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Editorial 2023-08

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Editorial 2023-08


Lieber Leserinnen und Leser,

in dieser Ausgabe habe ich mit Bernd Lange über Europa gesprochen. Bernd Lange ist schon einige Jahre Europaabgeordneter und gehört laut einer Studie der Forschungsplattform „EU-Matrix“ zu den zehn einflussreichsten Parlamentariern im EU-Parlament. Warum dieses Thema, warum Europa? Weil mir die Europäische Union bei allen Schwierigkeiten und allem Dissens unter den Ländern in den vergangenen Monaten so etwas wie eine leise Hoffnung gegeben hat.

Wir stehen vor unglaublichen globalen Herausforderungen, wir haben einen Krieg in Europa, wir haben es mehr und mehr mit neuen Supermächten zu tun, die ihrer ganz eigenen Agenda folgen. Wie kommen wir da durch, mit unserer kleinen, sehr angreifbaren, verletzlichen Demokratie? Ich fühle mich in Deutschland frei, ich kann hier an dieser Stelle schreiben, was ich will, niemand verbietet mir den Mund. Das soll so bleiben. Und dass das so bleibt, dafür scheint mir ein starkes Europa eine gute Garantie zu sein. Ich habe mir in den vergangenen Monaten tatsächlich mehr Europa gewünscht als weniger Europa. Ich glaube, dass wir einen starken Verbund dringend brauchen. Und umso mehr blicke ich mit Sorge auf jene europäischen Staaten, in denen es politisch nach rechts gekippt ist. Der Einfluss der Rechtspopulisten wird zunehmend größer in Europa, leider auch in Deutschland, und wenn ich mir ansehe, wie sich beispielsweise ein Viktor Orbán aufführt, dann kann ich mir ausmalen, was passiert, wenn noch mehr von der Sorte in Brüssel mitreden.

Ich bin darum mit großen Sorgen in das Gespräch mit Bernd Lange gegangen, eher pessimistisch, mit sehr viel Skepsis. Ich kann hier vorwegnehmen, dass ich nach dem Gespräch erleichtert war. Nicht unbedingt, weil Bernd Lange meine Befürchtungen und Bedenken ausgeräumt hat, sondern weil ich einen Politikertyp kennengelernt habe, den man angesichts der vielen Lautsprecher in der deutschen Politik fast gar nicht mehr für möglich hält. Unaufgeregt, bescheiden, geerdet. Nicht laut, sondern leise, aber dafür umso informierter. Ein Politiker mit echter Expertise. Und ein Sozialdemokrat, der aus seiner Agenda keinen Hehl macht, ganz geradeaus. Jemand, der etwas erreichen will und dabei pragmatisch nach Kompromissen sucht. Von Inszenierung keine Spur. Sozusagen ein Anti-Söder. Das hat mich beeindruckt. Und mich nachdenklich gemacht. Kann es sein, dass wir uns den Lautsprechern in der Politik zu sehr widmen und dabei vergessen, dass es auch im Deutschen Bundestag sehr viele fleißige und ambitionierte Politiker*innen gibt, in allen Parteien, die einfach nur versuchen, einen guten Job zu machen. Die für ihre Sache kämpfen, die etwas wollen? In der CDU ist Thomas Heilmann so ein Beispiel. Vielleicht müssen wir alle unseren Blick in dieser Hinsicht mal wieder nachschärfen. Nicht alle Politiker*innen sind fragwürdig, wahrscheinlich sind es sogar nur ein paar wenige, eine eitle Clique, die leider ausgerechnet ständig in den Talkshows hockt. Wir sollten den Söders dieser Welt, den Blendern, nicht auf den Leim gehen. Das Gespräch mit Bernd Lange startet auf Seite 56.

Zuletzt noch schnell ein großes, ein sehr großes Dankeschön. Lieber Hartmut, du bist jetzt seit 15 Jahren im Stadtkind dabei, du hast mich zweimal zum Weinen gebracht, sehr oft zum Lachen und weitaus öfter noch hast du mich nachdenklich gemacht. Ich freue mich sehr, dass du das Stadtkind jeden Monat bereicherst. Danke!

