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Der Freundeskreis im Gespräch mit Mirjam Prahst-Martínez und Sabine Schmitz

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Mirjam Prahst-Martínez und Sabine Schmitz


Diesen Monat haben wir mit Mirjam Prahst-Martínez und Sabine Schmitz gesprochen. Beide sind bei Special Olympics Niedersachsen tätig: Prahst-Martínez als Athletensprecherin und Sportlerin, Schmitz ist die Geschäftsstellenleiterin. Geredet haben wir über ihre Erfahrungen bei den Special Olympics, die Außenwahrnehmung und die anstehenden Landesspiele.

Wie seid ihr zu Special Olympics gestoßen?

Mirjam Prahst-Martínez: Also bei mir war es so: Ich schwimme ja schon lange … und die Mutter einer Freundin hatte dann einmal von den Special Olympics geschwärmt und gesagt: „Das ist toll, geht da auch einmal hin.“ Und so bin ich dazu gekommen. Meine Mutter meint ja, ich wäre damals so 14 bis 16 Jahre alt gewesen.

Und was machst du alles bei Special Olympics?

MPM: Also vordergründig schwimme ich bei den Wettkämpfen mit. Und ich bin Athletensprecherin. Ein Freund von mir ist in den Athletenrat gegangen und hat davon erzählt. Und irgendwann kam Sabine vorbei und hat mich angesprochen.

Sabine Schmitz: Mirjam ist seit der Gründung 2019 im Athletenrat. 2022 hat der Athletenrat Mirjam zur Sprecherin gewählt. Sie ist mit ihrem Stellvertreter Teil des Vorstandes.

MPM: Im Athletenrat beraten wir letztlich den Vorstand und auch die Geschäftsstelle. Deswegen ist der Athletenrat so wichtig, weil wir alles aus der Sicht der Athleten sehen: Athleten schauen, wo die Probleme einzelner Sportstätten und Veranstaltungen sind. Diese Probleme geben wir dann weiter. Man erreicht wirklich viel und es macht Spaß. Seit letztem Jahr bin ich zudem noch Bundes-Athletensprecherin. Das macht auch Spaß. Und ich schwimme halt im Rahmen von Special Olympics viel.

Und wie bist du Sabine zu Special Olympics gekommen?

SS: Ich bin seit 16 Jahren die Geschäftsstellenleiterin von Special Olympics Niedersachsen. Ich war schon davor bei Special Olympics und jetzt seit 20 Jahren dabei. Meine ersten Berührungspunkte habe ich in meiner Heimatstadt gehabt, wo ich in der Zeitung über die Special Olympics gelesen habe. Einer der Gründerväter von Special Olympics Deutschland kommt aus meinem Nachbarort.

Wie schätzt ihr den Anteil der Leute ein, die mit „Special Olympics“ gleich etwas anfangen können?

MPM: Naja, die Special Olympics werden schon sehr häufig mit den Paralympics verwechselt – da muss man halt so ein bisschen gegenarbeiten und sagen: „Nein, nein, wir reden von Special Olympics – das ist etwas anderes als die Paralympics.“

Wie sieht der Unterschied denn aus?

MPM: Bei den Special Olympics machen vordergründig Menschen mit geistigen oder mehrfachen Behinderungen mit.

SS: Genau. Bei den Paralympics nehmen hauptsächlich Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung teil. Zudem sind die Paralympics inzwischen als Hochleistungssport zu bezeichnen. Special Olympics ist breitensportlich ausgerichtet. Jeder kann mitmachen, unabhängig von Art und Schwere der geistigen Behinderung. Das Besondere ist auch, dass es ein inklusives Wettbewerbssystem gibt, den sogenannten Unified Sports. Special Olympics ist zudem mehr als ein Veranstaltungsformat. Wir sind eine Organisation, die Teilhabe und Partizipation von Menschen mit geistiger Beeinträchtigung ermöglicht. Sie werden dabei unterstützt, aktiv ihre Interessen zu vertreten, ihre Sportmöglichkeiten mit zu entwickeln und ihre Gesundheit zu verbessern.

Inwiefern lassen sich Special Olympics denn mit den Olympischen Spielen vergleichen?

SS: Also es ist eine andere Art der Olympiade. Es ist nicht die Art Hochleistungssport, die in der Gesellschaft so bekannt ist. Die Leistungen, die unsere Athleten bringen, sind auf einer anderen Ebene zu bewerten. Uns geht es um den Athleten an sich: um das Leistungsvermögen des Einzelnen. Also wenn sich ein Athlet steigert und mehr Selbstbewusstsein gewinnt, dann ist das für uns mindestens so wichtig wie eine Medaille zu gewinnen.

Wie intensiv ist denn das Interesse in der Öffentlichkeit eures Erachtens? Gibt es da Luft nach oben?

SS: Ich glaube, die Wahrnehmung hat sich durch die Weltspiele 2023 geändert. Wir nehmen eine höhere Wahrnehmung und Akzeptanz wahr: viel mehr Interesse, viel mehr Menschen, die auf uns zukommen und fragen, ob sie sich irgendwie engagieren können. Das ist sehr positiv.

MPM: Aber wir haben immer Luft nach oben. Es geht immer noch besser.

Was wäre denn so in Sachen Breitenwirksamkeit oder Interesse ein nahes Ziel, das erreichbar wäre? Gibt es da Punkte, wo man denkt, da möchte man hinkommen?

SS: Wir wünschen uns für unsere Athleten natürlich eine ähnliche Aufmerksamkeit wie andere Sportler sie auch erhalten. Wir tun dafür viel in der Öffentlichkeitsarbeit. Jetzt bei den Landesspielen, die vom 4. bis zum 6. Juni in Hannover stattfinden, wird man auch ganz viel in der Stadt sehen.

Der Frauenfußball hatte ja in den letzten Jahren eine positive Entwicklung, was die Wahrnehmung betraf. Seid ihr optimistisch, dass sich die Gesellschaft künftig immer mehr öffnen wird?

SS: Ja, wir sind da optimistisch. Die Berichterstattung zu den Weltspielen war großartig. Bei uns stehen Leistung, Emotionen und Zusammenhalt im Zentrum. Das wurde durch die Medien gut transportiert und von den Zuschauern auch so wahrgenommen.

Wie bist du denn zum Schwimmen gekommen?

MPM: Durch Wassertherapie. Als ich etwa zwei Jahre alt war, hatte ich immer Krankengymnastik. Und es soll mich total nervös gemacht haben, in einen ganz normalen Raum zu gehen. Dann haben sie es mit einer Wasserwanne probiert – und ich wollte nie wieder ohne diese Wanne in diesen Raum gehen. Es musste immer die Wasserwanne rein. So bin ich zum Schwimmen gekommen. Und mit sechs Jahren habe ich dann richtig angefangen zu trainieren.

Hast du dich denn auch mal irgendwie anders ausprobiert?

MPM: Ja, ich habe schon ein bisschen was ausprobiert. Rollstuhl-Basketball habe ich eine Zeit lang gespielt, Rollstuhl-Badminton und Tischtennis auch … Was habe ich noch gemacht? Skifahren! Das habe ich auch schon gemacht. Also ich habe mich schon ausprobiert …

Wie siehst du denn die Schwimmbadkultur in Hannover? Reichen dir die Angebote?

MPM: Momentan trainiere ich im Stadionbad und im Vahrenwalder Bad. Das wurde ja für zwei Jahre renoviert und wir werden auch auf dem Laufenden gehalten, ob wir da wieder trainieren können oder nicht. Und ins SLZ geht es zum Wochenendtraining. Da trainiere ich ganz gern. Da gibt es auch so eine Gegenströmung. Man merkt das dann beim Schwimmen immer. Also wenn du nach unten schwimmst, geht das richtig schnell und locker-flockig. Und wenn du dann nach oben schwimmst, dann strengt das schon an. Also das SLZ ist schon mein Favorit von den Schwimmbädern.

SS: Ergänzend möchte ich sagen, dass die Trainingsmöglichkeiten für Menschen mit Beeinträchtigung nicht ausreichend sind und wir uns da Verbesserung wünschen.

Mirjam, bist du Mitglied in einem Verein?

MPM: Ja, bei Hannover 96.

Auch schon seit Teenagerjahren?

MPM: Nein. In Kindesjahren war ich zunächst in der RSG Langenhagen Rollstuhl-Sportgemeinschaft. Und jetzt bin ich bei Hannover 96.

Und was war bisher deine größte Herausforderung.

MPM: Bei den Special Olympics waren das die World Games: Da habe ich ein halbes Jahr lang nur trainiert. Ich habe nichts anderes gemacht, keine Freizeitbeschäftigungen – nur trainiert, nur Schwimmen, Schwimmen, Schwimmen … Das war wohl so ziemlich die größte Herausforderung.

Was erwartet einen denn bei den Landesspielen? Weshalb sollte man hingehen?

MPM: Die Special Olympics sind herzlich und fröhlich. Alle lächeln einen an, strahlen gleich ganz viel Freude aus. Man hat da auch viele Events für die, die keine Sportler sind. Und auch die Eröffnungsfeier und die Abschlussfeier lohnen sich sehr.

SS: Bei den Landesspielen gibt es acht Sportarten: Badminton, Tischtennis, Leichtathletik, Schwimmen, Judo, Fußball, Tennis und Handball. Darin können sich Sportler für die Nationalen Spiele qualifizieren. Da geht es also auch um was. Und neben dem Sport haben wir ein ganz tolles Rahmenprogramm. Wir fangen mit der Eröffnungsfeier am 4. Juni an, die startet um 18.30 Uhr vor dem Neuen Rathaus. Der Eintritt ist frei, offen für alle und wir laden alle herzlich ein. An den Sportstätten muss man auch keine Tickets kaufen, da darf jeder zuschauen. Wir sind im Erika-Fisch-Stadion, bei Hannover 78, im Sportleistungszentrum, im Landessportbund und im Stadionbad. Die Sportstätten liegen nah beieinander. Das ist eine tolle, kompakte Atmosphäre und man kann auch viele Sportarten auf einmal anschauen. Und wir haben eine große Aktionsmeile mit Mitmachangebot. Die Abschlussfeier ist dann am Freitagnachmittag Im Erika-Fisch-Stadion.

Im Herbst gab es ja einen Skandal um Luke Mockridge, der respektlose Witze über die Paralympics gemacht hat. Wie oft wird man damit konfrontiert und wie ist da der Umgang mit solchen Reaktionen?

MPM: Was Luke Mockridge gemacht hat, war nicht lustig. Und es kommt darauf an, wie man so einen Witz macht. Mein Bruder nennt mich immer Gangsta-Rapper wenn ich am Krampfen bin. Ich habe ja eine Unterform von Dystonie, da habe ich tagesformabhängig spastische Anfälle: entweder verkrampft meine Hand oder mein Bein oder mein Kopf geht zur Seite oder auch der ganze Körper. Das schränkt mich auch beim Training ein, weil ich manchmal auch im Wasser am Krampfen bin. Aber ich kann sehr gut einschätzen, ob ich dann noch weiterschwimmen kann oder nicht, denn ich bin dabei bei Bewusstsein. Und wenn mein Bruder mich dann Gangsta-Rapper nennt, dann ist das einfach ein liebevolles Rumblödeln. Bei Mockridge kam es halt ziemlich böse rüber, was er gemacht hat. Wie schon gesagt: Es kommt immer darauf an, wie man sowas sagt.

