Tag Archive | "literarisches"

Literarisches: Jobst Mahrenholz

Tags: , , , ,

Literarisches: Jobst Mahrenholz


Jobst Mahrenholz hat im März seinen Roman „Das Zubereiten gemeinsamer Zeit“ veröffentlicht. In keinem seiner Bücher ist so viel von ihm selbst wiederzufinden wie in diesem. Eine Geschichte, die schroff und kühl, aber gleichzeitig warm und einfühlsam ist …

Wie kann man Sie persönlich und als Autor am besten beschreiben?

Als kantig! Sowohl optisch als auch vom Wesen. Ich ecke oft an. Das bringt mich immer wieder in Konfliktsituationen. Für einen Autor ist das nicht das Schlechteste, denn es hat oft Dialoge über das Gängige hinaus zur Folge.

Worum geht es in „Das Zubereiten gemeinsamer Zeit“?

Zwei Männer begegnen sich im winterlichen Dänemark, an der Nordseeküste. Und sie stellen fest: Da gibt es Überschneidungen. Beide haben sich eine Auszeit genommen, über viele Wochen hinweg. Sie beginnen, Zeit miteinander zu verbringen. Der eine ist ein leidenschaftlicher Koch, kann jedoch wenig bis gar nichts essen, der andere, ein hingebungsvoller Genießer, ist des Kochens nicht mächtig, möchte es aber unbedingt lernen. Das verbindet sie. Einen Teil des Buches habe ich in genau dem Loft geschrieben, in dem gekocht, geredet und gedacht wird.

Sie haben unter anderem Literatur studiert und später als Journalist gearbeitet. Was bewegte Sie zum Schreiben?

Ich wurde als Kind von einem Juristen und einer Psychologin adoptiert. Ich denke mal, diese sehr entscheidende Wendung in meinem Leben hat sowohl den Drang zum Schreiben geweckt als auch meine Faszination für Sprache. Aber eine Idee im Kopf zu haben und sie dann letztlich zu verschriftlichen, sind zwei verschiedene Dinge. Es braucht sowohl die Fantasie als auch das Handwerk. Also fing ich an, mich mit dem Handwerk zu befassen, um dem Wust in meinem Kopf einen passenden Rahmen zu geben.

Was hat sie zum Schreiben von „Das Zubereiten gemeinsamer Zeit“ inspiriert?

Der Auslöser war ein einziger Satz eines Freundes, den ich auf Facebook kennengelernt hatte. Irgendwann gestand er mir, dass sein Profilbild nicht ihn abbildet. „Ich bin hässlich!“, schrieb er zur Begründung. Das hat mich damals sehr berührt. So ein starker, harter Satz. Inspiriert hat mich schließlich ein anderer Freund, den ich sehr liebe, mit dem ich auch einige Zeit in Dänemark verbracht habe. Der Mads in der Geschichte.

Sie sind adoptiert worden. Mads, einer der Hauptcharaktere, hat eine ähnliche Geschichte. Spiegeln sich Ihre eigenen Erfahrungen in Ihren Charakteren wider?

Mads zieht nach dem Tod seiner Mutter zu seinem Vater, der eine neue Familie gegründet hat, ist dort jedoch nicht willkommen. In all meinen Büchern bin ich wiederzufinden, aber in keinem so sehr wie in diesem.

Ihre Bücher werden der LGBTQ-Literatur zugeordnet. Wie sehen Sie das?

Tatsächlich werde ich in eine Ecke gestellt, allein, weil unter den meisten meiner Bücher „queer“ steht, aber das ärgert mich enorm, ist ungerechtfertigt und verursacht ein Schubladendenken, gegen das ich im Grunde anschreibe. Unter Hetero-Büchern steht ja auch nicht „hetero“. Da würde man sich doch an den Kopf fassen. Ich bin ein queerer Mensch, also spiegelt sich das in meinen Texten wider, denn: Will ich authentisch sein, berichte ich über Vertrautes. Das, was meine Geschichten ausmacht, sind Empfindungen, die jeden Menschen betreffen, der fühlt, liebt, hasst, abstumpft oder über sich hinauswächst. Ganz gleich, auf welcher Party er tanzt.

