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Ein offener Brief an Gregor Gysi

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Ein offener Brief an Gregor Gysi


Lieber Gregor,
loooooos geht’s! Sie ist weg! Heureka! Und mit ihr auch noch all die anderen. Amira Mohamed Ali, Christian Leye, Ali Al-Dailami, Sevim Dağdelen, Klaus Ernst, Andrej Hunko, Zaklin Nastic, Jessica Tatti und Alexander Ulrich … Auf Wiedersehen! Lukas Schön, Jonas Christopher Höpken, Fadime Asci, John Lucas Dittrich, Amid Rabieh und Sabine Zimmermann … Macht’s gut! Jetzt aber schnell! Die Reihen schließen, setzt euch zusammen und arbeitet!

Arbeitsauftrag: Wieder eine echte, linke Partei werden. So eine ohne Gedöns, ohne NATO-Austritt (könnt ihr echt mal eine Weile ausklammern) und Russlandfreundlichkeit als Staatsraison, damit endlich wieder billiges Gas durch die Leitungen fließt, koste es, was es wolle, vielleicht sogar die Ukraine, ohne populistisches Hetzen gegen „Öko-Aktivismus“ und zu viel ungeregelte Einwanderung in die soziale Hängematte, ohne „Freiluftgefängnis“ und „Deutschland zuerst“, ohne die ganze übliche Folklore. Konzentriert euch jetzt einfach auf das, was wirklich wichtig ist. Das ist eine Riesenchance, alle Verschwörungstheoretiker*innen und/oder Populist*innen versammeln sich demnächst beim BSW und werden sich neben SW lautstark durch die Medien schwurbeln, während ihr endlich den Rücken freihabt und ganz in Ruhe etablieren könnt, was in Deutschland tatsächlich bereits seit viel zu vielen Jahren fehlt.

Lass uns mal zusammen ein bisschen träumen, lieber Gregor. Von sozialer Gerechtigkeit, echter sozialer Egalität, von ein bisschen mehr Umverteilung, von besseren Arbeitsbedingungen und höheren Löhnen, von einem Kapitalismus mit harten sozialen Leitplanken, von mehr Fairness und Solidarität, von einem starken Sozialstaat, der Gesundheitsversorgung, Bildung, Wohnraum und andere grundlegende Dienstleistungen für die Bürger bereitstellt, von entschlossenem Klimaschutz, der sich auf die Wissenschaft stützt und nicht auf Umfragen, von einer tatsächlich werteorientierten Außenpolitik, die sich nicht drückt, wenn es mal haarig wird, von einer entschlossenen Unterstützung benachteiligter und marginalisierter Gruppen, von einer nachhaltigen Stärkung der einzigen echten deutschen Ressource, der Bildung und Wissenschaft. Wäre das nicht schön?

Einfach mal wieder alles richtig machen, kein eitles Geschwätz mehr, sondern nur noch klare, faktenbasierte Kante. Ihr könntet euch dazu verabreden, die einzige Partei Deutschlands zu sein, die nicht mehr ihr Fähnchen in den Wind hängt, sondern die es jetzt mal mit echtem linken Gegenwind versucht, aber ohne Populismus, maximal ernsthaft und integer. Das wäre ganz sicher eine wählbare Alternative zu den anderen Rechtsblinkern, die sich momentan gegenseitig darin überbieten, die Themen der AfD zu kapern.

Versucht es einfach mal. Mit herausfordernden Fragestellungen. Mit Tiefe. Mit Antipopulismus. Stellt selbstbewusst und ohne irgendwelche Scheren im Kopf die richtigen Fragen. Lasst euch nicht hineinziehen in das übliche politische Theater, macht einfach nicht mehr mit. Arbeitet stattdessen an konkreter politischer Aufklärung. Legt den Finger in die tatsächlichen Wunden unserer Gesellschaft, über die kaum noch gesprochen wird, weil das Rechtsgetöse alles übertönt. Und legt auch mal den Finger in die eigenen Wunden. Ja, auch du, lieber Gregor. Diplomatie ist immer eine gute Sache, sie braucht aber zwei Seiten, die beide an diplomatischen Lösungen interessiert sind. Wenn die eine Seite jedoch nur daran interessiert ist, die andere Seite auszulöschen, ist das Beharren auf diplomatischen Lösungen schlicht Unsinn. Es wäre gut, diese neue Lektion nachhaltig zu verinnerlichen. Man kann und darf immer noch dazulernen, auch noch mit 75 Jahren. Am 16. Januar wirst du 76. Schenk dir und uns allen zum Geburtstag bitte endlich wieder eine wählbare Linke.

VA

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El Kurdis Kolumne im November

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El Kurdis Kolumne im November


Boris Palmers neuer alter Bart

Vor einiger Zeit saß der Ex-Grüne Boris Palmer in einem der Halbschalensesselchen in Markus Lanz‘ Fernsehstudio und präsentierte ein achtelherziges ‚mea culpa‘. Die Redaktion hatte ihn mit den Worten angekündigt: „Nach Rassismus-Vorwürfen hat sich der parteilose Tübinger OB eine Auszeit genommen.“ Palmer wolle in der Sendung „zu dem Eklat“ Stellung nehmen.

