aber auch die Tage im Büro sind sehr vielfältig, da immer auch neue Aufgaben anstehen.

Habt ihr denn irgendwelche Etappenziele? Oder Projekte, die derzeit einen Schwerpunkt bilden?

FK: Also wir haben grundsätzlich ein Kernprojekt: Pimp Your Town! Das ist eben dieses Kommunalpolitik-Planspiel für weiterführende Schulen. Das gibt es dann auch noch in einer bestimmten Ausführung für die Stadtstaaten Bremen und Hamburg. Und da gibt es auch noch Pimp My Future!, das ist bezogen auf die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN. Das sind so die Haupt-Aufgabenbereiche oder -Projekte, die von PzA durchgeführt werden. In der aktuellen Zeit wird sich natürlich nochmals stärker auf die Nachhaltigkeit fokussiert. Aber ich kann jetzt kein konkretes Ziel nennen – außer, dass wir versuchen, möglichst viele Schüler*innen in ganz Deutschland zu erreichen.

Und wie ist so die Resonanz? Wie schätzt ihr das ein, was bekommt ihr da an Feedback, was erlebt ihr an Resonanz?

LL: Es kommt natürlich immer auf die Klasse an. Die Schüler*innen sind motiviert, weil es doch etwas anderes ist als der normale Unterrichtstag. Bei den Projekten sitzt man nicht einfach nur da, beredet etwas und schreibt das Tafelbild ab. Die Schüler*innen schreiben Anträge, sammeln Ideen, erleben eine fiktive Ratssitzung … Bei einem Projekt gestalten sich die drei Tage immer sehr spannend, weil die Schüler*innen nicht nur in ihrem Klassenraum sitzen. Außerdem finden die Projekte nicht immer in der Schule selbst statt, sondern z. B. im Rathaus: Das ist dann auch noch eine ganz andere Umgebung. Meist sind die Schüler*innen auch offener als bei dem starren Konzept der Schule, wo sie dann immer eine Unterrichtsstunde nach der anderen haben und immer nur die Pause abwarten. Es kommt aber wie gesagt immer auf die Klasse an. Auch weil ihnen selber bewusst sein muss, dass sie wirklich etwas verändern können, wenn sie denn etwas umsetzen wollen. Des Öfteren sagt die Stadt auch schon im vornherein, dass etwa zwei Anträge definitiv umgesetzt werden sollen oder dass mit einem bestimmten Budget Anträge umgesetzt werden sollen. Die Schüler*innen können also konkret etwas verändern – und das motiviert sie dann auch nochmals.

Ihr seid ja beide jüngeren Jahrgangs: Wie blickt ihr denn – da gerade das Stichwort Pimp My Future! gefallen ist – in die Zukunft? Was sind so die Themen, die euch am dringlichsten scheinen?

FK: Also was auch zum Teil meine persönliche Motivation für diesen Bundesfreiwilligendienst war, ist der Umstand, dass ich durchaus schon ein bisschen Sorge um das politische System habe – oder generell gesprochen um die Diskussionskultur in Deutschland. Ich versuche aber nicht, gegen irgendetwas zu sein, sondern einfach für die Demokratie. Das ist auch das Motto von PzA: Wir wollen Lust auf Demokratie machen – und nicht gegen beispielsweise Rechtsextremismus sein. Ich hoffe immer, dass wir durch unsere Arbeit die Schüler*innen langfristig zur Beteiligung motivieren kann – auch wenn es im Projekt vielleicht mal anstrengend und nervig ist, sich nochmals mit dem eigenen Antrag zu beschäftigen. Aber es lohnt sich eben, sich zu beteiligen; es lohnt sich, anderen zuzuhören. Und ich mache mir Sorgen, dass die Gesellschaft verlernt, einander zuzuhören und erst einmal innerhalb des Rahmens des Grundgesetzes alles zu akzeptieren. Das ist sozusagen die Basis, auf der dann wichtige und nötige Fortschritte im Bereich Nachhaltigkeit, Klimaschutz, soziale Absicherung u. s. w. erst möglich sind. Wichtige Teilbereiche, aber die Grundlage muss erst einmal geschaffen sein.