Verstehen Sie die sexuelle Orientierung Ihrer Charaktere eher als etwas Banales und Realität, oder sehen Sie in Ihrem Schreiben auch ein Stück weit einen Bildungsauftrag?

Sex empfinde ich generell als etwas Banales, sei es in der Literatur, im Film oder im real live. Sei er queer, hetero oder sonst wie geartet. Er ist zwingend banal. Aber im Ernst: lässt man den Sex außen vor, ist es nicht banal, queer zu sein, denn da geht es plötzlich um ethische Fragen, um Würde und Respekt, um Politik und Menschenrechte, um Gleichheit und das Recht darauf. In meiner Arbeit thematisiere ich das Queersein bezogen auf die jeweiligen Protagonisten. Die einen haben kein Problem damit, die anderen arbeiten sich daran ab. Ich gebe nicht vor, zu wissen, was richtig, was falsch ist. Das entscheiden meine Figuren ganz für sich. Und so geben sie auch den Lesenden die Chance, sich ein eigenes Bild zu machen. Es ist mir wichtig, relevante Geschichten zu schreiben, Denkanstöße zu liefern und Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten.

Der Titel „Das Zubereiten gemeinsamer Zeit“ lässt zunächst darauf schließen, dass man für das Verbringen und Schaffen gemeinsamer Zeit ein Rezept braucht. Ist das so? Oder spielen Sie damit eher auf das Koch- und Essverhalten Ihrer Charaktere an?

Der Titel umfasst in der Tat sowohl das Ess- und Kochverhalten der beiden als auch die zwischenmenschliche Entwicklung. Sie fangen an, Fehler zu machen, und diese Fehler haben Folgen. Würde man es aufs Kochen übertragen, haben sie sich irgendwann nicht mehr ans Rezept gehalten. Mit den Konsequenzen daraus müssen sie dann klarkommen.

Interview: Pia Frenk

Abgelegt unter Literarisches, MenschenKommentare deaktiviert für Literarisches: Jobst Mahrenholz

