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Randgruppenbeleidigung im Februar

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Randgruppenbeleidigung im Februar


jeden Monat neu: unsere Randgruppenbeleidigung. Ab und zu mal hier online. Aber immer im Druck.

Stelzböcke

Du denkst, du hast dich gut gehalten, du denkst, man sieht dir dein Alter gar nicht so sehr an. Du denkst, weil du ein Stückchen größer bist als all die kleinen Mäuse, dass sie die lichten Stellen auf deinem Hinterkopf nicht sehen. Du denkst, dass du vergleichsweise jung angezogen bist. Du hast dich umgesehen, was so getragen wird, und du hast dir diverse Verkleidungen zugelegt. Du kannst auch die Sprache ganz gut. Und so stehst du nun auf den diversen Partys in den diversen Locations herum, während du eigentlich beim Bingo-Abend sein solltest oder auf Butterfahrt mit dem Kegelclub. Du stehst dort und guckst so ein bisschen cool und lässig und unbeteiligt, vielleicht sogar desinteressiert über die Köpfe hinweg, aber nach ein bisschen Alkohol bleibt dein Blick dann doch stellenweise kleben. Und man sieht es kurz lodern in deinen Augen, ehe du deinen Blick schnell wieder abwendest. Ach, wenn du könntest, wie du wolltest. All die jungen Mäuse … Wenn sich doch nur eine erbarmen würde.

Aber sie erbarmen sich nicht. Denn man erkennt einen Stelzbock ja schon drei Meilen gegen den Wind. Manchmal riecht man sie auch, denn sie neigen zu sportlichen Düften, reichlich aufgetragen. Da kannst du dich noch so unauffällig ranpirschen, dich noch so uninteressiert geben, alle wissen, dass du einer von der Sorte bist, alle ahnen, was du willst. Du willst das Eine, wobei du das Eine wahrscheinlich gar nicht mehr so richtig hinbekommst in deinem Alter. Wobei wir hier nicht alte Menschen bashen und die nachwachsenden Stelzböcke vergessen wollen. Es gibt sie auch in jüngeren Varianten. Aber es stimmt schon, die älteren Varianten sind meist schlimmer, weil sie verzweifelter sind. Sie klappern verzweifelt mit dem Autoschlüssel und hantieren verzweifelt mit den Kreditkarten, sie rascheln verzweifelt mit den großen Scheinen und wenn du richtig großes Glück hast, dann bekommst du eine von ihren High-end-Visitenkarten, handgeschöpftes Papier mit Prägung.
Stelzböcke sind eigentlich ganz lustig – aus der Ferne. Man kann sich wunderbar über ihre Erbärmlichkeit amüsieren. Obwohl das natürlich gemein ist. Aber es trifft ja die Richtigen, denn wenn du sie zu nah ranlassen würdest, wären sie gemein zu dir. Sie interessieren sich nicht für dich, sie interessieren sich ausschließlich für deine junge Hülle. Du bist zwanzig, dreißig, vierzig Jahre jünger? Völlig egal, Hauptsache volljährig, obwohl selbst darauf manche pfeifen. So stelzen sie dir nach, pirschen sich ran an den einen Rock, entdecken den nächsten Rock, und den übernächsten Rock, und vielleicht wäre die Kleine da hinten auch nicht so schlecht … Und wenn die Party sich dem Ende neigt, wird der Stelzbock nervös, wie eine hungrige Katze rennt er dann durch den großen Mäuseschwarm, aber die kleinen Mäuse sind schneller.
Und so sitzt der arme Stelzbock ganz am Ende mal wieder resigniert im Taxi und erzählt dem armen Taxifahrer, dass er wichtig ist und sportlich und begehrt, dass er sich gut gehalten hat und eben in der Bar mal wieder etliche Angebote ausschlagen musste. Diese jungen Mäuse, ganz verrückt, man könne sich ja kaum retten. Und der Taxifahrer nickt beiläufig, bringt den Stelzbock nach Hause und holt den nächsten Stelzbock mit der gleichen Geschichte von der nächsten Party ab. Ein steter Strom resignierter Stelzböcke. Ihr Armen. Probiert es mal im Kegelclub, da habt ihr bestimmt mehr Glück.

