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El Kurdis Kolumne im Juni

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El Kurdis Kolumne im Juni


Enthemmte Pop-Liberale

Viele akademische Mittelschichtler nörgeln zurzeit geschmäcklerisch an der „Letzten Generation“ herum, weil die Aktivist*innen sich angeblich wie eine „Sekte“ benehmen würden. Überhaupt sei der ganze Gestus irgendwie „para-religiös“.
Ich verstehe, was damit gemeint ist.
Und ja, dieses Verhalten finde ich auch hin und wieder unangenehm. Aber meine Güte, ich finde sehr viele Dinge unangenehm, ohne sie gleich komplett ablehnen oder mich darüber erheben zu müssen.
Zum Beispiel kann ich die Partei-Loyalität vieler Politiker*innen kaum ertragen – also die Praxis, dass eigentlich kluge und vernünftige Leute jeden dummen Partei- oder Regierungsbeschluss verteidigen oder sogar versuchen, ihn als Fortschritt zu verkaufen. Wo doch jeder sehen kann, dass er Mist ist.
Die Wahrheit ist meistens: Sie konnten sich einfach nicht durchsetzen oder wurden mal wieder vom Koalitionspartner über den Tisch gezogen. Trotzdem stellen sie sich hin und sagen: Das ist ein guter Kompromiss! Nee, ist es nicht. Aber mehr war halt nicht drin. Warum kann man das nicht zugeben? Und obwohl mir das auf den Senkel geht, gehe ich wählen. Immer wieder. Weil ich manche dieser Politiker*innen trotzdem kompetent finde und glaube, dass sie wirklich Gutes bewirken wollen. Ähnlich geht es mir mit der „Letzten Generation“. Mir gefällt nicht alles an ihnen, aber sorry: Sie haben einfach recht. Es muss was passieren. Und zwar jetzt. Zudem habe ich nichts gegen radikale Aktionen, wobei ich Straßenblockaden und das Verspritzen von ein bisschen Farbe, ehrlich gesagt, nur mäßig radikal finde.

Das Gejammer vieler Autofahrer*innen empfinde ich hingegen als extrem albern: Selbst im unblockierten Alltag kommen die Automobilisten mit ihren Karren oft nicht voran, weil der Verkehr sich selbst zum Erliegen bringt. Rollen sie dann doch mal, cruisen sie im Anschluss stundenlang auf Parkplatzsuche durch‘s Wohnviertel. Werden also quasi von ihren Mitparkern blockiert. Was soll also die Aufregung um ein paar Leute, die den üblichen Verkehrs-Wahnsinn nur geringfügig wahnsinniger machen? Dazu kommt: Ich habe beschlossen, die „Letzte Generation“ mindestens so lange zu verteidigen, wie die Kampagnen-Maschine im Axel-Springer-Haus gegen sie raucht und rattert.

Aktivisten von der Fahrbahn loszureißen & wegzutragen ist eindeutig zulässig, auch wenn das wegen des Klebers zu erheblichen Handverletzungen führen sollte“. Das twitterte kürzlich Ulf Poschardt, die Strafrechts-Professorin Elisa Hoven zitierend. Dem Zitat stellte der WeltN24-Chefredakteur allerdings einen eigenen Satz voran: „notwehr ist keine selbstjustiz“. Im bekannten modisch-hippen Poschi-Kleinschreib. Wodurch er klarmachte: Das ist seine Meinung, seine Schlussfolgerung aus den Äußerungen Hovens.

Nochmal deutlich: In einer Situation, in der immer mehr amoklaufende Autofahrer*innen glauben, sie hätten das Recht, gewaltlose Demonstranten*innen zu treten, zu schlagen, an den Füßen über den Asphalt zu schleifen oder anzufahren, findet Poschardt es offensichtlich legitim, wenn Blockierende „erheblich“ verletzt werden. Notwehr eben. Nur nebenbei: Von den angegriffenen Demonstrant*innen hat sich bis jetzt keine*r ge(not)wehrt, niemand hat zurückgeschlagen oder -getreten. Was ich sehr bewundernswert finde. Zurück zu Poschi und seinem Arbeitsgeber:

Ich glaube, dass Springer damals (…) oft journalistische Standards verletzt hat. Und sicherlich auch ein gesellschaftliches Klima erzeugt hat, in dem Aggressionen in bestimmten Schichten der Bevölkerung gegen (…) diese Bewegung verstärkt wurden.“ So gab Poschardts Chef, der milliardenschwere Springer-Mogul Mathias Döpfner vor einiger Zeit herum-eiernd zu, dass Springer an den Schüssen auf den APO-Aktivisten Rudi Dutschke im Jahr 1968 eine Mitschuld trägt.

Aber der Springer-Verlag von heute sei nicht mehr der Springer-Verlag von damals, betont Döpfner. Stimmt. Im Gegensatz zu damals heizen keine grau beanzugten Reaktionäre mit Kriegshintergrund die Stimmung gegen die Demonstranten an. Die heutigen Aggressionsverstärker sind enthemmte Pop-Liberale, die vor allem beleidigt sind, dass es Menschen gibt, die sie und ihre Statussymbole einfach nur albern finden. Nochmal @ulfposh: „bürgerkinder als neid-brigaden – weil es bequemer ist zu randalieren und vom elfenbeinturm bejubelt zu werden, als hart zu arbeiten um sich prada, rolex oder louis vuitton zu gönnen.“ Poschardt beweist jeden Tag aufs Neue, dass es möglich ist, mehr FDP-Klischee zu sein als Christian Lindner himself. Respekt!