Literarisches: Bert Strebe und die Lyrikedition Hannover

Tags: , , , , , ,

Literarisches: Bert Strebe und die Lyrikedition Hannover


Innerhalb von drei Jahren erscheinen im Rahmen der Lyrikedition Hannover, im hannoverschen Wehrhahn-Verlag, insgesamt zehn einzigartige Lyrikbände, herausgegeben von Bert Strebe. Die Idee: Hannovers Lyrikszene zu repräsentieren und die Vielfalt dichtender und poetischer Stimmen der Region in den Vordergrund zu rücken. Beim Lyrikfest im Literaturhaus Hannover am 27. September wurden die neuen drei Bände von Tabea Farnbacher, Annette Hagemann und Jan Egge Sedelies vorgestellt – eine Reise durch das lyrische Hannover.
Entlang der drei so unterschiedlichen Bände entfalten sich düstere Bilder und ein poetisches Buchstabengewirr, mal leise, mal laut, aber immer kraftvoll. Mit dieser Edition will Strebe zeigen, wie viele herausragende Dichterinnen und Dichter aus der Region Hannover stammen oder hier leben.
Die in Hannover geborene Psychologin und Poetry-Slammerin Tabea Farnbacher ist eine dieser Dichterinnen. In „überwintern“ verwebt sie Mutterschaft und Sehnsucht mit Erinnerungen an die früheste Kindheit. Das Resultat ist eine naturwissenschaftliche Atmosphäre mit dem zentralen und immer wiederkehrenden Motiv des Atmens, bei dem die Bewunderung der Autorin für den menschlichen Körper deutlich wird. „Sie lässt mit leiser Stimme uralte Bilder und Klänge aufsteigen, versöhnliche, verbunden mit der Welt. Wildlederrauh sind diese Gedichte, wildlederfein.“, so heißt es im Vorwort der Schriftstellerin Gabriela Jaskulla. Farnbachers Gedichte sind sanfte Wortströme, die die Lesenden, wie zahme Schattenspiele in einen Sog ziehen.
„Die fünfte Jahreszeit“ ist der Lyrik-Band der in Hannover lebenden Annette Hagemann. Die Lyrikerin schreibt über eine sich wandelnde Welt, die kleinen Dinge und das Alltägliche. Die Konstante: Das lyrische Leitmotiv der Metamorphose. Ihre Gedichte sind „welthaltig, weitsichtig (…) und witzig“, so heißt es im Vorwort von Andreas Platthaus. Die Texte befinden sich im Dauerzustand zwischen Bewegung, Ruhe und Reflexion.
Der dritte Band „kinetischer Sand“ von Journalist, Moderator und Autor Jan Egge Sedelies zeigt politisierte Lyrik, die das Laute leise macht und das Vergessene ins Bewusstsein rückt. Es geht um das Erwachsenwerden und -sein, um Scham, Angst sowie politische Alltäglichkeiten. Mit schlittriger Straßenmusiker-Motivik sind die Gedichte mal sperrig, mal bitter, mal ernst. Der kinetische Sand, nach dem der Band benannt ist, verdeutlicht die Fähigkeit, Vergangenes zu formen und neu zu gestalten, ohne es je vollständig festhalten zu können.
Herausgeber, Schriftsteller und Lyriker Bert Strebe lebt in Hannover und ist stolz auf das literarische Klima der Stadt. Er erzählt: „Die Szene ist bescheidener als beispielsweise die in Berlin. Aber kein Stück schlechter. Wir müssen uns hier überhaupt nicht verstecken, im Gegenteil. Und ich hoffe, die Lyrikedition macht das auch deutlich.“ Vor der Lyrikedition hatte Strebe noch nie Texte anderer Verfasser und Verfasserinnen lektoriert; es ist ein Projekt, das er in die Hand genommen hat, weil es sonst niemand getan hat. „Das ist ein toller Job, und es ist ein unglaubliches Gefühl, im Literaturhaus zu stehen und zu sehen, wie gut die Lyrikfeste, mit denen wir in jedem der drei Jahre die neuen Lyrikbände der Edition feiern, bei den Leuten ankommen“, erzählt Strebe. Mit der Lyrikedition Hannover erschafft er einen poetischen Raum, der die Vielfalt und Tiefe der hannoverschen Lyrikszene widerspiegelt. Jeder Band regt zum
Eintauchen, Staunen und Nachdenken an, ebenso auch die Bände aus dem Vorjahr von Caroline Hartge, Sabine Göttel und Hans Georg Bulla. Bis 2025 erscheinen noch vier weitere Bände.
Werhahn Verlag
48 Seiten
10 Euro

Abgelegt unter Literarisches, MenschenKommentare deaktiviert für Literarisches: Bert Strebe und die Lyrikedition Hannover

Literarisches: Lebendig – durch alle Verbote hindurch: Kurdische Literatur heute

Tags: , , ,

Literarisches: Lebendig – durch alle Verbote hindurch: Kurdische Literatur heute


In diesem Monat widmen wir uns dem kurdischen Leben, genauer gesagt, dem vielfach vergessenen und verdrängten kurdischen Leben. Denn trotz jahrzehntelanger Unterdrückung gibt es kurdische Stimmen, die überlebt haben. „Lebendig – durch alle Verbote hindurch: Kurdische Literatur heute“ ist ein Werk, das dieser Literatur und Kultur gewidmet ist; es verleiht den Stimmen Ausdruck, die trotz allem nicht zum Schweigen gebracht werden konnten. Neben dem in Hannover lebenden Dichter, Übersetzer und Literaturkritiker Tengezar Marînî (Pseudonym) ist Hannovers ehemaliger Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg Mitherausgeber des im Wallstein Verlag in der renommierten Reihe „die horen. Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik“ veröffentlichten Sammelbandes. Es ist ein atemberaubender Beitrag von und über systematisch unterdrückte Autor*innen.

