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Der Freundeskreis im Gespräch mit Nina Weger und Dirk von der Osten

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Nina Weger und Dirk von der Osten


Für diese Ausgabe haben wir uns mit der Kinderbuchautorin und Zirkusleiterin Nina Weger und mit Dirk von der Osten, dem Vorstandsvorsitzenden der AWO Region Hannover, getroffen. Im gemeinsamen Gespräch geben sie Einblicke in ihre Arbeit mit Kindern und Familien, sprechen über gesellschaftliches Engagement, Chancengleichheit und die Bedeutung von Bildung. Beide eint die Überzeugung, dass eine starke, solidarische Stadtgesellschaft bei den Jüngsten beginnt – und dass es Mut, klare Haltung und verlässliche Strukturen braucht, um ihnen gute Zukunftschancen zu ermöglichen.

Wir starten immer mit einer kleinen Vorstellungsrunde.

Nina Weger (NW): Ich schreibe Kinderbücher und leite seit über 20 Jahren den Kinderzirkus Giovanni, der dieses Jahr sein 41. Jubiläum hat. Außerdem habe ich 2018 das Kinderliteraturfestival Salto Wortale gemeinsam mit Julia Kronberg ins Leben gerufen, wo wir uns für die Leseförderung in Hannover stark machen.

Dirk von der Osten (DO): Seit 2022 bin ich Vorstandsvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Region Hannover. Wir haben die unterschiedlichsten Dienstleistungen aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich in der gesamten Region, aber mit deutlichem Schwerpunkt in der Landeshauptstadt Hannover.

Was hat Sie zum Freundeskreis gebracht?

NW: Die Mitgliedschaft habe ich sozusagen geerbt, da der Kinderzirkus schon vorher im Freundeskreis war. Ich bin überzeugte Hannoveranerin und lebe gerne hier. Ich finde, die Stadt ist sehr lebenswert, weil sie eine gut überschaubare Größe mit durchaus noch dörflichen Strukturen, aber zugleich allem, was eine Großstadt braucht, bietet. Vernetzung, zum Beispiel durch den Freundeskreis, funktioniert hier unkompliziert und schnell, was ich sehr schätze, wenn man Projekte ins Leben rufen möchte.

DO: Die AWO Hannover ist relativ neu im Freundeskreis, erst seit diesem Sommer. Als einer der größten Wohlfahrtsverbände, der für soziale Einrichtungen in der Stadtgesellschaft steht, passt er gut in die Förderung kultureller, sozialer und gesellschaftlicher Projekte, die der Freundeskreis unterstützt. Ich bin hier geboren und setze mich als ebenfalls überzeugter Hannoveraner gerne für die Entwicklung der Stadt ein.

NW: Wir haben übrigens noch eine Verbindung. ich habe im Kontext der Leseförderung in einigen Kindertagesstätten der AWO gelesen.

Frau Weger, was treibt Sie an, sich für Kinder stark zu machen?

NW: Kinder sind die Gestalter von morgen. Ich glaube, da kann man noch viele Weichen stellen. Es ist mir wichtig, dass sich Menschen aus ihrer Bubble heraus bewegen, denn nur durch eine wirkliche gute Mischung sind wir dazu in der Lage, über den Tellerrand hinausgucken und ein lebenswertes Miteinander zu gestalten. Im Kinderzirkus lautet die Idee: Jeder kann mitmachen, man muss nichts bezahlen, sondern sich mit seinem Engagement einbringen. Das schafft gerechte Startbedingungen für alle Kinder, was wir in unserer Gesellschaft nicht genügend haben. Auch beim Literaturfestival treibt mich die Sorge an: wir können beobachten, dass die Lesefähigkeit zurückgeht. Und ich glaube, Lesen ist die Grundlage für gesellschaftliche Teilhabe und somit auch zum Erhalt der Demokratie.

Herr von der Osten, Was bedeutet für Sie gesellschaftliches Engagement?

DO: Wir sind als einer der größten KiTa-Träger in der Stadt und mit über vierzig, in der Region vierundfünfzig Einrichtungen mittlerweile sehr schwer engagiert. Diese Themen – Sprache, Sprachentwicklung, Sprachfähigkeit – sind von zentraler Bedeutung. Deswegen freut es mich zu hören, dass Frau Weger bei uns schon vorgelesen hat. Die AWO ist über 100 Jahre alt und aus der Arbeiterbewegung heraus entstanden. Es geht uns immer noch um die Frage, wo Umverteilungsdebatten entstehen – sei es Geld, aber auch Wissen und Möglichkeit zur Partizipation. Zu schauen, wie wir intern die gleichen Chancen hinbekommen und Ressourcen, Wissen und Möglichkeiten fair verteilt werden können. Dieses Verständnis von Solidarität treibt mich sowohl beruflich als auch privat an.

Frau Weger, Sie sagen, der Grund, warum Menschen ihren Platz nicht finden oder verzweifelt sind, liegt häufig an dem „Drumherum“. Was meinen Sie konkret?

NW: Das ist ein grundsätzliches gesellschaftliches Problem, das wir haben. Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer. Von Chancengleichheit haben wir uns immer weiter entfernt. Wir müssten gigantisch viel Geld in Kindergärten und Schulen pumpen, denn wir sind ein rohstoffarmes Land. Unser Rohstoff sind die Menschen. Dass viel Geld da ist, sehen wir dadurch, wie viel für Rüstung freigemacht werden kann. Das erschüttert mich. Wir müssten uns weniger mit Analysen, mehr mit Lösungen beschäftigen und lauter werden – da ist wahnsinnig viel zu tun.

DO: Ich betrachte Kindertagesstätten als Bildungs-, nicht nur Betreuungseinrichtungen. Aktuell sind die Räumlichkeiten oft noch so, wie vor 70 Jahren, ohne Rückzugs- oder Ruheräume. So wie alte Schulen konstruiert sind, wird heutzutage nicht mehr Pädagogik betrieben. Auch was das Thema Nachhaltigkeit angeht: die Klimaneutralität werden wir nicht erreichen, wenn kein Geld da ist, um zum Beispiel die Kindertagesstätten klimafreundlich auszustatten.

Was ist in Zeiten, in denen die Gesellschaft droht, auseinanderzudriften, der Kitt, der uns zusammenhält? Wo bröckelt es?

DO: Das Bröckeln ist der Versuch unterschiedlicher Interessen eine Spaltung oder eine Zuspitzung in der Gesellschaft zu schaffen. Ich hatte vorhin mal diese Umverteilungsdebatte kurz angesprochen. Ich frage mich, wo Prioritäten bei Investitionen gesetzt werden. Die skandinavischen Länder haben begriffen, dass ihr Rohstoff das Wissen, die Kinder und Jugendlichen sind. Der Kitt sind unseren sozialen Systeme, allerdings macht es der Fachkräftemangel unheimlich schwer, diese nachhaltig zu stärken.

NW: Die Wissenschaft zeigt, dass sich der Vokabelumfang, den man im ersten Lebensjahr erreicht hat, dann nur noch potenzieren kann. Wenn da nichts ist, kann sich nichts potenzieren. Es ist völlig absurd, in achten und neunten Klassen irgendwelche Projekte aufzuziehen, denn an diesem Punkt ist der Drops gelutscht. Wir müssen gut ausgebildete und qualifizierte Leute haben, die sich um die Kinder kümmern. Dann beobachte ich da noch eine Veränderung innerhalb der Gesellschaft hin zu mehr Ichzentrierung. Das merke ich zum Beispiel im Kinderzirkus: viele Eltern melden sich und wollen mitmachen, aber wenn es darum geht, sich verbindlich einzubringen, reduziert sich das Engagement drastisch.

DO: Die wollen nur die Kinder abgeben (lacht).

NW: Das fängt ja schon bei der bedürfnisorientierten Erziehung an. Unser Kitt ist die Gesellschaft, die nicht funktioniert, wenn jeder nur nach seinen eignen Bedürfnissen handelt. Die Kinder müssen doch auch lernen, mit Niederlagen und Dingen umzugehen, die ihnen vielleicht nicht gefallen. Wie sollen sie resilient werden, wenn wir sie das nicht im Kleinen üben lassen? Ich glaube, das alles hat mit der grundsätzlichen Erwartungshaltung an das Leben zu tun, einem Anspruch auf Glück – möglichst sofort.

Spielen die sozialen Medien hier eine Rolle?

NW: Wir sehen Influencer und KI-Models, die immer super aussehen. Diese Filter und der pure Perfektionismus gaukeln den Kindern etwas vor, dem kein normaler Mensch standhalten kann. Das führt zu Frustration. Es geht darum, unseren Kindern ein Verständnis dafür zu vermitteln, wie sie echte von künstlich erzeugten Inhalten unterscheiden können.

Paul, eine Figur in Ihren Büchern, erklärt die lange Existenz der Krokodile durch ihre Fähigkeit, mit Veränderungen umzugehen. Wie kann man die Resilienz von Kindern stärken?

DO: Wir haben vor fünfzehn Jahren mit dem Institut für Sozialwirtschaft und Sozialpädagogik eine Studie in Kindertagesstätten gemacht. Dabei kam heraus, dass die Kinder, die in der frühen Kindheit eine starke Bindung zu einer oder mehreren verlässlichen Personen hatten, später besser mit Krisen umgehen konnten. In unseren Einrichtungen versuchen wir Beziehung herzustellen und die Eltern zu empowern, beispielsweise in Fragen der Medienkompetenz. Kleinkinder merken, wenn wir mit unserer Aufmerksamkeit bei unseren Handys und nicht bei ihnen sind. In der Folge verlieren sie das Vertrauen in uns. Und das begleitet die Heranwachsenden auch später im Leben noch.

NW: Wenn ich an Schulen lese, erlebe ich es oft, dass die Lehrer hinten an ihrem Handy sitzen. Das Entscheidende, was Kinder brauchen, um sie stark zu machen, sind Klarheit und Verlässlichkeit. Meine Erfahrung zeigt mir, dass Kinder mit klaren Regeln super umgehen können. Ein großes Missverständnis ist häufig, dass alles Spaß machen muss und Erziehung Entertainment sein soll. Lesen lernen ist mühselig und hat was mit Üben und Anstrengung zu tun. Was ist also die Lösung? Geld in die Bildung aber auch in die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern, von Lehrerinnen und Lehrern.

Was sind Momente in Ihrem Alltag, die Ihnen Hoffnung geben?

NW: Von den gibt es natürlich auch viele, zum Beispiel wenn ich lese und ein Kind danach sagt „Mir hat noch nie jemand vorgelesen. Aber jetzt lese ich gerne.“ Oder als es ein kleiner Junge, den mir die Lehrer der Oberschule als Analphabeten vorstellten, schaffte, in einer Woche eine 3/4 Seite zu lesen. Das war wirklich harte Arbeit. In der anschließenden Feedbackrunde sagt dieser kleine Junge: „Ich weiß jetzt, warum ich lesen und schreiben lernen muss.“ Ich finde, es gibt ganz viele hoffnungsvolle Momente, in denen Menschen Engagement zeigen, wo wir wahnsinnig viel erreichen können, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Wenn ich nicht daran glauben würde, dass wir etwas ändern können, würde ich nicht seit zwanzig Jahren den Kinderzirkus oder das Literaturfest machen.