LL: Ich schließe mich da an. In den Projekten zeigen wir den Schüler*innen auch, dass die Demokratie eben von der Beteiligung von allen lebt – und nicht nur von Einzelnen. Natürlich können demokratische Prozesse langwierig sein, wodurch viele meist das Interesse an einer Beteiligung verlieren. Aber dass den Schüler*innen klar wird, dass nix geschehen wird, wenn sie nicht aktiv werden, ist der Punkt, auf den es ankommt. Sie müssen sich eben beteiligen – aktiv mitmachen, wenn ihnen ein Thema wichtig ist: Davon lebt die Demokratie!

Erlebt ihr denn mitunter eine Unlust oder ein Desinteresse an der Demokratie bei den Schüler*innen? Bekommt ihr sowas ab und zu gespiegelt oder auch explizit ausformuliert?

LL: Ich selbst habe so etwas bisher noch nicht direkt erlebt. Allerdings ist mir gelegentlich aufgefallen, dass Schülerinnen Aussagen gemacht haben, die problematisch oder kritisch wirken könnten. Dabei ist ihnen oft gar nicht bewusst, was sie da eigentlich sagen. In solchen Situationen frage ich sie manchmal, warum sie so denken. Häufig zeigt sich, dass solche Ansichten von ihrem Umfeld, etwa von Eltern, Freund*innen oder aus dem Internet beeinflusst sind. Sie übernehmen diese Meinungen unüberlegt und geben sie einfach weiter. Dann versuche ich, ihnen Impulse zu geben, um ihre Aussagen zu hinterfragen und darüber nachzudenken, ob das, was sie sagen, wirklich ihrer eigenen Überzeugung entspricht.

FK: Auf den Projekten, auf denen ich bisher war, ist mir noch keine einzige Aussage in Erinnerung geblieben, dass die Schüler*innen die Demokratie ablehnen würden – oder dass sie mir irgendwie das Gefühl gegeben hätten, die Arbeit im Bundesfreiwilligendienst da wäre quasi sinnlos und eine reine Sisyphusarbeit. Ich habe in den ersten Tagen der Projekte immer das Gefühl dass die Schüler*innen einfach generell unmotiviert sind. Das liegt aber, denke ich, nicht daran, dass sie Politik und politische Beteiligung schlecht oder unnötig fänden, sondern eher daran, dass es ein für sie verpflichtendes Projekt ist und dass sie da anfangs noch nicht die Chance sehen, die das Projekt bietet . Und bei der Verabschiedung am letzten Tag ist es eigentlich immer so, dass sie der Politik gegenüber halbwegs neutral eingestellt sind oder sogar mit sehr positiven Gefühlen aus dem Projekt rausgehen und sich teilweise noch mehr engagieren wollen. Also ich habe eher tendenziell positive Rückmeldungen bekommen.

Gerade war die Rede von übernommenen Standpunkten aus dem Elternhaus oder dem Internet. Wie seht ihr die politische Beeinflussung der Jugend über das Internet? Ist das ausgewogen? Lauern da Gefahren?

LL: Jugendliche sind heute viel auf Plattformen wie TikTok, Instagram und co. unterwegs, wo Inhalte oft ungefiltert hochgeladen werden und sie leicht mit Fake News in Berührung kommen. Häufig fehlt es ihnen an der Fähigkeit oder der Motivation, solche Informationen kritisch zu hinterfragen und auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Stattdessen werden diese Inhalte oft direkt weiterverbreitet, ohne genauer nachzuforschen. Durch die ständige Nutzung von Smartphones und Tablets sind sie nahezu permanent online und bekommen so eine Flut an Informationen mit, was es noch schwieriger macht, zwischen wahren und falschen Inhalten zu unterscheiden.