Die Aufteilung Kurdistans durch die Westmächte im Jahr 1920 markierte den Beginn einer jahrzehntelangen Repression, die die Freiheit des kurdischen Volkes auf grausame Weise einschränkte. Die kurdische Sprache, Traditionen und Kultur werden seitdem zum Großteil gewaltsam eingeschränkt, verboten sowie strengstens verfolgt. Kurdische Menschen sind ein eigenständiges Volk ohne Staat als Schutz, das bis heute für seine Anerkennung und den Schutz seiner Identität kämpft. „Kurden leben heute im Iran, Irak, Syrien, in der Türkei und in Armenien. Millionen leben überall auf der Welt im Exil, 1,5 Millionen allein in Deutschland. Kurdinnen und Kurden werden in ihren Heimatregionen verfolgt, verhaftet und sind schutzlos“, schildert Schmalstieg. Er fährt fort: „Ihre Sprache wurde verboten, aber durch die Literatur in der eigenen Sprache oder in anderen Sprachen waren die Literaten frei in ihren Gedanken. In Gedichten und Erzählungen spürt man das.“

Im Vorwort betont Schmalstieg die Kraft der Literatur: „Literatur vermag vielleicht nicht viel. Aber sie ist frei wie die Gedanken. Sie kommt nicht an gegen Bomben (…). Aber vielleicht bewirkt sie bei denen, die sie lesen, ein Innehalten, ein Zögern, ein Staunen.“ Der Band „Lebendig – durch alle Verbote hindurch: Kurdische Literatur heute“ nimmt sich diesen unterdrückten Stimmen an und schafft einen Raum für die Repräsentation des herabgewürdigten kurdischen Schaffens. Insgesamt 55 Autor*innen, darunter die beiden Herausgeber, widmen sich in diesem Band der oft zu Unrecht vergessenen kurdischen Literatur. Tengezar Marînî erzählt: „Viele kurdische Autoren nutzen ihre Werke, um die Unterdrückung, Diskriminierung und dass Leiden ihrer Gemeinschaft zu thematisieren. Sie erzählen von den historischen Kämpfen um Autonomie und Anerkennung, von Vertreibung und Exil, von Identitätskonflikten und dem Streben nach Freiheit und Gerechtigkeit. Die Literatur dient als Sprachrohr für die Stimmen der Unterdrückten und Verfolgten, als Mittel zur Aufklärung und Sensibilisierung (…). Die kurdische Literatur ist somit nicht nur eine künstlerische Ausdrucksform, sondern auch ein wichtiges Instrument des Widerstands und der politischen Mobilisierung.“ Es ist ein Werk voller Besonderheiten, das sich gegen ein menschenrechtsverletzendes Regime richtet. „In vielen Texten kommt die politische und soziale Situation deutlich zum Ausdruck: der Drang nach Freiheit, der Kampf gegen Unterdrückung, aber auch das Leben in den Dörfern, der Zusammenhalt der Familien und das sich ‚Nicht-Unterkriegen-Lassen‘“, erläutert Schmalstieg.

Herbert Schmalstieg, langjähriger Abonnent der deutschen Literaturzeitschrift „die horen“ – gegründet vom in Hannover geborenen Kurt Morawitz – engagiert sich mit großem Einsatz für die finanzielle Unterstützung dieser Zeitschrift. Mittlerweile hat die Landeshauptstadt Hannover die Mittel für das kommende Jahr jedoch gestrichen. „Für mich, als jemanden, der sich zusammen mit meiner Frau Heidi Merk, Landesministerin a. D., seit mehr als 30 Jahren für Kurdinnen und Kurden und Kurdistan engagiert, war es ein besonderes Anliegen, den Wallstein Verlag zu überzeugen, eine Ausgabe zur kurdischen Literatur herauszugeben. Das gelang, wurde aber mit der Frage verbunden, mich an der Herausgabe zu beteiligen. Das habe ich voller Überzeugung getan, zusammen mit Tengezar Marînî, der in Hannover lebt und ein großartiger Schriftsteller und Übersetzer ist. Ohne Tengezar Marînî hätte es dieses Buch nicht gegeben“, erklärt Schmalstieg. Marînî selbst erzählt: „Die kurdische Kultur und Literatur haben eine immense Bedeutung für mich. Sie sind Ausdruck meiner Identität, Quelle der Inspiration und des Stolzes.“

Mit Beiträgen von Zaradachet Hajo, Jan Dost, Helîm Yûsiv, Ilhan Çomak, Bahram Hajou, Suzan Samancı und vielen weiteren außergewöhnlichen Stimmen ist dieser Band ein eindrucksvolles Zeugnis kurdischer Literatur und ein kraftvoller Akt des Widerstands gegen die jahrzehntelange Unterdrückung.