DO: Eigentlich bin ich ein optimistischer Mensch. Auf kommunaler Ebene bekommt man immer mal wieder ein schönes Projekt durch und das gibt mir Hoffnung. Pessimistisch bin ich auf Bundesebene, weil dort keine Schwerpunksetzung auf die Themen Kinder, Jugendliche und Bildung erkennbar ist. Man sollte nicht zuerst denken, wir müssen die Pflege einkürzen oder das Bürgergeld abschaffen.

NW: Ich könnte gar nicht in einer Institution arbeiten, ich würde verrückt werden. Dass ich für mich bin und meine Projekte mache, ist ein großer Luxus. Das heißt aber auch, dass sich der Kinderzirkus mit den Eintrittsgeldern selbst trägt. Dadurch haben wir natürlich enorme Freiheiten, schnell zu reagieren und Neues auszuprobieren. Es wäre schön, Möglichkeiten dieser Freiheit auch auf institutioneller Ebene zu haben, um mehr Mut gegenüber Neuem zu generieren.

DO: Und dazu gehört auch, dass man den Institutionen ein Vertrauen gibt. Wir sind in einer Misstrauensgesellschaft angekommen. Von Jahr zu Jahr werden die Anforderungen an Verwendungsnachweise aufwendiger und mühseliger.

NW: Das kann ich bestätigen. Salto Wortale wird mit Fördergeldern finanziert, die wir uns mühselig zusammensuchen müssen. Die Geldbeschaffung, die Anträge und die Abrechnung sind ein solcher Aufwand, der mehr Zeit in Anspruch nimmt als der kreative Moment, sodass das Festival nur noch alle zwei Jahre stattfindet. Schwund und Betrug wird es immer geben. Ich glaube, auch hier fokussieren wir uns zu sehr auf das Negative als auf das Positive und das, was wir verbessern können.

Was wünscht ihr euch für den Freundeskreis und Hannover?

DO: Ich wünsche mir, dass der kulturelle, soziale und gesellschaftliche Bereich deutlich nach vorne kommt und positive Beispiel in die Öffentlichkeit lanciert. Das wäre eine Aufgabe für den Freundeskreis, da wir in unserer Stadtgesellschaft gute Beispiele in all diesen Bereichen haben.

NW: Wir können auf die guten Beispiele stolz sein. Denn am Ende lebt unsere Gesellschaft von jedem und jeder Einzelnen. Und wenn alle irgendwas tun würden, dann wären wir schon ganz weit vorne.

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Wolf-Rüdiger Reinicke

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Wolf-Rüdiger Reinicke


Für diese Ausgabe haben wir uns mit Wolf-Rüdiger Reinicke getroffen, einem Mitglied im Freundeskreis seit (fast) der ersten Stunde und eine der Persönlichkeiten, die durch ihre langjährige Mitarbeit den Freundeskreis maßgeblich unterstützt haben und auch heute noch engagiert begleiten. Ein Gespräch über den Freundeskreis, über ganz viel ehrenamtliches Engagement und darüber, dass es wichtig ist, die Dinge auch mal selbst in die Hand zu nehmen.

Am besten stellst du dich zum Einstieg kurz selbst vor.

Ich bin 1944 in Breslau geboren und dann mit meiner Mutter geflüchtet, wir haben meinen Vater hier wiedergefunden. Wir sind zuerst in Bad Salzdetfurth sesshaft geworden und ich habe in Hildesheim mein Abitur gemacht. Die Familie ist dann 1961 nach Hannover gezogen und damals war Hannover für mich eine ganz andere Stadt als heute. Die Hannoveraner waren sehr reserviert. Ich habe das Rathaus gesehen und gedacht: Was ist das für ein Kitsch? Heute ist das Rathaus über 100 Jahre alt und ein Wahrzeichen. Und inzwischen gefällt es sogar mir (lacht). Ich habe dann Jura in Freiburg und Göttingen studiert und in Göttingen über „Landstände im Verfassungsstaat“ promoviert. Das sind die ständischen Vereinigungen auf dem Weg zur Demokratie. Eine ganz spannende Entwicklung. Sie sind heute als Körperschaften des öffentlichen Rechts dem Gemeinwohl verpflichtet und als überkommene heimatgebundene Einrichtungen durch die Landesverfassung geschützt. Sechs der historischen hannoverschen Landschaften sind Träger der Landschaftlichen Brandkasse Hannover und damit der VGH Versicherungen.

Eigentlich war bei mir beruflich alles darauf ausgerichtet, dass ich in die Verwaltung gehe, zum Land oder in eine Kommune. Aber während der Referendarstation bei der Stadt Hannover habe ich die Verwaltung kennengelernt und mich kurzfristig entschlossen, doch einen anderen Weg einzuschlagen. Ich bin innerhalb einer Woche bei der Preussag AG in der Rechtsabteilung angestellt worden und habe mich dort sehr wohl gefühlt. In der Wirtschaft kann man tatsächlich etwas gestalten. Ich war fast 30 Jahre im Konzern, viel im Ausland unterwegs, 12 Jahre als Geschäftsführer von größeren Tochtergesellschaften. Bei der Metaleurop GmbH zur Zeit der Wiedervereinigung mit Aktivitäten in den neuen Bundesländern. Das Unternehmen hatte 18 Betriebe und rund 3.000 Mitarbeitende. Und als Geschäftsführer dieses Unternehmens hatte ich dann auch den ersten Kontakt mit dem Freundeskreis.

Bleiben wir noch kurz bei dir persönlich. Du bist verheiratet …

Ich bin seit 1968 verheiratet und wir haben drei großartige Kinder und drei prächtige Enkelkinder, auf die wir allesamt sehr stolz sind. Meine Eltern haben damals sehr viel in unsere Bildung investiert – ich habe noch zwei Brüder. Und wir haben das fortgesetzt und ebenso gehandelt. Wir haben im Zusammenhalt als Familie eine Menge erreicht, auch den Kontakt mit den Verwandten in der DDR gehalten. Wir haben ja nach dem Krieg alle mit Null angefangen.

Nach der Preussag AG bist du Geschäftsführer beim Industrie-Club Hannover e.V. geworden. Wie kam das?

Die Preussag AG hat sich ja ab 2000 gewandelt zum Tourismuskonzern. Und für mich war damit einfach die Zeit gekommen, noch einmal einen anderen Weg einzuschlagen. So habe ich dann von 2002 bis 2012 die Geschäftsführung beim Industrie-Club übernommen. Eine wirklich schöne Aufgabe, Networking seit 1887. Es ging nun darum, das Netzwerk in Hannover auszubauen, den Unternehmenskreis zu erweitern und die modernisierte Konferenzetage im Haus der Industrie zum Treffpunkt der Entscheider aus der Wirtschaft mit den Spitzen von Politik und Verwaltung zu machen. Und dafür haben wir jeden Monat Hochkaräter zu Vorträgen eingeladen, Arbeitskreise gebildet, Wissenschaft und Kultur eingebunden und auch Exkursionen gemacht. Und ich habe gelernt, dass es gar nicht so einfach ist, die Hannoveraner dazu zu bringen, die Stadt zu verlassen. Selbst Harsum, wo einer der Hidden Champions Förderbänder für Flughäfen herstellt, war manchen zu weit weg. Also, der Hannoveraner bleibt lieber in Hannover – eine wichtige Erkenntnis.

Kommen wir zurück zum ersten Kontakt mit dem Freundeskreis. Wie kam das zustande?

Damals ging es um die 750-Jahr-Feier, die 1991 stattfinden sollte, und der Freundeskreis hat Unternehmen angesprochen, etwas zu tun. Was bedeutete, dass man das Portemonnaie öffnen sollte, wozu wir gern bereit waren.

Und dann bist du dem Freundeskreis beigetreten?

Der Freundeskreis ist 1988 gegründet worden und ich bin 1989 beigetreten.

Bevor wir gleich noch einmal auf den Freundeskreis und diese ersten Jahre zu sprechen kommen, noch eine Frage zu deinem ehrenamtlichen Engagement. Das hat in deinem Leben eine ganz zentrale Rolle gespielt, oder?

Ja, das war mir immer wichtig. Das kam durch meinen Vater. Ich habe von ihm gelernt, dass man sich für die Gesellschaft engagieren muss. Nach der Familie ging es daher um die gesellschaftliche Verantwortung. Mein Vater war damals Leiter der Selbstverwaltungsschule Niedersachsen. Die Briten mussten den Deutschen ja erst wieder beibringen, was Selbstverwaltung bedeutet, nach der Zeit des Führerprinzips. Das hat mein Vater erfolgreich gemacht, später auch in der Landeszentrale für politische Bildung. Und ich habe mich dann eben auch ehrenamtlich engagiert.

In sehr vielen unterschiedlichen Bereichen und Funktionen. Vielleicht kannst du mal einen kleinen Überblick geben.

Zunächst mal natürlich in der Schule in verschiedenen Elternräten. Ich war am KWG und der Sophienschule Schulelternratsvorsitzender. Damals war ich auch bei den Wirtschaftsjunioren aktiv. Das ist eine ganz wichtige Vereinigung für selbstständige und angestellte Unternehmer und heute noch der größte Verband seiner Art in Deutschland. Eine für mich prägende Zeit, in der ich sehr viele Kontakte geknüpft habe. Nach den Wirtschaftsjunioren geht es dann ja weiter im Wirtschaftskreis, der alle zwei Jahre den von mir imitierten Hannover-Preis verleiht. Ich bin außerdem seit vielen Jahren im Lions Club aktiv, war Distrikt-Governor und 2018/2019 Governorrats-Vorsitzender. Anschließend habe ich mit Siemens eine vom IS zerstörte Klinik im Irak wieder aufgebaut. 2024 hatten wir den Kongress der Deutschen Lions hier in Hannover mit 1300 Teilnehmenden aus ganz Deutschland und dem Ausland, denen wir gezeigt haben, dass Hannover für uns die schönste Stadt der Welt ist.

Bei der Villa Seligmann bist du ebenfalls engagiert.

Das hat bei mir eine lange Geschichte und Tradition. Wir haben im Elternhaus sehr offen über die NS-Zeit gesprochen und sie wurde auch schon in meiner Schule thematisiert. Ich weiß von anderen, dass das Thema totgeschwiegen wurde. So bin ich 1964 mit einer Gruppe nach Theresienstadt und Auschwitz gefahren und das hat mich wirklich zutiefst erschüttert. Da war das Grauen noch allgegenwärtig. Mir war es immer wichtig, mich für die Existenz jüdischen Lebens in Deutschland zu engagieren, für die jüdische Musik und Kultur. Und so bin ich durch Andor Izsák zur Villa Seligmann gekommen. Eliah Sakakushev-von Bismarck macht dort eine ganz großartige Arbeit. Diese Institution ist eine Kulturperle in Hannover. Ich engagiere mich dort sehr gerne, auch wenn ich mit der israelischen Regierung nicht einverstanden sein kann. Das muss man sehr scharf trennen.