Zunächst fiel jedoch Palmers neuer Facial-Hair-Style ins Auge. Er hatte sich von seinem rebellischen unrasierten Bartschatten-Look verabschiedet, um sich in der einmonatigen Auszeit einen voluminösen Tippi-Toppi-Oppa-Vollbart wachsen zu lassen. Wohl um reifer zu erscheinen. Es fehlten nur noch Strickjacke, karierte Puschen und ein gemütliches Pfeifchen – und das neue Senioren-Image wäre perfekt gewesen.

Tatsächlich begann Palmer auch mit einer kurzen, scheinbar altersweisen Introspektion: Der Entschluss für seinen temporären Rückzug sei gefallen, nachdem er über den Vorfall vor dem Gebäude der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt nachgedacht habe. Dort hatte er vor aufgeregten jungen Menschen darauf bestanden, dass man in bestimmten Zusammenhängen sehr wohl das N-Wort benutzen dürfe, zum Beispiel, wenn man darüber diskutiere, ob man das N-Wort benutzen dürfe. Zum Beweis benutzte er das N-Wort dann gegenüber einem jungen schwarzen Protestierer, der ihn zuvor aufgefordert hatte, ihm das N-Wort doch ins Gesicht zu sagen. Als die aufgeregten jungen Menschen daraufhin noch aufgeregter wurden, behauptete Palmer, wenn man ihn nun wiederum als Nazi bezeichne, nur weil er das N-Wort benutze, sei das „nichts anderes als der Judenstern“. So weit, so dumm, so wenig überraschend.

In Lanz‘ Sendung folgte dann Palmers vermeintliche „Reflektion“. Er gestand ein, dass die Bemerkung mit dem „Judenstern“ unverzeihlich sei, weil man damit den Holocaust verharmlose. Kurz dachte man: Na, is da womöglich doch was passiert im Oberstübchen? Hat er vielleicht wirklich etwas kapiert? Aber schnell machte er klar, das Problem habe nichts mit seinem Denken oder seinen politischen Positionen zu tun, sondern mit seiner Impulskontrolle. An dieser müsse er arbeiten. Das habe er während eines Coachings in der Auszeit verstanden. Um nicht wieder auszurasten, sage er jetzt zu bestimmten Themen gar nichts mehr. Eine Therapie sei das übrigens nicht gewesen. Die brauche er nicht. Das habe er von Fachkräften checken lassen. Um aber im nächsten Moment ein Thema für mindestens drei Jahre intensive Psychoanalyse auszupacken …

Das Ganze hinge mit seinem Vater Helmut Palmer, dem „Remstall-Rebellen“ zusammen. Vater Palmer war ein Bürgerrechtler, der als parteiloser Einzelkandidat bei zahlreichen Bürgermeister-, Landtags- und Bundestagswahlen antrat, aber trotz einiger Achtungserfolge nie ein Mandat errang. Er kämpfte furios verbal um sich schlagend gegen den Nazi-Filz im Filbinger-Baden-Württemberg, gegen den Bau der Neckar-Alb-Autobahn und gegen Arschgeigen an sich. Aufgrund seiner Proteste saß er auch mehrere Male im Gefängnis, was sein Sohn als für sich traumatisch beschreibt.

Selbstverständlich ist die Inhaftierung eines Elternteils für ein Kind traumatisch, aber wie Boris Palmer aus dem ebenso interessanten wie exzentrischen politischen Leben seines Vaters und aus dessen Geburtsumständen – Helmut Palmer kam 1930 als unehelicher Sohn eines verheirateten jüdischen Metzgermeisters und einer Verkäuferin auf die Welt – für sich eine Erklärung zimmert, warum er einem schwarzen Menschen gegenüber das N-Wort benutzt, um kurz danach die Kritik daran als „Judenstern“ zu bezeichnen – das können wahrscheinlich wirklich nur Psycho-Experten erklären.

Abgesehen davon, dass Palmer sich inzwischen längst wieder zu „bestimmten Themen“, also zu Fragen von Flucht und Migration äußert, war es auch in der Sendung schon offensichtlich, dass er über seine wahren Defizite noch nicht mal im Ansatz nachgedacht hatte. Vor allem nicht über seine Obsession bezüglich der Herkunft von Menschen. Aber danach hatte sein vermutlich hochbezahlter Coach ihn wohl auch nicht gefragt. Palmer selbst kapiert ja überhaupt nicht, dass er dieses Problem hat. Wodurch er es ununterbrochen potenziert.

Dabei ist es gar nicht so schwierig: Wir alle denken immer wieder in Stereotypen, auch in rassistischen. Weil wir damit aufwachsen. Nur, wenn wir das wissen, können wir verhindern, dass sie uns und unser Handeln bestimmen. Das nur so als ganz therapiefreies Kurz-Coaching, Boris. Völlig umsonst. Immer gerne.

 

Hartmut El Kurdi

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Neu in der Stadt: Wilma Wunder

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Neu in der Stadt: Wilma Wunder


Ganz getreu dem Motto „Zuhause ist’s am schönsten“ öffnete Wilma Wunder Anfang September seine Türen. Das neue Restaurant ist neben weiteren Standorten in Deutschland nun auch in Hannover Mitte vertreten.

