Liebe Julia, weiter so! Du machst das wirklich gut mit dem Kulturkampf. Zeig ihnen, wo der Hammer hängt. Weg mit all dem Regenbogenscheiß. Mettigel für die Bundestagskantine, das muss der Tenor sein. Lass dich bloß nicht beirren. Konzentrier dich auf das große Ziel. Aber da müssen wir uns wohl keine Sorgen machen. Haben wir kurz. Müssen wir zugeben. So eine frische Liebe lenkt ja manchmal ziemlich ab. Aber dich nicht. Jörg Pilawa hin oder her, du kennst deine Pflichten. Und bleibst entschieden neutral. Es geht bei dir ganz ausgewogen gleichermaßen gegen links und rechts. taz und Nius – alles eine Suppe.
Im Bundestag weht jetzt ein anderer Wind. Es gibt eine Geschäftsordnung und die wird mit aller gebotenen Härte durchgesetzt. Darum keine Fahnen mehr, keine von außen sichtbaren Plakate, keine Anstecker, keine T-Shirts mit falschen Parolen, kein woker Scheiß. Wer sich nicht an die Bekleidungsvorschriften hält, der wird des Saales verwiesen. Wer dumme Sprüche macht, ebenfalls. „Die Kleidung und das Verhalten müssen der Würde des Hauses entsprechen.“ Und die Würde des Hauses wird nun von dir definiert. Ein Nestlé-T-Shirt ist kein Problem. Wer dagegen „Go vegan!“ auf sein T-Shirt schreibt, ist mindestens ein linksradikaler Verdachtsfall. Und „Alkohol verursacht Krebs“ ist eine ganz miese Provokation. Raus! Raus! Raus! Wäre ja wohl noch schöner, wenn Abgeordnete einfach so irgendwelche Fakten durch das hohe Haus tragen. Außerdem ist Wein pure Lebensfreude.
Es ist gut, dass wir nach der schrecklich linken Bärbel Bas jetzt eine Bundestagspräsidentin haben, die mal richtig zupackt und Sanktionen durchzieht. Falls nötig auch mit der Bundestagspolizei. Eine, die klare Unterscheidungen trifft. Eine Regenbogenflagge ist Ausdruck einer politischen Agenda und mitnichten ein Symbol für die Verteidigung der Grundwerte der deutschen Verfassung. Sie darf darum auch zum Christopher Street Day nicht am Reichstagsgebäude gehisst werden. Der Bundestag ist ja kein Zirkuszelt. Während eine Kornblume einfach eine Kornblume ist. Da muss man auch mal ein bisschen auf dem Teppich bleiben. Die Hausordnung des Bundestags ist sehr klar. Im Paragraf 4 steht: „Das Anbringen von Aushängen, insbesondere von Plakaten, Postern, Schildern und Aufklebern an Türen, Wänden oder Fenstern in den allgemein zugänglichen Gebäuden des Deutschen Bundestages sowie an Fenstern und Fassaden dieser Gebäude, die von außen sichtbar sind, ist ausnahmslos nicht gestattet.“ Von Kornblumen steht da nicht.
Liebe Julia, wir wünschen uns sehr, dass du dich nicht beirren lässt und weiter so entschieden neutral bleibst. Und zum Beispiel dem Regenbogennetzwerk des Bundestags – so ein ominöser Zusammenschluss queerer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Parlaments – die Teilnahme am CSD untersagst. Oder dass du zu linke Anträge nicht durchlässt, wie diese eine Anfrage der Grünen zum Corona-Maskenkauf unter Jens Spahn. Völlig in Ordnung, dass die Bundestagsverwaltung diese Anfrage nicht an die Bundesregierung weitergeleitet hat. Wo kämen wir sonst auch hin? Da könnten demnächst ja alle mit irgendwas um die Ecke kommen. Wie gut, dass du jetzt die Augen offenhältst und dem fortwährenden woken und linken Treiben ein Ende setzt. Mit Haltung und einer klaren Agenda. Das große Ziel fest im Blick. Denn natürlich geht es dir bei all dem vor allem darum, die AfD wieder kleinzukriegen. Das ist die Challenge. Die Leute müssen begreifen, dass die CDU/CSU für das wahre Deutschland steht, sozusagen für ein Deutschland nach dem Reinheitsgebot. Männer sind Männer und Frauen sind Frauen, Ausländer sind erst mal nur zu Gast, Fleisch ist gesund und Alkohol macht Spaß. Fertig. Ist doch alles ganz einfach. Niemand braucht die AfD.