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Joachim Wehrmann und Torsten Lippelt von Business 4 Kids

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Joachim Wehrmann und Torsten Lippelt von Business 4 Kids


Was kann man sich denn unter Business for Kids vorstellen?

Joachim Wehrmann: Im Jahr 2009 hatte ich die Idee, einen Verein zu gründen, um Kindern in Not zu helfen. Aber nur für Hannover und in der Region. Ich weiß: Es gibt ganz viel Not auf der Welt. Aber es gibt auch sehr viele lokale Bedürfnisse hier in der Region. Ich bin auf dem Dorf groß geworden. Da guckt man erst dort, was man machen kann, bevor man in die Kreisstadt geht. Damit bin ich groß geworden – und so habe ich auch gedacht: Ich muss hier im Bereich bleiben. Von den 20 Leuten, denen ich gesagt habe, dass ich einen Verein dafür gründen möchte, haben dann 16 zugesagt – allesamt Unternehmer. Den Vereinsnamen Business for Kids habe ich spontan ersonnen und alle fanden ihn gut. Bei unseren regelmäßigen Treffen haben wir besprochen, was wir wollen und was nicht. Und letztlich auch genau das gemacht, was wir vorhatten. Natürlich haben wir nach ein paar Jahren nochmals an den Stellschrauben gedreht und geschaut, was nicht ganz so gut läuft. Wir sind also wie ein Unternehmen vorgegangen, diesen Anspruch hatten wir. Dann haben wir ein Event veranstaltet: 100 mal in 100 Stunden rings um den Maschsee laufen. Das brachte uns eine unglaubliche Aufmerksamkeit. Im ersten Jahr hatten wir dann gleich 140 Mitglieder. 2014 haben wir mit dem Bau eines 540 Quadratmeter großen Maschsee-Floßes mit zeitgleich 460 Menschen darauf sogar einen Weltrekord nach Hannover geholt. Business for Kids hatte da schon 400 Mitglieder. In der Spitze haben wir 589 Mitglieder gezählt – das war sehr erfolgreich. Ich bin immer sehr hinter den Mitgliedern hinterher. Denn wenn Du Projekte fördern willst, musst du auch Geld dafür haben. Wir benötigen also möglichst viele Mitgliedseinnahmen. Die lagen dann in der Spitze schon mal bei 40.000 bis 45.000 Euro, plus Sponsorengelder. Im ersten Jahr haben wir so schon über 100.000 Euro verteilt. Aus dem Mitgliederkreis kam dann wiederholt die Frage: „Warum machen wir kein eigenes Projekt?“ Als ich 2019 mit meiner damals 4½-jährigen Enkeltochter in die Schwimmschule gegangen bin, habe ich gelesen, dass 2018 in Deutschland 26 Kinder im Vorschul- und Grundschulalter ertrunken sind. 2023 waren es bundesweit insgesamt sogar 46 im Alter von 1 bis 20 Jahren. Das ist ein gesellschaftliches Versagen. Das geht so nicht. Da müssen wir mehr tun. Und letztendlich sind es die Kinder aus finanzschwachen Haushalten. Ich sage bewusst nicht „sozial schwache“!. Im Vorstand haben wir besprochen, dass wir was tun müssten, um Kindern aus armen Familien zu ermöglichen, dass sie Schwimmen lernen können. Aktuell kostet so ein Kurs 147 Euro. Wir haben uns dann schlau gemacht. Und wer nun eine BuT-Bescheinigung vorlegen kann, zahlt nur zehn Euro. Business for Kids zahlt die Differenz von 137 Euro. Die zehn Euro sind uns gar nicht so wichtig. Aber wenn Menschen gar nichts bezahlen müssen, dann ist ihnen das mitunter auch nichts wert. Im Moment zahlen wir aus Mitgliedsbeiträgen und Sponsorengeldern. Die Firma Rossmann hat kürzlich 10.000 Euro für unser Schwimmprojekt gespendet. Letztes Jahr begleitete uns die Sparda Bank Stiftung dabei, derzeit sind wir für 2026 mit der Bürgerstiftung im Gespräch. Bisher haben schon 1.802 Kinder durch Business for Kids so ihr Seepferdchen- und Bronzeabzeichen erlangt. Und insgesamt haben wir bislang rund 875.000 Euro an Fördergeldern gesammelt für einen positiven Einfluss auf das Leben der Kinder hier

Was waren denn vor den Schwimmkursen die Ziele?

JW: Wir bieten nicht nur individuelle Hilfe. Wir wollen unsere Gesellschaft durch die Unterstützung von Kindern und deren Entwicklung stärken. Denn die Zukunft der Gesellschaft liegt in der richtigen Betreuung und Förderung der Kinder. Dazu gehört sowohl die Hilfe in der Not, als auch die Förderung von Talenten, was ganz wichtig ist. Auf hoher Ebene beispielsweise den Mädchenchor Hannover. Dieser ist weltweit bekannt und reist entsprechend viel. Wenn die Kinder aber in die Schweiz fahren oder nach Vietnam, sind da immer zwei oder drei Eltern, die sich dies finanziell einfach nicht leisten können. Denen helfen wir in der Regel. Da geht mir das Herz auf, wenn ich die höre. Oder auf anderer Ebene: Ein geflüchtetes Mädchen brauchte dringend eine neue Brille, das Amt übernahm aber nur einen Teil der Kosten. Da haben wir gesagt: „Kein Problem, natürlich machen wir das. Das Kind braucht eine Brille.“ Für ein Kinderferienlager haben wir außerdem mal 4.500 Euro bereitgestellt. Jetzt liegt uns gerade ein Antrag aus Uetze vor, da geht es um Hilfe für sogenannte Systemsprenger. Also Kinder, die weit weg von jeder Norm sind, die nur Theater machen … Da werden wir

wahrscheinlich auch unterstützen. Bei Projektanträgen müssen wir bloß immer genau wissen, um was es geht. Bisher haben wir 116 Projekte gefördert, darunter Löwenzahn, die sich um trauernde Kinder kümmern, oder die Klinikclowns, bei denen jetzt alles gut läuft. Vor drei Jahren hatte ich eine Herz-OP – und wer steht an meinem Bett? Die Klinikclowns. Mir sind die Tränen gekullert, so gerührt war ich. Bei drei Projekten habe ich aber auch das Geld zurückgefordert, nachdem wir es überprüft haben. Da wurde es zweckentfremdet ausgegeben. Bei einem gemeinnützigen e.V., der Geld haben wollte, bat ich um die Einnahmenüberschussrechnung. Die Reaktion war: „Die geht Sie überhaupt nichts an!“ Natürlich geht die mich was an! Bei einem eingetragenen gemeinnützigen Verein hat jeder das Recht, Unterlagen einzusehen. Und wir haben ein Finanzamt. Die überprüfen uns regelmäßig. Wenn wir Gelder zweckentfremden, könnten wir Schwierigkeiten bekommen und auch unsere Gemeinnützigkeit verlieren. Deshalb ist das ganz wichtig, sich genau an die Regeln zu halten.

Kommen wir mal zu dir …

Torsten Lippelt: Ich arbeite als Journalist und Pressefotograf für mehrere Verlage in und um Hannover. Vor etwa zehn Jahren habe ich Joachim Wehrmann kennengelernt, als es verschiedene karitative Projekte gab, die von Business for Kids gefördert wurden – auch mit Hilfe von Ikea zum Beispiel, einem der großen Spender. Das fand ich schon sehr interessant damals. Zu Jahresbeginn bin ich nun von ihm angesprochen worden, ob ich nicht Interesse daran hätte, die Pressearbeit mitzugestalten, um das Projekt voranzubringen. Es freut mich, wenn ich dafür nun werben kann. Nicht nur, um zu helfen, sondern auch um selbst etwas für die Gemeinschaft zu geben. Da ich gute Erfahrungen mit den Bereichen gemacht habe, in denen sich der Verein engagiert, habe ich zugesagt. Als mein Sohn noch im Grundschulalter war, begleitete ich als Elternteil seine Klasse zum Schulschwimmunterricht. Und stellte fest, dass zum Schluss immer noch bis zu 30 Prozent aller Kinder nicht Schwimmen gelernt hatten. Entweder weil die Zeit nicht ausreichte oder die Eltern das nicht unterstützt haben. Es kann nicht sein, dass alljährlich Kinder deshalb ertrinken, weil sie nicht schwimmen können. Dazu kommt: Wer aus einem Land stammt, wo das Baden aus Freizeitgründen nicht üblich ist, der hat oft keinen Bezug zum Wasser. Das ist anders als hier in Norddeutschland.

JW: Darf ich das ergänzen? Es sind seit 2015 knapp drei Millionen Geflüchtete zu uns gekommen, darunter ganz viele Kinder. Dem ist das auch geschuldet, wenn die Nichtschwimmerzahlen steigen. Aber es gibt noch andere Gründe: Früher hatten wir alle Schwimmunterricht. Da waren immer zwei Lehrer dabei. Heute tun die sich schwer – aufgrund der Haftung. Wenn irgendeine Kleinigkeit passiert … Lehrer sagen: „Ich kann das gar nicht leisten. Ich kann die Verantwortung nicht für 20 Kinder übernehmen, wenn wir schwimmen gehen. Ich bin Lehrer, aber kein Schwimmlehrer.“ Und dann gibt es auch Anfahrtsprobleme. Die Mühlenberger Schule etwa. Wenn die mit der Straßenbahn zum Schwimmen fahren würden, könnten sie eine halbe oder Viertelstunde schwimmen – mehr nicht. Denen haben wir das Geld für ein Fahrzeug organisiert, damit die mit der ganzen Gruppe dann hinfahren können.

Neben den Schwimmkursen bietet ihr auch die „Bärentreffen“ an …

TL: Events wie das „Bärentreffen“, bei dem Gruppen von Kindern zu Sportveranstaltungen eingeladen werden, stärken den Gemeinschaftsgeist und schaffen Freude bei den Kleinen. Diese Veranstaltungen haben auch Multiplikatoreffekte, indem sie das Bewusstsein für die Arbeit des Vereins fördern. Mein erster Pressetermin war das Bärentreffen, an dem eine Gruppe von …

JW: … 29 Kindern und sechs Erwachsenen …

TL: …vom Sozialwerk Vinnhorst in die ZAG Arena teilnahmen, um sich dort ein Handballspiel von den

Recken anzugucken. Sie bekamen nicht nur einen Fan-Schal geschenkt und waren ganz begeistert, dass sie sich ein Handballspiel angucken konnten, sondern dass sie auch diese ganze Atmosphäre erleben konnten. Wenn 10.000 bis 12.000 Leute in so einer Halle sind und dann alle jubeln und ihre Schals hochhalten – das ist schon eine tolle Stimmung …

JW: Der Eintritt war kostenfrei, pro Schal haben die Recken uns nur fünf statt 15 Euro berechnet. Das war ganz toll und super Bei Hannover 96 waren wir vor ein paar Jahren, das waren sechs Euro. Das war auch super günstig, dort mit den Kindern hinzugehen. Da waren wir insgesamt 40 oder 50. Wobei ich kein Typ bin, der alles umsonst haben will. Ich sage: „Nee, wir zahlen das, alles gut.“ Wir waren mal beim Sozialdezernent der Stadt

Hannover. „Was kann ich für Sie tun“, fragte er. Da habe ich gesagt: „Wir sind mal gekommen, um zu

fragen, was wir für Sie tun können.“ Das ist mir auch wichtig.