Fehlt noch die Bürgerstiftung …

Dort habe ich mich auch sehr stark eingebracht, das stimmt. Im Jahr 2000 haben wir vom Wirtschaftskreis den mit 10.000 DM dotierten Hannover-Preis an die Bürgerstiftung verliehen. Und sie haben mich dann in den Stiftungsrat geholt, nach zwei Jahren als dessen Vorsitzenden bis Ende 2024. Der Aufbau dieser Stiftung war schwierig, es gab noch wenig Geld und selbst Flyer zu drucken musste überlegt sein. Die Idee einer Stiftung ist ja, Kapital zu sammeln und aus den Erträgen etwas zu unterstützen. Heute hat die Bürgerstiftung über 40 Millionen Euro Kapital einschließlich der Treuhandstiftungen. Damit können im Jahr bis zu einer Million Euro Förderungen ausgeschüttet werden. Das Geld kommt natürlich auch aus Spenden, nicht aus den Erträgen allein. Die Bürgerstiftung ist eine großartige Einrichtung für Projekte in den Bereichen Jugend, Kultur, Soziales, Gesundheit und mehr in der Stadt und Region Hannover. Es gibt eine kleine Geschäftsstelle, aber alle Gremienmitglieder wirken ehrenamtlich und wer sich sonst so einbringen will, ist herzlich eingeladen. Man darf auch spenden und bei Aktionen mitmachen. Die Bürgerstiftung hat beispielsweise anlässlich ihres eigenen 25-jährigen Jubiläums 150 Bänke in der Eilenriede aufgemöbelt, gemeinsam mit Werk-statt-Schule e.V. das Holz poliert und lackiert. Ich habe selbst so eine Bank gesponsert, auf deren Plakette steht „Familie Dr. Reinicke“. Da dürfen sich aber alle anderen auch hinsetzen (lacht).

Kommen wir zurück zum Freundeskreis. Gegründet hat er sich zur Unterstützung der 750-Jahr-Feier. Wie ging es dann weiter?

Genau, das war der Ausgangspunkt. Die Stadt Hannover hatte Pläne, aber kein Geld. Und darum haben sich einige verdienstvolle Menschen wie Klaus E. Goehrmann, Hermann Eberitzsch und Peter Hansen zusammengetan, um zu helfen. Die 750-Jahr-Feier 1991 war dann eine wirklich großartige Geschichte mit vielfältigen Veranstaltungen im Rathaus, in der ganzen Stadt, im Georgengarten. Und danach gab es natürlich ein Fragezeichen. Was jetzt? Mit der EXPO 2000 kam aber schon bald ein neues, zentrales Thema auf. Das war damals ja sehr umstritten, aber der Freundeskreis hat sich von Anfang an pro EXPO positioniert. Wir haben uns eingebracht in die Vorbereitungen, wir haben diese Idee nach Kräften unterstützt. Und ich finde auch im Rückblick die Entscheidung für die EXPO in Hannover goldrichtig. Dieses Ereignis hat Hannover, hat unsere Gesellschaft positiv verändert. Das hat Hannover gutgetan. Einzig die Entscheidung der EXPO-Gesellschaft, vor dem Beginn nicht zu kommunizieren, was für ein Programm geplant ist, war verfehlt. Man wollte erst am Tag der Eröffnung damit an die Öffentlichkeit gehen. Aber wenn du die Welt einlädst, muss die Welt ein Jahr im Voraus einen Urlaub planen. Wenn die Japaner, Chinesen, Amerikaner jedoch gar nicht wissen, auf was sie sich freuen dürfen, planen die auch keinen Urlaub.

Der Freundeskreis hat sein Programm dann aber über diese Veranstaltungsvorbereitungen hinaus kontinuierlich erweitert.

Ja. Es gab zum Beispiel die Unternehmensbesuche. Das zu organisieren war eine Stärke des damaligen Vorstands. Wir waren z.B. auf dem Telemax und beim Flughafen Hannover. Und dann hatte Erwin Schütterle die Idee mit dem Stadtkulturpreis. Der wurde 1995 zum ersten Mal verliehen. 2000 ging er an die Scorpions. Auch ein Meilenstein aus meiner Sicht.

Zum Jahreswechsel 2011/2012 folgte der nächste Meilenstein.

Mit der Zusammenführung des Hannover Tourismus Service e. V. mit dem Freundeskreis Hannover. Der Verein wuchs auf 1.500 Mitglieder. Da musste natürlich in der Satzung einiges angepasst werden. Auch die Mitwirkungsmöglichkeiten für die Mitglieder wurden erweitert. Seit über 50 Jahren bin ich Anwalt und konnte immer wieder mal beraten, natürlich pro bono. Aus gegebenem Anlass habe ich z.B. dem Vorstand einen Leitfaden für unsere Mitgliederversammlungen geschickt. 2012 hat der Freundeskreis zusätzlich auch zum ersten Mal den Sonderpreis für herausragendes bürgerliches Engagement vergeben, ausgewählt durch das Kuratorium. Das Ziel bei all diesen Aktivitäten ist, nach der Historie nun die Gegenwart in Stadt und Region zu fördern. Man engagiert sich, damit das Leben hier lebenswert ist. Und das ist es. Für mich ist Hannover die schönste Stadt der Welt. Wir sind Messestadt, wir sind Kulturstadt, wir sind ein wichtiger Wissenschaftsstandort.

Kommen wir zum Schluss noch einmal zurück auf dein ehrenamtliches Engagement. Was treibt dich persönlich an?

Eigentlich nur die sehr frühe Erkenntnis, dass wir nicht alles dem Staat überlassen sollten, sondern uns auch selbst um unsere Gesellschaft kümmern müssen. Der Staat hat seine Aufgaben bei der Daseinsvorsorge. Das ist auch gut und richtig. Aber wir dürfen deswegen nicht die Eigeninitiative verlieren. Und darum bin ich ein großer Befürworter bürgerlichen Engagements. Das beginnt mit der Arbeit in der Schule. Man kann dort ruhig mal gemeinsam die Klassenräume streichen. Es gibt überall Mitwirkungsmöglichkeiten. Und gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen, das ist wichtig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ich mag das Gemeckere nicht, diese Erwartungshaltung gegenüber dem Staat und der Politik. Man muss nicht mit allem zufrieden sein. Man darf in Deutschland auch zwei Meinungen haben. Aber man kann damit aufhören, alles schlechtzureden und damit anfangen, etwas beizutragen, um es für alle besser zu machen. Ich muss bei diesem Thema immer an meinen leider schon verstorbenen Freund Madan Arora denken. Der hat das 3 D-Stadtmodell für Blinde initiiert, dessen Fertigstellung ich dann geleitet habe und das jetzt als Geschenk der hannoverschen Lions an ihre Stadt vor der Niki-de-Saint-Phalle-Promenade steht. Madan hat mir klargemacht, dass wir uns nur gegenseitig anschauen müssen, weil wir alle Menschen sind. Um zu erkennen, wie es dem anderen gerade geht. Ob jemand nachdenklich, betrübt oder traurig ist. „Wenn wir es wollen, können wir es sehen“, hat er gesagt. Wir sollten uns also Anderen gegenüber nicht verhärten, sondern stets menschlich bleiben. Ich finde, das ist ein ganz wichtiger Appell.

Interview: LAK

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Nadine Matzat und Marcel Muschter

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Nadine Matzat und Marcel Muschter


In dieser Ausgabe haben wir uns mit Nadine Matzat (NM), Direktorin GOP Hannover, und Marcel Muschter (MM), Gebietsverantwortlicher bei dm getroffen. Und unter anderem über das wichtige Zusammenspiel zwischen Unternehmen und Kulturschaffenden gesprochen, über den besonderen Stellenwert von Begegnung und Miteinander und natürlich über den Freundeskreis.



Wir starten wie immer mit unserer kleinen Vorstellungsrunde.

NM: Ich bin seit jetzt dreieinhalb Jahren Direktorin im GOP Hannover und damit auch beim Freundeskreis aktiv dabei. Die Mitgliedschaft im Freundeskreis habe ich von meinem Vorgänger geerbt. Es gibt sie schon eine halbe Ewigkeit, sie geht zurück auf Werner Buss, den ersten GOP-Direktor. Ich bin in Hannover geboren, bin hier zur Schule gegangen und habe hier studiert. Ich habe die Stadt nie verlassen und zuerst auch in Hannover gearbeitet, elf Jahre bei der TUI, davon neun Jahre bei Robinson, vor allem im Bereich Marketing und Presse. Und dann bin ich nach Hamburg gegangen zu Holiday on Ice, habe aber gependelt, bin also Hannover treu geblieben. Fünf Jahre Entertainment. Das ist genau mein Ding. Beim Reisen begeistert man die Leute für einen längeren Zeitraum, beim Entertainment immer für einen Abend mit einem direkten Effekt. Das hat mir sehr gut gefallen, das zu erleben. Aber das Pendeln hat mir irgendwann nicht mehr gefallen. Dann gab es diese Stelle als Direktorin im GOP und ich habe mich beworben. Und jetzt mache ich Entertainment zu Hause, im Herzen von Hannover.

MM: Ich verantworte bei dm-drogerie markt aktuell 25 dm-Märkte im Großraum Hannover. Der Marktplatz Hildesheim gehört auch dazu. Ich bin seit 2001 bei dm, habe also nie einen anderen Arbeitgeber gesehen. Und wollte auch nie einen anderen , was vielleicht für sich spricht. Ich hatte bei dm ab dem ersten Tag einen hohen Grad an Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und Entscheidungsfreiraum. Das gehört bei uns zum Profil und macht natürlich unfassbar viel Freude. Man kann Dinge selbst entscheiden und darf auch Fehler machen. Wenn man Ideen hat oder ein Projekt umsetzen möchte, dann kann man das eigenverantwortlich tun. Inzwischen bin ich seit 24 Jahren im Unternehmen und habe im Grunde alles durchlaufen. Nach dem Studium bin ich in Hannover direkt in eine verantwortliche Position gewechselt. Ich habe 2004 hier in der Lister Meile den ersten dm-Markt eröffnet und durfte ihn vier Jahre lang leiten und managen. 2008 bin ich in die Ernst-August-Galerie gewechselt und habe dort einen weiteren dm-Markt eröffnet. Seit 2013 bin ich in der Gebietsverantwortung bei dm. Zuerst habe ich den Braunschweiger Bereich, also Braunschweig, Wolfsburg und die Lüneburger Heide verantwortet. Und seit 2019 darf ich nun wieder hier, von der Lister Meile aus, meine Ideen umsetzen . Im Freundeskreis bin ich noch gar nicht so lange. Ich glaube, seit Anfang des Jahres 2023.

Das ist tatsächlich noch nicht so lange. Wie ist dm zum Freundeskreis bekommen?

MM: Wir schauen uns immer um, welche Einrichtungen es gibt, die sich kulturell und gesellschaftlich engagieren. Also welche Institutionen sich für die Gemeinschaft einbringen. Mit solchen Akteuren möchten wir uns gerne verbinden, um unseren Beitrag für eine bessere Gesellschaft und ein verantwortungsvolles Miteinander zu leisten. Und in Hannover stolpert man dann quasi automatisch über den Freundeskreis. Das ist ein relativ großer Verein, der sich genau das auf die Fahne geschrieben hat. Also habe ich einfach mal angerufen und gesagt, dass ich Interesse hätte, mit dm-drogerie markt mitzuwirken. Ich glaube, so einen Anruf bekommen sie in der Geschäftsstelle nicht so oft. Wir haben uns getroffen, haben festgestellt, dass es diverse Schnittmengen gibt, und sind dann direkt in die Mitgliedschaft gegangen.