Eure Schulzeit im Hinterkopf: Denkt ihr, es wird genug getan für die Medienkompetenz junger Leute – oder herrscht da eher ein Mangel? Sind mehr Leitplanken und Hilfestellungen nötig – oder sind sie ausreichend vorhanden?

FK: Ich war auf einem Gymnasium und kann daher nur aus diesem Umfeld berichten und keinen Überblick über das gesamte Schulsystem geben. Und da war es schon so, dass wir über die Risiken und aber auch Vorteile oder Chancen vom Internet und von den sozialen Netzwerken gesprochen haben. Also es wurde auf jeden Fall in unterschiedlichen Fächern thematisiert, in Werte und Normen, im Deutsch- und im Politikunterricht. Aber so richtig aktiv haben wir uns nie wirklich damit auseinandergesetzt, sondern eher nur auf dem Papier, im theoretischen Rahmen. Und der aktive Umgang mit Social Media, den lerne ich jetzt tatsächlich jetzt erst bei PzA. Da wurden in der Schule eigentlich nur die Grundlagen vermittelt. Das ist aber natürlich auch eine Frage der Kapazitäten.

Vielleicht noch ein kurzes Statement zum Ende: Warum sollte man sich als junger Mensch bei PzA engagieren?

FK: Es ist eine gute Chance, um neue Erkenntnisse mitzunehmen, die einem immer weiterhelfen. Also wie nimmt man andere Meinungen von Menschen auf? Wie kann man eigene Ideen kommunizieren? Ich als Freiwilliger lerne auch einiges: Wie funktioniert Kommunalpolitik? Oder die Grundlagen des Journalismus? Der Bundesfreiwilligendienst bietet sehr viele Möglichkeiten. Es ist eine gute Idee für alle, die ein gewisses Interesse an Politik haben. Aber Politik ist nicht alles und man kann auch mit vielen weiteren Interessen ein gutes Jahr bei PzA verbringen. CK

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Elisabeth Pötter und Wiebke Thomsen


Diesen Monat haben wir mit Elisabeth Pötter vom Soroptimist International Club Hannover 2000 und Wiebke Thomsen vom KoKi gesprochen. Dabei ging es vor allem um Teilhabe und Gleichberechtigung von Frauen in der Gesellschaft sowie um Rollenbilder in den Medien.

Stellt euch doch einmal vor …

Elisabeth Pötter: Ich bin Elisabeth Pötter und als Präsidentin vom Club Soroptimist International Club Hannover 2000 hier. Ich bin seit diesem Jahr und auch nächstes Jahr Präsidentin. Unser Club hat sich – daher der Name – 2000 gegründet, also feiern wir nächstes Jahr 25-jähriges Jubiläum. Wir gehören zu einem weltweiten Netzwerk berufstätiger Frauen. Und wichtig ist uns gesellschaftspolitisches Engagement: Wir wollen uns auf allen Ebenen für Frauen und Kinder, für eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben einsetzen. Und das tun wir international, aber natürlich auch lokal in unserem Club. Wir haben in Hannover zwei Clubs: es gibt noch den Club Hannover, der sich deutlich vor uns gegründet hat.

Weshalb kam es zu einem zweiten Club?

EP: Eine bestimmte Anzahl an Mitgliedern ist für einen Club notwendig, aber nach oben hin macht es irgendwann Sinn, einen zweiten Club zu gründen. Als dieser sich gegründet hat, war ich noch nicht dabei. Einige Mitglieder im Club Hannover haben damals die Initiative für einen 2. Club ergriffen und weitere Frauen motiviert, in diesen Club einzutreten. Wahrscheinlich wollten sie Veränderung und es war eben auch eine Größe erreicht, wo es sinnvoll war. Das wurde dann von der Deutschlandebene begleitet und mitgetragen. Wir haben ja in großen Städten, wie z.B. in München, in Köln, etc. vier, fünf Clubs … und die tun sich nichts, sondern wir tun alle miteinander etwas für unsere Ziele. So ist es auch mit Club Hannover und uns: Die Orange Days veranstalten wir seit einigen Jahren zusammen mit Club Hannover.

