Bandporträt Oktober 2025: Sondaschule

Sondaschule gibt es schon länger als Ronja Malzahn Dreadlocks trägt. Ein ziemlich unsinniger Satz, aber nur auf den ersten Blick: Kulturelle Aneignung wird schon deutlich länger diskutiert als von dem Moment an, in dem Fridays for Future sich an der Frisur einer kaukasischen Musikerin störte. Hardliner und solche, die im Kommisston deklamieren, wer welche Musik machen darf, gab es wahrscheinlich schon immer. Was Ska betrifft, ist die Liste kurz: Man ist entweder Jamaikaner, hat mit Desmond Dekker Kaffee getrunken oder wurde von Laurel Aitken gesegnet. Vielleicht ist man aber auch ein englischer Dockarbeiter. Deutscher Ska? Auf gar keinen Fall!

Nach dem jamaikanischen Ska der 60er und dem britischen Revival mit dem 2-Tone-Ska der 80er-Jahre rollte die dritte Welle heran und mit ihr auch erstmals Ska in deutscher Sprache. Beeinflusst von Punk und New Wave veränderte sich das Klangbild merklich: Ska-Punk war geboren. Und warum auch nicht? In Mülheim an der Ruhr wird es schon den einen oder anderen Zechenmalocher gegeben haben, da ist es nur legitim, wenn eine lokale Band Musik für ihre eigenen Rudeboys spielt. Wenn diese Band sich aber nicht festlegen will und genervt ist von diesen ganzen Old School- und New School- und Wave-Labels, nennt sie sich Sondaschule. Im Gründungsjahr 1999 konnte ja schließlich noch keiner ahnen, dass der Name später mal suggerieren könnte, es handele sich dabei um ein Berliner Gangster-Rap-Trio. Dankenswerterweise spielen Sondaschule aber vergnüglichen Ska-Punk, mit Betonung auf vergnüglich. Wo anderen Genrevertretern allzu oft die Leichtigkeit abhanden kommt, weil die Welt eine schlimme ist, gibt es bei Sondaschule immer ein Augenzwinkern und Spaß. Selbstironisch handelt ein großer Teil ihrer Songs vom selbsterklärten Unvermögen, mit dem Alltag zurecht zu kommen. Nahezu hymnisch widmet man sich mitunter dem übermäßigen Verzehr unterschiedlichster Alkoholika und sonstiger Rauschmittel. Sänger Tim Kleinrensing inszenierte einst ein fiktives Telefonat zwischen seinem Alias Costa Cannabis und Peter von Frosta, in dem die Markteinführung einer Cannabispizza diskutiert wird. Will sagen: Oft ist auch Quatsch dabei, aber herrlicher Quatsch. Haufenweise adoleszente Albernheiten, hier und da gespickt mit erstaunlich hellsichtiger Sozialkritik, untermalt mit den typischen Offbeat-Gitarren und kurzatmigen Bläsersätzen. Wenn man es mit einer solchen Melange dann noch in die Albumcharts schafft, ist das schon etwas Besonderes. So geschehen im Februar 2022, als Sondaschule mit „Unbesiegbar“ auf Platz 2 der Albumcharts landeten. Ein bisschen Balsam auf eine Bandseele, die kurz zuvor einen traurigen Verlust wegstecken musste: Ihr langjähriger Gitarrist starb nach kurzer schwerer Krankheit. Dieser Schicksalsschlag wird auf ihrem gerade erschienenen Album titelgebend verarbeitet: „Wir bleiben wach“ ist nicht nur der Name ihrer Neuerscheinung, sondern auch der Opening Track. Trotz des traurigen Themas ist der Song ein druckvolles, energiegeladenes Versprechen, weiterzumachen. Unterstrichen wird dieses Vorhaben durch die Ankündigung einer Tournee. In zehn deutschen Städten spielen Sondaschule ihre bislang größte Hallen-Tour. Darunter auch in Hannover: Am 29. November um 20 Uhr sind die Ruhrpottler in der Swiss Life Hall zu Gast. Tickets gibt es für 52,60 Euro online und an den bekannten Vorverkaufsstellen.

IH

Foto: Flo Ehlich


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