Wir haben eben schon gehört, dass bei dm die Mitarbeitenden einen besonderen Stellenwert haben und man sehr auf Augenhöhe miteinander umgeht. Wie ist das bei euch im Entertainment?

NM: Wir müssen ja 365 Tage im Jahr als Team funktionieren und dann braucht es einfach ein Miteinander auf Augenhöhe. Das entspricht auch meinem Führungsstil. Es muss in der Gemeinschaft klappen, alle müssen für alle mitdenken, mit dem Ziel, als GOP ein richtig guter Gastgeber zu sein. Wir wollen, dass die Gäste bei uns ein tolles Erlebnis haben. Sie sollen sich vom ersten Moment an wohlfühlen. Und auch unsere Künstlerinnen und Künstler sollen sich bei uns wohlfühlen. Darum haben wir zum Beispiel schon vor einer Weile ein Mehrfamilienhaus in Linden mit 2- und 3-Zimmerwohnungen, Garten und Balkonen gekauft. Mit Raum für Gemeinschaft, Familie und ein Rückzugsort, an dem alle gemeinsam wohnen und während der Show in Hannover eine gute Zeit zusammen verbringen.

Bei euch beiden ist schon deutlich angeklungen, dass euch Hannover privat sehr am Herzen liegt. Und dass ihr euch auch insbesondere im Namen eurer Unternehmen sehr gerne in Hannover engagiert, sozial und kulturell. Wie sieht euer Engagement aus?

MM: Klar ist, dass die Kulturszene, die Kulturschaffenden auch Geld brauchen. Aber wir fokussieren uns nicht allein auf diesen Punkt. Bei uns geht es darüber hinaus. Wir bemühen uns immer, langfristige Kooperationen einzugehen, um so miteinander das Rad nachhaltig in die richtige Richtung zu drehen. Wir gehen immer mit sehr viel Energie und Herzblut in die Geschichten rein. Und dann ergeben sich daraus neue Kooperationen. Das GOP habe ich beispielsweise bei einem Teamabend mit unserem Partner, dem Volleyball Erstligisten Helios Grizzlys in Hildesheim kennengelernt. Der Abend war im GOP und wir wurden sozusagen vernetzt. Uns war sehr schnell klar, dass das gut matcht. Das Führungsverständnis und unsere Haltung ist sehr ähnlich. Wir sind auch beide keine Schreibtischtäter, sondern gehen gerne raus und entwickeln Ideen. So sind wir schnell bei diversen Projekten zusammengekommen, bei denen es darum geht, dass wir am Ende etwas Gutes bewirken, also ein soziales Projekt unterstützen. Wir hatten zuletzt beispielsweise vier ausverkaufte Nachmittage bei der dm-Family-Magic-Show mit Cody Stone im GOP und konnten gemeinsam 6.000 Euro an „Hannoverkind“ spenden. Das hat eine wunderbare Dynamik angenommen. die ich mir zum Start gar nicht vorstellen konnte. Im Mai 2024 hatten wir die Idee zur Show und im Juli gab es bereits die ersten beiden Veranstaltungen, welche schon sehr gut besucht waren. Dass wir 2025 4 ausverkaufte Shows hatten, gleicht einer kleinen Erfolgsgeschichte.

NM: Und das ist genau das, was wir beitragen können. Wir können den Raum geben, unsere Bühne öffnen und unser Know-how beisteuern. Dieses Engagement ist uns total wichtig. Wir sind im Herzen von Hannover, wir sind Kultur, wir wollen etwas beitragen. Darum ist für mich auch die Mitgliedschaft im Freundeskreis so wichtig. Die Veranstaltung zum Stadtkulturpreis ist ja beispielsweise immer in der Orangerie, während dort das Wintervarieté läuft. Für den Stadtkulturpreis ist das ein wunderschöner Rahmen und wir sind ziemlich stolz, dass wir diesen Beitrag leisten und die Feier dann auch noch mit Teilen unseres Programms begleiten können. Das macht es insgesamt zu einem tollen Abend für alle Freundeskreis-Mitglieder. Und schafft wiederum auch Verbindung. Was ich sehr zentral finde. Je mehr Menschen zusammenkommen, sich zusammenschließen, desto größer wird die gemeinsame Kraft. Das ist genau das, was diese Veranstaltung ausstrahlt. Klar, im Zentrum stehen die Preise und die Menschen, die diese Preise bekommen, aber zentral ist auch die Gemeinschaft oder das Gemeinschaftsgefühl.

Diesen Zusammenschluss zwischen Wirtschaft und Kultur, der bei euch ja super funktioniert, finde ich ziemlich exemplarisch. Ich würde mir wünschen, dass in Hannover noch viel mehr Unternehmen in der Kultur mitmischen, und umgekehrt.

MM: Ich denke, in Hannover passiert in der Hinsicht schon sehr viel. Aber klar, Luft nach oben gibt es ja immer. Ich kann nur sehr dazu raten, sich zu engagieren, weil das in vielerlei Beziehung bereichernd ist. Zunächst mal ist es einfach ein gutes Gefühl für alle Beteiligten, wenn man helfen und unterstützen kann. Und dann macht es auch Spaß, mit Menschen, die ein ähnliches Mindset und eine ähnliche Haltung haben, etwas gemeinsam auf die Beine zu stellen. Und meistens wird das alles am Ende dann noch viel größer und schöner, als man es sich vorgestellt hat. Am Anfang steht oft eine kleine Idee, vielleicht euch eine Spinnerei. Am Ende ist die Überraschung oft umso größer. Wir hatten beispielsweise diese Idee mit dem Dameneishockey. Wir wollten den deutschen Zuschauerrekord nach Hannover holen. Eine Wette. Viele fanden das zunächst absurd. Und am Ende hatten wir 4036 Zuschauer beim Spiel der Indians gegen die Kölner Haie im März 2024. Das ist nicht nur deutscher, das ist mitteleuropäischer Rekord.

NM: Und am Ende ist es dann schön, wenn man irgendeine Einrichtung unterstützen kann. Es ist aber auch immer ein Gewinn für die gesamte Stadt, wenn so etwas stattfindet. Weil sich bei solchen Gelegenheiten Menschen über den Weg laufen, die sich sonst vielleicht nie treffen würden. Ich finde das auch persönlich wichtig, gerade in der heutigen Zeit. Es ist natürlich immer eine Aspekt, auch das eigene Unternehmen zu präsentieren, aber das spielt nicht die Hauptrolle. Es geht zuerst darum, etwas für Hannover insgesamt zu erreichen, einen Beitrag zu leisten für die Kultur, die Kunst, die Gesellschaft.

Du hast eben kurz die momentane Situation angesprochen. Wir erleben ja in unserer Gesellschaft zunehmend eine Spaltung. Für Begegnung zu sorgen, ist wahrscheinlich ein gutes Gegenmittel, oder?

NM: Ich bin sehr überzeugt, dass das ein richtig gutes Mittel ist. Und ich glaube, wir sollten uns alle noch viel mehr anstrengen, Teil des Gegenteils von Spaltung zu sein, nämlich Teil des Miteinanders. Ich finde es wichtig, sich zu beteiligen. Gerne im Ehrenamt, gerne in politischen Ämtern. Ich finde es auch wichtig, vom Sofa aufzustehen und sich am kulturellen Leben der Stadt zu beteiligen, sei es als Zuschauer oder Kulturschaffender. Momentan haben vor allem die kleineren Kulturorte noch immer ein Problem. Nach Corona sind die Zuschauer nicht mehr vollständig zurückgekehrt. Viele haben darum zu kämpfen. Ich finde es aber für die Attraktivität einer Stadt total wichtig, dass es eine große Vielfalt der Kleinen gibt. Das macht eine Stadt doch erst so richtig lebendig. Und wir müssen aufpassen, dass uns da nicht etwas wegbricht, was wir nicht zurückholen können.

MM: Ich kann das nur unterstreichen. Wir müssen uns alle gemeinsam stark machen für diese Kultur. Ich denke beispielsweise an das Béi Chéz Heinz. Das ist der Ort meiner Jugend. Eine Institution in Hannover. Ich fände es jammerschade, wenn uns solche Orte verloren gehen.

NM: Wichtig finde ich, dass wir verstehen, dass es zwischen all dieses Orten der Kultur keine Konkurrenz geben muss. Es gibt so viele Menschen in Hannover und Region, mit so unterschiedliche Interessen, dass es für alle Orte reicht. Wenn es uns gelingt, die Menschen für die Kultur zu begeistern. Und genau dafür müssen wir zusammenarbeiten. Ich finde es super, wenn es auch immer wieder neue Ideen und Formate gibt. Auch an Orten, in denen normalerweise keine Kultur stattfindet.

MM: Zum Beispiel bei uns im dm-Markt. Wir werden noch in diesem Jahr so eine Art „Night-Wash-Format“ haben. Der dm-Markt in der Lister Meile wird zum Spielort. Natürlich wieder für einen guten Zweck. Und kommenden Monat, am 27. September haben wir eine Lesung mit Ossy Pfeiffer. Ich freue mich schon sehr auf die Begegnungen, das Miteinander und den gemeinsamen Austausch.

Ganz zum Schluss, was wünscht ihr denn dem Freundeskreis für die nächsten Jahre?

NM: Ich finde, dass gerade in den vergangenen Monaten schon sehr viel Positives passiert ist. Strukturell hat sich ziemlich viel getan, es gab reichlich neuen Schwung. Wir haben auch im Kuratorium sehr konstruktiv diskutiert. Und es gibt bereits ein paar erste neue Schritte. Das braucht aber alles ein bisschen Zeit. Ich wünsche mir einfach, dass es in dieser Richtung weitergeht. Und ich wünsche mir viele neue Mitglieder.

MM: Man merkt definitiv, dass es in die richtige Richtung geht. Es wird eine Aufgabe sein, die Leute wieder für den Freundeskreis zu begeistern, neue Mitglieder zu gewinnen, neue Generationen anzusprechen. Vielleicht muss noch mehr an der Sichtbarkeit gearbeitet werden. Damit die Menschen sehen, für was der Freundeskreis steht.

NM: Ich denke, es braucht ein paar mutige Ideen, hinter denen sich die Mitglieder so ein bisschen versammeln können. Und sich beteiligen können. Begegnung schafft Zusammenhalt, das gilt auch im Freundeskreis.

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Sandra Behrens und Kai Schirmeyer

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Sandra Behrens und Kai Schirmeyer


Wir starten wie immer mit unserer kleinen Vorstellungsrunde …

SB: Ich bin 50 Jahre alt, verheiratet, habe vier Töchter und wohne in Linden Süd. Und ich arbeite seit mittlerweile 10 Jahren an der Ricarda-Huch-Schule, ein Gymnasium mitten in der List. Leiterin der Schule bin ich jetzt seit einem Jahr. Vorher war ich anderthalb Jahre stellvertretende Schulleiterin und seit 2017 in der Schulleitung als Koordinatorin. Meine Fächer als Lehrerin sind Deutsch und Politik/Wirtschaft. Plus Werte und Normen und Darstellendes Spiel. Aber ich unterrichte momentan nur zwei Stunden Werte und Normen, das ist so ein kleiner Experimentierkurs im Rahmen des Freiräume-Prozesses. Eine elfte Klasse arbeitet im Fach Werte und Normen mit einer siebten Klasse zusammen zum Thema Demokratiebildung. Wir geben uns sehr viel Mühe, die Freiräume zu nutzen, die uns das Programm des Kultusministeriums jetzt bietet. Wir können Stunden etwas anders lagern, andere Themen bedienen. Wir versuchen auch in anderen Zeit-Slots und Räumen zu arbeiten.