Wenn man Mitglied werden möchte: Was gibt es für Voraussetzungen?

EP: Unsere Ziele engagiert zu verfolgen, Frauen und Mädchen zu unterstützen. Sonst gibt es eigentlich keine weiteren Voraussetzungen. Wir wünschen uns Frauen aus unterschiedlichen Berufen, ein Kennzeichen des Clubs ist die weite Palette an Berufen, was den Blick unglaublich erweitert. Aber das ist keine zwingende Voraussetzung. Auch Frauen außerhalb des aktiven Berufslebens sind natürlich herzlich willkommen.

Was war denn dein persönlicher Beweggrund? Zu sagen: „Da mache ich mit …“

EP: Wenn man sich sozial engagieren will, dann hat man ja schon, wenn man jünger ist und Kinder hat, viele Gebiete, auf denen man sich engagiert: Kindergarten, Schule etc.. Als ich aus dieser Zeit raus war, habe ich – denn ich kannte den Club schon seit der Gründung – gedacht: „Das ist das, was ich möchte.“ Die Vielfalt an Frauen, die Altersspanne von jung bis alt, das gesellschaftspolitische Engagement, die große Vernetzung: Eine tolle Gemeinschaft, wo alle voneinander profitieren. Und wir bewegen auch viel, auf der lokalen Ebene mit den Projekten, die wir machen, und mit unserer Haltung, mit der wir auch an die Öffentlichkeit gehen, um sie publik zu machen und Unterstützung zu suchen – oder um zu unterstützen.

Kommen wir zu Dir …

Wiebke Thomsen: Sehr gerne. Ich bin Wiebke Thomsen und seit August in der Kinoleitung vom Kommunalen Kino. Ich teile mir die Leitung mit meinem Mann: Wir arbeiten als Paar, auch vorher schon, mit dem Lodderbast, dem kleinsten Kino der Welt. Da sind wir sehr stolz drauf. Ein kleines, kuscheliges Kino war während Corona natürlich nicht das, was angesagt war. Deswegen haben sich die Dinge etwas anders entwickelt. Und ich bin immer schon Kinofrau gewesen, habe als Studentin Karten abgerissen, war die stellvertretende Kinoleitung im Kino am Raschplatz, habe mit einer Kollegin ein Kino in Berlin aufgemacht … Und jetzt ist es dieses Kino. Wir haben den Auftrag gekriegt und es ist auch unser innerer Drang, zu gucken, wie Kino zukunftsfähig und weiterhin relevant sein kann. Viele haben dem Kino immer schon vorausgesagt, es werde sterben. Erst hieß es, keiner wolle einen Film mit Ton – oder mit Farbe. Dann waren es die Fernseher, dann die DVDs, die Streamingdienste. Das Kino lebt aber länger, als es totgesagt wird. Und ich bin überzeugt, dass man eine andere Art von Kino machen muss: ein Kino, das einen Mehrwert hat gegenüber Netflix. Aber nicht mehr: höher, schneller, weiter, wie es vielleicht in den 80er-, 90er-Jahren war, mit tollen Soundsystemen, die man daheim nicht hat; sondern man muss einen Ort schaffen, wo man einerseits etwas für andere selektiert – gerade in einer Zeit, in der alles verfügbar ist –, aber eben auch ein Ort sein, wo man sich austauscht. Das leben wir schon länger, mit viel Leidenschaft. Und jetzt eben an diesem Ort.

Könnt ihr vielleicht beide einmal aus der jeweiligen Warte etwas zum Bedarf und zur Notwendigkeit eines Netzwerkes wie Soroptimist sagen?