In blauer Neonschrift leuchtet „Bei Wilma werden Wunder wahr“ an der Wand – und der Spruch passt nicht nur zum gemütlichen Interior des Ladens, sondern ist tatsächlich Programm.
Wilma will zum Verweilen und Genießen einladen. Ein lichtdurchfluteter Raum, versehen mit dunklen Farbtönen und goldenen Akzenten, bietet fürs Auge schon eine gute Grundlage.
Doch das Wohlfühlen setzt sich auch im Bauch der Gäste fort.
Auf Wilma Wunders Speisekarte findet sich traditionell deutsche Hausmannskost, die mit einer Prise Kreativität verfeinert wird. Und aufgrund Ihres Ganztageskonzepts versorgt Wilma Wunder Kund*innen den gesamten Tag lang mit Gerichten jederart.

Die Speisekarte des Restaurants kombiniert Regionalität mit vielerlei kulinarischen Einflüssen. Dass tierische Produkte am liebsten von lokalen Händler*innen und aus artgerechter Haltung kommen, habe dabei oberste Priorität.
Wilma lädt mit Pancakes, Smoothie Bowls, Ei-Kreationen und handelsüblicher Stulle zum Frühstücken ein.
Die wohlig warme Hausmannsküche kann einen dann zusätzlich überzeugen, doch bis zum Mittag und/oder Abend zu bleiben. Denn Käsespätzle, Schnitzel jeglicher Art und sogar Rinderrouladen geben einem das Sonntagsessen-Feeling sieben Tage die Woche.
Und wer dann noch Platz im Bauch hat, kann sich an Wilmas Kuchensorten und Eisspezialitäten probieren.

Aber auch Getränke kommen bei Wilma Wunder nicht zu kurz. Kreative Cocktails, Shots und auch alkoholfreie Drinks finden auf der modernen Karte Platz und garantieren lange, lustigen Abende. Wilma Wunder ist in der Goseriede 6 zuhause und von nun an täglich von 9-23 Uhr, Freitag und Samstag sogar bis Mitternacht, für jeden Heißhunger gewappnet.

Wilma Wunder
Goseriede 6, 30159 Hannover
Telefon: 0511 51512170

Mo – Do von 09:00 – 23:00 Uhr
Fr & Sa von 09:00 – 00:00 Uhr
So von 09:00 – 23:00 Uhr
https://hannover.wilma-wunder.de/
hannover@wilma-wunder.de

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Editorial 2023-11

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Editorial 2023-11


Liebe Leserinnen und liebe Leser,

unser Titel in dieser Ausgabe „Über Ideologien … und was sie anrichten können“ war schon ein bisschen länger geplant, ist also keine Reaktion auf die schrecklichen Geschehnisse im Nahen Osten. Doch auch dort sind natürlich Ideologien am Werk, beziehungsweise Herrschende, die Ideologien einsetzen, um Menschen zu manipulieren, zu kontrollieren und gezielt zu steuern. Der Hass auf Israel, der Hass auf „die Juden“, er hat sich bereits kurz nach dem fürchterliche Angriff der Hamas auch in Deutschland auf den Straßen gezeigt. Auch hierzulande haben sich anscheinend wieder Ideologien etabliert, die mit unseren Werten und Vorstellungen – oder zumindest mit meinen – rein gar nichts zu tun haben. Das ist erschreckend. Aber nicht nur das. Ich sehe neben dieses Ideologien noch viele weitere Ideologien, die mir gelegentlich Angst machen.

Gibt es eigentlich noch einen Konsens in Deutschland, dass wir alle gemeinsam versuchen sollten, auf der richtigen Seite zu stehen? Oder wo wollen wir gesellschaftlich hin? Wollen wir uns gegenseitig mit unsere Ellenbogen die Augen ausstechen, wollen wir konkurrieren, untereinander und mit dem Rest der Welt, wollen wir uns abschotten und wollen wir jetzt zu allem Überfluss auch noch in diesen unsäglichen europäischen Wettbewerb einsteigen, Flüchtlinge möglichst schlecht zu behandeln? Das kann es doch nicht sein. Ich habe keine Lust mehr, mir mitanzusehen, wie sich inzwischen im Grunde alle Parteien regelmäßig vor den Karren der AfD spannen lassen. Während Sahra Wagenknecht sich anschickt, nun noch eine zweite AfD zu gründen. Geht’s eigentlich noch, Deutschland?

Kann da jetzt mal jemand mit ein bisschen Rückgrat ein paar deutliche Worte finden? Wie wäre es mit einer Absage an alle Versuche, die Menschen in Deutschland gegeneinander auszuspielen. Wie wäre es mit einer Absprache zwischen den Parteien, auf Populismus komplett zu verzichten und wieder faktenbasiert zu diskutieren. So wie Erwachsene. Sie sprechen alle von Zuspitzungen. Ein anderer Name für das Öl, das momentan so gerne ins Feuer gegossen wird. Überlasst den Populismus doch einfach wieder der AfD und demnächst der neuen Wagenknecht-Partei, dann kann man nämlich die Unterschiede klar erkennen. Die einen haben echte, tragfähige Lösungen, die anderen haben nur heiße Luft.

Ich bin in letzter Zeit ein bisschen verzweifelt, wenn ich mir die politische Landschaft in Deutschland ansehe. Merkt man das? Ich bin regelmäßig entsetzt, in welche Richtungen die Diskussionen abdriften. Mir steigt gelegentlich sogar die Schamesröte ins Gesicht, wenn ich beispielsweise höre, was Friedrich Merz so absondert. Liebe CDU, ist das euer Ernst? Habt ihr das nötig? „Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht …“, sagt Heinrich Heine in seinen Nachtgedanken. Ich schließe mich an!