KS: Ich bin 55 Jahre alt und habe in Hannover schon einige Unternehmen geleitet und diverse Projekte gestartet, unter anderem im Auftrag von hannoverimpuls das [kre|H|tiv] Netzwerk Hannover e.V. gegründet Und weil mir vor ein paar Jahren die Baustelle Kultur- und Kreativwirtschaft noch nicht groß genug war, habe ich mich entschlossen zu versuchen, ein bisschen was im Bildungsbereich zu bewegen. Wir haben aus der Initiative Digitales Hannover e.V. heraus aufgrund einer Umfrage festgestellt, dass wir vor allem im Bereich der digitalen Bildung noch große Lücken haben. Und als leidender Vater von zwei schulpflichtigen Kindern habe ich mir dann überlegt, dass man die Schulen ganz direkt unterstützen könnte. Das machen wir jetzt mit der NachwuchsKraft GmbH – Die Bildungsoffensive. Wir fokussieren uns auf das, was an den Schulen zu kurz kommt, die Future Skills. Ausschlaggebend war bei uns unter anderem eine Studie vom World Economic Forum. Dort wurde bereits 2016 gesagt, dass 65 Prozent der Jugendlichen, die heute zur Schule kommen, in Berufen arbeiten werden, die es noch gar nicht gibt. Wie soll oder kann Schule darauf vorbereiten? Aus dieser Frage heraus haben wir NachwuchsKraft entwickelt.

Kurz eingeschoben, wir feiern gerade 10 Jahre UNESCO City of Music. Du, Kai, hattest daran ursprünglich einen ziemlich großen Anteil. Wir müssen noch einmal kurz in deinen Lebenslauf einsteigen …

KS: Ich habe nach vielen Jahren als Geschäftsführer von Agenturen die Seiten gewechselt und für hannoverimpuls mit kreHtiv ein Netzwerk für die regionale Kultur- und Kreativwirtschaft aufgebaut. Wir sind damals schnell das größte Netzwerk dieser Art in Deutschland geworden und haben übrigens auch schon erste Bildungsprogramme umgesetzt. Der „Creative Coder“ war ein bundesweit einzigartiges Programm. Wir haben auch viel Start-up-Beratung gemacht und den IDN-Boulevard im Rahmen des Maschseefestes entwickelt. Also schon immer versucht, zukunftsweisende Initiativen und Projekte für den Standort Hannover zu kreieren. Und unter anderem haben wir auch die Bewerbung als UNESCO City of Music initiiert und erfolgreich durchgeführt. Mit viel Unterstützung. Das gehört aber alles zusammen. Es ging mir immer darum, Innovation zu fördern, Zukunft zu fördern und Hannover als Standort sichtbarer und erfolgreicher zu machen. So schließt sich der Kreis. Die Smart-City-Days sind zum Beispiel bundesweit ein einzigartiges Event hier in Hannover. Das nächste Mal feiern wir mit beim ÜSTRA Mobilitätsfest am 21. September auf dem Betriebshof Glocksee.

SB: Bei den Smart-City-Days habe ich uns auch schon mal angemeldet. Die Schülerinnen und Schülern waren alle begeistert. Wir arbeiten auch noch mit „IT macht Schule“ zusammen seit einigen Jahren. Das passt super in die elfte Klasse. Wenn die das Betriebspraktikum machen, haben wir immer mindestens fünf sechs Plätze, bei denen die Schüler und Schülerinnen sehr professionell in die digitale Welt abtauchen können. Und dann gibt es am Ende immer ein großes Forum. Das ist wirklich spannend. Auch, weil diese Schüler und Schülerinnen plötzlich so ganz anders auftreten, als man sie aus dem Unterricht kennt. Die sind total motiviert, und sie wissen vielleicht schon, was sie vielleicht mal machen wollen. Das ist sehr gewinnbringend. Solche Effekte bekommen wir im regulären Unterricht natürlich niemals hin. Wir brauchen darum solche Angebote und Kooperationen. Und wir bauen das gerade aus. Das ist Teil des Freiraumprozesses. Der Auftrag aus dem Ministerium ist sehr klar. Sucht euch Kooperationspartner, damit die Schülerinnen und Schüler den Fuß rauskriegen und die Anbieter den Fuß reinkriegen. Solche Kooperationen fördern die Kreativität und das kritische Denken, das sehen wir schon jetzt. Die Kinder lernen, was wir in der Schule gar nicht leisten können. Auch die Sozialkompetenzen sind dabei ein Thema. Sich anderen vorzustellen, ein Projekt zu präsentieren, mit Erwachsenen ins Gespräch zu kommen, das ist super. Schule braucht mehr solche Kooperationen. Wir müssen uns ganz generell öffnen. Wir haben beispielsweise für unsere Nachmittagsbetreuung seit 2020 auch eine Kooperation mit dem Turn-Klubb. Der TKH kommt dreimal die Woche und sie machen dann ein Sport- und Bewegungsangebot, dazu eine Hausaufgabenbetreuung.

Wenn man das so hört, müssten die Schulen ja Schlange stehen bei euch. Ist das so, Kai?

KS: Das wäre schön. Wir wussten zu Beginn gar nicht, wie die Schulen reagieren und was Lehrende sagen würden. „Wir machen das hier seit 30 Jahren, jetzt kommen da so ein paar Nicht-Pädagogen und wollen uns die neue Welt erklären.“ Das war unsere Befürchtung. Glücklicherweise gibt es aber sehr viele engagierte, mutige und innovative Lehrende an den Schulen, die entsprechend offen reagiert haben. Und so haben wir mittlerweile ein sehr gutes Netzwerk aufgebaut. Es gibt keine Probleme mehr, unsere Projekte zu füllen. Und die Teilnehmenden aus den diversen Jahrgangsstufen sind immer ziemlich begeistert, wir bekommen regelmäßig ein wirklich tolles Feedback. Übrigens auch von den Lehrenden. Wenn die sehen, dass ihre Schülerinnen und Schüler in drei, vier Tagen eine fertige App entwickeln und stolz präsentieren, sind sie natürlich überrascht. Ein Paradebeispiel war eine Gruppe aus dem „Bessermacher:innen-Programm“, die haben die Klima-Bahn der ÜSTRA gestaltet. Die fährt jetzt auf der Schiene. Da gab es eine Anfrage von der ÜSTRA: Könnt ihr euch unter einer Klima-Bahn etwas vorstellen? Und die Jugendlichen haben in wenigen Tagen die „Gutes-Klima-Bahn“ entwickelt, mit Maßnahmen für Innen und Außen, mit einer Gestaltung, mit begleitenden Ideen und Ansätzen. Was gehört alles zu einem guten Klima? Wie muss es sich vielleicht auch zwischenmenschlich ändern in der Bahn etc.? Und plötzlich schafft es so ein Projekt dann auf die Titelseite der Neuen Presse. Das sind natürlich Erfolgsmomente.

Auch für die Schülerinnen und Schüler, die für sich nicht nur eine Menge Skills mitnehmen, sondern auch die Bestätigung, tatsächlich ganz konkret etwas zu verändern.

SB: Und genau das ist natürlich eine ganz wichtige Erfahrung, außerhalb der Schule etwas zu bewegen, sozusagen in der echten Welt. Schule bildet ja aktuell längst nicht mehr die reale Arbeitswelt ab. Das ist auch das, was wir sehr oft von unseren Schülerinnen und Schülern hören. „Wir lernen hier nichts, was wir später gebrauchen können.“ Gut, sie lernen noch immer eine Menge, was sie später gebrauchen können, aber hinsichtlich der Digitalisierung ist Luft nach oben. Weil auch die Lehrenden keine besondere Expertise haben in diesem Bereich. Wir bräuchten darum weitaus mehr Digitalisierungsberatung, um fit zu werden. In Estland haben sie an jeder Schule Digitalexperten, die machen die Lehrenden fit in Sachen Digitalisierung. Wir versuchen das an der Ricarda-Huch ebenfalls, aber mit den vorhandenen Mitteln, die wir entsprechend umverteilen. Was natürlich eine Herausforderung ist, gerade in Zweiten ohnehin ständig wachsender Herausforderungen. Viele Studien zu Ängsten bei Kindern und Jugendlichen zeigen ja eine signifikante Zunahme psychischer Belastungen.

Da hat sich mit und nach Corona sehr viel verändert. Aber auch die gegenwärtigen Krisen spielen eine Rolle. Das ist spürbar an den Schulen, oder?

SB: Ja, da hat sich viel verändert. Und die Studien dazu sind sehr bedenklich. Viele Kinder und Jugendliche entwickeln Schulängste oder Zukunftsängste, und wir müssen überlegen, wie wir damit umgehen. Ich habe auch selbst mal die Ängste in einem Kurs abgefragt und herausgekommen ist, dass sie sich zum Beispiel auch enorme Sorgen um ihre berufliche Perspektive machen. Nach Stand der aktuellen Situation auf dem Arbeitsmarkt völlig unbegründet, denn die Chancen waren ja nie besser. Aber sie zweifeln sehr an ihren Fähigkeiten und Kompetenzen, sie fühlen sich komplett nicht gewollt und gebraucht. Und das finde ich schon dramatisch. Es ist ja normal, zwischendurch zu zweifeln, dass man nicht gut formulieren oder rechnen kann, aber einige haben tatsächlich einen kompletten Zweifel an sich selbst.

Manche sprechen vom Imposter-Syndrom, das auch an den Hochschulen ziemlich verbreitet ist. Man hat trotz offensichtlicher Erfolge Zweifel an den eigenen Leistungen, und Angst, dass man in Wirklichkeit gar nichts kann …

KS: Ich glaube, dass wir da schon auch die Corona-Nachwirkungen sehen in den entsprechenden Jahrgängen. Mal mehr, mal weniger. Wir machen mit den Jugendlichen ganz verschiedene Erfahrungen. Wir hatten gerade erst in einem Projekt zwei Klassen, die waren unfassbar unterschiedlich. Aber insgesamt, was beispielsweise die Konzentrationsfähigkeit angeht oder wie auf die Zukunft geblickt wird, das hat sich schon gewandelt.

Du sprichst von der Konzentrationsfähigkeit. Ich höre oft, dass junge Menschen ein krasses Aufmerksamkeitsdefizit haben, dass man die ungeteilte Aufmerksamkeit nur noch für Sekunden bekommt. Wie ist deine Erfahrung in der Schule?