EP: Also ich habe neulich mit Schreck nochmals gesehen, dass sich erst 1977 das Bürgerliche Gesetzbuch geändert hat und Frauen nicht mehr nur zur Haushaltsführung bestimmt waren. Das hat mich nachhaltig schockiert, als ich überlegt habe, wie alt ich da war, und bemerkte, dass ich das damals gar nicht bewusst wahrgenommen habe. Aber es besteht in allen Lebensbereichen immer noch ein Ungleichgewicht. Wir sind nicht gegen Männer oder irgendwen, sondern wir sind für gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen. Und das ist heute noch absolut notwendig.

WT: Ich würde das auf die Kinoarbeit übertragen. Wir machen bei uns im Kino extrem viel Retrospektive, zeigen Filme aus der Filmgeschichte. Und es ist auffällig, dass die Filme meist von Männern sind, weil es in der Struktur liegt, dass weniger Frauen Regisseurinnen waren. Wenn ich jetzt neue Filme programmiere, muss ich gar nicht versuchen, irgendeine gleichberechtigte Auswahl zu suchen: da passiert es schon allein, dass es ein buntes Spektrum ist. Da sind Filme von unterschiedlichsten Menschen dabei – nicht nur weiße alte Männer aus Hollywood. Viele Frauen, People of Color, der globale Süden, Queere … Es gibt so viele Dinge auf der Welt, so viele Augen, durch die man gucken kann. Das ist auch das Spannende am Kino. Es ist auffällig, dass die Filme, die heute ins Kino kommen, diverser und bunter sind. Aber wenn wir in die Filmgeschichte schauen, ist es ein großes Männerfeld. Wir haben für das nächste Jahr das Schwerpunktthema „female gaze“ ausgesucht. Da wollen wir genau das mehr in den Fokus holen: Filme von Regisseurinnen, von Kamerafrauen … Die waren ja immer schon da. Und darauf wollen wir einfach ein Jahr den Schwerpunkt setzen und gucken: Was und wo ist der weibliche Blick? Wieso war der so lange nicht da und wo kommt er her? Ich hoffe, wir kommen irgendwann dahin, dass man keine keine Gruppen mehr braucht, die sagen: „Wir müssen unbedingt die Frauenperspektive zeigen.“ Aber ich glaube, noch sind wir nicht ganz so weit; deswegen ist es wichtig, dass man diese Dinge auch in den Fokus hebt.

Ihr hattet zuletzt ja schon einmal Margarethe von Trotta im Programm gehabt …

WT: Wir haben jetzt gerade den Deutschen Herbst als Thema, weil das KoKi im Oktober 50 Jahre alt geworden ist. Also haben wir – als Nachgeborene – einen Monat lang auf die 70er-Jahre geblickt und versucht, das Gefühl der 70er-Jahre hervorzuholen. Den Deutschen Herbst, die RAF, die Angst in der Gesellschaft, aber eben auch den Neuen Deutschen Film, u. a. Schlöndorff, Fassbinder etc. Und Margarethe von Trotta, eine der wenigen weiblichen Personen in diesem Kreis. Auch da war es wieder schwierig. Hätte ich jetzt versucht, ein gleichgewichtiges Programm zu machen, wäre es schwierig geworden und dann hätte es auch die Zeit nicht repräsentiert. Das ist immer so die Frage: Wie will man es machen? Und für mich macht es keinen Sinn zu sagen, es solle irgendwie pari sein. Aber ich finde es wichtig, ein Augenmerk darauf zu haben und zu sagen, warum es nicht pari ist – weil es zu der Zeit nicht pari war. Es ist deutlich, dass mehr Männer diesen Neuen Deutschen Film bewegt haben.

Aber die 70er-Jahre waren nach oder im Rahmen der Frauenbewegung schon die Dekade, in der sich was beschleunigt hatte in der Hinsicht?