Wallstein Verlag

192 Seiten

14 Euro

Abgelegt unter Literarisches, MenschenKommentare deaktiviert für Literarisches: Lebendig – durch alle Verbote hindurch: Kurdische Literatur heute

Literarisches: Sibylle Narberhaus

Tags: , , , ,

Literarisches: Sibylle Narberhaus


Sylt ist für mich im Laufe der Jahre zu einem Herzensort geworden“, erzählt Sibylle Narberhaus. Und genau das merkt man den Romanen der Krimiautorin auch an. Im Juni dieses Jahres erschien der achte Teil der Anna-Bergmann-Reihe. „Syltgold“ ist spannungsvoll und mitreißend – nicht nur für echte Syltfans. Ein neuer fesselnder Fall für die Sylter Polizei und natürlich auch für Anna.

Auf Sylt werden die letzten Vorbereitungen für das legendäre Motorradtreffen, die Harley-Days, getroffen, als Anna Zeugin eines tödlichen Verkehrsunfalls wird. Im Gegensatz zu der Landschaftsarchitektin geht die Polizei von einem tragischen Unglück aus. Erst als ein weiterer Todesfall zu beklagen ist, nimmt die Polizei die Ermittlungen auf. Besteht zwischen den Todesfällen ein Zusammenhang? Und was führt Frank Gustafsons alten Studienkollegen Jörg Neritz wirklich nach Sylt? Zwischen Immobilienhaien, verirrten Insekten und dubiosen Pflegediensten rätseln die Sylter Polizei und Anna über ihre brisanten Entdeckungen und haben schlussendlich einen furchtbaren Verdacht.

Im Jahr 2017 mit dem ersten Teil „Syltleuchten“ gestartet, wurde aus einem einzigen Kriminalroman schnell ein Reihe. Zwischen dubiosen Einbruchserien, Raubüberfällen oder auch Frauenmördern erschafft Narberhaus authentische Charaktere, bei denen man immer das Gefühl bekommt, gemeinsam auf der Insel zu sein. Damit changiert sie gekonnt zwischen Krimi und Roman. Inspiriert wurde die Autorin für den neuen Fall durch das Harley-Treffen, das alljährlich auf Sylt stattfindet. Sibylle Narberhaus erklärt: „Da ich immer ein für Sylt typisches Thema in meinen Romanen verwende, wollte ich es dieses Mal einbauen. Im vergangenen Jahr war ich gerade auf der Insel, als das Event stattfand. Somit ergab sich die Gelegenheit, ausgiebig zu recherchieren.“ Narberhaus verknüpft verschiedene Handlungsfäden und erschafft damit unerwartete Wendungen und einen mitreißenden Spannungsbogen – eine Gemeinsamkeit der acht Romane der Anna-Bergmann-Reihe. „Ich versuche möglichst authentisch zu schreiben, um den Leserinnen und Lesern den Eindruck zu vermitteln, als wären sie selbst auf der Insel. Gern verwende ich ortsübliche Ereignisse und Traditionen, wie beispielsweise das Ringreiten, den Kitesurf-Cup oder – wie im aktuellen Fall – die Harley-Days,“ berichtet die Autorin.

Narberhaus erzählt gerne über ihren persönlichen Herzensort, den sie, so oft es die Zeit zulässt, besucht. „Die Insel strahlt eine unglaubliche Faszination aus. Als Kind war ich das erste Mal dort und wurde sofort vom ‚Sylt-Virus‘ befallen. Die Dünen, die langen Strände, das Meer – das alles erdet ungemein. Die Insel hat viel mehr zu bieten als Partys und Schickimicki. Ich spreche gern mit Menschen, die dort leben. Sie haben viel Interessantes zu erzählen, was ich teilweise in meine Bücher aufnehmen kann,“ beschreibt die Autorin und ergänzt: „Trotzdem muss man nicht zwingend ein Syltfan sein, um das Buch zu lesen. Ich kenne viele Leute, die noch nie auf Sylt waren und die Reihe mit Begeisterung lesen. Eigentlich kann die Bücher jeder lesen, der es nicht zu blutrünstig mag und spannend unterhalten werden möchte.“