VA

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Randgruppenbeleidigung im November

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Randgruppenbeleidigung im November


Verwaltungsadel

Du bist schon viele Jahre dabei, du weißt Bescheid, du kennst alle Abläufe, alle Paragrafen, alle Formulare, alle Interna. Dir kann niemand mehr irgendwas erzählen, du weißt, was geht, und vor allem, was nicht geht. Und du hast es dir ganz nett eingerichtet in deinem Büro, unentbehrlich in der zweiten Reihe.
Über dir nur jene, die im Zweifel den Kopf hinhalten müssen, die kommen und gehen, unter dir alle anderen, die immer unter dir bleiben, weil du klebst, wo du klebst.

Du bist ein mächtiges kleines Rädchen im großen Getriebe, eine Instanz im Staat, ohne dich geht gar nichts und wenn du den Daumen senkst, haben sie verspielt.
Alle, die zu dir kommen, nein, nicht zu dir, zu denen über dir. Und sie kommen ja ständig, diese verdammten Bettler, diese Bittsteller mit ihren ärgerlichen Ideen. Diese Zwerge, die sich auf Augenhöhe wähnen mit denen über dir und auch mit dir. Lächerlich! Wie naiv. Wissen die denn gar nichts? Und dann machen sie ihre Vorschläge während ihrer Audienz, wollen etwas auf die Beine stellen, meinen, dass sie es besser wissen, dass sie es besser können, doch was sie erzählen, das hast du schon längst alles zigmal gehört und durchdacht, da musst du gar nicht lange zuhören, da weißt du schon nach den ersten Worten, in welche Richtung der Daumen zeigen wird. Oder dir passt einfach das Gesicht nicht. Kann auch passieren. Hat die gute Idee eben Pech gehabt.

Und abends liegst du dann in deinem Bettchen im netten Häuschen vor der Stadt und neben dir schnarcht es schon friedlich und du lächelst zufrieden, denn du hast heute wieder viel Schaden abgewendet, du hast deine Verwaltung geschützt, da waren Bürger*innen, die hatten Eigeninitiative im Sinn, die wollten etwas bewegen, solche Vorhaben muss man natürlich im Keim ersticken, denn was bedeuten derartige Späße für dich und deine Verwaltung? Noch mehr Arbeit, ganz genau. Und das geht nicht, das gilt es mit Macht zu verhindern. Und dann dauert es eben mal ein paar Tage länger, dann kann die Antwort auf die Mail warten, bis alle Fristen verstrichen sind. Und während du so darüber nachdenkst und dabei die ratlosen und enttäuschten Gesichter der Bürger*innen vor dir siehst, wird es dir ganz warm, aber nicht ums Herz, sondern an gänzlich anderer Stelle. Wenn die wüssten … Wie machtlos, wie hilflos sie sind. Und du bist unangreifbar, fest verankert in der Hierarchie und gut abgesichert, denn du hast das Spiel verstanden. Wer handelt, wer agiert, wer sich bewegt, der macht im Zweifel Fehler, der macht sich angreifbar. Also simulierst du seit Jahren Aktivität und minimierst so dein Risiko.

