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Randgruppenbeleidigung: Fotoaufzwänger

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Randgruppenbeleidigung: Fotoaufzwänger


Man hat nichts Böses getan. Man wollte eigentlich nur auf einen Kaffee vorbeischauen, vielleicht ein bisschen über das Wetter oder die absurden Benzinpreise lästern – harmlos eben. Doch kaum hat man seinen ersten Schluck genommen, wird das Handy gezückt, und man steckt in der Falle des Fotoaufzwängers. Es gibt kein Entkommen. Die Tür ist zu, der Gastgeber hat geschickt den Fluchtweg mit dem eigenen Körper blockiert, und der Kaffee wirkt plötzlich wie ein narkotisierender Fesseltrank.

„Also, das hier ist der Sonnenuntergang am zweiten Abend auf Gran Canaria. Nicht zu verwechseln mit dem vom dritten Abend – da war die Wolkendecke anders.“ Ah. Faszinierend. Das linke Auge beginnt zu zucken, das innere Ich steht in Flammen und schreit: „Wo ist der Bus mit den Leuten drin, die das interessiert?“ Aber das äußere Ich nickt tapfer, sagt Sachen wie „Wow, tolle Farben!“ oder „Das sieht ja aus wie gemalt!“ und wartet verzweifelt auf eine Lücke, in der höflich auf die bereits fortgeschrittene Uhrzeit verwiesen werden kann. Aber es hört nicht auf, oh nein! Fotoaufzwänger scrollen sich durch Foto um Foto. Ein Kaktus. Noch ein Kaktus. Ein Kaktus mit Hut. Ein Kaktus mit Menschengruppe daneben. Sie zeigen und erklären sämtliche 117 Variationen des Frühstücksbuffets, von leicht angetrocknetem Rührei bis zur exotischen Marmelade, die angeblich „nach mehr schmeckt“. Und das Schlimmste: Sie kommentieren jedes einzelne Bild. Mit dramatischen Pausen. Wie ein Regisseur, der sein Opus Magnum vorführt.

„Hier, das war im botanischen Garten von Wanne-Eickel. Die Dahlien! Oh mein Gott, die Dahlien! Schau dir diese Dahlien an!“ Man schaut. Natürlich schaut man. Was bleibt einem denn auch anderes übrig? Es gibt schließlich keine Möglichkeit, diesem auditiv-visuellen Overkill zu entkommen, ohne erhebliche Unhöflichkeit an den Tag zu legen.

Irgendwann scheint der Fotoaufzwänger erschöpft. Und man wagt zu hoffen, dass es nun bald vorbei sein könnte. Man setzt hoffnungsvoll innerlich zum Dankgebet an. Und sagt etwas Nettes. „Wirklich alles sehr schön, ganz beeindruckende Aufnahmen.“ Doch leider, genau das wirkt wie Koks. Der Fotoaufzwänger ist zurück. „Oh! Dann musst du das hier noch sehen. Das glaubst du nicht, wie schön das war!“ Er kennt keine Gnade mehr.

Was bleibt ist Resignation. Gepaart mit der Überlegung, diesen Menschen nachhaltig zu ghosten. In Zukunft einfach so zu tun, als wäre man ausgewandert. Hätte das Land verlassen. Für immer. Vielleicht nach Grönland. Ohne Empfang. Ohne Freunde. Ohne Gefahr.

Dabei meinen Fotoaufzwänger es eigentlich überhaupt nicht böse. Wahrscheinlich wären sie völlig überrascht, fielen aus allen Wolken, würde man sie darüber informieren, dass ihre Urlaubsfotos niemanden interessieren. Noch viel weniger als damals Onkel Georgs Diavortrag mit Bildern von Tante Annelieses 60. Geburtstag. Ja, wirklich, noch weniger!

Fotoaufzwänger glauben wahrhaftig, dass wir ihre Erlebnisse nachempfinden wollen. Dass wir durch ihre Linse plötzlich den Zauber von „Landstraße B241 bei Nieselregen“ entdecken. Dass wir uns an ihrem Abenteuer im gleichen Maß berauschen können (und wollen) wie sie selbst. Was sie nicht verstehen: Urlaubsfotos sind wie Träume. Für den, der sie hat, sind sie faszinierend, bedeutungsvoll, oft sogar magisch. Für alle anderen? Ein bizarrer Bilderstrom, bei dem man höflich nickt, während man innerlich dissoziiert. Darum, liebe Fotoaufzwänger, hört bitte auf, die Welt mit euren 5.000 Bildern zu bombardieren. Nehmt zwei, maximal drei Highlights. Und dann lasst es gut sein. Wer mehr sehen will, wird fragen. Fest versprochen. Und wenn keiner fragt, nehmt es bitte nicht persönlich.


