Literarisches: Dorit David

Ein abgebranntes Gartenhaus in der Uckermark, ein toter Vater, drei Geschwister und eine rätselhafte Frau, die das Erbe erhält: In ihrem neuen Roman „Lichtgier“ spinnt Dorit David ein Netz aus Familiengeschichte, Gesellschaftsanalyse und psychologischen Abgründen. Die Künstlerin, die seit über 30 Jahren in Hannover lebt, kehrt mit dem Buch literarisch in ihre Heimatregion zurück – und trifft dabei einen Nerv der Gegenwart.

Der Ausgangspunkt war persönlich: „Ein Bekannter von mir, naturverbunden und offen, vereinsamte zusehends – und driftete in extreme Esoterik und rechtes Denken ab“, erzählt David. Eine Erfahrung, die sie zunächst in einer Kurzgeschichte verarbeitete – elf Jahre später ist daraus ein Roman geworden. Einer, der tief in familiäre Verstrickungen und gesellschaftliche Bruchlinien eintaucht: Ost gegen West, Rationalität gegen Irrationalität, Licht gegen Dunkelheit. Genau diese Spannungen hallen schon im Titel wider. „Licht ist etwas Helles und Reines, Gier etwas abgründig Zerstörerisches“, sagt David. Im Roman hat das Licht sogar direkten Bezug zu einer Sekte – und erinnert unheimlich an die Lichtmetaphern, die im Nationalsozialismus propagandistisch aufgeladen wurden. Tatsächlich verwebt „Lichtgier“ persönliche Konflikte mit gesellschaftlichen Umbrüchen. Die jüngste Tochter Peggy macht sich auf Spurensuche – fast wie in einem Krimi, jedoch ohne klassische Ermittler*innenfigur. „Für mich stehen die Beziehungen im Vordergrund“, erklärt David. Es ist eine Erzählung, die sich gängigen Genres entzieht, weil sie tiefer bohrt: „Ich komme beim Schreiben intuitiv an interessante Schichten heran – intui-tief, sozusagen.“

Besonders interessant ist der Blick auf eine Esoterik-Kommune, die im Laufe der Handlung auftaucht. David interessiert sich hier weniger für das Skurrile, sondern für die Psychodynamik dahinter: „Was passiert da im Gehirn eines Menschen? Wer nutzt diese Manipulation – und wozu?“ Es ist diese empathische Perspektive, die „Lichtgier“ auszeichnet: „Ich wünsche mir ein emotionales Verständnis dafür, wie sich Menschen unter bestimmten Bedingungen verändern. Nicht das moralische Kopfschütteln – sondern Neugier und Kontakt.“

Als multidisziplinäre Künstlerin wechselt Dorit David oft zwischen Bühne, Bild und Buch. Doch für sie ist der Ausdruck stets derselbe, nur das Werkzeug ändert sich. Auch im Schreiben sucht sie die Nähe zu ihren Figuren – nicht als autobiografisches Detail, sondern als emotionales Andocken: „Ich glaube, dass wir alles in uns tragen – auch die Extreme. Wenn ich das beim Schreiben nicht spüre, bleibt die Figur unecht.“ Gerade arbeitet David an neuen Projekten – diesmal langsamer als früher, mit mehr Pausen. Ideen hat sie genug: Ein neues Bilderbuch entsteht, vielleicht für Kinder, vielleicht auch für Erwachsene – vielleicht für beide. So bleibt Dorit David, was sie ist: eine Grenzgängerin zwischen Formaten, Stilen und Denkwelten. Und mit Lichtgier hat sie einen Roman geschrieben, der genau dort hinschaut, wo andere lieber wegsehen würden.

Querverlag, 320 Seiten, 18 Euro


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