Wie verhält sich das denn mit den Zielen von Business for Kids: Geht es alleine darum,

bestimmten Kindern was Gutes zu tun – oder gibt es ein breiteres Ziel, geht es auch um

die Gesellschaft insgesamt …?

JW: Wenn mich jemand fragt, warum ich das mache, dann sage ich: „Komm doch mal mit zum Schwimmen.“ Dann kommen die Kinder, man nimmt denen die Angst, vor dem Tauchen etwa. und wenn sie zum Schluss ihr Abzeichen machen, dann ist das wunderschön. Das sind so Highlights: Dann haben sie das Abzeichen, stehen ganz stolz da, haben absolut leuchtende Kinderaugen … Also mir war es immer ein Anliegen, Kindern zu helfen, etwas Gutes tun. Das geht mir so ans Herz. Und das ist alles unsere Zukunft. Wenn wir die nicht vernünftig betreuen und unterstützen auf ihrem Weg, sondern alle nur unser eigenes Ding machen, dann kann die Welt später nicht funktionieren. Es geht nicht.

Ihr lebt ja nicht nur von Mitgliederbeiträgen, sondern auch von den erwähnten

Sponsoren … und Spenden … Wie läuft es denn da seit 2009. Wie ist da so die

Entwicklung?

JW: Gut. Man muss ja Geschichten erzählen, die ans Herz gehen, um die Mitmenschen zu inspirieren. Und so eine Geschichte erzähle ich dem Sponsor: Ich gehe mit Leuten essen – und dann machen die einfach mit und

schicken Geld. Die Einzel-Mitgliedschaft kostet 60 Euro, Firmenmitgliedschaften 120 Euro … oder nach Ermessen. Porsche ist auch Mitglied bei uns. Als erstmals deren Jahresbeitrag einging, stand da was? 911 Euro! Dem 911er halt angepasst…halt Carrera. Da haben wir uns auch sehr gefreut. Oder Gartenmöbel Ludwig. Denen habe ich die Porsche-Geschichte erzählt. Und dann? Die Firma ist 1932 vom Opa damals gegründet worden, in Hemmingen. Und was kriegen wir? Großvaters Jahr: 193,20 Euro.

TL: Bei Gartenmöbel Ludwig fällt mir ein: Das Interessante ist, dass man teilweise nicht weiß, ob nicht bei einer Veranstaltung, die relativ wenig Geld über die Spendensammlung selbst einbringt, trotzdem Multiplikatoreffekte eintreten. Weil halt viele Leute dabei sind und das Projekt so überhaupt erst kennenlernen. Bei Gartenmöbel Ludwig haben wir im Anschluss an unsere aktuelle Mitgliederversammlung mit Ralf Schnoor, dem „Wer wird Millionär“-Gewinner, der in Linden das Café K leitet, ein Table Quiz veranstaltet. Er hatte sich freundlicherweise bereit erklärt, dies ehrenamtlich für den Verein zu machen – und hat auch seine leckeren Pralinen zur Verfügung gestellt. Da waren dann über 90 Gäste, die mitgerätselt haben und so auch an das

Projekt herangeführt worden sind. Die haben den Abend natürlich auch was gespendet, aber das Interessante ist eben der Multiplikatoreffekt, wenn die Leute dann sagen: „Mensch, da war was, davon habe ich noch nie etwas gehört, und das ist eine gute Idee. Da engagiere mich dann selber auch mal!“ Also man kann sowas nicht immer direkt in Euro messen, was so eine Spendenveranstaltung bringt …

JW: Also was wir gemerkt haben: Vor Corona kannten uns ganz viele – und nach Corona: „Noch nie gehört …“ Jetzt haben wir sehr viel Gas gegeben seit letztem Jahr, Veranstaltungen gemacht, dieses Jahr auch schon – und jetzt werden wir wieder bekannter. Hier und da gibt es Rückfragen und es kommt so was wie. „Können wir was zusammen tun?“ Wie mit Ralf Schnoor. Der ist so nett, das ist so ein freundlicher Mensch. Man muss einfach freundlich sein zu den Menschen und dann kriegt man auch Freundlichkeit zurück. Ich mache

sehr viel im Verein und dafür danke ich meinem Vorstand: Wenn ich ihn brauche, ist er sofort da. Und es ist sehr harmonisch bei uns insgesamt. Es gibt auch mal Reibereien, aber alles auf einer guten Ebene. Wenn wir Vorstandssitzung machen, essen wir immer zusammen. Und wenn man zusammen isst und redet, ist das immer gut. Und zusammen essen mit den Menschen ist auch toll.

Wer euch unterstützen möchte, der müsste spenden?

JW: Ja, bitte. Wir hatten mal vor Jahren in der Ernst-August-Galerie einen Stand. Zu uns kam jemand, der machte sein Portemonnaie auf – und darin war nur ein einzelner 5-Euro-Schein. Dem hätte ich fast gesagt: „Bitte behalten Sie Ihr Geld, Sie brauchen es selber.“ Ich habe es angenommen und das war die schönste Spende, die ich je bekommen habe. Der wollte das geben, von ganzem Herzen. Das hat mich sehr angerührt. Der Verein arbeitet auch aktiv daran, neue Mitglieder und Sponsoren zu gewinnen, um seine Projekte zu finanzieren.

TL: Wir freuen uns, wenn Mitglieder auch aktiv dabei sind, beispielsweise wenn für eine Veranstaltung etwas vorzubereiten ist. Dann kann es nicht schaden, wenn man jemanden hat, der mal mit anfasst.

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Sina Hensel und Andreas Burkhardt

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Sina Hensel und Andreas Burkhardt


Wer seid ihr und was macht ihr?

Sina Hensel: Ich bin Sina Hensel, 31 Jahre, und die Leitung von Musikland Niedersachsen, einer 16 Jahre alten Service- und Netzwerkstelle für das professionelle Musikleben in Niedersachsen. Wir sitzen in Hannover, sind aber natürlich für das ganze Bundesland zuständig. Ich bin seit 2019 dabei, habe mit einem Volontariat angefangen und bin nun seit zwei Jahren in der Leitung. Wir bilden seit 2019 mit der Landesmusikakademie in Wolfenbüttel eine gemeinsame Firma, unser Träger ist der Landesmusikrat. Unsere Aufgabe ist es, die professionellen Musikszenen und Akteur*innen genreübergreifend zu vernetzen, zu qualifizieren und, mit ihnen die Rahmenbedingungen für professionelles Musikschaffen zu verbessern.

Ihr unterteilt euer Angebote ja u. a. in Handlungsfelder wie Basiswissen oder kulturpolitisches Handeln. Was kann man sich darunter vorstellen?

SH: Zum Bereich Basiswissen: Gehen wir einmal vom Fall „Musiker“ aus. Das umfasst ja mehr, als nur Musik zu machen. Du hast viele andere Jobs, die vereint werden müssen. Finanzen, Social Media, Steuern, Website-Aufbau: Vieles muss aus finanziellen Gründen DIY-mäßig passieren. Wir versuchen, genau dabei zu unterstützen. Mit Workshops, mit Beratung per Telefon oder E-Mail, zu Themen wie Steuerrecht, Musikrecht, Gründung als Musiker etc. Man kann uns immer kontaktieren, wir helfen auch bei Fragen rund um GEMA, KSK, Förderung … Und zum Feld kulturpolitisches Handeln: Wir sind eine gGmbH, also erst einmal keine Interessenvertretung. Unser Träger, der Landesmusikrat, ist der Interessensverband für Musikkultur in ganz Niedersachsen. Und dann gibt es viele andere Verbände, die LAG Jazz, die LAG Rock, KlubNetz für die Clubs und Spielstätten, den Landesverband der Freien Klassik-Szene u. s. w., mit denen wir eng zusammenarbeiten, weil deren Mitglieder auch unsere Zielgruppe sind. Mit denen arbeiten wir häufig an politischen Themen.

Andreas Burkhardt: Ich bin Andreas Burkhardt, 66 Jahre alt. Ich bin 1985 für das Jazzstudium nach Hannover gekommen. Da gab es den ersten Studiengang „Jazz, Rock, Pop“ an der Musikhochschule – ganz kurzfristig aus dem Boden gestampft. Heute bin ich der Leiter der Tonhalle Hannover: ein ca. 70 m² großes musikalisches Trainingszentrum mit eigenem pädagogischen Konzept, denn ich übe gemeinsam mit den Leuten. Deswegen nenne ich es Training. Acht Gruppen, acht Kurse pro Woche, 1½ Stunden Üben unter professioneller Anleitung. Es muss diese Wiederholungsraten geben, damit man automatisiert, das ist wie beim Sport. Die Idee war auch, mit dem Verhörer zu spielen, zu dem es immer wieder kommt: Ton- und Turnhalle. Ich nenne es nicht Musikschule, weil das Konzept anders und immer noch ein Alleinstellungsmerkmal ist. Normalerweise werden ja alle alleine nach Hause geschickt – und alleine zu Hause ist doof. In der Gemeinschaft es hingegen nicht einmal ein Problem, 30-fach dasselbe zu spielen; und alle sind begeistert dabei. Und über die Jahre ergab sich, dass die Tonhalle auch noch ein Ort für modernen Jazz geworden ist. Sonntags um 18 Uhr gibt es Konzerte in der Tonhalle. Wir haben auch schon mehrfach den Spielstättenpreis Applaus für das Konzertprogramm erhalten. Das organisiert Felix Petry, der einen großartigen Job macht. Das Ganze wird getragen durch einen Verein und die Leute, die an den Kursen teilnehmen und den Mitgliedsbeitrag zahlen. Es hat sich also großartig entwickelt, ich bin heute Chef, konnte mich selber anstellen, die Dozenten verdienen da Geld, Musiker verdienen Geld …

SH: Und lustigerweise verdanke ich quasi Andreas meinen Arbeitsplatz: Ich habe mein Masterstudium in Hannover gemacht, Medien und Musikmanagement am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung. Und wir hatten 2018 bei der Jahreskonferenz von Musikland Niedersachsen im Pavillon ein Austauschformat im Rahmen eines Forschungsseminars. Es ging um Musikstädte … In dem Workshop saß auch Andreas und hinterher sagte er: „Mensch, du bist also neu in Hannover, interessierst dich offenbar für Musik und willst dich engagieren? Wir haben da so eine Arbeitsgruppe und wollen, dass in Hannover ein großes House of Music entsteht, das sich an alle Bedarfe professionellen Musikschaffens richtet.“ Das klang spannend, also haben wir uns jeden Montag in der Tonhalle getroffen und an diesem Konzept gearbeitet. Entstanden ist daraus die Rampe – und für mich auch ein großes Netzwerk an Menschen, darunter Gunnar Gessner und Arne Pünter. Über das Netzwerk bin ich dann zum Musikland gekommen.

Mit der Rampe hattest du dann nicht direkt zu tun?

SH: Wir arbeiten ziemlich eng zusammen. Ich bin Vereinsmitglied in der Rampe und war von Anfang an dabei. Wir haben ähnliche Zielsetzungen und machen einigen Veranstaltungen und Projekte in Kooperation. Es gibt viele Schnittstellen.

Du hast ein Seminar über Musikstädte erwähnt. Was macht denn eine Stadt zur Musikstadt?