SB: Die Rückmeldungen aus dem Kollegium sind da ziemlich eindeutig. Die stellen fest, dass die Aufmerksamkeitsspanne seit Jahren geringer wird. Wir können dazu aus der Studienlage ersehen, dass die Kompetenzen beim Lesen und Schreiben und in der Mathematik abgenommen haben. Ich denke, dass das nicht nur mit Corona zu tun hat, sondern vor allem mit der Digitalisierung und der Bildschirmzeit von Kindern, vor allen Dingen auch von sehr kleinen Kindern, die bereits im Alter von anderthalb, zwei Jahren mit dem Smartphone oder dem Tablet in Kontakt kommen. Während die Eltern ebenfalls permanent auf einen Bildschirm starren. Untersuchungen haben bereits erwiesen, dass das etwas mit der Empathie-Fähigkeit bei Kindern macht. Wobei es immer noch eine Chance gibt. Kinder sind eigentlich immer sehr positiv, neugierig und zugewandt. Die kommen dann auch wieder zurück. Darum denke ich auch, dass Schule nicht defizitorientiert arbeiten sollte. Dass wir überlegen, wie wir sie noch kriegen. Vielleicht mit kürzeren Slots. Mal mit einer fünften Klasse rausgehen, sich bewegen und dann wieder in den Unterricht gehen. Wir müssen uns jeweils die Bedarfslage sehr genau ansehen. Was braucht eine Klasse? Und was braucht sie beispielsweise auch an außerschulischen Impulsen. Ich würde mich zum Beispiel sehr freuen, wenn wieder mehr Unternehmen Praktika anbieten.

Müssen wir, was die Smartphones und die Bildschirmzeiten angeht, das Rad stellenweise vielleicht doch anhalten oder sogar zurückdrehen?

KS: Das ist ganz schwierig. Einerseits sind mit den Smartphones und auch jetzt mit KI ja sehr viele Möglichkeiten verbunden. Das wird die Zukunft sein. Und ich denke, es ist wichtig, dass die Kinder dazu die notwendigen Skills lernen. Aber andererseits gibt es eben die Nebenwirkungen. Es wird darum gehen müssen, dass wir Maß und Mitte finden.

SB: Bei uns ist es schon lange ein Teil der Schulordnung, dass im Hauptgebäude die Nutzung der Geräte nicht erlaubt ist. Wenn man erwischt wird, wird das Smartphone eingezogen und am Ende des Tages wieder herausgegeben. Beim dritten Mal gibt es ein Gespräch mit den Eltern. Die stehen größtenteils voll hinter unserer Schulordnung. Wir hören von der Elternseite jetzt auch vermehrt den Wusch, dass wieder weniger auf dem Tablet gearbeitet wird.

KS: Ich glaube, es ist wichtig, dass die Kinder eben nicht nur daddeln, sondern die Technik und die Mechanismen verstehen. Das Schlimme ist ja vor allem die mangelnde Medienkompetenz. Man nennt sie zwar Digital Natives, aber sie können oft nicht viel mehr als nach links oder rechts swipen. Wenn wir in den Workshops sagen, dass sie den Browser öffnen sollen und niemand weiß, was das ist, oder dass sie einen Ordner auf dem Desktop anlegen sollen und man in viele fragende Gesichter blickt, dann ist das ganz bezeichnend. Wie wollen sie Fake News erkennen? Wie sollen sie Quellen checken? Diese Medienkompetenz wird auch bei den Smart-City-Days ein Schwerpunktthema sein.

SB: Wichtig ist auch, dass vor allem die Eltern noch viel mehr für die Problematik sensibilisiert werden. Es ist völlig klar, dass man seinen Kindern keinen Alkohol und kein Nikotin gibt. Bei den Smartphones sieht das ganz anders aus, obwohl das Suchtpotenzial längst nachgewiesen ist. Haptisch ist das ideal für Kleinkinder. Intuitiv nutzbar. Aber eben nachweislich gefährlich. Ich denke, die Kleinsten sollten mit der Hand und dem Stift arbeiten, die sollen Kastanien zählen, Mengen begreifen.

Würdet ihr denn für ein Schulfach Medienkompetenz plädieren?

SB: Ja, aber dann entsprechend das Curriculum entschlacken oder anpassen. Und wir bräuchten dafür ausgebildete Lehrkräfte. Die stehen ja momentan nicht unbedingt Schlange. Ich wäre aber generell eher dafür, Kompetenzen, digitale und soziale, fachübergreifend auszubilden, also diese Kompetenzen mehr zu integrieren und nicht immer mehr aufzufächern.

KS: Ich glaube, dass eine Überprüfung und Überarbeitung des Lehrplans längst überfällig ist. Seit Jahren. Vieles ist da nicht mehr zeitgemäß. Die Zukunftskompetenzen fehlen. Ich plädiere schon seit einiger Zeit dafür, dass Hannover ein Nachwuchskraftwerk bekommt. So, wie wir auch ein Schulbiologiezentrum haben, wo alle Schulklassen mal eine Woche hingehen. Wir brauchen einen Ort, wo sie eine Grundausstattung an Future Skills bekommen, danach begleitende Kurse buchen können, auf freiwilliger Basis, unterjährig und im Idealfall nachmittags. Und wo es auch Angebote für Eltern gibt. Wo dazu eine Begegnung stattfindet zwischen Jugendlichen und Unternehmen. Das ist kurz gesagt meine große Vision.

SB: Das klingt für mich nach einer ziemlich guten Idee.

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Mirjam Prahst-Martínez und Sabine Schmitz

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Mirjam Prahst-Martínez und Sabine Schmitz


Diesen Monat haben wir mit Mirjam Prahst-Martínez und Sabine Schmitz gesprochen. Beide sind bei Special Olympics Niedersachsen tätig: Prahst-Martínez als Athletensprecherin und Sportlerin, Schmitz ist die Geschäftsstellenleiterin. Geredet haben wir über ihre Erfahrungen bei den Special Olympics, die Außenwahrnehmung und die anstehenden Landesspiele.

Wie seid ihr zu Special Olympics gestoßen?

Mirjam Prahst-Martínez: Also bei mir war es so: Ich schwimme ja schon lange … und die Mutter einer Freundin hatte dann einmal von den Special Olympics geschwärmt und gesagt: „Das ist toll, geht da auch einmal hin.“ Und so bin ich dazu gekommen. Meine Mutter meint ja, ich wäre damals so 14 bis 16 Jahre alt gewesen.

Und was machst du alles bei Special Olympics?

MPM: Also vordergründig schwimme ich bei den Wettkämpfen mit. Und ich bin Athletensprecherin. Ein Freund von mir ist in den Athletenrat gegangen und hat davon erzählt. Und irgendwann kam Sabine vorbei und hat mich angesprochen.

Sabine Schmitz: Mirjam ist seit der Gründung 2019 im Athletenrat. 2022 hat der Athletenrat Mirjam zur Sprecherin gewählt. Sie ist mit ihrem Stellvertreter Teil des Vorstandes.

MPM: Im Athletenrat beraten wir letztlich den Vorstand und auch die Geschäftsstelle. Deswegen ist der Athletenrat so wichtig, weil wir alles aus der Sicht der Athleten sehen: Athleten schauen, wo die Probleme einzelner Sportstätten und Veranstaltungen sind. Diese Probleme geben wir dann weiter. Man erreicht wirklich viel und es macht Spaß. Seit letztem Jahr bin ich zudem noch Bundes-Athletensprecherin. Das macht auch Spaß. Und ich schwimme halt im Rahmen von Special Olympics viel.

Und wie bist du Sabine zu Special Olympics gekommen?

SS: Ich bin seit 16 Jahren die Geschäftsstellenleiterin von Special Olympics Niedersachsen. Ich war schon davor bei Special Olympics und jetzt seit 20 Jahren dabei. Meine ersten Berührungspunkte habe ich in meiner Heimatstadt gehabt, wo ich in der Zeitung über die Special Olympics gelesen habe. Einer der Gründerväter von Special Olympics Deutschland kommt aus meinem Nachbarort.

Wie schätzt ihr den Anteil der Leute ein, die mit „Special Olympics“ gleich etwas anfangen können?

MPM: Naja, die Special Olympics werden schon sehr häufig mit den Paralympics verwechselt – da muss man halt so ein bisschen gegenarbeiten und sagen: „Nein, nein, wir reden von Special Olympics – das ist etwas anderes als die Paralympics.“

Wie sieht der Unterschied denn aus?

MPM: Bei den Special Olympics machen vordergründig Menschen mit geistigen oder mehrfachen Behinderungen mit.

SS: Genau. Bei den Paralympics nehmen hauptsächlich Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung teil. Zudem sind die Paralympics inzwischen als Hochleistungssport zu bezeichnen. Special Olympics ist breitensportlich ausgerichtet. Jeder kann mitmachen, unabhängig von Art und Schwere der geistigen Behinderung. Das Besondere ist auch, dass es ein inklusives Wettbewerbssystem gibt, den sogenannten Unified Sports. Special Olympics ist zudem mehr als ein Veranstaltungsformat. Wir sind eine Organisation, die Teilhabe und Partizipation von Menschen mit geistiger Beeinträchtigung ermöglicht. Sie werden dabei unterstützt, aktiv ihre Interessen zu vertreten, ihre Sportmöglichkeiten mit zu entwickeln und ihre Gesundheit zu verbessern.

Inwiefern lassen sich Special Olympics denn mit den Olympischen Spielen vergleichen?

SS: Also es ist eine andere Art der Olympiade. Es ist nicht die Art Hochleistungssport, die in der Gesellschaft so bekannt ist. Die Leistungen, die unsere Athleten bringen, sind auf einer anderen Ebene zu bewerten. Uns geht es um den Athleten an sich: um das Leistungsvermögen des Einzelnen. Also wenn sich ein Athlet steigert und mehr Selbstbewusstsein gewinnt, dann ist das für uns mindestens so wichtig wie eine Medaille zu gewinnen.

Wie intensiv ist denn das Interesse in der Öffentlichkeit eures Erachtens? Gibt es da Luft nach oben?

SS: Ich glaube, die Wahrnehmung hat sich durch die Weltspiele 2023 geändert. Wir nehmen eine höhere Wahrnehmung und Akzeptanz wahr: viel mehr Interesse, viel mehr Menschen, die auf uns zukommen und fragen, ob sie sich irgendwie engagieren können. Das ist sehr positiv.

MPM: Aber wir haben immer Luft nach oben. Es geht immer noch besser.

Was wäre denn so in Sachen Breitenwirksamkeit oder Interesse ein nahes Ziel, das erreichbar wäre? Gibt es da Punkte, wo man denkt, da möchte man hinkommen?

SS: Wir wünschen uns für unsere Athleten natürlich eine ähnliche Aufmerksamkeit wie andere Sportler sie auch erhalten. Wir tun dafür viel in der Öffentlichkeitsarbeit. Jetzt bei den Landesspielen, die vom 4. bis zum 6. Juni in Hannover stattfinden, wird man auch ganz viel in der Stadt sehen.

Der Frauenfußball hatte ja in den letzten Jahren eine positive Entwicklung, was die Wahrnehmung betraf. Seid ihr optimistisch, dass sich die Gesellschaft künftig immer mehr öffnen wird?

SS: Ja, wir sind da optimistisch. Die Berichterstattung zu den Weltspielen war großartig. Bei uns stehen Leistung, Emotionen und Zusammenhalt im Zentrum. Das wurde durch die Medien gut transportiert und von den Zuschauern auch so wahrgenommen.