MB

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Randgruppenbeleidigung: Genusskaputtquatscher

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Randgruppenbeleidigung: Genusskaputtquatscher


Ein Sonnenuntergang. Der feine weiße Sand ist noch warm vom Tag, türkisblaue Wellen spülen rhythmisch an den Strand und im Glas mit dem Tequila Sunrise klimpern die Eiswürfel. Es könnte nicht besser sein, es ist geradezu perfekt. Da: „Börps!“ Ein Rülpser zerschmettert die Schönheit des Augenblicks. „’Tschuldigung. Das ist wegen dieses blöden Granatapfelsirups. Ohne den wär der Cocktail besser.“ Szenenwechsel. Am Esstisch. Ein Mahl ist aufgetragen. Es riecht gut, schmeckt gut, sieht schön aus und ausnahmsweise ist nicht mal der Tellerrand bekleckert. Der Wein korrespondiert hervorragend. Dann: wichtigtuerisches Schmatzen am Weinglas. Ein Bissen wird abgeschnitten, beschnüffelt, in den Mund geschoben und gekaut. „Mh-hm“ zur Kenntnis nehmend, aber doch auch irgendwie wertend. „Ja gut, ich persönlich hätte jetzt keinen Riesling genommen. Bisschen spitz, oder? Das Fleisch ist natürlich okay von der Garstufe her, aber ich weiß nicht, vielleicht wär ein Augenblick kürzer irgendwie besser gewesen. Schade auch, dass es keinen Romanesco gab. Also, der Brokkoli ist natürlich gut, aber ich frag mich, ob’s mit Romanesco nicht vielleicht etwas runder… verstehst du? Aber so in der Kombination mit der Sauce -– echt schön, doch, muss ich wirklich sagen. Die Säure braucht’s aber auch, ne? Das Brot ist gut, schön kurz im Biss!“ Erneuter Szenenwechsel. Man hört Musik. Das Stück arbeitet sich zum Klimax voran, die Band spielt perfekt, der Produzent hat einen tollen Job gemacht und im Mix die Stärken des Sängers eindrucksvoll herausgearbeitet. Der Text ist außergewöhnlich gut, man möchte fast weinen. „Versteh ich nicht. Kann sich doch keiner merken, warum macht man so was? Hätt‘ ich anders gemacht. Das Interlude ist auch viel zu lang. Da hören die Leute ja schon gar nicht mehr zu, wenn’s richtig los geht. Und Text… tja. Hab ich jetzt gar nicht so richtig drauf geachtet. Ist aber auch egal.“

Wir sind uns einig, oder? Es gibt Menschen, denen gelingt es mit Leichtigkeit, einem jeden noch so kleinen Genuss kaputt zu quatschen. Oft noch nicht einmal mit böser Absicht, sie hören sich einfach gerne reden und haben immer viel Meinung. Und die muss auch raus, ohne Rücksicht auf Verluste. Diese Idee „Wenn ich meinen Schnabel nicht halte, mache ich wahrscheinlich einen sehr schönen Moment kaputt“ kommt ihnen entweder gar nicht oder es ist ihnen schnurz. Es wird nicht genossen, es wird operiert, ja sogar seziert. Und zwar so lange und so ausgiebig, bis von jedem noch so tollen Augenblick, jeder noch so schönen Situation nichts mehr übrig ist. Gar nicht, weil ihnen nach Stunk machen oder gar Romantik zuwider ist. Und auch nicht, weil sie wirklich Lob oder fundierte und ergebnisorientierte Kritik von sich geben möchten. Nein! Einfach nur, weil sie die Fresse nicht halten können. Mit der Planierraupe durchs Wunderland, ohne die Vorfahrt zu achten. Wäre Schweigen vielleicht gerade Gold? Kann ich mich nicht glücklich schätzen, dass gerade mein größtes Problem ist, dass mir Granatapfelsirup nicht schmeckt? Was für ein schöner Moment, was für gutes Essen, was für ein tolles Lied – egal, ich hab eine Meinung, hier, pass auf! Niemand, wirklich niemand möchte diese Meinung hören. Auf keinen Fall in diesem Augenblick und sehr wahrscheinlich auch zu keinem späteren Zeitpunkt. Es gibt gute Gründe dafür, dass „genießen und schweigen“ oft und gern in Kombination verwendet werden. Zeit, das zu erkennen und zu beherzigen. Sonst könnte es schon passieren, dass der Eine genießt, wenn der Andere schweigt. Gegebenenfalls auch dauerhaft, wer weiß?! IH