SH: Also es gibt tatsächlich ja diesen offiziellen Titel UNESCO City of Music (UCOM). Es gibt heute über 70 Städte weltweit, die diesen Titel tragen. Es gibt aber noch weit mehr Städte, die sich als Musikstadt bezeichnen, ohne den Titel zu tragen. Da scheint es mir auf den Moment anzukommen, in dem man erkennt, dass Musik aus ganz vielen Perspektiven für die Entwicklung einer Stadt und für das Leben in einer Stadt eine große Rolle spielt … und darauf, dass man dann auch politisch so priorisiert.

Welche Rolle spielt denn die Musik eures Erachtens für eine Gesellschaft? Ist das einfach nur Entertainment oder just for fun …

SH: Es ist nicht nur Entertainment – wobei es gerade in diesen Zeiten auch wichtig ist, dass man auch Räume hat, in denen man dem Tagesgeschehen entfliehen kann, einfach Gemeinschaft erleben und neue Energie tanken kann. Das kann Musik. Gleichzeitig kann Musik aber auch den Raum aufmachen, über aktuelle Frage zu reflektieren und sich kritisch mit ihnen auseinanderzusetzen.

In jedem Fall spielt Musik eine wichtige Rolle für Zusammenhalt und Zusammenkommen der Menschen. Wer Musik macht, lernt aufeinander zu hören, sich zu artikulieren, die eigene Stimme zu finden: eben Demokratie-Kompetenzen. Das sehe ich auch als auch Dozentin am Center for World Music in Hildesheim: Da kommen Menschen aus der ganzen Welt zusammen. Die kennen sich nicht, Musik ist der gemeinsame Nenner. Ob das gesellschaftlich so gesehen wird, ist eine andere Frage. Ich glaube, dieser Wert ist vielen Menschen kaum bewusst. Das ist etwas, woran wir mit all unseren Initiativen auch arbeiten: sichtbar zu machen, wie Musik Menschen zusammenbringen kann.

AB: Wir hatten vorhin ein Meeting in der Rampe, da habe ich jeden gefragt: Wofür ist Kultur gut? Das ist nicht so einfach zu beantworten …

SH: Ja, aber wenn sie nicht mehr da wäre, würden das alle merken.

AB: Ja. Und es gibt ja ein Bedürfnis. Es geht um das Zauberwort „Gemeinschaft“. Es gibt Studien: Wenn ein Mensch sein Leben als verbunden erlebt hat, dann hatte er mehr das Gefühl, ein erfülltes Leben zu führen.

SH: Jeder, der in einem Chor gesungen hat oder einfach auf einem Konzert in der Masse singt, kennt dieses Gefühl, wenn Stimmen zusammen klingen. Das ist eine sehr besondere Erfahrung von Gemeinschaft.

AB: Das ist entzückend menschlich. Und das fehlt: die Verbindung, sich verbunden fühlen mit was auch immer …Musik ist halt schon besonders: Kunst in der Zeit. Beim Musikmachen passiert etwas jetzt und ist dann weg. Gerade die Improvisation zeigt das. Sina hat es schon gesagt: Da stecken viele tolle Qualitäten drin, Zuhören, Reagieren … Viele Leute erzählen ja, dass Musik mit ihnen was gemacht hat: Neben dem Akustischen geht es irgendwie in die Seele rein.

Wirkung ist ja im Guten wie im Schlechten verwendbar. Weidel bringt sich beim Fotoshooting mit Musik in Stimmung, auf Sylt eignen sich Rechte Musikstücke an … Steht Musik so sehr für Demokratie ein oder kann das auch einfach von innen her zerbröseln, wenn sie durchsetzt wird von Leuten, die daran gar kein Interesse haben?

AB: Von den Menschen ist schon alles im Schlimmen benutzt worden. Das ist leider so eine „schlechte Qualität“ der Menschheit. Irgendwas ist immer zu missbrauchen für andere Zwecke …

SH: Natürlich gibt es diese Gefahr. Wir hatten neulich erst einen Workshop, in dem es darum ging, wie ich beim Booking recherchiere, welche Bands rechte Strömungen vertreten. Aber wenn man es sich historisch anguckt, ist Kultur, ist insbesondere Musik besonders häufig Teil von positiver Veränderung. Und man kann aktuell in Deutschland sehen, auch in den USA, dass es häufig kulturelle Akteure sind, die als erste – auf ihre Art und Weise – protestieren bzw. für Demokratie und Vielfalt einstehen. Es gibt immer Menschen, die Dinge auch im Negativen nutzen – aber ich glaube, die Stärke, die Musik hat, um Dinge positiv zu verändern, ist deutlich größer.

AB: Die Gefahr geht eigentlich, so finde ich, mehr von KI aus. Inzwischen ist auf der Musikebene KI so perfekt, dass man irgendwann nicht mehr unterscheiden kann, ob das von Menschen gemacht ist oder nicht. Und dann ist diese Frage irgendwann egal, dann wird da irgendwas rausgehauen und es ist völlig beliebig. Es bleibt also noch das unmittelbare Musizieren miteinander. Das ist eine Qualität, auf die man setzen muss.

Wie sieht deine Einschätzung dieser Entwicklung aus?

SH: Die Technologie entwickelt sich schneller als rechtliche Rahmenbedingungen. Da müssen wir uns gesamtgesellschaftlich und politisch so aufstellen, dass es solche Rahmenbedingungen zur KI-Nutzung gibt: In welchem Zusammenhang steht KI mit Urheberrechten? Da muss man schon hinschauen. Auf der anderen Seite muss man sich auch fragen: Ab wann fängt KI eigentlich an? Musikproduktion basiert ganz viel auf KI-basierten Technologien. Man kann also auch künstlerisch mit KI spielen. Ich glaube, es hat zwei Seiten, denn ich merke ja auch in der in der täglichen Arbeit, dass KI in Teilen eine extreme Hilfestellung ist.

AB: Den Unterschied macht der Mensch: Live ist die Antwort auf KI. Natürlich kann man auch über Produktionen noch probieren, mit Musik, sage ich mal, Geld zu verdienen. Aber das ist heute für Musiker*innen schwieriger denn je. Und jetzt wird es mit KI noch schwieriger. Also setze ich auf „Live“. Da spielen echte Menschen, die gerade in dem Moment Musik machen. Das gilt es nach vorne zu bringen.

Du hattest KI als die eigentliche Gefahr erwähnt. Man hätte da jetzt auch die Kulturkürzungen erwarten können … Wie seht ihr die?

AB: Ach, es ist immer das gleiche Spiel. Es ist zu wenig Geld da. Dann geht man zu den entsprechenden Behörden und Institutionen und kriegt einen sehr wohlwollenden Gesichtsausdruck und den Hinweis: „Ja, wir verstehen das. Das ist ja auch echt toll, was ihr macht. Aber leider ist nicht mehr Geld da.“ Was will man da machen? Dann ist das eine, zu sagen: „Ja, ich mobilisiere politische Kräfte.“ Da ist ja auch Sina immer dabei, Allianzen zu schmieden und mehr Druck auszuüben auf die Kulturpolitik. Aber es dauert meist unfassbar lange, bis dann – vielleicht – etwas passiert. Kann man also anders wirksam werden, ohne die aus der Verantwortung zu nehmen? Etwa aus einem Verbund von Leuten aus Hannover, den ganz normalen Bürgern, die für die Kultur investieren und „Das ist es mir wert“ sagen. Eine Kulturlotterie oder Kulturfonds gründen. Geld ist im Prinzip da.

Hilft der UCOM-Status, um zu argumentieren, dass man mehr Budget erzielen will?

AB: UCOM hatte nie etwas mit Geld zu tun. Das war einfach nur ein Titel, der verliehen wurde. Der Rest war dann Sache von Hannover. Dieses Label aufzufüllen mit irgendwas. Man könnte es natürlich mehr nutzen, finde ich auch. Aber die Frage ist immer: Wer gibt Geld? Wer unterstützt – nicht nur mit Geld, sondern in irgendeiner Form? Es endete immer bei dieser Frage: Wer fühlt sich dafür verantwortlich und übernimmt Verantwortung? Und da gilt es zu schauen und ein Bündnis zu bilden, von ganz verschiedenen Institutionen in Hannover bis hin zu den gängigen Firmen – was die Kulturstadt jetzt auch schon vorhat.

SH: Ob der UCOM-Titel der hilft: Ich glaube, das ist genau das, was jetzt gerade mit dem Jubiläum versucht wird, das ja u. a. mit dem Musik Kiosk sehr präsent ist. Nicht ohne Grund lautet das Motto „Gesellschaftlicher Zusammenhalt durch Musik“: Man versucht deutlich zu machen, welche Relevanz Musik für eine Stadtgesellschaft hat. Die Stadt plant ja, das Thema weiterzuentwickeln, um diesen Titel dann wieder mit mehr Geld unterfüttern zu können. Man muss das Thema halt erst einmal politisch bespielen – dann kann dieser Titel perspektivisch schon auch ein Hebel sein. Je nachdem, wie Politik am Ende priorisiert. Da sind wir gerade in einer schwierigen Situation. Es wurde schon immer gesagt, dass es kein Geld gibt. Gerade scheint die Situation aber besonders schwierig zu sein. Eine Möglichkeit, damit umzugehen, ist, wie Andreas sagte, irgendwie zu gucken, dass wir andere Allianzen und Wege finden, Mittel für Kultur zu akquirieren – und zu derdeutlichen, wofür Kultur relevant ist. Ich würde aber immer sagen: Man darf trotzdem die politische Ebene nicht aus der Pflicht nehmen.

Was unterscheidet eine Hannover von von anderen Städten?

SH: Also aus so einer Innenperspektive der Musikszene in Hannover würde ich betonen, dass Hannover musikalisch irgendwie Raum für alle bietet. Es gibt für alles irgendwie so eine Nische und das zeichnet Hannover aus. Und Hannover hat im Gegensatz zu Berlin oder Hamburg sehr kurze Wege. Also wenn man einmal drin ist in dieser Szene, dann lernt man sehr schnell viele andere Leute kennen und begegnet sich immer wieder. Und gerade erlebe ich, dass immer mehr Verbindungen entstehen, auch über Genres hinweg, weil viele Menschen besorgniserregenden Kulturkürzungen irgendwie entgegentreten wollen. Das kann nicht jeder für sich machen.

AB: Da kann ich absolut beipflichten. Hannover ist gefühlt sehr familiär, sehr unterstützend, wenig Konkurrenz oder Neid … Und Hannover hat ja zum Teil den Titel bekommen, weil eine Studie zeigte, dass prozentual die meisten Leute von Musik leben. Ich weiß aber nicht, ob auch die Musikindustrie einbezogen wurde …

SH: Hannover hat natürlich musikwirtschaftsmäßig gesehen tatsächlich eine spannende Vergangenheit

AB: Alle Audio-Erfindungen wurden in Hannover gemacht oder umgesetzt. Hannover wird da immer unterschätzt …

Der Schallplattenspieler …?

SH: Das MP3 auch …

AB: Die ersten CDs wurden auch hier in Langenhagen gefertigt.

Noch ein Abschlusswort?

SH: Auf Konzerte gehen …?

AB: Ja. Lokal Leute unterstützen, Neues ausprobieren, gucken, wer in Hannover unterwegs ist, und die noch mehr nach vorne bringen … Denn es gibt jede Menge tolle Leute in Hannover; eine grandiose Vielfalt von Musik! CK

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Der Freundeskreis im Gespräch

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Der Freundeskreis im Gespräch



Im Theater „die hinterbuehne“ treffen an diesem Abend Thommi Baake, Cody Stone, Maria vom ZauberSalon und Julia und Christina vom Verein Flunderboll e.V. aufeinander. Sie alle eint das Leben im Theater und die Liebe zur Bühne – vor allem zur hinterbuehne.