Wie bist du denn zum Schwimmen gekommen?

MPM: Durch Wassertherapie. Als ich etwa zwei Jahre alt war, hatte ich immer Krankengymnastik. Und es soll mich total nervös gemacht haben, in einen ganz normalen Raum zu gehen. Dann haben sie es mit einer Wasserwanne probiert – und ich wollte nie wieder ohne diese Wanne in diesen Raum gehen. Es musste immer die Wasserwanne rein. So bin ich zum Schwimmen gekommen. Und mit sechs Jahren habe ich dann richtig angefangen zu trainieren.

Hast du dich denn auch mal irgendwie anders ausprobiert?

MPM: Ja, ich habe schon ein bisschen was ausprobiert. Rollstuhl-Basketball habe ich eine Zeit lang gespielt, Rollstuhl-Badminton und Tischtennis auch … Was habe ich noch gemacht? Skifahren! Das habe ich auch schon gemacht. Also ich habe mich schon ausprobiert …

Wie siehst du denn die Schwimmbadkultur in Hannover? Reichen dir die Angebote?

MPM: Momentan trainiere ich im Stadionbad und im Vahrenwalder Bad. Das wurde ja für zwei Jahre renoviert und wir werden auch auf dem Laufenden gehalten, ob wir da wieder trainieren können oder nicht. Und ins SLZ geht es zum Wochenendtraining. Da trainiere ich ganz gern. Da gibt es auch so eine Gegenströmung. Man merkt das dann beim Schwimmen immer. Also wenn du nach unten schwimmst, geht das richtig schnell und locker-flockig. Und wenn du dann nach oben schwimmst, dann strengt das schon an. Also das SLZ ist schon mein Favorit von den Schwimmbädern.

SS: Ergänzend möchte ich sagen, dass die Trainingsmöglichkeiten für Menschen mit Beeinträchtigung nicht ausreichend sind und wir uns da Verbesserung wünschen.

Mirjam, bist du Mitglied in einem Verein?

MPM: Ja, bei Hannover 96.

Auch schon seit Teenagerjahren?

MPM: Nein. In Kindesjahren war ich zunächst in der RSG Langenhagen Rollstuhl-Sportgemeinschaft. Und jetzt bin ich bei Hannover 96.

Und was war bisher deine größte Herausforderung.

MPM: Bei den Special Olympics waren das die World Games: Da habe ich ein halbes Jahr lang nur trainiert. Ich habe nichts anderes gemacht, keine Freizeitbeschäftigungen – nur trainiert, nur Schwimmen, Schwimmen, Schwimmen … Das war wohl so ziemlich die größte Herausforderung.

Was erwartet einen denn bei den Landesspielen? Weshalb sollte man hingehen?

MPM: Die Special Olympics sind herzlich und fröhlich. Alle lächeln einen an, strahlen gleich ganz viel Freude aus. Man hat da auch viele Events für die, die keine Sportler sind. Und auch die Eröffnungsfeier und die Abschlussfeier lohnen sich sehr.

SS: Bei den Landesspielen gibt es acht Sportarten: Badminton, Tischtennis, Leichtathletik, Schwimmen, Judo, Fußball, Tennis und Handball. Darin können sich Sportler für die Nationalen Spiele qualifizieren. Da geht es also auch um was. Und neben dem Sport haben wir ein ganz tolles Rahmenprogramm. Wir fangen mit der Eröffnungsfeier am 4. Juni an, die startet um 18.30 Uhr vor dem Neuen Rathaus. Der Eintritt ist frei, offen für alle und wir laden alle herzlich ein. An den Sportstätten muss man auch keine Tickets kaufen, da darf jeder zuschauen. Wir sind im Erika-Fisch-Stadion, bei Hannover 78, im Sportleistungszentrum, im Landessportbund und im Stadionbad. Die Sportstätten liegen nah beieinander. Das ist eine tolle, kompakte Atmosphäre und man kann auch viele Sportarten auf einmal anschauen. Und wir haben eine große Aktionsmeile mit Mitmachangebot. Die Abschlussfeier ist dann am Freitagnachmittag Im Erika-Fisch-Stadion.

Im Herbst gab es ja einen Skandal um Luke Mockridge, der respektlose Witze über die Paralympics gemacht hat. Wie oft wird man damit konfrontiert und wie ist da der Umgang mit solchen Reaktionen?

MPM: Was Luke Mockridge gemacht hat, war nicht lustig. Und es kommt darauf an, wie man so einen Witz macht. Mein Bruder nennt mich immer Gangsta-Rapper wenn ich am Krampfen bin. Ich habe ja eine Unterform von Dystonie, da habe ich tagesformabhängig spastische Anfälle: entweder verkrampft meine Hand oder mein Bein oder mein Kopf geht zur Seite oder auch der ganze Körper. Das schränkt mich auch beim Training ein, weil ich manchmal auch im Wasser am Krampfen bin. Aber ich kann sehr gut einschätzen, ob ich dann noch weiterschwimmen kann oder nicht, denn ich bin dabei bei Bewusstsein. Und wenn mein Bruder mich dann Gangsta-Rapper nennt, dann ist das einfach ein liebevolles Rumblödeln. Bei Mockridge kam es halt ziemlich böse rüber, was er gemacht hat. Wie schon gesagt: Es kommt immer darauf an, wie man sowas sagt.

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Joachim Wehrmann und Torsten Lippelt von Business 4 Kids

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Der Freundeskreis im Gespräch mit Joachim Wehrmann und Torsten Lippelt von Business 4 Kids


Was kann man sich denn unter Business for Kids vorstellen?

Joachim Wehrmann: Im Jahr 2009 hatte ich die Idee, einen Verein zu gründen, um Kindern in Not zu helfen. Aber nur für Hannover und in der Region. Ich weiß: Es gibt ganz viel Not auf der Welt. Aber es gibt auch sehr viele lokale Bedürfnisse hier in der Region. Ich bin auf dem Dorf groß geworden. Da guckt man erst dort, was man machen kann, bevor man in die Kreisstadt geht. Damit bin ich groß geworden – und so habe ich auch gedacht: Ich muss hier im Bereich bleiben. Von den 20 Leuten, denen ich gesagt habe, dass ich einen Verein dafür gründen möchte, haben dann 16 zugesagt – allesamt Unternehmer. Den Vereinsnamen Business for Kids habe ich spontan ersonnen und alle fanden ihn gut. Bei unseren regelmäßigen Treffen haben wir besprochen, was wir wollen und was nicht. Und letztlich auch genau das gemacht, was wir vorhatten. Natürlich haben wir nach ein paar Jahren nochmals an den Stellschrauben gedreht und geschaut, was nicht ganz so gut läuft. Wir sind also wie ein Unternehmen vorgegangen, diesen Anspruch hatten wir. Dann haben wir ein Event veranstaltet: 100 mal in 100 Stunden rings um den Maschsee laufen. Das brachte uns eine unglaubliche Aufmerksamkeit. Im ersten Jahr hatten wir dann gleich 140 Mitglieder. 2014 haben wir mit dem Bau eines 540 Quadratmeter großen Maschsee-Floßes mit zeitgleich 460 Menschen darauf sogar einen Weltrekord nach Hannover geholt. Business for Kids hatte da schon 400 Mitglieder. In der Spitze haben wir 589 Mitglieder gezählt – das war sehr erfolgreich. Ich bin immer sehr hinter den Mitgliedern hinterher. Denn wenn Du Projekte fördern willst, musst du auch Geld dafür haben. Wir benötigen also möglichst viele Mitgliedseinnahmen. Die lagen dann in der Spitze schon mal bei 40.000 bis 45.000 Euro, plus Sponsorengelder. Im ersten Jahr haben wir so schon über 100.000 Euro verteilt. Aus dem Mitgliederkreis kam dann wiederholt die Frage: „Warum machen wir kein eigenes Projekt?“ Als ich 2019 mit meiner damals 4½-jährigen Enkeltochter in die Schwimmschule gegangen bin, habe ich gelesen, dass 2018 in Deutschland 26 Kinder im Vorschul- und Grundschulalter ertrunken sind. 2023 waren es bundesweit insgesamt sogar 46 im Alter von 1 bis 20 Jahren. Das ist ein gesellschaftliches Versagen. Das geht so nicht. Da müssen wir mehr tun. Und letztendlich sind es die Kinder aus finanzschwachen Haushalten. Ich sage bewusst nicht „sozial schwache“!. Im Vorstand haben wir besprochen, dass wir was tun müssten, um Kindern aus armen Familien zu ermöglichen, dass sie Schwimmen lernen können. Aktuell kostet so ein Kurs 147 Euro. Wir haben uns dann schlau gemacht. Und wer nun eine BuT-Bescheinigung vorlegen kann, zahlt nur zehn Euro. Business for Kids zahlt die Differenz von 137 Euro. Die zehn Euro sind uns gar nicht so wichtig. Aber wenn Menschen gar nichts bezahlen müssen, dann ist ihnen das mitunter auch nichts wert. Im Moment zahlen wir aus Mitgliedsbeiträgen und Sponsorengeldern. Die Firma Rossmann hat kürzlich 10.000 Euro für unser Schwimmprojekt gespendet. Letztes Jahr begleitete uns die Sparda Bank Stiftung dabei, derzeit sind wir für 2026 mit der Bürgerstiftung im Gespräch. Bisher haben schon 1.802 Kinder durch Business for Kids so ihr Seepferdchen- und Bronzeabzeichen erlangt. Und insgesamt haben wir bislang rund 875.000 Euro an Fördergeldern gesammelt für einen positiven Einfluss auf das Leben der Kinder hier

Was waren denn vor den Schwimmkursen die Ziele?

JW: Wir bieten nicht nur individuelle Hilfe. Wir wollen unsere Gesellschaft durch die Unterstützung von Kindern und deren Entwicklung stärken. Denn die Zukunft der Gesellschaft liegt in der richtigen Betreuung und Förderung der Kinder. Dazu gehört sowohl die Hilfe in der Not, als auch die Förderung von Talenten, was ganz wichtig ist. Auf hoher Ebene beispielsweise den Mädchenchor Hannover. Dieser ist weltweit bekannt und reist entsprechend viel. Wenn die Kinder aber in die Schweiz fahren oder nach Vietnam, sind da immer zwei oder drei Eltern, die sich dies finanziell einfach nicht leisten können. Denen helfen wir in der Regel. Da geht mir das Herz auf, wenn ich die höre. Oder auf anderer Ebene: Ein geflüchtetes Mädchen brauchte dringend eine neue Brille, das Amt übernahm aber nur einen Teil der Kosten. Da haben wir gesagt: „Kein Problem, natürlich machen wir das. Das Kind braucht eine Brille.“ Für ein Kinderferienlager haben wir außerdem mal 4.500 Euro bereitgestellt. Jetzt liegt uns gerade ein Antrag aus Uetze vor, da geht es um Hilfe für sogenannte Systemsprenger. Also Kinder, die weit weg von jeder Norm sind, die nur Theater machen … Da werden wir

wahrscheinlich auch unterstützen. Bei Projektanträgen müssen wir bloß immer genau wissen, um was es geht. Bisher haben wir 116 Projekte gefördert, darunter Löwenzahn, die sich um trauernde Kinder kümmern, oder die Klinikclowns, bei denen jetzt alles gut läuft. Vor drei Jahren hatte ich eine Herz-OP – und wer steht an meinem Bett? Die Klinikclowns. Mir sind die Tränen gekullert, so gerührt war ich. Bei drei Projekten habe ich aber auch das Geld zurückgefordert, nachdem wir es überprüft haben. Da wurde es zweckentfremdet ausgegeben. Bei einem gemeinnützigen e.V., der Geld haben wollte, bat ich um die Einnahmenüberschussrechnung. Die Reaktion war: „Die geht Sie überhaupt nichts an!“ Natürlich geht die mich was an! Bei einem eingetragenen gemeinnützigen Verein hat jeder das Recht, Unterlagen einzusehen. Und wir haben ein Finanzamt. Die überprüfen uns regelmäßig. Wenn wir Gelder zweckentfremden, könnten wir Schwierigkeiten bekommen und auch unsere Gemeinnützigkeit verlieren. Deshalb ist das ganz wichtig, sich genau an die Regeln zu halten.