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Randgruppenbeleidigung: Kontrolletties

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Randgruppenbeleidigung: Kontrolletties


Ja, genau, bleib dran, ich mag das! Schnüffel wie so ein Straßenköter an meinen Hacken rum, weich mir nicht von der Seite. Und stell ruhig deine Fragen: „Kannst du das?“ „Traust du dir das wirklich zu!“ „Schaffst du das?“ „Wie weit bist du denn?“ „Kann man dir noch irgendwie helfen?“ „Bist du dir sicher, dass das klappt?“ „Bist du wirklich sicher?“ „Zeig doch mal, was ist denn schon geschafft?“

Die Kontrolletties dieser Welt sind wirklich eine Pest. „Halt’s Mauls und lass mich arbeiten!“, möchte man sie anschreien. Aber man lässt es. Meistens. Um der liebe Friede willen. Dabei sollte man sie anschreien. Man sollte ihnen laut und deutlich sagen, was sie da eigentlich anrichten. Und dass sie sich gefälligst um ihren eigenen Scheiß kümmern sollen. Sie sorgen für Magengeschwüre, Burnouts und Schlimmeres. Weil sie stressen. Weil sie maximal nerven. Was ist denn falsch mit denen?

Wie kommt man denn auf die Idee, dass alle anderen Menschen unfähig sind? Das nur man selbst die Weisheit mit Löffeln gefressen hat? Dass man das einzige Wesen in der großen weiten Welt ist, das wirklich den Durchblick hat und was zustande bringt, während andere nur so laienhafte und/oder stümperhafte Krüppelergebnisse schaffen? Habt ihr euch mal umgesehen? Habt ihr euch mal gefragt, wer das Auto (ohne euch) gebaut hat, in dem ihr gerade unterwegs seid? Habt ihr euch mal gefragt, wer (ohne euch) das Flugzeug zusammengebastelt habt, das euch nach Malle bringt? Und wer hat eigentlich die Medizin (ohne euch) zusammengerührt, die ihr euch so vertrauensvoll einverleibt, während ihr krank im Büro herumlauft, um die anderen bloß nicht aus den Augen zu lassen. Idioten! Die Welt dreht sich ganz ohne euch. Und wenn ihr einiges Tages das Zeitliche segnet, wird sie sich einfach weiterdrehen.

Da muss doch irgendwas in euer Kindheit falsch gelaufen sein. Seid ihr für jeden Mist gelobt worden und habt nun verinnerlicht, das einzig und allein ihr in der Lage seid, die Dinge wirklich perfekt zu erledigen? So perfekt, dass wirklich niemand auch nur den geringsten Einwand haben kann. Außer ihr selbst, versteht sich. „Ich weiß, das ist schon ziemlich genial, was ich da fabriziert habe und es wird schwer sein, das zu toppen. Aber man muss sich ja auch Ziele setzen.“ Ziele, die in euren Augen andere natürlich niemals erreichen. Weil sie es einfach nicht können. Zu faul. Nicht ehrgeizig genug. Nicht klug genug. Man muss ihnen darum ständig auf den Fersen sein, weil sonst gar nichts funktioniert. Und wenn man es nur ein einziges Mal ein bisschen schleifen lässt, was passiert dann? Genau, alles geht schief. NICHT! Es läuft vielleicht nur ein bisschen anders, als ihr euch das in euren „perfekten“ Hirnen vorgestellt habt. Es gibt nämlich immer mindestens zwei Wege, ihr Vollpfosten!

Aber das könnt ihr euch ja nicht vorstellen. Dazu reicht es nicht. Das Universum ist euer Ego, darüber hinaus existiert nichts. Ihr seid Gott, alle anderen sind nur erbärmliche Insekten, die kopflos auf dem Erdball herumkrabbeln und sich nach Führung sehnen. Nach jemandem, der wenigstens hin und wieder mal einen Blick riskiert, ob es noch gut läuft. Oder ob da schon wieder jemand Bockmist baut. Es nicht hinbekommt. Scheitert. Versagt.