Stellt euch alle einmal vor – wer seid ihr und was macht ihr so?

die hinterbuehne: Wir sind Julia und Christina. Wir sind Teil der hinterbuehne auf der Hildesheimer Straße – ein Veranstaltungsort für regionale und überregionale kleinere Theaterbesetzungen, Comedy, Zauberei. Alles, was auf die Bühne möchte, kann sich hier bei uns versuchen. Getragen wird das Ganze von dem von uns personenidentisch geführten Verein Flunderboll e. V. 2005 haben wir uns entschlossen ein eigenes Haus zu gründen und 2006 haben wir das Ganze fertiggestellt. Früher war das hier eine alte Lichtpausfabrik, die wir umgebaut haben …

Tommi Baake: … Die ihr selbst umgebaut habt …

HB: … die wir selbst komplett in Eigenarbeit umgebaut haben. Zu einer Bühne, die komplett unabhängig und frei ist. Wir nehmen keinerlei öffentliche Gelder in Anspruch und alle Arbeiten werden ehrenamtlich übernommen. Nur die Künstler bekommen eine Gage. Deswegen sind wir auch immer darauf angewiesen, dass sich neue Leute für uns interessieren und Lust haben, Hand anzulegen – was auch immer im Verlauf daraus wird. Das Ganze läuft sehr auf einer Vertrauens- und freundschaftlichen Basis. Wir sind ein 85-Plätze-Theater und in der Theatersaison finden bei uns 2-3 Vorstellungen in der Woche statt, es können auch mal vier sein. Wir haben hier komplett wechselnde Programme und bewährte Darsteller. Wir freuen uns über die gute Zusammenarbeit, gerade mit denen, die uns schon jahrelang begleiten – wie Cody mit seiner Zaubershow, Thommi und der ZauberSalon im Zwo, unserer zweiten Bühne.

Cody Stone: Mein Name ist Cody Stone und ich bin Zauberkünstler. Die hinterbuehne ist quasi mein zweites Zuhause. Schon seit 2005 bin ich mit Flunderboll verbunden. Bei der Eröffnungsshow 2006 bin ich auch gleich dabei gewesen. Und dann ging das so weiter. Inzwischen habe ich hier sogar mein eigenes Lager, um Requisiten parken zu können.

HB: „Stonehenge.“ (Lacht.)

CS: Genau. Hier habe ich über die Jahre hinweg immer wieder diverse Shows präsentiert. Seit 2021 präsentiere ich hier meine monatliche Show immer donnerstags, und seit 2024 donnerstags und freitags. Mein zweites Zuhause, denn wenn ich nicht gerade eine Show präsentiere, dann bin ich hier am Proben. Ich bin hier wirklich ständig, alle paar Tage. Ich fühle mich hier einfach sehr wohl – das höre ich auch immer von meinen Zuschauern: was das für eine schöne Atmosphäre hier sei, wie familiär und gemütlich es sei. Man merkt von vorne bis hinten, wie liebevoll das hier alles gestaltet ist. Man hat mir in den letzten Jahren hier so viel anvertraut, ich habe einen eigenen Schlüssel und darf hier immer rein. Das ist echt großartig, als Künstler sowas zu haben. Also das ist fast wie ein Sechser im Lotto. Die hinterbuehne ist bei mir im Leben ein sehr wesentlicher Anlaufpunkt, neben meinem Zuhause.

Maria vom ZauberSalon: Ich bin Maria, eine von drei Orga-Personen aus dem ZauberSalon, der eigentlich nicht in der hinterbuehne stattfindet, sondern im Béi Chéz Heinz. Wir sind eine Ausprobierbühne für alle möglichen Zauberkünstler, von Hobby bis super professionell hat man da alles. Jeder darf gerne kommen und sich bei uns auf die Bühne stellen.Und wir haben ebeneine Kooperation mit der hinterbuehne seit 2016 und machen dort die Close-Up-Lounge im Zwo, die Heiko Wiese hier eröffnet hat. Das ist ein ganz kleines Theater, 25-30 Plätze – man sitzt also ganz nah am Zauberkünstler und kann dem die ganze Zeit auf die Finger gucken. Die Art Theater gibt es – ich habe mir das hoffentlich richtig gemerkt – nur acht Mal in Deutschland. Es ist sehr, sehr selten. Im Zwo findet das einmal im Monat statt. Und auch bei uns läuft alles ehrenamtlich, nur die Zauberkünstler in der Close-Up-Lounge erhalten eine Gage.

TB: Ichbin Thommi Baake und auch einmal im Monat hier mit der„Super 8 Show.“ Dafür habe ich zwei alte Projektoren, die ich hier auch abstellen darf – aber zu einem eigenen Schlüssel hat es nicht gereicht (lacht). Mit zwei alten Projektoren zeige ich fünf Kurzfilme auf altem Filmmaterial – skurril, trashig, schön, aus den 50er- bis 70er-Jahren. Dazu mache ich Kleinkunst. Also sprich, ich schreibe intellektuelle Filmkritiken zu Filmen, die heißen: „Udo bekommt einen neuen Anorak“ oder singe Beatles auf Niederländisch zu Beatles-Filmen. Diese Show mache ich seit 2001 mit bundesweit 340 Vorstellungen. Ich habe wirklich viele Theater durch – Haus der Jugend, Theater in der List, das Künstlerhaus. Die anderen Orte waren auch sehr schön, allerdings ist es hier wie ein zweites Zuhause. Nun wohne ich ja in der Südstadt und kann fast hierher laufen. Würde ich nicht als Künstler so unheimlich viel damit zu tun haben, zu überleben, dann würde ich hier wahrscheinlich auch ehrenamtlich arbeiten. Es ist ein wunderschöner Ort. Die Leute, die hier schon mal waren, kommen im Durchschnitt auch wieder, weil das einfach so ein warmer, schöner Ort ist.

Cody, wie kommt man denn auf die Idee, mit dem Zaubern Geld zu verdienen?

CS: Am Anfang war es nicht das Geld verdienen als solches, sondern einfach, dass aus meinem Hobby eine Leidenschaft wurde. Ich habe angefangen mit dem Zauberkasten, den ich zu Weihnachten bekommen habe, da war ich sechs Jahre alt. Dann habe ich die ganzen großen Magier im Fernsehen gesehen – Siegfried und Roy, David Copperfield und so weiter, die in Las Vegas und sonst wo aufgetreten sind. Ich erfülle mir jetzt mehr und mehr diese ganzen Träume, die dieser Junge, der Sechsjährige, hatte, weil er die großen Magier gesehen hat. Der sich sagte: Okay, sowas will ich auch mal machen. Das war dann auch immer das große Thema zwischen meinen Eltern und mir. Die Eltern, die sagen, du sollst erstmal was Vernünftiges lernen. Und dann der kleine Bub, der Zauberkünstler werden will. Ich wollte schon immer einen Beruf, der mir Spaß macht. Das Schöne ist einfach, wenn man dann damit auch noch Geld verdienen kann. Das ist natürlich großartig. Ich kann mir nichts anderes vorstellen.

Zauberei spielt ja auch bei dir, Maria, eine große Rolle. Wie bist du zum ZauberSalon gekommen?

MZS: Ich bin selber hobbymäßig Zauberkünstlerin. Ich habe nicht mit sechs, sondern irgendwie mit Ende zwanzig damit angefangen. Als ich 2012 nach Hannover gezogen bin, bin ich durch einen Zufall tatsächlich direkt zum ZauberSalon gekommen. Mich hat jemand mitgenommen, der meinte: Du zauberst doch selber, hier gibt es so eine coole Veranstaltung. Lustigerweise stand ich doof am Tresen rum und Heiko Wiese, der Gründer vom ZauberSalon hat mich angesprochen: Mensch, ich habe dich noch gar nicht hier gesehen, zauberst du eigentlich auch? Dann hat sich das sehr schnell ergeben, dass Heiko mich zum Ortszirkel vom Magischen Zirkel von Deutschland mitgenommen hat. So war ich dann in der Zauberszene. Als Heiko vor zwei Jahren meinte, er möchte nur noch die Close-Up-Lounge machen und mit dem ZauberSalon aufhören, habe ich gesagt: Das geht nicht! Das ist meine Stammbühne. Dann habe ich zum Glück noch zwei Mitstreiter*innen gefunden, die gar nichts mit Zauberei am Hut haben. Seitdem übernehmen wir das zu Dritt. Vorletztes Jahr im Oktober konnten wir im Béi Chéz Heinz den ZauberSalon nicht machen und dann haben wir mit Utz gesprochen und der hat uns ermöglicht, die Show hier auf der Bühne zu veranstalten. Oder in Corona haben wir hier Shows aufgezeichnet. Von daher ist Utz ein wichtiger Name, weil er eigentlich immer der Ansprechpartner ist.

HB: Im organisatorischen Zentrum, der Künstlerauswahl, die Kulissen, das Licht – Utz Rathmann ist hier ein Name, der fallen muss.

TB: Wir segnen ihn. Der Mann, der alles möglich macht.

HB: Das ist der, der den Laden hier zusammenhält. Wir sind heute nur hier, damit Utz endlich mal einen freien Abend hat.

Thommi, du hast mit der Zauberkunst erstmal nichts zu tun – nur in der Sesamstraße hast du einmal einen Zauberer gespielt – worin liegt der Zauber in deinen Shows?

TB: Ich habe mal ein Riesenkompliment bekommen von Wolfgang Grieger, der gesagt hat: Das Spiel mit dem Publikum, die Improvisation, hätte ich zur Perfektion getrieben. Und das ist das, was mich unter anderem ausmacht. Daneben spreche ich vier, fünf Dialekte, schlüpfe in verschiedene Rollen. Wenn keiner was reinruft, bin ich unglücklich. Das Spiel mit dem Publikum reizt mich total. Und das ist so über die Jahre entstanden. Ich gehe jetzt mal einen Schritt zurück: Ich war beim Wandervogel, der ältesten Jugendbewegung Deutschlands. Und da habe ich zum ersten Mal Theater gespielt. Dann wollte ich Schauspieler werden, habe mich zehnmal an der Schauspielschule beworben – und wurde zehnmal abgelehnt. Seitdem habe ich x Soloprogramme gespielt, habe mit anderen Leuten zusammengearbeitet – Thema ist immer Improvisation, Musik, Singen, Quiz, alles Mögliche. Es ist immer ganz vielfältig. Was mein größtes Pfund ist, ist auch meine größte Tragik. Ich mache alles bis auf Ballett und bildende Kunst. Ich bin aber nicht greifbar. Ich mache Walk-Acts, schreibe Kinderbücher, lese in Grundschulen, mache Theater, Comedy, Musik, Filme seit neustem. Es macht so einen Riesenspaß, so viel zu machen.

Euch alle eint dieser Ort, die hinterbuehne und das ZWO. Was ist das besondere an diesem Theater?