Kommen wir mal zu dir …

Torsten Lippelt: Ich arbeite als Journalist und Pressefotograf für mehrere Verlage in und um Hannover. Vor etwa zehn Jahren habe ich Joachim Wehrmann kennengelernt, als es verschiedene karitative Projekte gab, die von Business for Kids gefördert wurden – auch mit Hilfe von Ikea zum Beispiel, einem der großen Spender. Das fand ich schon sehr interessant damals. Zu Jahresbeginn bin ich nun von ihm angesprochen worden, ob ich nicht Interesse daran hätte, die Pressearbeit mitzugestalten, um das Projekt voranzubringen. Es freut mich, wenn ich dafür nun werben kann. Nicht nur, um zu helfen, sondern auch um selbst etwas für die Gemeinschaft zu geben. Da ich gute Erfahrungen mit den Bereichen gemacht habe, in denen sich der Verein engagiert, habe ich zugesagt. Als mein Sohn noch im Grundschulalter war, begleitete ich als Elternteil seine Klasse zum Schulschwimmunterricht. Und stellte fest, dass zum Schluss immer noch bis zu 30 Prozent aller Kinder nicht Schwimmen gelernt hatten. Entweder weil die Zeit nicht ausreichte oder die Eltern das nicht unterstützt haben. Es kann nicht sein, dass alljährlich Kinder deshalb ertrinken, weil sie nicht schwimmen können. Dazu kommt: Wer aus einem Land stammt, wo das Baden aus Freizeitgründen nicht üblich ist, der hat oft keinen Bezug zum Wasser. Das ist anders als hier in Norddeutschland.

JW: Darf ich das ergänzen? Es sind seit 2015 knapp drei Millionen Geflüchtete zu uns gekommen, darunter ganz viele Kinder. Dem ist das auch geschuldet, wenn die Nichtschwimmerzahlen steigen. Aber es gibt noch andere Gründe: Früher hatten wir alle Schwimmunterricht. Da waren immer zwei Lehrer dabei. Heute tun die sich schwer – aufgrund der Haftung. Wenn irgendeine Kleinigkeit passiert … Lehrer sagen: „Ich kann das gar nicht leisten. Ich kann die Verantwortung nicht für 20 Kinder übernehmen, wenn wir schwimmen gehen. Ich bin Lehrer, aber kein Schwimmlehrer.“ Und dann gibt es auch Anfahrtsprobleme. Die Mühlenberger Schule etwa. Wenn die mit der Straßenbahn zum Schwimmen fahren würden, könnten sie eine halbe oder Viertelstunde schwimmen – mehr nicht. Denen haben wir das Geld für ein Fahrzeug organisiert, damit die mit der ganzen Gruppe dann hinfahren können.

Neben den Schwimmkursen bietet ihr auch die „Bärentreffen“ an …

TL: Events wie das „Bärentreffen“, bei dem Gruppen von Kindern zu Sportveranstaltungen eingeladen werden, stärken den Gemeinschaftsgeist und schaffen Freude bei den Kleinen. Diese Veranstaltungen haben auch Multiplikatoreffekte, indem sie das Bewusstsein für die Arbeit des Vereins fördern. Mein erster Pressetermin war das Bärentreffen, an dem eine Gruppe von …

JW: … 29 Kindern und sechs Erwachsenen …

TL: …vom Sozialwerk Vinnhorst in die ZAG Arena teilnahmen, um sich dort ein Handballspiel von den

Recken anzugucken. Sie bekamen nicht nur einen Fan-Schal geschenkt und waren ganz begeistert, dass sie sich ein Handballspiel angucken konnten, sondern dass sie auch diese ganze Atmosphäre erleben konnten. Wenn 10.000 bis 12.000 Leute in so einer Halle sind und dann alle jubeln und ihre Schals hochhalten – das ist schon eine tolle Stimmung …

JW: Der Eintritt war kostenfrei, pro Schal haben die Recken uns nur fünf statt 15 Euro berechnet. Das war ganz toll und super Bei Hannover 96 waren wir vor ein paar Jahren, das waren sechs Euro. Das war auch super günstig, dort mit den Kindern hinzugehen. Da waren wir insgesamt 40 oder 50. Wobei ich kein Typ bin, der alles umsonst haben will. Ich sage: „Nee, wir zahlen das, alles gut.“ Wir waren mal beim Sozialdezernent der Stadt

Hannover. „Was kann ich für Sie tun“, fragte er. Da habe ich gesagt: „Wir sind mal gekommen, um zu

fragen, was wir für Sie tun können.“ Das ist mir auch wichtig.

Wie verhält sich das denn mit den Zielen von Business for Kids: Geht es alleine darum,

bestimmten Kindern was Gutes zu tun – oder gibt es ein breiteres Ziel, geht es auch um

die Gesellschaft insgesamt …?

JW: Wenn mich jemand fragt, warum ich das mache, dann sage ich: „Komm doch mal mit zum Schwimmen.“ Dann kommen die Kinder, man nimmt denen die Angst, vor dem Tauchen etwa. und wenn sie zum Schluss ihr Abzeichen machen, dann ist das wunderschön. Das sind so Highlights: Dann haben sie das Abzeichen, stehen ganz stolz da, haben absolut leuchtende Kinderaugen … Also mir war es immer ein Anliegen, Kindern zu helfen, etwas Gutes tun. Das geht mir so ans Herz. Und das ist alles unsere Zukunft. Wenn wir die nicht vernünftig betreuen und unterstützen auf ihrem Weg, sondern alle nur unser eigenes Ding machen, dann kann die Welt später nicht funktionieren. Es geht nicht.

Ihr lebt ja nicht nur von Mitgliederbeiträgen, sondern auch von den erwähnten

Sponsoren … und Spenden … Wie läuft es denn da seit 2009. Wie ist da so die

Entwicklung?

JW: Gut. Man muss ja Geschichten erzählen, die ans Herz gehen, um die Mitmenschen zu inspirieren. Und so eine Geschichte erzähle ich dem Sponsor: Ich gehe mit Leuten essen – und dann machen die einfach mit und

schicken Geld. Die Einzel-Mitgliedschaft kostet 60 Euro, Firmenmitgliedschaften 120 Euro … oder nach Ermessen. Porsche ist auch Mitglied bei uns. Als erstmals deren Jahresbeitrag einging, stand da was? 911 Euro! Dem 911er halt angepasst…halt Carrera. Da haben wir uns auch sehr gefreut. Oder Gartenmöbel Ludwig. Denen habe ich die Porsche-Geschichte erzählt. Und dann? Die Firma ist 1932 vom Opa damals gegründet worden, in Hemmingen. Und was kriegen wir? Großvaters Jahr: 193,20 Euro.

TL: Bei Gartenmöbel Ludwig fällt mir ein: Das Interessante ist, dass man teilweise nicht weiß, ob nicht bei einer Veranstaltung, die relativ wenig Geld über die Spendensammlung selbst einbringt, trotzdem Multiplikatoreffekte eintreten. Weil halt viele Leute dabei sind und das Projekt so überhaupt erst kennenlernen. Bei Gartenmöbel Ludwig haben wir im Anschluss an unsere aktuelle Mitgliederversammlung mit Ralf Schnoor, dem „Wer wird Millionär“-Gewinner, der in Linden das Café K leitet, ein Table Quiz veranstaltet. Er hatte sich freundlicherweise bereit erklärt, dies ehrenamtlich für den Verein zu machen – und hat auch seine leckeren Pralinen zur Verfügung gestellt. Da waren dann über 90 Gäste, die mitgerätselt haben und so auch an das

Projekt herangeführt worden sind. Die haben den Abend natürlich auch was gespendet, aber das Interessante ist eben der Multiplikatoreffekt, wenn die Leute dann sagen: „Mensch, da war was, davon habe ich noch nie etwas gehört, und das ist eine gute Idee. Da engagiere mich dann selber auch mal!“ Also man kann sowas nicht immer direkt in Euro messen, was so eine Spendenveranstaltung bringt …

JW: Also was wir gemerkt haben: Vor Corona kannten uns ganz viele – und nach Corona: „Noch nie gehört …“ Jetzt haben wir sehr viel Gas gegeben seit letztem Jahr, Veranstaltungen gemacht, dieses Jahr auch schon – und jetzt werden wir wieder bekannter. Hier und da gibt es Rückfragen und es kommt so was wie. „Können wir was zusammen tun?“ Wie mit Ralf Schnoor. Der ist so nett, das ist so ein freundlicher Mensch. Man muss einfach freundlich sein zu den Menschen und dann kriegt man auch Freundlichkeit zurück. Ich mache

sehr viel im Verein und dafür danke ich meinem Vorstand: Wenn ich ihn brauche, ist er sofort da. Und es ist sehr harmonisch bei uns insgesamt. Es gibt auch mal Reibereien, aber alles auf einer guten Ebene. Wenn wir Vorstandssitzung machen, essen wir immer zusammen. Und wenn man zusammen isst und redet, ist das immer gut. Und zusammen essen mit den Menschen ist auch toll.

Wer euch unterstützen möchte, der müsste spenden?

JW: Ja, bitte. Wir hatten mal vor Jahren in der Ernst-August-Galerie einen Stand. Zu uns kam jemand, der machte sein Portemonnaie auf – und darin war nur ein einzelner 5-Euro-Schein. Dem hätte ich fast gesagt: „Bitte behalten Sie Ihr Geld, Sie brauchen es selber.“ Ich habe es angenommen und das war die schönste Spende, die ich je bekommen habe. Der wollte das geben, von ganzem Herzen. Das hat mich sehr angerührt. Der Verein arbeitet auch aktiv daran, neue Mitglieder und Sponsoren zu gewinnen, um seine Projekte zu finanzieren.

TL: Wir freuen uns, wenn Mitglieder auch aktiv dabei sind, beispielsweise wenn für eine Veranstaltung etwas vorzubereiten ist. Dann kann es nicht schaden, wenn man jemanden hat, der mal mit anfasst.

Abgelegt unter Im Gespräch, MenschenKommentare deaktiviert für Der Freundeskreis im Gespräch mit Joachim Wehrmann und Torsten Lippelt von Business 4 Kids

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