WT: Also bei den Protagonisten des Neuen Deutschen Films ist es sehr männlich geprägt, würde ich sagen. Aber da gibt es auch Filme, die gesellschaftlich viel bewegt haben: z. B. Filme von Rosa von Praunheim: „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Gesellschaft, in der er lebt“. Ein Initialfilm, auch für die Schwulen- und Lesbenbewegung in der Zeit. Da waren extrem viele Sachen in Bewegung, aber da war auch noch viel zu kämpfen. Und es ist immer noch so, dass ungefähr gleich viele Regisseure und Regisseurinnen Hochschulen verlassen – aber dass es in Deutschland hinsichtlich der Kinofilme und Budgets immer noch eine große Schere gibt zwischen dem, was Frauen und was Männern zugetraut wird.

EP: Also ich bin ja nicht nachgeboren, sondern habe diese Zeit als Teenager miterlebt, und denke jetzt, im Nachgang, oft über diese Zeit nach: was da alles los gewesen ist, auch in den Familien. Was ist da in Bewegung geraten? Was hat das mit so einer Struktur wie Familie gemacht? Und was hat diese Zeit für die Frauenbewegung gebracht? Ich denke, aus dieser Zeit kommt auch so ein bestimmtes Bild vom Feminismus und Feministinnen. Viele – besonders auch junge – Frauen sagen heute: „Ich bin keine Feministin.“ Der Begriff ist negativ besetzt. Aber ich glaube, das ist gar nicht inhaltlich durchdacht, worum es geht. Das ist noch so ein Bild aus dieser Zeit. Aber die Frauen damals mussten halt heftig agieren und auffallen. Heute läuft es vielleicht unauffälliger, ist aber nicht unwichtiger.

Es gibt ja durchaus Stimmen, die mit so einem antifeministischen Getöse auftreten, die sich gegen die Bemühungen um Gleichstellung richten oder sie als bereits gegeben sehen. Wie schätzt ihr das ein? Ist das eine kleine Gruppe, nimmt das zu, ist das in der Mitte der Gesellschaft angekommen, war es schon immer dort?

WT: Ich kann das nicht einschätzen, aber was mir auffällt und was ich erschreckend finde, ist, dass – gerade in den sozialen Medien – häufig die traditionellen Familienstrukturen zelebriert werden und irgendwelche 20-Jährigen in irgendeiner Datingshow sagen, sie suchten einen Versorger der Familie etc. Und das scheppert bei mir im Kopf immer ganz unangenehm. Jede*r soll die Art, wie er oder sie leben möchte, leben. Ich habe nur das Gefühl, dass das sehr missionarisch daherkommt: zu den traditionellen Werten zurück, da früher doch alles so gut sortiert war. Das irritiert mich sehr.

EP: Genau daran musste ich auch denken. Bei diesen Tradwives wird mir ganz anders. Wie kommen junge Frauen dazu? Was bewegt sie? Die Gesellschaft hat sich ja zum Glück verändert, die Gesetzgebung z. B. hat sich verändert: Wir reden von Frauen in Altersarmut … sich einen Mann mit gutem Einkommen zu suchen und bis ans Lebensende versorgt zu sein: Das ist ein absoluter Irrglaube. Deswegen sind wir z. B. auch dafür, dass in Schulen wesentlich mehr für alle gelehrt wird: Wie gehe ich mit Geld um? Was heißt Vorsorge? Warum muss ich mich da selber kümmern?

Wenn man jetzt einerseits Film – oder auch Literatur – progressiver daherkommt, gleichzeitig aber doch so ein Beharrungspotenzial wirkt und jüngere Generationen womöglich eher wieder konservativer werden: Wie blickt ihr da in die Zukunft?