HB: Als sich die Athanasius Gemeinde veränderte – dort in der Kirche hatten wir vorher veranstaltet –, gingen wir mit dem Theater raus. Ich denke, es färbt bis heute auf die hinterbuehne ab, dass wir dann mit sieben, acht Leuten bei uns im Wohnzimmer gesessen haben und gesagt haben: Was machen wir denn jetzt? Weil wir eigentlich ein freies Theater waren und insofern aus der Rolle fielen, dass wir nicht die klassischen Stücke gespielt haben. Unsere Autor*innen leben noch alle. Es war unheimlich viel Kunst dabei, und die Leute gingen raus, waren immer etwas verwirrt, aber doch kulturell bereichert. Was können wir jetzt Blödsinniges machen? Das Blödsinnigste, das uns einfiel, war: Wir wissen zwar nicht, wie das geht, wir machen jetzt mal ein eigenes Haus! Das hier ist unser Baby, keine Konzeptgestalt, die irgendwo durchgeprüft wurde. Wir staunen immer noch, dass das geklappt hat und ich staune noch mehr, dass wir nächstes Jahr 20 mit der hinterbuehne werden. Wir möchten, dass dieses Staunen weitergeht – auch deswegen brauchen wir weiter Hilfe. Wir müssen uns, wenn man uns ansieht, verjüngen (lacht).

TB: Man fühlt, dass das hier wirklich eine Herzenssache ist. Ich trete jetzt seit 1988 bundesweit auf – was für Gurken ich schon erlebt habe. Keine Anlage, kein Licht, unfreundliche Typen. Aber hier: ich sag’ einfach nur mal das Wort „Wärme“. Die Wärme, das Menschliche. Gerade erlebe ich schon viele Oberflächlichkeiten. Und hier kommst du her, kriegst immer eine Umarmung, professionelle Technik. Alles super!

CS: Alles herzlich! Und das merkt man von vorneherein. Das hat einen ganz tollen Flair! Wie gesagt, das höre ich auch immer wieder von meinen Zuschauern: Wie gemütlich es hier einfach ist, wie ein zweites Wohnzimmer. Das macht sehr viel aus!

HB: Und die sensationellen Preise an der Bar …

TB: Tee ein Euro, hallo?

HB: Was wirnatürlich auch nur dadurch halten können, dass wir mit Ehrenamtlichen arbeiten.

MSZ: Aber genau das ist ja auch ein Wohlfühlfaktor! Dass Zuschauer keine 50 Euro für drei Getränke ausgeben müssen. Das macht einfach ein gutes Gefühl, wenn ich weiß, ich habe einen schönen Abend und habe noch drei Euro mehr im Portemonnaie. Hier geht es, gerade weil hier viel Ehrenamt dahintersteckt, immer um die Kunst. Es geht nicht darum, ganz viel Geld zu verdienen und sich daran zu bereichern, sondern eben darum, vielseitige, coole Kunst anzubieten.

HB: Außer den Künstlern verdient hier keiner was.

TB: Und wir müssen …

Maria: Ja, klar! Aber das macht es aus. Der Fokus liegt hier wirklich auf der Kunst und eben auch auf Kunstformen, die oft gar nicht so super präsent sind in der Gesellschaft. Und auch bei den Zuschauern liegt der Fokus nicht auf dem Geld. Klar, die wissen, dass die Künstler damit was verdienen und trotzdem habe ich das Gefühl, dass die Leute das nicht so empfinden, als wäre das hier ein steifer Opernabend. Die Zuschauer empfinde ich hier als deutlich lockerer als bei vielen anderen Bühnen, weil sich das natürlich überträgt.

HB: Die dürfen auch die Gläser mit reinnehmen. Und die Jacken. Ich denke schon, dass es diese Mischung ist. Es ist professionell, die Künstler sollen und müssen was verdienen. Aber den ganzen Rest, das wollen wir bereitstellen. Das ist einfach unser Ding. Das leisten wir uns.

MSZ: Ja, und das funktioniert nur, weil ihr daran Spaß habt.

Warum ist ein Ort wieder dieser, gerade aktuell, so wichtig?

CS: Heutzutage werden die Leute bombardiert mit negativen Nachrichten überall, ob Social Media, Fernsehen oder sonst wo. Da ist ein Ort gut, wo man die Menschen abholen und ablenken kann, damit die das andere auch mal ausblenden. Und wenn es dann auch noch so liebevoll ist … Ich merke das, wenn ich dann hier nach der Show stehe und die Leute mit einem so positiven Gefühl und Lächeln rausgehen – was will man denn mehr?

MZS: Auch, dass man zusammenkommt, das ist total wichtig. Wie viele Leute vereinsamen heute? Gerade im Zwo, weil das so klein ist, kommen die Leute super schnell ins Gespräch, quatschen in der Pause miteinander. Es ist ja auch ein Begegnungsort – und zwar nicht nur mit dem Künstler auf der Bühne, sondern auch die Zuschauer begegnen sich, die Leute am Tresen, man unterhält sich. Das hat durchaus einen Einfluss auf die Menschen, die vielleicht sonst nicht so viel Sozialleben haben. Das ist ganz wichtig: Dieses Eintauchen in eine komplett andere Welt, die Realität einmal ausblenden für zwei Stunden und einfach mal genießen – ohne an irgendwas anderes denken zu müssen.

Jule Merx

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Fenja Ruhmann und Carolin Stolle

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Fenja Ruhmann und Carolin Stolle



Diesen Monat waren wir im Gespräch mit Fenja Ruhmann vom Jugendblasorchester Seelze und Carolin Stolle vom Hannoverschen Oratorienchor. Gesprochen haben wir über das Jahresprogramm, aber auch über Anforderungen an die Mitglieder, die Resonanz beim Publikum und – nicht bloß finanzielle – Hürden …

Stellt euch doch einmal vor …
Fenja Ruhmann: Ich bin Fenja Ruhmann vom Jugendblasorchester Seelze. Der Name ist etwas irreführend, denn so jugendlich sind wir nur noch in Teilen. Aber wie das so ist: Bei der Namensfindung hat man damals nicht darüber nachgedacht, dass man vielleicht länger zusammenbleibt. Und „damals“
heißt: 1994. Da suchte eine Gruppe von Abiturientinnen eine neue musikalische Heimat, nachdem sie ihr Abitur am Georg-Büchner-Gymnasium in Seelze/Letter gemacht hatten und damit aus dem Schulorchester ausgeschieden waren. Deshalb haben sie in der Konsequenz das Jugendblasorchester Seelze gegründet; damals noch als kleinen Verein mit nur einem Orchester. 2024 haben wir nun 30-jähriges Jubiläum gefeiert, zählen mittlerweile 230 Mitglieder und bestehen aus vier Orchestern: Keines heißt Jugendblasorchester Seelze, das ist unser Verein als gemeinsamer Rahmen. Zum einen gibt es das Modern Sound[s] Orchestra (MSO), ein großes sinfonisches Blasorchester. Das besteht ungefähr aus 65 Musizierenden. Zudem gibt es die YoungStars. Das sind um die 35 Jugendliche und jung gebliebene Erwachsene. Die Unterscheidung der zwei Orchester ist keineswegs hierarchisch, vielmehr handelt es sich um alternative Orchester mit leicht unterschiedlicher Ausrichtung. Es gibt auch Leute, die in beiden Orchestern spielen. Und dann haben wir noch einen großen Ausbildungsbereich: die Bläserakademie. Mit dem Projekt „Musik macht stark“, das inzwischen im zwölften Durchgang ist, geben wir Kindern und Jugendlichen unabhängig von der finanziellen Situation ihrer Eltern die Möglichkeit, ein Instrument zu erlernen. Das sind im Schnitt rund 30 Kinder, die pro Jahr starten, zunächst die Instrumente kennenlernen und sich dann überlegen, welches sie gerne spielen würden. Wir kooperieren da mit den Grundschulen vor Ort. Und wenn die Kinder dann weitermachen wollen, dann bieten wir ihnen auch nach dem Projekt in unserer Bläserakademie die Möglichkeit, weiterhin Unterricht zu nehmen und Orchestererfahrung zu sammeln – durch Zuschüsse des Vereins vergünstigt. Zudem bieten wir die Instrumente zur Miete oder als Mietkauf an. Somit versuchen wir, die musikalische Ausbildung möglichst unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten in der Familie zur Verfügung zu stellen. Im Orchesterbereich der Bläserakademie haben wir eine Junior-Band für die Jüngeren und ein Jugendorchester für die schon etwas Fortgeschrittenen. Bei entsprechender Motivation und Spielpraxis rücken sie dann im besten Fall nach und nach in die zwei großen Orchester auf.

Carolin Stolle: Das hätte ich jetzt gar nicht gedacht, interessant … denn unter dem Namen stelle ich mir ehrlicherweise eher eine „Blaskapelle“ vor…

FR: Ja! Und es hat auch eigentlich nichts mit Marsch oder Polka zu tun. Ganz selten spielen wir mal einen Konzertmarsch, aber eigentlich geht es vor allem um Originalkompositionen für sinfonisches Blasorchester, ergänzt um Musical-, Rock- und Pop-Arrangements sowie Transkriptionen „klassischer“ Werke, die ursprünglich für Sinfonieorchester komponiert worden sind

… Also weit entfernt von dem, was man sich klassisch unter einer Blaskapelle vorstellt. Es ist doch relativ anders … Und du bist dort …

FR: … für die Kommunikation im Verein zuständig: Referentin Kommunikation heißt das bei uns im Vorstand. Im MSO spiele ist selbst auch Klarinette und habe früher auch bei den YoungStars mitgewirkt. Ich bin schon seit 2002 dabei und habe damals mit dem Klarinettelernen im Verein angefangen. Das war noch vor „Musik macht stark“, aber zu dem Zeitpunkt begannen die ersten Überlegungen zum Aufbau einer eigenen Ausbildungsarbeit, um langfristig Nachwuchs sicherzustellen. Seitdem bin ich immer engagiert im Verein gewesen, habe dann „offiziell“ für den Vorstand kandidiert und bin jetzt schon ziemlich lange gemeinsam mit einem Team für die Kommunikation zuständig: intern – also Newsletter u. s. w. – und extern, insbesondere für die Pressearbeit in Bezug auf Vor- und Nachberichterstattung von Konzerten und Projekten.

Kommen wir zu dir …

CS: Ich bin Carolin Stolle und schon seit 2011 Vorstandsvorsitzende des Hannoverschen Oratorienchors. Wir sind einer der traditionsreichsten gemischten Konzertchöre hier in Hannover – und vermutlich sogar in ganz Deutschland. Unsere erste Aufführung reicht ins Jahr 1802 zurück, noch unter dem Namen „Singakademie“. Ein paar Namenswechsel und Jahrhunderte später sind wir ein eingetragener Verein, der alles selbst organisiert und finanziert, d. h. von der Raummiete für unsere Proberäume über das Honorar für unseren Dirigenten bis hin zu unseren Konzerten. Wir sind etwa 80 Mitglieder und fest im hannoverschen Konzertleben verankert. Vom Repertoire her decken wir – wie der Name sagt – das groß besetzte romantische Werk ab, aber auch das schlank geführte barocke Oratorium, sowie die moderne A-cappella-Chorimprovisation. Wir sind immer sehr daran interessiert, spannungsreich das Alte mit dem Neuen zu verbinden. An neuen Kompositionen haben wir auch schon das ein oder andere uraufgeführt. Und 2026 werden wir – und da freuen wir uns bereits ganz besonders darauf – ein für uns exklusiv von Oliver Gies komponiertes klassisches Werk uraufführen. Gies ist der Kopf von Maybebop und sehr erfolgreicher Komponist und Arrangeur in der Chorlandschaft. Wir sind schon sehr gespannt – weil das ja einfach etwas ganz anderes wird als so ein Brahms oder ein Händel.