Sibylle Narberhaus, 1968 geboren in Frankfurt am Main, arbeitet bei einem internationalen Versicherungskonzern und seit 2017 auch als Schriftstellerin. Zur Schule gegangen an der IGS Garbsen, absolvierte sie eine Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin, zur Versicherungskauffrau sowie zur Versicherungsfachwirtin und lebt heute in Hannover. „Ich bin schon als Kind mit Büchern in Berührung gekommen, da in unserer Familie sehr viel gelesen wurde und auch noch wird. In der Schule war Deutsch mein Lieblingsfach, Aufsätze schreiben, Geschichten erfinden mochte ich am liebsten. Mittlerweile blicke ich mit viel Dankbarkeit und auch ein bisschen mit Stolz auf die Reihe Bücher zurück, die mittlerweile im Regal stehen.“ Derzeit arbeitet Narberhaus an dem neunten Fall der Krimi-Reihe, der voraussichtlich 2025 erscheinen wird. „Ich hoffe einfach, dass ich noch viele Bücher schreiben kann. An Ideen mangelt es nicht, lediglich an Zeit. Insgesamt kann ich für mich sagen, dass das Schreiben eine unglaubliche Bereicherung für mein Leben ist und ich sehr dankbar dafür bin,“ erzählt Sibylle Narberhaus.

320 Seiten

14 Euro

Gmeiner Verlag

Abgelegt unter Literarisches, MenschenKommentare deaktiviert für Literarisches: Sibylle Narberhaus

Literarisches: Irmin Burdekat

Tags: , , , ,

Literarisches: Irmin Burdekat


Wie sieht ein Leben aus? Woher stammt es und welche Wege führen nach Rom – oder besser gesagt, nach Hollywood? Irmin Burdekat erzählt in „Jukelnack“ die Geschichte von Karl-Friedrich Jukelnack, Else Bödicker und ihrem Sohn Adam Jukelnack. Ein Zwei-Generationen-Roman, der auf besondere Art eine Familie zeigt, „etwas Zeitgeschichte ohne Geschichtslehrer-Allüren und eine volle Ladung menschliche Eigenarten“, so Burdekat.

„Jukelnack“ ist in zwei Teile gegliedert und erzählt die Geschichte von drei Menschen:Karl-Friedrich Jukelnack, Else Bödicker und Adam Jukelnack. Die Erzählung beginnt mit der Geschichte des emotionslosen und bindungsunfähigen Karl-Friedrich Jukelnack, der 1902 geboren wird und sein Leben mit einer „bloß nicht zu viel Mühe geben“-Mentalität verbringt. Im Wechsel wird auch die Geschichte der unbedarften Außenseiterin Else Bödicker erzählt. Beide wachsen in Deutschland auf und erleben den Zweiten Weltkrieg. Mit 52 Jahren lernt Karl-Friedrich schließlich Else kennen. Sie verloben sich und bekommen ein Kind: Adam Jukelnack. Hier endet der erste Teil des Buches – und auch die vorherige Erzählmelodie. Adam ist nicht nur erwachsen geworden, sondern einer der größten Rockstars des Universums. Der kettenrauchende Macho Adam Jukelnack wird von der gnadenlos bohrenden Journalistin Susanne Schlafholz gezwungen, Einblicke in seine Kindheit und Jugend zu gewähren. Es soll eine Biografie mit Fokus auf den deutschen Wurzeln des Superstars werden. Doch das gestaltet sich als komplizierter als erwartet.