Ich will ganz zum Schluss hier trotzdem nicht vergessen, noch zwei Menschen zu gratulieren, die in dieser Ausgabe ihr 10-Jähriges feiern. Gerry und Maura tragen nun schon eine Dekade zur Niveauregulierung im Stadtkind bei (das jedenfalls behaupten sie). Im ersten Heft sind sie noch fälschlicherweise als „bonnertaxi“ gestartet, aber seither haben sie mit „Spaziergängen zwischen Fiktion und Fraktur“ und der vielbeachteten Werkschau „Tempo, Beschleunigung, Aufklärung“ Maßstäbe gesetzt. Das Werk aus der Oktober-Ausgabe 2017 ziert heute sogar den Titel eines Bildbandes. Wenn man darüber nachdenkt, wie viel ärmer die Welt ohne bonnataxi wäre, wird man fast wahnsinnig (behaupten wieder sie). Ich behaupte, dass mein Leben ohne eure monatlichen Mails bedeutend ärmer gewesen wäre. Ihr habt echt einen schönen Knall. Man müsste daraus wirklich mal ein Buch machen. Nur so eine Idee …

Lars Kompa
Herausgeber Stadtkind 

 

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Ein letztes Wort im Oktober

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Ein letztes Wort im Oktober


mit dem Ministerpräsidenten Stephan Weil
Herr Weil, Deutschland ist zu kompliziert, zu langsam, zu teuer. Das wird momentan gerade wieder diskutiert. Die Erkenntnis ist aber nicht unbedingt neu, die Probleme sind seit Jahren bekannt. Durch die Krisen fällt uns das jetzt aber akut auf die Füße. Deutschland hat verschlafen, oder?

Sagen wir mal so, einige andere Länder sind momentan zumindest deutlich dynamischer unterwegs zu sein als wir. Und das hängt unter anderem damit zusammen, dass wir in der Tat leider viel Geld, Zeit, Kraft und Energie auf zu komplizierte Verfahren und Herangehensweisen verschwenden. Ein leider besonders bitteres Beispiel ist die Friesenbrücke in Weener bei Ostfriesland. Eines nebligen Novembermorgens im Jahre des Herrn 2015 näherte sich ein russischer Frachter der Friesenbrücke, das ist eine Eisenbahnbrücke, die dort seit 100 Jahren steht, und rammt einen Pfeiler. Glücklicherweise wird kein Mensch verletzt, der Frachter wird geborgen, aber die Brücke hat Totalschaden und muss ersetzt werden. Nach etwa sechs Wochen haben dann unsere niederländischen Nachbarn bei uns angerufen und gefragt, wann die Strecke denn wohl wieder offen sein werde. Und die zuständigen Stellen in Deutschland haben geantwortet: 2023, wenn es gut läuft. Die Niederländer dachten zuerst, das wäre ein Scherz. War aber keiner. Ich hoffe aber sehr, dass wir im nächsten Jahr nun die Wiedereröffnung feiern dürfen.

Fast zehn Jahre …
Die Konsequenz war aber tätige Reue. Wir haben ein paar Leute in die Niederlande geschickt, um denen dort mal über die Schulter zu gucken. Und das war wohl sehr spannend. Wie gehen die niederländischen Kolleginnen und Kollegen eine solche Aufgabe an? Als erstes plaudern sie miteinander mit unterschiedlichen Stakeholdern. Wir wollen diese Brücke neu machen, was fällt euch dazu ein, was müssen wir bedenken und so weiter. Das koste Zeit, die bekomme man aber hinterher, so sagen sie, drei- bis vierfach zurück. Dann gibt es auch in den Niederlanden vier Planungsabschnitte. Die Deutschen aber führen strikt und penibel einen Abschnitt nach dem anderen aus, jeweils mit einer eigenen Planung. Die Niederländer machen das parallel. Das spart natürlich viel Zeit. Und drittens sind die Niederlande zwar auch ein Rechtsstaat, aber wenn man dort in einem Gerichtsverfahren ein Argument gegen eine Maßnahme vorgetragen hat und damit nicht überzeugen konnte, dann war es das. Das ist die sogenannte Präklusion. Man kann in den Niederlanden nicht in mehreren Instanzen hintereinander dieselben Argumente vortragen wie in Deutschland. Darum hätte ein Ersatzbau wie die Friesenbrücke in den Niederlanden wahrscheinlich zwei oder drei Jahre gedauert, aber nicht neun, wie bei uns. Wir stehen uns also leider oft selbst im Weg.