Plant ihr denn in zwei Jahren irgendwas? Jubiläumsmäßig?

CS: 2026 haben wir jetzt fertig geplant und demnächst gehen wir 2027 an. Was bereits fest steht ist ein erneuter Choraustausch mit der Bristol Choral Society – Bristol ist ja die Partnerstadt von Hannover – 2022 haben wir hier in Hannover gemeinsam „Ein deutsches Requiem“ von Brahms aufgeführt. Von der Größe und vom Repertoire her ist das ein Chor wie unserer. Im letzten Jahr gab es den Gegenbesuch mit gemeinsamen Konzert in Bristol. Und 2027 – das ist gesetzt – kommen sie wieder zu uns – und wir werden dann sicherlich unser 225.Jubiläum ordentlich feiern. Welches Stück wir uns gönnen ist noch nicht final geklärt, da gehen wir jetzt in die Planung.

Was muss man denn mitbringen, wenn man bei euch mitmachen möchte?

CS: Wenn man mitsingen möchte, muss man auf jeden Fall Zeit mitbringen. Wir proben einmal die Woche außerhalb der Schulferien. Allerdings gibt es auch Probewochenenden. Notenkenntnisse sind wichtig und eine gewisse stimmliche Qualität.

FR: Ist das dann ein richtiges Probesingen?

CS: Ja, es gibt ein richtiges Vorsingen, mit Vorbereitung eines Stücks. Und da sind alle Stimmenkoordinatorinnen, Chorleiter und Stimmbildnerin mit dabei. Aber trotzdem sollte man keine Sorge haben, wir suchen da nicht „Deutschlands nächsten Superstar“. Wir wollen allerdings eine gewisse
Qualität sicherstellen.


FR:
Bei uns sind es der Spaß an der Musik und das entsprechend passende Instrument: alle Blasinstrumente und vor allem auch Schlagwerk. Wirsind ja ein sinfonisches Blasorchester, das heißt Querflöten, Klarinetten, Fagotte, Oboen, Saxofone, Trompeten, Hörner, Posaunen, Euphonien,
Tuben u. s. w. Einen Kontrabassisten und einen Pianisten findet man auch in unseren Reihen. Zudem gibt es viel Schlagwerk. Insbesondere hier, aber auch grundsätzlich in vielen anderen Registern freuen wir uns immer wieder über Neuzugänge. Bei Interesse genügt eine kurze E-Mail an vorstand@jbo-seelze.de. Wir haben durch unsere verschiedenen Orchester auch verschiedene Ausbildungs- oder Anspruchsstufen und bieten so für viele Leute eine musikalische Heimat. Und dann schnuppert man in ein paar Proben
rein, spricht mit dem Dirigenten oder der Dirigentin und schaut, ob es von beiden Seiten passt … Und wenn es in dem konkreten Orchester dann nicht passen sollte, finden wir meist eine Alternative.


Vielleicht könnt ihr mal umreißen, was einen bei euch 2025 so erwartet?


FR: Mit dem Modern Sound[s] Orchestra haben wir gerade erfolgreich unsere Neujahrskonzerte im Theater am Aegi in Hannover und in der Alten Exerzierhalle in Celle gespielt. Im Mai steht dann ein Konzert mit dem Gastdirigenten Miguel Etchegoncelay auf dem Plan: ein gebürtiger Argentinier,
der in Straßburg lehrt. Da freuen wir uns schon richtig drauf. Das machen wir alle paar Jahre immer mal wieder, dass man zusätzliche Impulse von jemand anderem bekommt. Die Stückauswahl steht noch nicht ganz fest, aber es wird voraussichtlich viel Lateinamerikanisches geben. Dann
sind wir auch bei den Kunstfestspielen Herrenhausen dabei. Am Himmelfahrtswochenende
sind wir eines von vier Orchestern, die gemeinsam die „Parkmusik“ des österreichischen Komponisten Georg Friedrich Haas in den Herrenhäuser Gärten aufführen – das wird die deutsche Uraufführung
dieses Werkes sein. Und im September haben wir eine Kooperation mit dem Sinfonieorchester musica assoluta: Die kam witzigerweise im Ursprung über ein ebensolches Stadtkind-Interview wie dieses hier zustande. Damals war mein Gesprächspartner Thorsten Encke, der Leiter von musica assoluta,
und der Kontakt ist erfreulicherweise geblieben. Und jetzt passt es, dass wir etwas zusammen machen. Zudem waren wir im November mit dem MSO im Tonstudio und haben vier Stücke aufgenommen, die auch bei unseren Neujahrskonzerten zu hören waren. Seitdem kann man die Aufnahmen auch
als neue CD – inklusive Downloadlink für alle ohne CD-Player – käuflich erwerben. Die YoungStars haben auch zwei große Konzerte; eins im Juni und eins im November. Und unsere Ausbildungsorchester haben ebenfalls ein Sommerkonzert im Juni und ein Weihnachtskonzert.


CS: Ich rolle unser Programm mal von hinten auf: Wir geben unser traditionelles Adventskonzert in der Gartenkirche am 2. Advent. Dieses Mal wird eine Messe von Marc Antoine Charpentier aufgeführt: eine Messe, die zurückgreift auf weihnachtliche Volkslieder. Wir ergänzen diese mit alten französischen Weihnachtsliedern. Der Eintritt ist wie immer frei, um auch Menschen ein Konzerterlebnis zu ermöglichen, die sich sonst so etwas vielleicht nicht leisten können. Darüber hinaus nehmen wir in diesem
Jahr vor allem an Gemeinschaftsprojekten teil: Wir werden im Juni bei The Public Domain von David Lang auf dem Opernplatz mitmachen: Am 1. Mai findet im NDR Sendesaal ein Konzertprojekt mit hannoverschen Chören im Rahmen des Kirchentages statt, „Stabat Mater“ von Antonin Dvořák.
Am 24. Februar werden wir wieder, ebenfalls mit hannoverschen Chören, beim Benefizkonzert für die Ukraine in der Marktkirche dabei sein. Und parallel fangen wir auch schon an, für 2026 zu proben. Und dann ist das Jahr auch schon rum …


FR:
Wir hatten vor knapp drei Jahren auch eine Uraufführung von einem Auftragswerk. Das ist immer sehr spannend.


CS: Ja, total. Oft ist es ja so, dass man während der Probephase ein Stück anhört, um die Architektur schneller zu verstehen. Aber bei Uraufführungen kann man das nicht, manchmal müht man sich ab und ist dann ganz überrascht, wie toll es am Ende wird.

FR: Wir waren beim Entstehungsprozess genau in der Corona-Zeit, hatten dann aber mit dem Komponisten Bert Appermont – einem Belgier, der in der sinfonischen Blasorchester-Szene ein sehr bekannter Komponist und Dirigent ist – tatsächlich auch eine Online-Session: Er saß am Klavier und
hat uns erste Fragmente vorgespielt. Dabei erklärte er seine Ideen, die ihn inspiriert hatten. Das war wirklich schön, dass man so ein bisschen diesen Entstehungsprozess mitbegleiten konnte.


Corona liegt ja mittlerweile schon ein bisschen zurück: Hat sich das eigentlich
wieder gefangen, was die Resonanz betrifft, die man erhält?


CS: Naja, wir haben das Jahr danach die Auswirkungen immer noch gespürt. Die Nachfrage der Konzerte, wenn man nur den halben Saal voll bekommt, wirkt sich massiv auf die Finanzierung aus. Das hat sich jetzt aber wieder normalisiert.


FR: Ich würde auch sagen, dass man das am Anfang gemerkt hat. Jetzt hat es sich wieder normalisiert und es ist uns da eigentlich nichts weggebrochen, wie man es ja von Sportvereinen oft gehört hat. Wir haben es aber im Kinder- und Jugendbereich ein bisschen gemerkt, was das Strukturieren der Zeit betrifft: Gerade in den Anfängen, wenn sie noch an der Grundschule sind, ist tatsächlich so ein bisschen zu merken, dass es nicht so dieses Gefühl für die Verpflichtung gibt, die man letztlich auch eingeht.


Gibt es denn irgendwas, das ihr euch wünschen würdet für die Zukunft? Irgendeine
Art von Verbesserung, Unterstützung, von der ihr denkt, das wäre eigentlich
mal angebracht?


FR: Also die Finanzen fallen einem einfach als erstes ein, weil man ja als Verein, der alles selbst trägt, zusehen muss, dass finanziell alles im Rahmen bleibt. Da ist es schon so, dass es manchmal eine Herausforderung ist, hier in Hannover und der Region Konzertsäle zu finden, die genug Platz für
Mitspielende und Instrumentarium auf der Bühne sowie für das Publikum vor der Bühne bieten. Wir brauchen eine passende Akustik und am Schluss muss es für einen Verein bezahlbar sein. Es gibt zwar teilweise Säle, die für gemeinnützige Vereine etwas günstiger sind, aber es ist trotzdem unsere
härteste Rechnung: Wie voll kriegen wir den Saal? Wie hoch müssten die Kartenpreise sein, die wir auch nicht immer höher ziehen wollen?


CS: Ja, da stimme ich dir vollkommen zu. Aber trotzdem möchte ich einmal lobend die Zusammenarbeit mit der Stadt und insbesondere mit dem Kulturbüro erwähnen. Das ist ein toller Ansprechpartner für uns Kulturinstitutionen. Daran merkt man, dass Hannover UNESCO City of Music ist, weil wirkliches Interesse vorhanden ist. Außerdem wünsche ich mir mehr mutige Männer. So ein Verein lebt vor allem von seinen Mitgliedern und da würde ich mir mehr Zuwachs, eben insbesondere bei den Männerstimmen
wünschen. Im Moment sind wir gut aufgestellt, aber es könnte mehr nachkommen. CK

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Barbara Sommer und Amanda Reich

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Barbara Sommer und Amanda Reich


Diesen Monat waren wir im Gespräch mit Barbara Sommer, der neuen Geschäftsführerin vom Freundeskreis Hannover, und Amanda Reich, Werkstudentin und Projektkoordinatorin. Gesprochen haben wir über den Umschwung beim Freundeskreis und auch über den kürzlich verliehenen Stadtkulturpreis.