Hartmut El Kurdi

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Editorial 2023-06

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Editorial 2023-06


Liebe Leser*innen,

der Juni ist der Pride Month, die LGBTQI+-Community feiert auf verschiedenste Arten stolz die eigene Existenz. Der Monat steht für Toleranz und Selbstbewusstsein, alle kämpfen gemeinsam gegen Kriminalisierung, Stigmatisierung und Ausgrenzung. Und leider ist das noch immer bitter nötig. Denn nach wie vor haben viele Menschen, auch in Deutschland, große Probleme mit der sexuellen Orientierung anderer, mit der Geschlechtsidentität oder der geschlechtlichen Ausdrucksform von Menschen. Sie lehnen alles ab, was von der sogenannten gesellschaftlichen Norm abweicht, die sie natürlich höchstselbst definieren. Ich würde mir sehr wünschen, dass das irgendwann mal aufhört und wir alle miteinander realisieren, dass die gesellschaftliche Norm Vielfalt ist.

Aber das scheint wohl doch nur ein schöner Traum. Mir sind Menschen, die ein Problem mit dieser Vielfalt haben, ein echtes Rätsel. Was treibt die an? Illi Hinzberg hat in ihrem Text über Queerfeindlichkeit ab Seite 54 sehr klare Worte dafür gefunden, was mir bei diesem Thema immer wieder durch den Kopf geht: „Was auch immer in deinem Ausweis steht – wenn du ein Arschloch bist, bist du ein Arschloch. Mit entsprechenden Pronomen.“ Das bringt es für mich ganz einfach und klar auf den Punkt. Wichtig ist, wer da oben im Kopf wohnt. Und wenn da kein Arschloch wohnt, ist mir das sympathisch. Die sexuelle Orientierung, die Geschlechtsidentität oder die geschlechtliche Ausdrucksform ist mir dabei völlig egal.

Und ich finde es ausgesprochen ärgerlich, dass wir uns im 21. Jahrhundert noch immer mit diesem Thema beschäftigen müssen. Dass es nach wie vor verschiedenste Formen der Diskriminierung gibt. Ablehnung, Hass, Stigmatisierung, Mobbing, Gewalt, soziale Ausgrenzung und nicht zuletzt rechtliche Benachteiligungen – die Liste ist lang. Queerfeindlichkeit ist ein echtes Problem und kein netter Spaß im Bierzelt. Betroffene Personen kämpfen oft mit psychischen Belastungen wie Depressionen oder Angstzuständen, sie machen Gewalterfahrungen und haben Suizidgedanken. Ich finde, das ist eine Schande für unsere Gesellschaft. Es ist höchste Zeit, dass wir endlich einen nächsten großen Schritt in Sachen Zivilisation wagen und unsere Vorurteile und Ressentiments vollständig ablegen. Wie schaffen wir das? Ganz einfach, durch Begegnung. Durch Neugier. Durch Offenheit. Aber nicht durch Toleranz, denn Tolerieren im Sinne von Dulden geht am Thema absolut vorbei, das schafft eine Hierarchie, die es nicht gibt. Oder geben sollte.

Leider habe ich die Befürchtung, dass dieser nächste Zivilisationsschritt so bald nicht kommen wird. Im Gegenteil, ich vermute, dass wir momentan eher eine Ehrenrunde drehen. Wenn ich sehe, wie bei ganz jungen Menschen längst überwunden geglaubte Rollen und Muster momentan eine Renaissance erleben, wie plötzlich wieder sehr konservative Werte hochgehalten werden, bin ich ziemlich alarmiert. Und befürchte eher ein Rollback in die 50er-Jahre. Es hilft wohl nichts, wir müssen an dem Thema dranbleiben, wir müssen aufklären über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt, über das, was wirklich normal ist – immer wieder und immer wieder von vorne.

Lars Kompa
Herausgeber Stadtkind  

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Die Juni-Ausgabe ist da! 25 Jahre Kultursommer 2023

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Die Juni-Ausgabe ist da! 25 Jahre Kultursommer 2023


AUSZEIT
vom Schreibtisch und rein in’s Lesevergnügen.
Das neue Heft ist da.
Die Sommer-Kauflust ist drin.
Der Kultursommer naht (bereits zum 25. mal).
 
Freut Euch auf 116 Seiten Hannover Kultur und Geschichten für zarte 2,20 € am Kiosk, im gut sortierten Zeitschriftenhandel oder bei unseren Vertriebs-Partner*innen:
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Salon Lindener Marktplatz 12, 30449
 
Universum(emelas Burgernah) Offensteinstraße 14, 30451
 
Wein und Bild Quellengrund 2, 30453
 
Räderwerk Hainhölzer Straße 13, 30159
 
Internationalismus Buchladen Engelbosteler Damm 4, 30167
 
BH-Lounge Kestnerstraße 45a, 30159
 
Bio Corner Fiedlerstr. 23, 30519
 
Craftbeerkontor Schlägerstraße 17, 30171
 
GEA Kleine Düwelstraße 6, 30171
 
Naturkostladen Südstadt Geibelstr. 13, 30173
 
SofaLoft GmbH & Co. KG Jordanstr. 26, 30173
 
Zanzarelli Hildesheimer Straße 2, 30419
 
25 music Kronenstraße 12, 30161
 
Bücherstube Konertz Lister Meile 86, 30161
 
Jolie Parisienne Drostestraße 12, 30161
 
Karla Sedanstr. 35, 30161
 
Laden SiebenundSiebzig Bödekerstraße 77, 30161
 
Porzellan Café Jakobistr. 20, 30163
 
Restaurant Marie Wedekindplatz 1,30161
 
Wedevini Wedekindplatz 2,30161
 
Wingert Weinhandel Jakobistraße 31, 30163
 

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Und Auszüge aus dem Heft immer ab Monatsmitte ohne Zahlschranke hier bei uns auf der Seite.

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