Olaf Scholz möchte jetzt einen Deutschland-Pakt schmieden. Klingt erstmal gut. Aber bei der Bürokratie bin ich skeptisch. Sie zu entflechten, dazu bräuchte es ja Einigkeit in der Ampel und eine gemeinsame Richtung. Ich höre die Worte, aber ich glaube nicht dran.
Das ist auch eine Herkulesaufgabe, oder anders gesagt ein richtig hartes Stück Staatsreform. Wir haben aber punktuell auch schon gesehen, dass es klappen kann. Ein Beispiel ist der LNG-Terminal in Wilhelmshaven, der kurz vor Weihnachten eröffnet wurde. Ein echtes Leuchtturmprojekt. Wir können also auch in Deutschland ein Infrastrukturvorhaben in nur acht Monaten realisieren. Wenn wir es denn wollen. Damals war der Druck natürlich groß, die Energieversorgung musste sichergestellt werden, das musste funktionieren. Und es hat funktioniert. Robert Habeck hat im letzten Jahr auch im Bereich der erneuerbaren Energien viel Gutes auf den Weg gebracht. Da geht jetzt vieles schneller, Stichwort vorzeitiger Maßnahmenbeginn. Man wartet nicht bis zum letzten Gerichtsurteil, bis man zum ersten Mal eine Schaufel in die Hand nimmt. Das ist natürlich mit einem gewissen Risiko verbunden. Und jetzt besteht die Kunst darin, diese Erfahrungen zunächst im Bereich des Ausbaus unserer Infrastruktur zu verallgemeinern. Die Länder haben dem Bund bereits im letzten Jahr Vorschläge gemacht, der Bund hat geantwortet, jetzt haben die Länder die nächste Konkretisierungsstufe vorgenommen. Ich hoffe, dass wir namhafte Entbürokratisierungsschritte noch in diesem Jahr unter Dach und Fach kriegen.

Aber beschleunigen müssen wir nicht nur Infrastrukturprojekte …
Man muss das anschließend auf etliche andere Bereiche ausweiten. Wenn ich mir beispielsweise den Bereich Wohnungsbau ansehe, dann haben wir natürlich eine Vielzahl von unterschiedlichsten Auflagen und Verfahren, bis am Ende irgendwann einmal ein Haus errichtet ist. Sind alle diese Vorgaben und Standards wirklich notwendig? Wie machen es andere europäische Länder? Warum geht es da schneller? Unsere Prozesse zu verschlanken und zu beschleunigen, ist eine Herkulesaufgabe.

Als ein Heilmittel wird ja immer die Digitalisierung genannt. Aber dann sitzen die Leute in den Verwaltungen und drucken aus, was online eingepflegt wurde.
Ich denke schon, dass man mit der Digitalisierung schneller werden kann, aber eher nicht, wenn die Verfahren kompliziert bleiben. Wenn die Herangehensweise vereinfacht wird, dann kann man mit mehr Digitalisierung wirklich eine Menge rausholen. Ansonsten würde das viel weniger bringen.

Es gibt unfassbar viele Verordnungen, Gesetze, Gerichtsurteile, kaum jemand steigt noch durch. Wir ersticken in den Details. Wie legt man denn da die Axt an?
Man müsste mutig ein paar neue Maßgaben an den Anfang stellen. Wenn zum Beispiel nicht innerhalb einer bestimmten Frist entschieden wird, dann gilt ein Antrag als genehmigt. Das dürfte vieles schon wesentlich beschleunigen. Welche Erfahrungen macht man mit niedrigeren Standards im europäischen Ausland? Letztlich ist eine deutliche Vereinfachung unserer Regelwerke eine Aufgabe nicht nur für den Bundeskanzler und die 16 Ministerpräsidentinnen und -präsidenten. Da müssen am Ende ganz viele sich mitverantwortlich fühlen und mitmachen. Das wird ein anstrengender Prozess, dessen Komplexität man nicht unterschätzen darf, der aber trotzdem notwendig ist.

Verwaltungsbeamte werden bei uns vor allem juristisch geschult, wir haben eine legalistische Verwaltungskultur. Muss man bei der Ausbildung ansetzen? Weniger Jura, mehr Management?
Naja, wir haben eine an Recht und Gesetz gebundene Verwaltung und das ist ein großer zivilisatorischer Fortschritt.

Das stimmt einerseits. Andererseits haben wir so auch eine Kultur des sich Absicherns. Es geht oft um Selbstabsicherung, um nicht in die Haftung zu geraten. Und dann wird lieber ein Schritt zu wenig als einer zu viel gemacht.
Auch da ist sicher etwas dran. Leitungskräfte müssen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vermitteln: Ich stehe hinter Dir, wenn etwas schief geht, musst nicht du das Risiko tragen, ich trage das Risiko. Das erfordert Mut auf allen Ebenen.

Und dann wägt jemand ab, hat auf der einen Seite ein immenses Risiko und auf der anderen Seite persönlich vielleicht gar keinen großen Nutzen, sondern im Zweifel nur mehr Arbeit. Ist es nicht das, was sich in Deutschland ziemlich lähmend auswirkt?
Es ist immer leichter, politische Forderungen aufzustellen, als dann die Folgen praktisch durchzuhalten. Politik muss dann auch in der Umsetzung den Rücken breit machen. Nehmen Sie wieder das Beispiel des LNG-Terminals in Wilhelmshaven: Da hat sich Olaf Lies nicht nur massiv mit reingehängt, sondern auch die politische Verantwortung getragen.

Braucht es nicht insgesamt einen Wandel in den Köpfen, dass man wirklich auch von oben vermittelt: ihr könnt, ihr dürft, ihr sollt?
Genau darum geht es. Politik muss selbst mutig sein, neue Herangehensweisen vorleben und dafür werben. Wir sind bislang noch zu wenig ergebnisorientiert in Deutschland. Und das müssen wir jetzt zügig ändern.