Verdammt, jetzt stehst du schon wieder hinter mit! Was soll das werden. Warum bist du nicht Polizist geworden? Wenn ein Text noch gar nicht fertig ist, brauche ich noch keine klugen Kommentare! Niemand hat gesagt, dass du den jetzt schon lesen sollst! Ja, der wird ja heute noch fertig! Woher soll ich wissen, ob der lustig genug ist? Für dich wahrscheinlich nicht, du hast ja diesen genialen Humor, dafür wird es wahrscheinlich nicht reichen. Weißt du was, dann mach deine Scheiße doch allein! Ich kündige! GAH

pixabay

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Randgruppenbeleidigung im Juni

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Randgruppenbeleidigung im Juni


Royalisten

Ist schon klar, so ein König ist super! Folklore ist super! Das schweißt ja auch zusammen, das verbindet, da fühlt man sich als großes Volk. Und das scheint ja irgendwie wichtig zu sein, so ein Volksgefühl. Also hat man die Königin viele Jahre geliebt, und verehrt nun den König – gemeinsam mit den vielen anderen Irren, die für das ganze Theater Millionen ausgeben. Würde das Geld nicht an anderer Stelle ziemlich dringend gebraucht werden, man könnte fast drüber lachen.

Okay, wir wollen ehrlich sein, wir lachen trotzdem drüber. Eine Nation züchtet sich Gossip. Ein bisschen wie die Truman Show, nur in echt. Da gibt es dann eine Familie, deren Mitglieder aufgrund ihrer Abstammung privilegiert sind, die mit dem berühmten goldenen Löffel im Mund geboren werden, denen von Kindesbeinen an kübelweise Puderzucker in den Allerwertesten geblasen wird. Und klar, wenn sie nicht absolut resilient sind, dann degenerieren sie im Laufe der Zeit und werden zu rotwangigen, ungeduldigen Riesenbabys, die bei defekten Füllfederhaltern nervös werden und die auf krude Dinge stehen, worüber man eigentlich gar nichts wissen will, aber trotzdem alles erfährt.

Zwischendurch darf dann mal eine Weltliche in den Zirkus einheiraten, um für ein bisschen frisches Blut zu sorgen. Zur Freude der versammelten Royalisten, der Spanner mit Fähnchen, denn so eine Weltliche ist ja nicht von Kindesbeinen an auf den Job vorbereitet und darum vielleicht ein bisschen dünnhäutig, und eventuell steht sie auch gar nicht auf krude Dinge – und dann fällt die königliche Sippschaft über die Weltliche her. Daran kann man sich als Royalist natürlich wunderbar ergötzen. Es sei denn, jemand stirbt. Dann ist man mal kurz traurig. Aber wenn Prinz Harry dann auf einer Kostümparty als Nazi unterwegs ist, dann muss der gemeine Royalist doch wieder schmunzeln. Humor hat der Junge ja. Trotz der großen Tragödie.

Aber inzwischen ist ja längst wieder alles gut, die Königin ist tot, lang lebe der König mit Queen Camilla an seiner Seite – und wie man so hört, sollen die beiden ja immer noch …. Nein, niemand will das wissen. Bitte, macht keine Fotos. Hört keine Telefongespräche mehr ab. Also, alles ist wieder gut, ein Söhnchen hat sich verabschiedet und mit ein bisschen Dreck geworfen, aber ansonsten läuft die Monarchie-Maschine, die Firma funktioniert, die Medien berichten gerne positiv – und ausschließlich positiv, Kritiker werden wegen Landesfriedensbruchs von der Polizei festgenommen, wer in Großbritannien gegen die Monarchie protestiert, lebt nicht ungefährlich. Man sollte sich vor allem in Acht nehmen vor dem Royalisten-Lynchmob. Alles in schönster Ordnung im Königreich. NICHT!

Royalisten sind wirklich eine Pest. Sag was gegen die Monarchie, und sie versuchen dich mit ihrer Teetasse zu erschlagen. Wobei sie natürlich trotzdem höflich bleiben. Und warum das alles? Um das eigene belanglose Leben verdrängen zu können. Wer einem König zujubelt, fühlt ja beinahe schon selbst wie ein König, oder wahlweise wie eine Königin. Das kann man dann auch gerne jedes Jahr mit 100 Millionen Pfund subventionieren, auf dass die zweitklassige Seifenoper niemals enden möge. Man könnte fast drüber lachen …

VA

Foto: PixelAnarchy / Pixabay.com

 

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Randgruppenbeleidigung im Mai

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Randgruppenbeleidigung im Mai


Desinteressierte

Du bist es ist einfach. Gottes Geschenk. Gar kein Zweifel. Und darum ist es wichtig und richtig, dass die Welt erfährt, was du denkst und fühlst. Wer du bist. Was dich beschäftigt. Was dich bewegt. Wie es generell so läuft bei dir. Und es läuft natürlich super! Seht und hört und staunt!