Viel Spaß mit dieser Ausgabe!

Lars Kompa
Herausgeber Stadtkind  

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Editorial 2023-07

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Editorial 2023-07


Liebe Leser*innen,

in dieser Ausgabe habe ich mit Peter Holik übers Veranstalten gesprochen. Das Fährmannsfest Nummer 40 läuft in diesem Jahr vom 4. bis 6. August – der Mann hat also ein bisschen Erfahrung. Peter ist eine echte Kante. Meinungsstark ist wohl die passende Beschreibung. Er hält sich nicht zurück oder scheut Konfrontationen, er hat seinen ganz eigenen Kopf und es geht gerne voll auf die Zwölf. Das gefällt mir sehr. Ich bin nicht mit allem einverstanden, was er im Interview ab Seite 52 erzählt und fordert, aber ich kann dennoch eine Menge unterschreiben. Und ich finde, wir brauchen dringend solche Köpfe in der Stadt. Köpfe, an denen man sich auch mal reiben kann, die Widerworte geben. Einig sind wir uns allerdings ganz klar in einem Punkt: Kürzungen u. a. in der Kultur, wie sie die Stadt Hannover momentan plant, darf es nicht geben.

Am 14. Juni 2023 haben hunderte Menschen auf dem Trammplatz vor dem Rathaus gegen die Sparpläne der Stadt demonstriert. Die Kosten für Energie, Ausstattung und Personal steigen und gleichzeitig will die Stadt knapp 6 Millionen Euro in den sogenannten „Freiwilligen Leistungen“ kürzen. Freiwillige Leistungen sind Kultur, Bildung, Sport und Soziales. Mit dem Haushalt 2025/26 soll der Rotstift angesetzt werden, bis 2027 will man dann schrittweise die Gesamteinsparung erreichen. Diese Pläne sind aus meiner Sicht schlicht eine Katastrophe, viele Akteure in den betroffenen Bereichen wird es hart treffen. Denn wenn du jemandem in die Tasche greifst, der ohnehin schon von der Hand in den Mund gelebt hat, dann droht das Aus. Man kann die Schraube nicht endlos weiter anziehen und darauf vertrauen, dass all die „Verrückten“, die für viel zu wenig Geld gerne viel zu viel arbeiten, einfach immer weitermachen, egal wie schlecht die Bedingungen werden. Irgendwann ist ein Punkt erreicht, an dem es einfach nicht weitergehen kann. Und wenn jetzt viele Vereine und Initiativen lautstark protestieren, dann sind das keine Klagen auf hohem Niveau, die man nicht so ernst nehmen muss. Es ist insgesamt ein Hilferuf. Es droht tatsächlich ein Kahlschlag. Ich hoffe, dass sehr bald die gesamte Stadtgesellschaft erkennt, was da auf der Agenda steht, und sich mit den Kulturschaffenden und allen anderen Betroffenen solidarisiert.

Ich finde es ziemlich hirnrissig, in Zeiten, in denen die AfD in Umfragen bei knapp 20 Prozent liegt und in Thüringen nun erstmals mit einem Landrat ein kommunales Spitzenamt besetzt, in genau jenen Bereichen sparen zu wollen, die in unserer Stadt für den sozialen Kitt sorgen. All die Vereine, Initiativen und Projekträume mit ihren vielen engagierten und oft ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen brauchen nicht weniger, sondern mehr Geld. Sie sorgen für Zusammenhalt, für Freundschaft, für Begegnung. Sie sorgen für all das, was aus meiner Sicht Gesellschaften resilient macht gegen rechte Tendenzen. Es kann doch nicht sein, dass man in Hannover diesen völlig falschen Weg geht! Was soll ich mit einer Veloroute, wenn mir am Ende des Weges der Verein fehlt? Ich hoffe sehr auf einen Sinneswandel im Rathaus! Vielleicht nutzt man ja die Sommerpause, um noch ein bisschen drüber nachzudenken …

Viel Spaß mit dieser Ausgabe!

Lars Kompa
Herausgeber Stadtkind  

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