Stellt euch doch zu Beginn einmal vor …

Amanda Reich: Ich bin Amanda Reich, gebürtige, stolze Hannoveranerin. Ich liebe Hannover! Ich studiere Kulturwissenschaften und schreibe gerade meine Bachelorarbeit. Ich bin über eine Anzeige zum Freundeskreis gekommen. Ich wollte unbedingt Erfahrungen im Projektmanagement sammeln. Ich hatte mich schon viele Jahre ehrenamtlich engagiert und u. a. die Black Lives Matter Demo 2020 organisiert. Bei meinem Vorstellungsgespräch stellte sich heraus, dass die damalige Geschäftsführerin Katharina Sterzer damals für den Sicherheitsplan zuständig war. Und so konnte ich meine Leidenschaft zum Job entwickeln. Vor zwei Monaten bin ich dann auch als Mitglied in den Freundeskreis eingetreten. Es lohnt sich auf jeden Fall, hier Mitglied zu sein, das weiß ich durch meinen Blick hinter die Kulissen

Barbara Sommer: Ich bin gebürtige Münchnerin, nach dem Jurastudium in Göttingen bin ich noch weiter in den Norden vorgerückt und der Liebe wegen in Hannover gelandet. Mein erster Arbeitgeber war die Deutsche Messe AG. Ich habe während des Studiums schon immer viel im Veranstaltungsbereich gearbeitet. Dafür habe ich gebrannt und auch ich habe die Leidenschaft zum Beruf gemacht. Über verschiedene Schritte bin ich 2009 zur Conti gekommen: Dort habe ich erst einmal in der Presseabteilung und später dann im internationalen Veranstaltungsmanagement gearbeitet. Von Lappland bis Süditalien, von Portugal bis Ungarn haben wir Veranstaltungen geplant und umgesetzt. Das war eine tolle, sehr lehrreiche Zeit, aber auch sehr anstrengend durch die Doppelbelastung mit zwei Kindern zu Hause. In der Corona-Zeit, bei 100% Kurzarbeit, ist mir nach 13 Jahren bewusst geworden, dass es Zeit für eine Veränderung wird. Ich habe mich auf mich besonnen und viele private Projekte angeschoben, die ich schon immer machen wollte, habe viel ehrenamtlich gearbeitet: in der Obdachlosenhilfe, im Impfzentrum und im Gemeindecafe. Dann habe ich mich entschieden, meine Arbeitszeit zu reduzieren, und später, auszusteigen und mich mehr im Sozialen zu engagieren. Ich habe 1½ Jahre beim Freiwilligenzentrum gearbeitet und darüber auch die Stadtkultur kennengelernt und die ersten Netzwerke geknüpft. Ich bin dann angesprochen worden, ob ich mir vorstellen könnte, hier im Freundeskreis das entstandene Vakuum zu füllen. Ich hielt das für eine spannende Herausforderung und bin ins kalte Wasser gesprungen – und habe es bis jetzt auch nicht bereut.Ich bin erst seit September 2024 hier und finde es ganz spannend, jetzt einmal kurz zu bilanzieren. Denn in den drei Monaten ist wahnsinnig viel passiert

Wie ist es denn nach diesem Wechsel so gelaufen? Ist es zu Veränderungen gekommen, strebt ihr solche gezielt an?

BS: Es gibt zwei Aspekte bei der ganzen Sache: Einmal die Menschen, die jetzt am Start sind, da gibt es sowieso einen Umschwung, weil andere Menschen andere Herangehensweisen, Bezugsrahmen und Erfahrungsschätze mitbringen. Das haben wir jetzt beim Stadtkulturpreis schon gesehen, dass der in vielerlei Hinsicht ganz anders war, ohne dass wir das geplant hätten. Und dann die Dinge, die wir gezielt angehen, wie zum Beispiel eine Zukunftswerkstatt, um herauszufinden, was sich unsere Mitglieder wünschen und was wir schon gut machen. Wir starten mit einer Online-Umfrage. Und im nächsten Schritt haben wir zwei feste Präsenz-Termine, zu denen wir einladen, um ganz konkret, begleitet mit externer Hilfe, herauszufinden, wo die Reise hingehen soll.

AR: Ich würde noch ergänzen, dass man den Umschwung auf jeden Fall gemerkt hat, Ich bin ja jetzt fast zwei Jahre im Freundeskreis und habe das alles nochmals ganz anders wahrnehmen können. Ich war einfach überrascht, wie schnell ein Verein sich verändern kann, bzw. sich positiv entwickeln kann, mit den richtigen Menschen, die gemeinsam für eine Vision arbeiten. Barbara ist erst seit drei Monaten hier und ich sage ihr gefühlt jede Woche einmal, wie gut es tut, mit ihr zu arbeiten. Es macht unglaublich viel Spaß. Auch mit Hajo Rosenbrock und Konstanze Beckedorf, die im Vereinsvorstand sind.

Das ist ja nicht die einzige Resonanz, das einzige Feedback …?

BS: Da kommt natürlich viel Feedback, keine Frage. Und ich glaube, es ist tatsächlich durchweg positiv. Die Mitglieder haben darauf gewartet, dass etwas passiert, nach der Durststrecke, die es zu überbrücken galt. Und das hat Amanda ja auch ganz toll hingekriegt, mit den anderen Freiwilligen in der Geschäftsstelle. Die haben den Laden hier wirklich am Laufen gehalten, mit den Mitteln, die ihnen zur Verfügung standen. Aber es war keine Leitungsfunktion da. Niemand, der eine Idee von strategischer Ausrichtung hat.

AR: Es mangelte aber nicht nur an strategischer Ausrichtung, sondern auch an Teambuilding. Das hat hier total gefehlt.

Lastet dann auch Druck auf euch? Aufgrund einer Erwartungshaltung …?

BS: Nein. Ich bin mit einer großen Begeisterung für diese Aufgabe hier eingestiegen und die Voraussetzungen zu gestalten waren günstig. Wir haben die ersten drei Wochen damit zugebracht, auszumisten und uns eine Atmosphäre zu schaffen, in der die Arbeit Freude macht. Jeder hat seinen Teil dazu beigetragen und wir haben ein gutes Gespür füreinander bekommen. Wer kann was gut, wer übernimmt welche Aufgaben? Im nächsten Schritt haben wir dann analysiert, was es für Prozesse gibt, ob sie sinnvoll sind. Wir haben die Server aufgeräumt, die komplette Struktur umgestellt, Geld eingespart, Verträge überprüft … und geklärt, wie wir eigentlich finanziell dastehen. In den drei Monaten ist irrsinnig viel nach innen passiert; wir haben die Infrastruktur geschaffen, um nach außen wirken zu können. Das war jetzt erst einmal das Hauptaugenmerk: hier eine gute Basis zu haben

Wenn es durchweg positives Feedback gibt, heißt das, dass der Unmut, der zuvor in der Luft lag, nun komplett verschwunden ist …?

BS: Natürlich wird es immer Leute geben, die nicht ganz glücklich sind: Wenn du 1.000 Mitglieder hast, kannst du nicht alle glücklich machen. Aber ich bin in Kontakt gegangen mit den Menschen, die sich beschwert haben. Ich hatte den Vorteil, dass ich als unbeschriebenes Blatt eingestiegen bin, ohne Altlasten. Ich bin mit verschiedenen Menschen ins Gespräch gegangen, habe mich vorgestellt und war einfach ehrlich. Ich habe zugehört, unsere Idee von der Zukunft geschildert und sie gebeten, mitzugestalten und ihre Ideen einzubringen. Wir haben mit allen eine gute Gesprächsbasis gefunden. Ich freue mich über die Rückmeldungen von langjährigen Mitgliedern, wir können nur davon profitieren. Die Älteren sind sehr wichtig für uns. Zugleich gehen wir in eine digitale Zukunft: Wir wollen also auch jüngere Mitglieder animieren mitzumachen.

Ich arbeite hier im nächsten Jahr mit zwei jungen Frauen zusammen, die ihren Bundesfreiwilligendienst absolvieren und mit ihrer Sicht ungemein bereichern. Sie planen ein Instagram-Kampagne, gemeinsam mit Schüler*innen der Ricarda-Huch-Schule, mit der wir das junge Ehrenamt in den Vordergrund rücken wollen.

Wenn wir ein Bürgerverein sein wollen, dann müssen wir alle Zielgruppen in irgendeiner Form mitnehmen. Mit unseren Demokratiethemen klappt das schon gut: Mit den Demos, die wir anmelden, kriegen wir viel Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit.

Ihr erwähntet, dass der diesjährige Stadtkulturpreis anders verlaufen sei. Inwiefern …?

AR: Der vorletzte Stadtkulturpreis war ja auch mein erster Stadtkulturpreis. Aber Planung und die Organisation fielen sehr knapp und kurzfristig aus, es war also stressig. Es gab nicht so eine hohe Nachfrage wie 2024. Dieses Mal war es einfach besser, weil der Spirit im Team komplett anders war. Wir haben schon im August das „Save the Date“ rausgeschickt – und demnach konnten sich alle rechtzeitig anmelden. Wir waren sechs Wochen vorher schon ausgebucht. Es war diesmal schön anzusehen, wie glücklich die Menschen waren. Das Feedback war großartig. Man hat es auch auf den Fotos gesehen, dass die Leute Spaß hatten. Im Jahr davor gab es einfach viel Unzufriedenheit.

BS: Was uns sehr wichtig war – und das war auch die Vorgabe vom Vorstand –, ist der Umstand, dass es bei dieser Preisverleihung vor allem um die Preisträger*innen geht: diesmal Franziska Stünkel und Alina Zimmermann von wasmitherz e.V. Die Gewinner*innen: sollten im Mittelpunkt stehen. Und genauso war es. Wir haben uns auch als Team gut präsentiert. Die Gäste haben gemerkt, dass wir harmonieren. Wir gehen wertschätzend und auf Augenhöhe miteinander um. Das ist etwas, was wir positiv nach außen tragen. Mir war außerdem wichtig, dass der Freundeskreis mehr Sichtbarkeit bekommt. Wir als Freundeskreis verleihen den Stadtkulturpreis und unsere Sponsoren finanzieren ihn.Die Stadt hat damit gar nichts zu tun. Wir machen also im Prinzip Standortmarketing für die Stadt, ohne dass die sich daran beteiligt. Da dürfen wir schon auch präsenter sein.

Es geht dann bei der Preisverleihung nicht nur um die Preisträger*innen, sondern auch um Stadtmarketing?

BS: Wir verleihen den Preis an Hannoveraner*innen, die sich für die Stadtgesellschaft in kultureller Hinsicht und durch bürgerschaftliches Engagement besonders verdient gemacht haben. Das ist etwas, was den Standort Hannover unheimlich trägt. Dahin muss und darf man ganz viel Aufmerksamkeit lenken. Natürlich hat das mit Standortmarketing zu tun. Wenn wir so bemerkenswerte Menschen hervorbringen, wie eine Franziska Stünkel, die sich zu ihrer Heimatstadt bekennt, dann muss man das einfach hervorheben.

War eigentlich Stünkels „Nachschuss“ spielentscheidend bei der Entscheidung, ihr den Preis zu verleihen?

BS: Natürlich ist „Nahschuss“ das, was Franziska international noch einmal eine andere Popularität verschafft hat. Vor allem auch, weil der Film so gut besetzt war, was wiederum für die Qualität ihrer Arbeit spricht. Ich glaube, dass es das Gesamtpaket Franziska Stünkel war: Sie ist ja viel mehr als nur ihre Kunst: Auch „Coexist“, ihre fotografische Arbeit, ist ganz fantastisch, aber Franziska ist darüber hinaus auch noch ehrenamtlich engagiert und menschlich so spannend, dass sie den Preis verdient hat. Und auch das andere Team um Alina Zimmermann und wasmitherz e.V. ist ein sehr wertvolles Projekt. Das hat auch deshalb den Zuschlag bekommen, weil es ein junges Engagement ist, das für einen ganzen Stadtteil und damit für eine bunte, diverse Gruppe an Menschen einen Ort schafft, der seinesgleichen sucht …

AR: Ich hatte auch das Gefühl, dass wasmitherz viele Menschen erreicht hat. Es war schön zu sehen, wie viele Leute sich über den Preis gefreut haben. Selbst Menschen aus meiner Community, die eigentlich nichts mit diesem Thema zu tun haben, haben davon gehört und waren wirklich glücklich, dass sie diesen Preis gewonnen haben – weil sie so eine großartige Arbeit leisten. CK

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