Deine Sätze beginnen alle mit „Ich …“ und deine Sätze enden nie mit einem Fragezeichen. Du kannst dich einen ganzen Abend und gerne auch eine ganze Nacht lang bestens darüber unterhalten, wie geil du bist, ohne den Namen deines Gesprächspartners herauszufinden. Ohne überhaupt irgendwas über denjenigen zu erfahren, dem du so eifrig einen Blumenkohl an die Hörmuschel laberst. Dein Thema, das bist allein du. Was könnte interessanter sein? Und schon geht es los mit deinen Ergüssen über deine Herrlichkeit, Verbalonanie pur. Zweifel sind dir völlig fremd. Und dein Gegenüber bleibt dir völlig fremd. Denn du interessierst dich nicht die Bohne für andere. Du interessierst dich eigentlich für gar nichts, außer für dich.

Und so steht man dir ein bisschen ratlos gegenüber und versucht, ein höflicher Mensch zu bleiben. Man versucht nicht zu lachen, als man erfährt, dass du ausgerechnet Journalist bist. Man versucht, keine Miene zu verziehen. Währen du schwallerst und schwallerst und schwallerst. Deinen Job bist du gerade los, sie waren in der Redaktion einfach nicht schnell genug für dich, sie haben deine Genialität nicht verstanden, du warst wahrscheinlich einfach zu sehr Überflieger und dann entsteht natürlich Neid. Dann ist es besser, irgendwann einfach zu gehen. Du wärst darum auch von allein bald gegangen. Wenn sie dir nicht mit der Kündigung zuvorgekommen wären, hättest du gekündigt. Und klar, sie konnten diese Kündigung nur lächerlich begründen. Du hättest in deinen Interviews zu viel von dir erzählt, deine Fragen seien immer weitaus länger gewesen als die Antworten der Interviewten und nachgefragt oder nachgehakt hättest du nie. Lächerlich. Deine Fragen und Einlassungen seien doch im Gegenteil gerade das Salz in der Suppe gewesen Was soll man denn machen, wenn einem bei den Interviews nur langweilige Menschen vor die Nase gesetzt werden, die so gar nichts Spannendes zu erzählen haben. Da muss man dann halt kreativ reagieren und die ganze Geschichte entsprechend aufbrezeln. Oder etwa nicht?

Was bleibt einem übrig als zu nicken, wenn man nicht unhöflich sein will? Und schon geht es weiter mit der feuchtfröhlichen Selbstdarstellung. Jetzt steht die richtige Ernährung auf der Gesprächsliste. Man erfährt, wie du auf die Idee gekommen bist, Vegetarier zu werden, damals, schon vor Jahren. Als die ganze Problematik in den Medien noch gar kein Thema war. Du warst schon immer ein Vordenker. Und man kommt einfach nicht dazwischen, während es Argumente für den Fleischverzicht hagelt, man schafft ihn nicht, diesen einen Satz, der eigentlich gesagt werden müsste: „Ich bin längst Vegetarier und das schon ein paar Jahre länger als du!“ Der Satz bleibt ungesagt. Ist ja auch nicht so spannend.

Spannend ist, dass du jetzt große Pläne hast. Du willst noch einmal richtig angreifen. Und darum bist du auf dieser Party. Denn dieser Typ von dieser Zeitung soll auch da sein. Und wenn du den in die Finger bekommst und der checkt, was für ein Genie du bist, dann wird richtig Karriere gemacht. Der muss es halt nur kapieren. Dass er sich reines Gold ins Haus holen würde. Ein richtig spannendes Exemplar. Einen Lottogewinn, wenn man so will. Und dann wird man plötzlich stehengelassen. „Entschuldige, ich sehe da drüben jemanden, den ich kenne, glaube ich. War interessant, sich mit dir zu unterhalten. Wie war noch mal dein Name?“ Die Antwort bleibt ungehört.

VA

 

PS: Ich glaube, ich habe keinen Job für dich.