Interview: Lars Kompa
(das Gespräch wurde Ende September geführt)

 

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Der Freundeskreis im Gespräch im Oktober

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Der Freundeskreis im Gespräch im Oktober


In diesem Monat haben wir mit Joachim König (JK), Geschäftsleitung des HCC, und Patrick Döring (PD), Vorstandsvorsitzender der Wertgarantie gesprochen: Über die Zukunft der Stadt Hannover, über die Entwicklung der Arbeit – und wie sie vor allem für den Nachwuchs attraktiver werden kann. Beide sind Mitglied im Freundeskreis Hannover e.V.

Beginnen wir damit, dass ihr euch vorstellt: Wer seid ihr und was macht ihr?
JK – Mein Name ist Joachim König. Ich bin beruflich seit über 40 Jahren im Tourismus und Veranstaltungsgeschäft tätig und inzwischen seit fast 17 Jahren in Hannover und zuständig für das Hannover Congress Centrum, die gastronomische Versorgung der Heinz-von-Heiden-Arena und für die Gastronomie im Congress Hotel am Stadtpark. Nach Hannover bin ich damals ganz einfach aufgrund einer Stellenausschreibung für die Leitungsstelle im HCC gekommen. Die Herausforderung die Verantwortung in einem der größten messunabhängigen Kongress – und Veranstaltungs- Centren in Deutschland zu übernehmen war natürlich sehr reizvoll, und nach der langen Zeit, die ich jetzt schon dabei bin, kann ich sagen: Es hat sich in jeder Hinsicht gelohnt und war genau die richtige Entscheidung

PD – Ich bin Patrick Döring, bin 1992 zum Studium der Wirtschaftswissenschaft aus dem schönen ländlichen und beschaulichen Stade, zwischen Hamburg und Cuxhaven, nach Hannover gekommen – und bin seitdem hier, habe mein Studium abgeschlossen und 1999 als Assistent des Vorstands in der Wertgarantie angefangen. Seit 2020 bin ich Vorstandsvorsitzender dieser Unternehmensgruppe, die sich in der Zeit wahnsinnig entwickelt hat. Ich habe außerdem ein Ehrenamt in der Kommunalpolitik seit 2001 und bin Mitglied des Rates der Stadt. Von 2005 bis 2013 war ich für die FDP im Deutschen Bundestag; sozusagen als zweites Standbein. Ich kann über mich sagen, dass ich ein überzeugter und engagierter Wahl-Hannoveraner bin.

Die Wertgarantie war ja an den Smart City Days 2023 beteiligt – da haben wir uns gedacht, dass wir einmal über das Thema Nachwuchs mit euch sprechen. Das Thema dürfte euch ja gleichermaßen berühren. Wie sieht es zum Beispiel beim HCC aus? Hat man dort Nachwuchsprobleme?
JK – Es ist natürlich so, dass wir sowohl Arbeits- als auch Nachwuchsprobleme haben. Arbeitskräfteprobleme und auch Nachwuchsprobleme. Die Dinge, die da eine Rolle spielen, sind bekannt. Die muss man nicht groß ausführen. Wir haben eine demografische Veränderung, die war aber mit sehr viel Anlauf schon seit vielen Jahren erkennbar. Und wir stehen im Wettbewerb bezüglich der Möglichkeiten, junge Menschen dafür zu interessieren, die Berufe zu erlernen, die wir anbieten, und in der Branche zu bleiben. Wir sind nicht die attraktivsten Arbeitgeber*innen, denn wir haben mit unserer herausfordernden Anspruchssituation – was die Zeiten, Wochenend-, Feiertagsarbeit angeht, was aber auch insgesamt die Lohn- und Gehaltsstrukturen im Bereich der Gastronomie und der Veranstaltungswirtschaft angeht – nicht die attraktivsten Angebote. Damit hat schon immer eine gewisse Begeisterungsfähigkeit dazu gehört, und die ist, auch durch die Coronazeit, zusätzliche in wenig abhandengekommen.

PD – Natürlich findet man immer noch Talente und engagierte Nachwuchskräfte. Wir bilden auch mehr aus als je zuvor, aber die Soft Skills, die man mitbringen muss, um als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden, sind vielfältiger geworden. Wir haben ohnehin einen starken Wettbewerb in unserer Branche. Hannover ist der zweitgrößte Versicherungsstandort der Republik – und Wertgarantie ist das kleinste Unternehmen in Hannover. Das ist nicht neu. Neu ist aber die Diskussion über die Fragen: „Wie viel Zeit muss ich denn im Büro verbringen? Gibt es die Möglichkeit, Workation im Ausland zu machen? Wie digital seid ihr? Wie agil seid ihr? Wie schnell kann ich bereichsübergreifende Projekte mitgestalten als Neuling?“ Und diesen Fragen muss man sich stellen, da muss man Antworten drauf geben – und zwar realistische und ehrliche Antworten. Wenn man den Leuten ein X für ein U vorzumachen versucht, was man im betrieblichen Alltag dann nicht durchhält, dann sind die Leute noch schneller weg, dann gucken sie sich noch schneller um. Wichtig sind Klarheit und Wahrheit und auch als Führungskraft kontinuierlich an der Attraktivität der Arbeit zu arbeiten. Man darf auch nicht den Fehler machen, sich nur auf die, die man sucht, zu konzentrieren, weil man dann gegebenenfalls den Eindruck erweckt, dass man diejenigen vergisst, die sehr treu und sehr loyal über Jahre und Jahrzehnte dabei geblieben sind. Das hat dann auch eine enorme Sprengkraft und deshalb muss man diese Balance tatsächlich gerade in einem wachsenden Organismus sehr gut im Auge behalten. Es ist schon sehr anspruchsvoll geworden. Das Personalthema ist, muss ich sagen, in den letzten Jahren zu einem sehr, sehr starken Thema geworden im Vergleich zu all meinen Berufsjahren davor.