„Jukelnack“ ist ein Zwei-Generationen-Roman, der auf besondere Weise die deutsche Geschichte beschreibt und gleichzeitig die spezifischen Rockstar-Allüren aufzeigt. Irmin Burdekat erklärt: „Der Spruch ‚Von sowas kommt sowas‘ zieht sich durch mein Leben. Ich bin gerne den Zusammenhängen von Reiz und Reaktion – besonders im menschlichen Miteinander – nachgegangen. Jukelnack – Vater und Sohn – zu zeichnen, und dabei Erklärungen zu konstruieren, warum der Sohn bei dem Vater so wird, wie er zu sein scheint, war eine Freude. Und der Sohn ist nunmal Rockstar.“ Adam Jukelnack ist ein Weltstar, der größtenteils ohne Fürsorge aufwächst und dieses Gefühl sein Leben lang mit sich trägt. Es ist eine Geschichte, die verdeutlicht, was uns alle beeinflusst, wie sehr die Erziehung der Eltern die eigenen Kinder prägen können und wie schwierig es ist, dieser Schleife zu entfliehen. Adam geht schnell seinen eigenen Weg hin zum Weltruhm. Es ist eine kleine Zeitreise in das Leben einer Familie, die zeigt, wie viele verschiedene Wege dort irgendwo lauern. „Jukelnack“ ist „für alle, die auch Lesen lernen mussten und nun einen Roman brauchen, der sie unterhält, ab und zu etwas Kichern lässt, und mit Figuren vertraut macht, die man liebt oder hasst. Im Vorbei-Lesen erleben die Lesenden dann noch etwas Zeitgeschichte ohne Geschichtslehrer-Allüren und eine volle Ladung menschliche Eigenarten, mit denen man nur lesend etwas zu tun haben will“, so der Autor.

Nach dem Abitur verschlug es Irmin Burdekat in die Gastronomie. Zum Glück für viele, denn er ist ein tiefsinniger, humorvoller und engagierter Gastgeber – und Geschichtenerzähler. „In der ersten Klasse wollte die Lehrerin, dass ich aus Buchstaben Wörter zusammenfügen sollte. So begann ich gezwungenermaßen zu schreiben und die im Kopf herum kreisenden Ideen mit Hilfe von Buchstaben zu Worten, Sätzen und dann zu Geschichten zusammen zu kleben, sodass Spannung entsteht“, erklärt Burdekat. 2006 wurden dann erstmalig aus den erzählten Geschichten richtige Bücher. Bücher mit rasanter Sprache sowie einem Mix aus Humor und Spannung. Mittlerweile lebt Irmin Burdekat mit seiner kanadischen Frau in Norddeutschland, schreibt aber ausschließlich in einer Blockhütte am Georgian Bay, Ontario. Auch „Jukelnack“ entstand dort. Burdekat beschreibt: „Keine anderen Menschen um mich herum, keine Medien, keine Gastronomie in Reichweite, kein Kuchen, leider, volles Eintauchen in die Produktion von Wörtern aus den Buchstaben der Tastatur.“ Bekannt ist er unter anderem als Gründer der Kneipenkette Alex und Cafe&Bar Celona und für sein Buch „Tisch 17 is‘n Arsch! – Geständnisse eines Gastwirts“.

276 Seiten
tpk-Verlag 2023
20 Euro

Abgelegt unter Literarisches, MenschenKommentare deaktiviert für Literarisches: Irmin Burdekat

Literarisches: Annette Hagemann

Tags: , , , ,

Literarisches: Annette Hagemann


Annette Hagemanns Schreiben gerät ins Fließen. Wörter tropfen, Silben wachsen, Buchstabengefüge blühen hinein in das eigene Denken und durchbrechen menschengemachte Binaritäten. Der im Januar 2024 erschienene „Katalog der Kiefermäuler. Notate und Gedichte“ ist eine Jonglage über wuchernde Fragen des Alltäglichen, die doch so nie gestellt werden. Hagemann vereint träumerische Lyrik und prosaische Gedichte naturnah und weltergreifend.