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Randgruppenbeleidigung im April

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Randgruppenbeleidigung im April


Genussmenschen

Komm, das gönne ich mir heute. Darauf kommt es jetzt eh nicht mehr an. Das Tier ist ja schon tot. Ach, und du bist Vegetarier? Und? Wem soll das was nützen? Meinst du, du rettest so das Klima? Du allein? Und als Vegetarier? Müsstest du dann nicht besser Veganer sein? Vegetarier ist doch nichts Halbes und nichts Ganzes. Isst du auch keine Wurst? Stört es dich, wenn ich trotzdem Fleisch esse? Bist du denn auch so ein Bio-Sklave und kaufst den ganzen überteuerten Kram? Und diese ekligen Ersatzprodukte? Hast du mal gelesen, was da alles so drin ist? Auch nicht alles Gold, wenn du mich fragst. Ist wahrscheinlich gesünder, einfach ein vernünftiges Stück Fleisch zu essen. Ich könnte da gar nicht drauf verzichten. Ab und zu muss das mal sein. Okay, wenn ich ganz ehrlich bin, muss es jeden Tag sein. Man gönnt sich ja sonst nichts. Ich steh nicht so auf diese Askese-Nummer, ich möchte mein Leben echt noch ein bisschen genießen. Wer weiß, was die Grünen nächstes Jahr schon alles verboten haben.

Ja, klar, ist vielleicht ein bisschen egoistisch von mir. Mag sein. Und ja, klar ist das nicht schön für die nächsten Generationen. Aber ich allein werde es ja nicht ändern. Und außerdem will ich sowieso keine Kinder in die Welt setzen. Die Welt ist doch längst im Arsch, machen wir uns nichts vor. Wer jetzt noch Kinder in die Welt setzt, hat es echt noch nicht kapiert. Das wird schnell gehen in den nächsten Jahren, du wirst in ganz vielen Gebieten nicht mehr leben können, der Katastrophenzustand wird das neue Normal. Ich bin ziemlich froh, dass ich nicht mehr ganz so jung bin. Vielleicht habe ich ja Glück und kneife den Arsch zu, bevor es ganz den Bach runtergeht. Aber bis dahin werde ich mein Leben noch genießen. Mach du, was du willst, ich bestelle mir jetzt ein schönes Stück Fleisch, medium. Das muss jetzt sein. Ich hatte echt einen anstrengenden Tag.

Mmh, lecker! Willst du nicht doch mal probieren? Ist echt gut. Du bist mehr so die personifizierte Enthaltsamkeit, oder? Lässt du Sex auch aus? Selbst gewähltes Zölibat? Und dann sitzt du allein zu Hause in deiner kalten Wohnung, weil alles über 18 Grad Sünde ist? Und zwischendurch wärmst du dich mit Yoga auf? Kannst du ja gerne machen, ich bin zu Hause aber gerne im T-Shirt unterwegs und da braucht es dann einfach 24, 25 Grad. Wem soll denn das bitte was nützen, wenn ich friere? Dann krieg ich nur schlechte Laune und das ist auch kein Spaß für alle Beteiligten. Ist schon schöner, wenn ich gute Laune habe, glaub mir.

Weiß du, was ich dieses Jahr noch mache? Ich fliege nach Dubai. Hab ich schon lange auf dem Zettel. Muss man ja mal gesehen haben. Das wird geil. Da werde ich es mir mal richtig geben, Luxus pur. So ein Flug kostet ja echt gar nichts mehr. Acht oder neun Stunden, schon sitzt du in deinem Hotel. Das darf dann gerne auch teuer sein. Ist heftig, was die da in die Wüste geklotzt haben, oder? Und du, was machst du im Sommer? Wandern in der Lüneburger Heide? Ich bin ja mehr so der Pool-Sitzer und Cocktail-Trinker im Urlaub. Bisschen die Langeweile genießen, zwischendurch mal was Leckeres einwerfen, dann bin ich schon glücklich. Ich bin da echt mehr so der Genussmensch. Man muss sich auch mal was gönnen, das Leben ist schon anstrengend genug. Isst du deine Kartoffeln nicht mehr? Kann ich die für meinen Fleischsaft haben. Soooo lecker? Dir ist schlecht? Du hast keinen Appetit mehr? Dann kann ich sie also haben? Danke! Wo willst du denn jetzt hin? Eine rauchen? Da würde ich mitkommen. Dass ist echt was, das ich vermisse, dass man nicht mehr drinnen rauchen darf. Das war früher soooo gemütlich. Das haben damals auch die Grünen verboten, oder?

VA

 

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