Ein offener Brief an Friedrich Merz

Lieber Friedrich,

es ist soooo schön! Du bist es! Nach all den Jahren! Endlich! Und der blöde Söder mit seinem Bärtchen kann nach Hause gehen.
Wir freuen uns! Wir haben ein gutes Gefühl! Das wird was! Projekt MerzKanzler! Wir sind Fan! Und möchten dir darum – selbstlos wie wir sind – hier noch schnell ein paar gutgemeinte Ratschläge mit auf den Weg geben. Beziehungsweise eigentlich nur einen gutgemeinten Rat: Weiter so!

Denn es passt ja schon alles. Die Performance ist nahezu perfekt. Wie du beispielsweise gegen die Grünen wetterst, wegen ihrer verkorksten Wirtschaftspolitik, ihrer Regulationswut und Technikfeindlichkeit, das macht richtig Spaß. Klar, der Söder schaltet bei der Geschichte noch einen Gang höher, aber du musst ja schon jetzt ein bisschen staatsmännisch rüberkommen und ein Türchen offen lassen für später, für den Fall der Fälle. Da braucht es kein rüpelhaftes Rumgepoltere, sondern kluge Hintertür-Sätze: „Wenn es sich in den nächsten zwölf Monaten anders entwickelt, können wir schauen.“ Genial. Wenn sie sich ändern, diese irren, woken Grünen, wenn sie ein bisschen technikfreundlicher und regulierungsunwütiger werden, dann geht da eventuell doch was.

Wobei du natürlich weißt, dass sie sich gar nicht so sehr ändern müssen, weil ohnehin nur die Hälfte von dem stimmt, was ihr gegen die Grünen raushaut. Ganz am Ende sind sie dann wahrscheinlich gar nicht so schlimm – wenn es denn sein muss. Wenn es mit der SPD nicht reicht. Das ist ja die einzige übrige Option. AfD geht nicht und BSW geht auch nicht. Da bleiben nur die guten, alten Sozialdemokraten. Würde man dann eigentlich noch von einer GroKo sprechen? Wenn sich die stärkste Kraft mit der wahrscheinlich viertstärksten Kraft im Land zusammenschließt? Auch so eine Frage. Aber egal, Hauptsache es reicht für dich und du wirst endlich Kanzler.

Und da darfst du dich jetzt bitte nicht beirren lassen. Mach weiter so! Auch wenn deine Polemik im AfD-Sound im Osten noch nicht ganz so viele Stimmen für die CDU gebracht hat. Und auch wenn kaum jemand dir und euch das ganze Theater um die härtere Migrationspolitik nach dem Solingen-Anschlag abgenommen hat, mit euren Gesprächsangeboten und Notlagen und Zurückweisungen und der Pauschalverurteilung von Menschen aus Syrien oder Afghanistan. Das wird noch. Ihr müsst nur auf Linie bleiben. Auf die rechte und populistische AfD schimpfen und gleichzeitig rechte Stammtischparolen raushauen und keine populistische Chance auslassen. Immer weiter spalten, immer weiter aufwiegeln, den Leuten möglichst immer mehr Angst machen. Du kannst das!

Und Spahn und Linnemann helfen schon schön mit. Macht ihnen so viel Angst, dass niemand mehr klar denken kann. Und dann werden die Leute ganz am Ende bei der Bundestagswahl das richtige Kreuz machen. Warum die AfD wählen, wenn man dasselbe mit der CDU/CSU haben kann, nur professioneller, weil ihr von Regierungsarbeit viel mehr Ahnung habt? Wobei du ja von
Regierungsarbeit eigentlich keine Ahnung hast. Ähm – was aber total gut ist, weil dann die Gedanken noch freier sind, weil man ungelernt die Dinge ja ein bisschen unbefangener und offener anfasst. Genau. Wer braucht schon Erfahrung? Und im Zweifel kannst du ja den Spahn fragen, der war immerhin schon mal Minister.

Also, lieber Friedrich, lass dir nichts erzählen, ihr müsst jetzt einfach bis zur Wahl im September 25 die AfD weiter rechts überholen, dazu die Grünen, die SPD und die FDP mit ganz viel Dreck beschmeißen und das Bündnis Sahra Wagenknecht das Bündnis Sahra Wagenknecht sein lassen
– die werden sich bis zur Wahl ja bestimmt noch dreimal selbst zerlegen, da sind ja ganz viele frühere Linke dabei, und die Selbstzerlegung steckt da einfach in der DNA. Und dann fegt ihr ganz am Ende die Scherben unserer Demokratie zusammen und drückt auf Neustart mit dir als Kanzler. Und dann wird endlich alles gut. Dann können sich die kleinen Paschas aber warm anziehen.
● GAH
Foto: Tiago Sierra sierratds / Pixabay.com


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