Ach, gäbe es doch nur ein paar weniger von deiner Sorte, keiner Verhinderer, sondern Ermöglicher, ohne Dünkel und Arroganz, was könnte alles wachsen und gedeihen? Doch leider wächst nur wenig bis gar nichts, weil der Verwaltungsadel an Veränderungen kein Interesse hat. #Entmachten!
GAH

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Randgruppenbeleidigung im Juli: Spielplatzsportler*innen

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Randgruppenbeleidigung im Juli: Spielplatzsportler*innen


Diese kleinen Scheißer! Du hast Feierabend, du gehst nach Hause, du hast dich gerade entschieden, dein Fitness-Abo heute ausnahmsweise auszulassen, weil das Wetter viel zu gut ist. Lieber noch irgendwo auf die Wiese, ein Kaltgetränk, ein bisschen chillen. Und dann siehst du sie, da drüben, auf dem Spielplatz in der Nachbarschaft, aufdringlich schnaufend und stöhnend – die Spielplatz-Sportler*innen.

Was dagegen einzuwenden ist, sein Geld nicht ins Fitnessstudio zu tragen, sondern an der frischen Luft die Klettergerüste auf den Spielplätzen als Trainingsgeräte zu missbrauchen? ALLES! Das ist Exhibitionismus pur! Fein definierte Muskelpakete glänzen ölig in der Sonne, der Schweiß fließt in Strömen, man kann es riechen aus hundert Metern Entfernung. Sie bewundern sich gegenseitig, während sie ihre Übungen machen, sie finden sich unendlich geil. Und sie gehen davon aus, dass auch alle anderen sie unendlich geil finden. Tun wir aber nicht! Euer Anblick ist eine aufdringliche Zumutung, das ist beinahe Nötigung.

Wir müssen ja nicht hinsehen? Okay, wie wäre es dann ohne Rums-Bums-Hip-Hop? Wenn ihr aufhört, eure Umwelt zuzudröhnen, während ihr pumpt und schwitzt, fällt es uns vielleicht leichter, euer Elend zu ignorieren. Aber wenn der Bass aus euren Musikboxen bis hoch in den sechsten Stock dröhnt, ist das nicht so leicht. Es ist im Gegenteil Terror. Doch natürlich beschwert sich niemand, denn wer will sich schon mit einer Horde verschwitzter Muskel-Dödel anlegen, die da irgendwas auf Spielplätzen kompensieren, über was wir hier lieber nicht nachdenken wollen.

Gebt die Spielplätze zurück! Sie gehören den Kindern! Und den Eltern. Hört endlich auf, eure Mitmenschen zu verstören! Nach jedem Spielplatzbesuch muss man wieder alles neu erklären: Nein, ein Sixpack ist nicht normal, dafür muss man hart trainieren und sich sehr bewusst ernähren und hat entsprechend weniger Zeit, schlaue Bücher zu lesen. Ja, stimmt, darum sind diese öligen Gestalten auf dem Spielplatz wahrscheinlich ein bisschen doof. Nein, ich kann nicht 30 Liegestütze auf einem Arm machen, das ist aber auch gar nicht schlimm. Nein, die Mama von der Laura guckt da nicht ständig hin. Und ich auch nicht. Verdammt noch mal!

Hingucken ist absolut verboten. Du kannst noch so viel Mitleid in deinen Blick legen, sie nehmen es trotzdem als Kompliment, boostern mit deinem Blick ihr Ego und pumpen nur noch heftiger. Publikum motiviert sie. Manche missverstehen die Blicke auch grundsätzlich als Flirtversuch und zwinkern dir zu. Bitte! Wer will von öligen Gestalten auf Spielplätzen angezwinkert werden?

Liebe Spielplatzsportler*innen, sucht euch bitte einen anderen Ort, fahrt in irgendeinen Wald und macht dort Klimmzüge an den Ästen. Wir haben keine Lust mehr, auf euren glitschigen Schweißflecken auszurutschen. Inzwischen muss man ja den gesamten Spielplatz streuen, ehe die Kinder dort gefahrlos spielen können. Glücklicherweise gibt es meist genug Sand vor Ort. Übrigens, Stadt Hannover, gelangen die öligen Hinterlassenschaften nicht ins Grundwasser? Gibt es da nicht irgendeine Strafe? Oder wenigstens eine Gebühr?
Linn Bongard

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