Es wurde schon gesagt, dass die Entwicklung teils lange im Voraus absehbar war. Wie hoch ist da dann der Frust?
JK – Es ist kein Frust. Es ist einfach so, dass man diese Herausforderung jetzt vernünftig beantworten muss. Denn wenn Frust in den Positionen, in denen Herr Döring und ich sind, eine Grundlage der Arbeit wäre, hätten wir uns an der falschen Stelle einsortiert. Es geht darum, das anzunehmen und damit umzugehen. Diese Entwicklungen waren schon vor Corona erkennbar, der demografische Wandel ist mit extrem langem Anlauf erkennbar gewesen. Nur die Dynamik ist eine andere. Jetzt muss man Antworten finden und ich finde es genau richtig, dass man offen und ehrlich ist. Das ist bei uns in der Branche auch wichtig, weil die Herausforderungen, die unsere Arbeitsplätze nicht für jeden gleichermaßen attraktiv machen, natürlich geblieben sind. Wir haben nun mal mit Veranstaltungen zu tun: Da sieht man gerne die bunten Scheinwerfer und die furchtbar wichtigen Menschen und Stars, mit denen man in Berührung kommt. Aber den Leuten muss eben auch klar sein, dass wir dabei die Dienstleister sind, die dafür sorgen, dass die Bühne für andere bereit ist und alles funktioniert. Das ist oft weit weniger sexy und spannend, als es auf den ersten Eindruck erscheinen mag. Ich habe auch bereits einzelnen Leuten gesagt: „Wissen Sie, ich habe ja verstanden, dass es das Thema der Work-Life-Balance gibt. Aber, wenn daraus eine Life-Work-Balance wird, dann wird es schwierig in unserer Branche.“ Was wir in unserer Branche haben ist eine große Flexibilität bezüglich Zeit und Aufwand und teilweise eine sehr projektbezogene Arbeitsstruktur, die viel Spielraum für unabhängige, selbstständige Arbeitsabläufe lässt. Das schafft Spielräume für Menschen, die gewohnt sind Verantwortung eigenständig in Arbeitsleistung umzusetzen und entspricht damit, meiner Meinung nach, durchaus in Teilbereichen an vielen Stellen den neuen, veränderten Erwartungen.

PD – Ich glaube, wir tun alle gut daran, das Thema Leistungsbereitschaft und Ergebnisorientierung auch in den Mittelpunkt unserer Führungsarbeit zu rücken und die Frage, wie man dann am Ende zum Ergebnis kommt, etwas in den Hintergrund zu stellen. Das ist die neue Führungsarbeit und die neue Führungsaufgabe, denn wir alle – und das merke ich auch an den Beschäftigten – haben den Anspruch, dass der Laden läuft. Und das immer wieder zu betonen, ist auch nicht falsch und auch nicht altmodisch. Trotzdem entbehrt das niemanden vor der Verantwortung und der Pflicht, einfach abzuliefern.

Wie sieht es denn mit der Erwartung für die nächsten Jahre aus? Wenn man von außen drauf guckt, dann kann ja die Erwartung eigentlich gar nicht groß sein, dass sich das über die nächsten Jahre irgendwie bessert.
PD – Ja, das wird so sein. Die Demografie hält sich … und die in den 70er-Jahren nicht geborenen Frauen werden heute auch keine Kinder bekommen. Das ist relativ einfach. Aber die Frage, wie die Menschen auf den Arbeitsmarkt blicken, die wird sich verändern. Ich bin ganz sicher, dass wir über die Frage, ob die Rente mit 63 eine kluge Entscheidung war, zunehmend kritischer diskutieren werden. Und ich nehme bei meinen älteren Arbeitnehmern auch wahr, dass die sehr gerne im Betrieb bleiben wollen, nur nicht Vollzeit. Also muss ich flexible Modelle bauen und sagen, dann fährst du eben bis 67 aus und arbeitest zwei Drittel, 50 Prozent, ein Drittel, aber du bleibst. Dieses Fallbeil, das wir in vielen Berufen immer noch haben, dass es mit 64½ oder wann auch immer zu Ende ist, ist falsch: Dann bist du von 100 auf 0. Das ist so gestrig. Wir können den Unternehmen flexible Modelle anbieten und sollten das auch zunehmend tun. Aber wir brauchen dann auch die Rahmenbedingungen, dass es für beide Seiten attraktiv ist, und dann werden auch genügend Menschen länger in der Arbeit bleiben.