EP: Mein Bauchgefühl ist: Von alleine geht gar nichts. Ich denke schon, dass wir dranbleiben müssen – auf allen Ebenen. Einfach nur zu sagen: „Das haben wir erreicht und das wird schon.“ … das hilft nicht. Die Tendenzen, die man teils bemerkt, muss man sich bewusst machen; und die eigene Position laut dagegenhalten.

WT: Das sehe ich auch so, das ist sicher richtig. Ich glaube aber zusätzlich, dass gerade in den Medien – Kino, aber auch Serien, auch Social Media – eine Diversität stattfindet, die nicht mehr wegzudiskutieren ist. Man sieht inzwischen viele unterschiedliche Menschen und Positionen. Und das geht nicht weg, da kann keiner drumherum gucken. Natürlich, man kann sich gerade in den sozialen Medien aussuchen, was man gucken will, und kriegt dann oft einen Tunnelblick. Aber das ist da, das ist sichtbar und das geht auch nicht weg, glaube ich. Und trotzdem müssen wir dranbleiben.

Noch ein Blick in die nicht ganz so ferne Zukunft: Die Orange Days und das 25-jährige Jubiläum wurden eingangs schon erwähnt …

WT: Ersteres ist eine gemeinsame Veranstaltung.

EP: Ja, die Orange Days, die internationalen Tage gegen Gewalt an Frauen, stehen an: vom 25.11. bis zum 10.12., dem Tag der Menschenrechte. Und unsere soroptimistische Aktion dieses Jahr in Hannover ist es, 155 Frauenschuhe orange einzufärben und an 155 Orten aufzustellen. Die Zahl steht für die 155 Femizide im letzten Jahr: 155 Frauen, die durch häusliche Gewalt ums Leben gekommen sind. Bei der Schuhaktion dabei sind schon z. B. die Nord/LB, Stadtbibliotheken, die Sparkasse Hannover, diverse Apotheken, Bäckereien u. v. m. Da wird der Schuh mit einem Flyer, auf dem auch die Nr. des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“, 116016, plakativ steht, im Fenster ausgestellt sein und für Aufmerksamkeit sorgen. Am 08.12. wird es im KoKi eine Filmvorführung geben: „Morgen ist auch noch ein Tag“.

WT: Genau. Aus Italien, dem Jahr 2023, in Schwarzweiß, ein bisschen an den Neorealismus erinnernd. Er spielt in der Nachkriegszeit in Italien – und es geht um eine Frau, die häusliche Gewalt erfährt. Ein toller Film, der für sich spricht – und die häusliche Gewalt niht von oben herab bemitleidet, sondern mit viel Empathie betrachtet. Es ist auch eine Regisseurin, die den Film gemacht hat, der in Italien ein Smash Hit war, in Deutschland auch. In Italien hatte er sogar mehr Zuschauer als „Barbie“. Vielleicht sei noch gesagt, dass der Film auch in unsere Filmausstellung im Dezember eingebettet ist: „La cosa cinema – Filmland Italien“. Wir zeigen dann neues italienisches Kino, aber auch Filmklassiker. Und es gibt auf jeden Fall auch einen Schwerpunkt mit jungen weiblichen Stimmen aus Italien.

EP: Ich kenne den Film ja noch nicht und bin sehr gespannt. Im Anschluss haben wir dann noch einen Orange Day Talk mit Ministerin Behrens und Christina von Saß wird sie zum Thema, was jetzt wirklich gegen Gewalt an Frauen auf der Ebene von Ministerium und Politik getan wird, interviewen. Und es gibt ja auch gerade aktuell die ganzen Aufrufe, dass dieses Gewalthilfegesetz noch umgesetzt wird. Das war eine Zusage der Koalition. Jetzt haben sie nicht mehr so viel Zeit und sie werden jetzt freundlich daran erinnert, dass es wirklich notwendig ist. Ich glaube, das wird eine tolle Veranstaltung. Und wir hoffen auf viele Zuschauer und Zuschauerinnen. CK

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