„Ich habe einmal in den Herrenhäuser Gärten Gärten Messiaens ,Catalogue d’oiseaux‘ (‚Katalog derVögel‘) gehört. Und dann bin ich auf den biologischen Begriff der Kiefermäuler gestoßen“, erzählt Annette Hagemann. Im Erdaltertum entwickelt, gehören Kiefermäuler zu den Wirbeltieren, die sich durch einen besonders bezahnten Kiefer auszeichnen, was wiederum eine besondere Art der Nahrungsaufnahme ermöglicht: Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel, Säugetiere – und auch der Mensch reiht sich hier ein. „Katalog der Kiefermäuler“ ist ein Tanz um und durch das Wesen der eigenen Zeit sowie das eigene Sterbenmüssen. Die Lyrikerin erklärt: „Im Buch widmet sich ein Kapitel den Vögeln, eines den Wasserwesen – und überall spielen Menschen eine Rolle: wie sie sich gegenüber den Tieren und Pflanzen und auch untereinander verhalten. Ich finde es einigermaßen absurd, dass wir Menschen uns als etwas von der ‚anderen Natur‘ Separates verstehen, und ich glaube, dass von dieser Abspaltung und von all diesen binären Kategorien viele unserer heutigen Probleme herrühren. Last but not least sind wir aber doch einfach nur Kiefermäuler, die sich diesen Planeten teilen.”

Der „Katalog der Kiefermäuler“ beginnt in der italienischen Lagunenstadt im Jahr 2022. Wir hören und sehen raubende Möwen in der Mittagshitze, sirrende Mücken und Nachbar*innen, vorbeiwandernden Wolken sowie unser eigenes Treiben. „Viele meiner Gedichte entstehen unterwegs, auf Reisen“, erzählt Annette Hagemann und fährt fort „das Unterwegssein öffnet massiv die Poren: Allein der Ortswechsel, das Sich-nicht-Auskennen bringt ja schon die Sinne und die Wahrnehmung auf Trab. Zwei der fünf Kapitel der ‚Kiefermäuler‘ sind daher auch in Venedig und auf der dortigen Biennale entstanden.“ Magisch real lyrikt Hagemann über die Natur und den Menschen: „Und löchrig wie ein Einkaufsnetz ist nachts mein Schlaf, durch den die Hitze dreißig Grad heiß und auch die Mücken und die Geräusche des fensterklappernden Hinterhofs mit Leichtigkeit zu mir hereindringen. Doch manches Mal bleiben auch von innen ein paar Fische aus meinen Träumen darin hängen, ein zappelndes Schillern, das mir guttut, mich erhebt wie eine Welle aus selbstgesponnenem Regen.“ Hagemann berichtet: „Ein Motiv, das mich sehr – und schon länger und auch weiterhin – beschäftigt, ist Natur und das Verhältnis der Menschen zu ihr. Also auch das Verhältnis der Menschen zueinander. Und dann taucht – wie im Kapitel zur Biennale – auch immer wieder die Kunst als Motiv und Motivgeber auf. Kunst regt einfach zu einem unkonventionellen Blick an und bringt damit neue Kunst in Gang.“

Annette Hagemanns neuer Gedichtband ist prosaische Lyrik über Kiefermäuler, ihr Zusammenleben und ihre Herausforderungen als Individuen und miteinander. Ihre mäandernden Texte erzählen von nie Geborenem, Unsichtbarkeiten und der fließenden Gegenwart. Anders als in früheren Bänden von Hagemann sind die „Kiefermäuler“-Gedichte jedoch weniger verdichtet, so die Autorin selbst: „Ich glaube, sie sind etwas prosaischer, erzählerischer geworden, etwas leichter zu verstehen, wobei man bei Lyrik auch nicht jeden Satz verstehen muss – es wäre gut zu versuchen, ein Gedicht einfach wie Musik zu genießen.”

Annette Hagemann, geboren 1967 in Münster, lebt seit 1997 in Hannover und arbeitet für das Kulturbüro Hannover. Seit 2003 veröffentlicht sie Gedichte in Lyrikzeitschriften, Anthologien, im Hörfunk und im Internet. Im September erscheint zudem ein weiterer Gedichtband von Annette Hagemann mit dem Titel „Die fünfte Jahreszeit“ in der Lyrikedition Hannover (Wehrhahn Verlag) – zu erleben am 27. September im Literaturhaus Hannover.

108 Seiten

19,80 Euro

Band 101 der edition offenes feld

Herausgegeben von Jürgen Brôcan

Abgelegt unter Literarisches, MenschenKommentare deaktiviert für Literarisches: Annette Hagemann

Partner