JK – Ich glaube auch, dieses Thema ist ein Wechselspiel. Also die Erwartungen, dass es besser wird, habe ich sehr wohl. Wobei, die Dinge müssen sich unter den neuen Parametern einfach neu finden. Und das wird passieren. Die jungen Menschen haben ja auch heutzutage vergleichbare Qualitäten und wollen sich entwickeln und Perspektiven aufgezeigt bekommen und Dinge erreichen. Die Autonomiebereitschaft muss einfach eine sein, die Work und Life miteinander kombiniert. Und wenn das Miteinander in neue Formate übergeht und wir dann auch Chancen nutzen, Menschen, die fehlen, durch Optimierungsprozesse in technischer und anderer Hinsicht sozusagen zu ergänzen und uns dann neu aufzustellen, dann wird das auch ein Modell sein, das funktioniert.

PD – Ich würde mal gerne auch über die Frage sprechen, wie attraktiv eigentlich Hannover für den Nachwuchs ist? Die Debatte, die die Stadtgesellschaft gerade über das Image Hannovers führt, verbindet uns natürlich auch. Und deshalb lohnt es sich vielleicht auch darüber zu diskutieren, wie wir es schaffen, dass Hannover seine Attraktivität steigert. Wir müssen uns fragen: „Wie wollen wir eigentlich sein?“. Ich glaube, die Debatte beginnt gerade an vielen Stellen in der Stadt. Und die Frage, wie attraktiv Hannover auch als Standort ist, ist für ein Unternehmen, das hier Arbeitskräfte sucht, extrem wichtig.

Wie erklärt ihr euch das schlechte Image?
PD – Schlecht ist es, glaube ich, nicht. Ich glaube, wir haben gar keins.

JK – Ich glaube, die neue Diskussion, was das Image angeht, ist gar nicht so ganz neu. Zukünftig wird es, wahrscheinlich noch ein wenig mehr als in der Vergangenheit, darum gehen, dass man versucht, herausragende Themen herausragend zu positionieren. Also die Leuchttürme zu definieren und zu bestimmen. Es ist wichtig, die Grundlage – also das, worin man gut ist – zu verbessern und stärker zu werden und weniger darum, etwas anzufangen, bei dem man sich eher im hinteren Wettbewerbssegment befindet. Die Plattform ist hervorragend. Da ist wird in Hannover teilweise immer noch dramatisch unterschätzt. Im Übrigen häufig von den Hannoveraner*innen selber.

PD – Ja, das sehe ich komplett genauso. Wir haben Zentralität, also Erreichbarkeit – mega. Die Lebensqualität, wenn man den Radius von 400 Metern rund um den Bahnhof mal ausblendet, ist super. Einkaufsmöglichkeiten, gastronomische Möglichkeiten, auch wieder Sterneküchen. Auch das macht viel aus für das Image einer Stadt. Wir haben mit den Gärten, mit dem Maschsee, mit der Eilenriede, Naherholungsmöglichkeiten wie kaum eine Stadt in unserer Größe. Und wir haben so wahnsinnig diverse Stadtteile, aber ein bisschen mehr Selbstbewusstsein – da bin ich total bei Herrn König – ist auch nicht falsch. Ich gehöre ja, wie gesagt, zu den enthusiastischen Hannoveranern. Ich habe zum Beispiel entschieden, dass der jährliche große Kongress, den wir früher immer irgendwo in Deutschland abgehalten haben, nicht nur jetzt im Jubiläumsjahr – 60 Jahre Wertgarantie –, sondern auch zukünftig immer hier stattfindet. Hier ist unser Standort, hier ist die Firma gegründet worden, hier ist die Veranstaltung. Auch das ist ein Mindset. Und da fehlt es uns manchmal auch. Das Besondere an Hannover war doch früher, dass wir irgendwie immer diese Internationalität, die eine große Industriemesse mitbringt, auch gespürt haben in den Restaurants, in der Kultur, überall … Dann ist da immer was hängen geblieben. Und dann ist es so ein bisschen verloren gegangen, finde ich.

JK – Es ist dann auch die Herausforderung als Partner der Veranstalter in jeder Stadt, wo große Messen und Kongresse stattfinden, attraktive, unterstützende Geschichten zu entwickeln und Teile der neuen Formate in die Stadt zu holen. Die Menschen merken natürlich, wenn sie von auswärts kommen, ob sie willkommen sind oder nicht. Also diese Gastfreundschaft, die muss in der Breite und authentisch da sein. Und auf der Gastfreundschaft basiert dann der Erfolg in der mittelfristigen Ausprägung. Und das erfordert ganz häufig einen anderen Aufwand und eine andere Anstrengung, als früher. Da war es nämlich schon einmal unkomplizierter und bequemer. Am Beispiel Veranstaltungen festgemacht: Das Konzept für eine Ballveranstaltung. Das hat man vor zehn, zwanzig Jahren einmal gemacht – und dann hat man zehn Jahre lang nichts ändern müssen … außer, dass man jedes Jahr die Band getauscht hat. Wenn ich heute nicht bei jedem Format jedes Jahr mindestens drei, vier neue Aspekte anbiete, sagt das kritischere, jüngere Publikum mit weniger Treue zur Veranstaltung sofort: „Das ist ja doof und langweilig, da gibt es ja andere Formate, dann gehe ich da hin.“ So ähnlich sind eigentlich auch die neuen Herausforderungen, sowohl in der Stadt als auch in der gesamten Entwicklung, im Kongress-, Messe- oder Eventbereich.

Christian Kaiser

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